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D as zerknitterte Schild, so groß wie zwei Blatt Papier, liegt gleich obenauf im ersten Karton. „Wer sein Volk verrät stirbt“, hat jemand mit schwarzer Tusche draufgemalt und den schwarzen Abdruck seiner linken Hand dahintergesetzt, wie ein Ausrufezeichen. Fünf Kartons aus weicher, grauer Pappe. In jedem Karton ein bisschen mehr Wahr- heit, gebündelt in fleckigen Aktenmap- pen, verschnürt durch ein helles Baum- wollband. Ich habe mehr als zehn Jahre ge- braucht, um diese Kartons zu finden. Weil ich mir lange nicht sicher war, ob ich sie finden wollte. Solche Sätze habe ich gefürchtet, ohne sie zu kennen: „... ersuchte jemand von der Gauleitung Schnibben telefonisch, in zwei weiteren Fällen Volksschädlinge ver- schwinden zu lassen“. „Schnibben hat vorgeschlagen, Rogges Hof abzubrennen.“ „Schnibben hat alles geleugnet und es unternommen, die Schuld auf andere ab- zuschieben.“ „Sein Verhalten hat in diesem Verfah- ren ein so ungünstiges Licht auf seine Wahrheitsliebe geworfen, dass er als völ- lig unglaubwürdig anzusehen ist.“ Schließlich: „Jede unzulässige Verstän- digung zwischen dem Untersuchungs- gefangenen und seiner Ehefrau, die eben- falls zu dem weiteren Kreis der Personen, die an der den Gegenstand dieses Verfah- rens bildenden Mordtat beteiligt sind, un- terbleibt.“ Es sind Sätze aus Vernehmungsproto- kollen und Gerichtsurteilen, durch die ich zwei Menschen kennenlerne, die meine Eltern sein sollen. Georg Schnibben, der zusammen mit anderen am 14. April 1945 im niedersächsischen Dötlingen einen Bauern getötet hat; und Elfriede Schnib- ben, auch sie eine fanatische Anhängerin des Führers und Teil jener „Kampfgruppe Wichmann“ aus Freiwilligen, die kurz vor Kriegsende Jagd auf kriegsmüde Deut- sche machen. Die fünf Kartons lassen mich tief ins Hirn meiner Eltern schauen: wie sie ge- redet, wie sie gedacht, was sie gemacht haben, als ich noch nicht auf der Welt war. Zwei Menschen, die mir unheimlich sind, in ihrer Unmenschlichkeit, in ihrem Fanatismus, in ihrer Verlogenheit. Zwei Menschen, die mir vertraut sind, weil sie mich zu dem gemacht haben, der ich bin. Dass mein Vater ein überzeugter Na- tionalsozialist war, überrascht mich nicht. Er blieb es bis zu seinem Tod mit 83 Jah- ren. Dass er zusammen mit anderen – heimtückisch, kaltherzig – einen Bauern umgebracht hatte, der das Ende des Krie- ges herbeisehnte, schockiert mich. Dass meine Mutter – sie starb, als ich zwölf Jahre alt war – eine Nazi-Mutter war, verändert den Blick auf meine Kindheit radikal. Meine Eltern waren – das erzählen mir die Akten – wie jene Millionen Deutsche, die in Filmen, Fernsehsendungen und Ro- manen über Hitlers Volk nur am Rande vorkommen, die Unterstützer und Voll- strecker eines Regimes, dessen Macht dar- auf beruhte, Georg und Elfriede Muster- nazi mit Arbeit, Privilegien und Lebens- sinn zu versorgen. Eigentlich war schon alles vorbei, Mitte April 1945: Im Osten zerlegte die Rote Armee das „Tausendjährige Reich“, in Hessen und im Ruhrgebiet standen die Einheiten der U.S. Army, und im Norden rückten britische Truppen jeden Tag wei- ter Richtung Bremen und Hamburg vor. Der Soldat Georg Schnibben, 30 Jahre Titel 62 Mein Vater, ein Werwolf Was passiert, wenn man entdeckt, dass der eigene Vater ein Verbrecher ist? Was ist, wenn man ihn nach seinem Tod als einen Menschen kennenlernt, der so fremd ist, wie ein Vater nie sein kann? Von Cordt Schnibben Urlauber Schnibben an der Ostsee 1963 „Volksschädlinge verschwinden lassen“ der spiegel 16/2014

Titel Mein Vater, ein Werwolf - DER SPIEGEL

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Das zerknitterte Schild, so groß wiezwei Blatt Papier, liegt gleichobenauf im ersten Karton. „Wer

sein Volk verrät stirbt“, hat jemand mitschwarzer Tusche draufgemalt und denschwarzen Abdruck seiner linken Handdahintergesetzt, wie ein Ausrufezeichen.Fünf Kartons aus weicher, grauer Pappe.In jedem Karton ein bisschen mehr Wahr-heit, gebündelt in fleckigen Aktenmap-pen, verschnürt durch ein helles Baum-wollband.

Ich habe mehr als zehn Jahre ge-braucht, um diese Kartons zu finden.Weil ich mir lange nicht sicher war, obich sie finden wollte.

Solche Sätze habe ich gefürchtet, ohnesie zu kennen: „... ersuchte jemand vonder Gauleitung Schnibben telefonisch, inzwei weiteren Fällen Volksschädlinge ver-schwinden zu lassen“.

„Schnibben hat vorgeschlagen, RoggesHof abzubrennen.“

„Schnibben hat alles geleugnet und esunternommen, die Schuld auf andere ab-zuschieben.“

„Sein Verhalten hat in diesem Verfah-ren ein so ungünstiges Licht auf seineWahrheitsliebe geworfen, dass er als völ-lig unglaubwürdig anzusehen ist.“

Schließlich: „Jede unzulässige Verstän-digung zwischen dem Untersuchungs -gefangenen und seiner Ehefrau, die eben-falls zu dem weiteren Kreis der Personen,die an der den Gegenstand dieses Verfah-rens bildenden Mordtat beteiligt sind, un-terbleibt.“

Es sind Sätze aus Vernehmungsproto-kollen und Gerichtsurteilen, durch die ichzwei Menschen kennenlerne, die meineEltern sein sollen. Georg Schnibben, derzusammen mit anderen am 14. April 1945im niedersächsischen Dötlingen einenBauern getötet hat; und Elfriede Schnib-ben, auch sie eine fanatische Anhängerin

des Führers und Teil jener „KampfgruppeWichmann“ aus Freiwilligen, die kurz vorKriegsende Jagd auf kriegsmüde Deut-sche machen.

Die fünf Kartons lassen mich tief insHirn meiner Eltern schauen: wie sie ge-redet, wie sie gedacht, was sie gemachthaben, als ich noch nicht auf der Weltwar. Zwei Menschen, die mir unheimlichsind, in ihrer Unmenschlichkeit, in ihremFanatismus, in ihrer Verlogenheit. ZweiMenschen, die mir vertraut sind, weil siemich zu dem gemacht haben, der ich bin.

Dass mein Vater ein überzeugter Na-tionalsozialist war, überrascht mich nicht.Er blieb es bis zu seinem Tod mit 83 Jah-ren. Dass er zusammen mit anderen –heimtückisch, kaltherzig – einen Bauernumgebracht hatte, der das Ende des Krie-ges herbeisehnte, schockiert mich. Dassmeine Mutter – sie starb, als ich zwölfJahre alt war – eine Nazi-Mutter war, verändert den Blick auf meine Kindheitradikal.

Meine Eltern waren – das erzählen mirdie Akten – wie jene Millionen Deutsche,die in Filmen, Fernsehsendungen und Ro-manen über Hitlers Volk nur am Randevorkommen, die Unterstützer und Voll-strecker eines Regimes, dessen Macht dar -auf beruhte, Georg und Elfriede Muster-nazi mit Arbeit, Privilegien und Lebens-sinn zu versorgen.

Eigentlich war schon alles vorbei, MitteApril 1945: Im Osten zerlegte die RoteArmee das „Tausendjährige Reich“, inHessen und im Ruhrgebiet standen dieEinheiten der U.S. Army, und im Nordenrückten britische Truppen jeden Tag wei-ter Richtung Bremen und Hamburg vor.Der Soldat Georg Schnibben, 30 Jahre

Titel

62

Mein Vater, ein Werwolf

Was passiert, wenn man entdeckt, dass der eigeneVater ein Verbrecher ist? Was ist, wenn man ihn

nach seinem Tod als einen Menschen kennenlernt, der so fremd ist, wie ein Vater nie sein kann?

Von Cordt Schnibben

Urlauber Schnibben an der Ostsee 1963 „Volksschädlinge verschwinden lassen“

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alt, war mit einem Bauchsteckschuss vomRussland-Feldzug heimgekehrt und wehr -untauglich, seine Mutter und seineSchwester, in Bremen ausgebombt, ka-men bei Bauern in Dötlingen in der Nähevon Wildeshausen unter.

Adolf Hitler saß im Führerbunker inBerlin, noch zwei Wochen vom Selbst-mord entfernt. Joseph Goebbels schriebam 1. April in sein Tagebuch, „dass dieMoral sowohl bei der Bevölkerung alsauch bei der Truppe außerordentlich ab-gesunken ist“.

Georg Schnibben war den Aufrufen derNS-Führer gefolgt, sich „in der Heimat -erde festzukrallen“, gegen den „Bolsche-wismus“ und die „Truppen des Juden-tums“ Widerstand zu leisten, die „Ausrot-tung des deutschen Menschen“ zu verhin-dern. Er trat, wie er im Juli 1945 bei seinerersten Vernehmung zu Protokoll gibt,dem Freikorps Adolf Hitler bei. Als Mit-glied der „Kampfgruppe Wichmann“ soll-te er sich von britischen Truppen im GauWeser-Ems „überrollen lassen und in Zivildem Feind Schaden zufügen“. Sein Kom-mandant Heinz Wichmann bekam vomGauleiter den Auftrag, dass „Volksverräterund Defaitisten und ähnliche Elementemit aller Schärfe und Schnelligkeit ausge-merzt“ werden müssten.

„Werwölfe“ wurden diese fanatischenEndkämpfer von den Nazi-Führern ge-nannt. Im Befehl Hitlers zur Aufstellungvon Freikorps heißt es im März 1945: „Nurentschlossene, tapfere Männer und Frau-en jeden Alters sind für diese be sonderenKampfaufgaben geeignet.“ Die Namen„der für die Sonderaufgaben geeignetenPersonen“ sollen „unter dem Stichwort,Werwolf‘ bei den SS-Führern gemeldetwerden“. Die Nazi-Führer sahen in ihneneine Wunderwaffe, um bei den Alliiertendie Angst vor einem Guerillakrieg zu schü-ren, vor allem aber durch Terror gegenDeutsche und mit Morden „die Welle desVerrats“ zu stoppen.

Wenn ich versuchte, mit meinem Vaterüber seine Jahre unter Hitler zu reden,dann flüchtete er sich immer in die glei-che Verteidigungsspirale: Sein Idealismus,sein Einsatz für die richtige Idee des Na-tionalsozialismus, seine Vaterlandsliebeseien missbraucht worden von Hitler undseinesgleichen. Es sei ihm darum gegan-gen, die Schmach der Niederlage im Ers-ten Weltkrieg auszumerzen und die „de-mütigenden Fesseln des Versailler Vertra-

ges“ abzustreifen, er wollte wieder stolzauf Deutschland sein können.

Was mich heute verstört: Ich habe niehart genug nachgefragt, was er denn ge-macht habe von 1933 bis 1945, erst aus sei-nen Angaben gegenüber den britischenErmittlern und den deutschen Richternwurde mir nun sein Lebenslauf klar. In ei-nem sozialdemokratischen Elternhaus alsSohn eines Schlossers aufgewachsen, Leh-re als Holzhändler, arbeitslos, seit Mai ’33Mitglied der NSDAP, Angestell ter beimDeutschnationalen Handlungs gehilfen-Verband, ab April ’35 Redak tionssekretärder nationalsozialistischen „Bremer Zei-tung“, ab November ’38 Geschäftsführerbei der Hitlerjugend, ab August ’39 Soldat,im Russland-Feldzug zweimal verwundet,als Oberleutnant im Juli 1944 aus derWehrmacht entlassen, danach in der Ge-bietsführung Nordsee der Hitlerjugend.Also der Lebenslauf eines jungen Arbei-ters, der mit 20 Jahren Nationalsozialistwird und so Karriere macht. Und der sicheigentlich nach zehn Jahren eingestehenmüsste, dass sein Leben auf dem Dienstfür ein Verbrecherregime beruht.

Sein Leben, seine Ideale, seine Ent-täuschung, seine Irrtümer, seineKriegserlebnisse, seine Verbrechen

hätten das Material sein können für vieleGespräche zwischen Vater und Sohn. Erwollte nicht, und mir reichte es – 15, 16Jahre alt –, die Faschisten als Mörderban-de anzuprangern und mich gegen Juden-witze am Mittagstisch zu wehren.

Bei meinen Freunden lief es zu Hauseähnlich, wir rechneten mit der Genera tionunserer Väter ab, ohne mit unseren Väternzu reden. Wir fragten nicht, wir urteilten,wir gaben ihnen nicht die Chance, unsihre Welt zu erklären. Wir haben in unseinen eisernen Vorhang hochgezogen, umuns vor der Geschichte unserer Eltern zuschützen, wir haben uns eingebildet, un-berührt und elternlos die Welt verändernzu können. Um den Holocaust könne mansich nicht auch noch kümmern, hat somancher Studentenführer der 68er geant-wortet, wenn er gefragt wurde, warumsich seine Generation so wenig mit denkonkreten Nazi-Erfahrungen der Eltern-generation beschäftigte. Wir beschäftigtenuns mehr mit dem Vietnam-Krieg als mitdem Zweiten Weltkrieg, der Faschismusin Chile war uns wichtiger als der Faschis-mus in Deutschland.

Als ich unser Elternhaus räumen muss-te, weil mein Vater nur noch im Heimausreichend betreut werden konnte, undich Zeitungsausschnitte fand über denKriegsverbrecherprozess gegen ihn, wares zu spät. Er war allein und zu schwach,um sich noch rechtfertigen zu können.

Ich vermute, meine Mutter hatte dieArtikel aus der „Nordsee-Zeitung“ aus-geschnitten und aufgeklebt, das Akribi-sche sprach dafür, auch Artikel über dieNürnberger Kriegsverbrecherprozessewaren dabei. Was die kleinen Verbrecherin Oldenburg zu Protokoll gaben, hörtesich aus dem Mund der großen Verbre-cher in Nürnberg ähnlich an.

Teil dieser Sammlung waren auchhandgeschriebene Briefe zwischen mei-ner Mutter und ihrem inhaftierten Mann,teilweise rührende Liebesbekenntnisse,teilweise abstoßende Handlungsanwei-sungen für die Prozesse. Schon durch die-se Briefe bekam ich eine Ahnung davon,dass meine Mutter auch die ideologischeGefährtin meines Vaters gewesen war.Gewissheit brachten die Aktennotizender Staatsanwälte, die sie als Mitwisserindes Mordes einstuften und ihr deshalb –wegen Verdunklungsgefahr – jahrelangBesuchszeiten verweigerten.

Über meinem Bett im Kinderzimmerhing lange Zeit ein Foto von ihr, es zeigteeine mutige junge Pilotin mit Sieger -lächeln, das ich gern meinen Freundenals Erinnerungsbild an eine sportliche,wagemutige Mutter präsentierte. Nun er-fuhr ich, dass es auf dem Flugplatz Joelbei Dötlingen gemacht worden war, demStützpunkt der Kampfgruppe.

Ich habe Jahre gebraucht, um den Wegvon den Zeitungsartikeln bis zu den Ak-ten zu Ende zu gehen. Anfragen bei denGerichten blieben erfolglos, aber da warauch die Scheu vor der Wahrheit. Malnahm ich mir vor, die Hinterbliebenendes Bauern in Dötlingen zu besuchen, malwollte ich sie nicht belästigen mit meinerSehnsucht nach Vergebung, Sühne oderwonach auch immer. Bücher von Nach-kommen der Nazi-Täter waren mir langesuspekt, ich wollte keine Geschichte lesenvon Leuten, die sich ihr Leben als Kindervon Tätern erträglicher machen, indemsie sich zu Opfern machen. Und da wardie Befürchtung, zu ungerecht zu sein, zuselbstgerecht oder zu verständnisvoll.

Schließlich half mir, dass ich im Inter-net den Namen eines Dötlingers fand,dem der Mord an dem Bauern seit Jahr-zehnten keine Ruhe lässt, weil KarstenGrashorn der Enkel des besten Freundesdes Toten ist und sich für ein Mahnmalin dem Ort einsetzt.

Über ihn kam ich an Fotos aus derNazi-Zeit und an den Hinweis, dass dieAkten im Staatsarchiv in Oldenburg lie-gen, in fünf grauen Pappkartons.

Bis heute ist der Mord unter Dötlingernein Tabuthema, weil viele Familien glau-

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Mein Vater bewegte sich als Werwolfdurch die Nachkriegsjahre,tagsüber war er der biedere Reisende,nach Einbruch der Dunkelheittauchte er ab in sein braunes Rudel.

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dort untergebrachten Flüchtlinge mit-bestrafe.

Wilhelm Piening, 49 Jahre alt, seit Mai1932 in der NSDAP, bei der SA angestellt,bekommt zusammen mit Cordes den Auf-trag, in der Nacht noch mal mit Brocks -hus zu sprechen. Bei Kerzenlicht erwei-tert der die Klagen über Rogge noch umden Hinweis, dieser habe Dorfbewohnerngedroht, sie wegen ihrer Hitler-Treue andie heranrückenden Briten zu verraten,und dann würden sie alle gehenkt. „DerMann muss weg“, gibt Brockshus denMännern der Kampfgruppe mit auf denWeg. Auf den Gedanken, den Bauern zuvernehmen, kommen sie nicht. Alle Vor-würfe gegen ihn werden später in denProzessen verworfen.

Der Kampfgruppen-Kommandant HeinzWichmann, 30 Jahre alt, 1931 Eintritt inden NS-Schülerbund, Funktionär in derHJ, im Krieg von 1939 bis Juli 1944, seiteiner Woche Kommandant der Kampf-gruppe, gibt morgens den Befehl: „Um-legen, Piening, umlegen!“

Doch wegen eines befürchteten Panzer -angriffs verschiebt sich die Abfahrt. Kom-

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ben, irgendwie verstrickt zu sein. Als „Gau-musterdorf“ war der Ort eine Hochburgder NSDAP und der Bauer Willi Rogge einbekannter „Querulant, Demokrat, Quer-treiber“, wie er von den örtlichen Partei-leuten bezeichnet wurde. Vor 1933 war derBauer im Gemeinderat und fiel danach im-mer wieder durch eine Gesinnung auf, diein einer „rein national eingestellten Ge-meinde“ nicht hingenommen wurde. 1939heißt es in amtlichen Akten über ihn: „Rog-ge zeigt auch nach sechsjähriger national-sozialistischer Regierung keine Besserung.“

Nach Kriegsende wandte sich ein Ein-wohner Dötlingens an die „Militärregie-rung“ in Oldenburg mit der Bitte, denMord an Rogge aufzuklären, und fügteeine Liste von Anstiftern bei, unter ihnenein Geschäftsmann, ein Bahnbeamter, einViehhändler und ein Bäcker.

Die Kampfgruppe Wichmann wardurch den stellvertretenden Ortsgruppen-leiter der NSDAP, Heinrich Brockshus,auf Rogge aufmerksam geworden. DerBauer, so der Vorwurf, sollte Farbe, Schu-he und Kleidung aus dem Vorratslagerdes Reichsarbeitsdienstes entwendet ha-ben, ein mutmaßlicher Plünderer also.

Am Abend des 13. April 1945 kommtes in Huntlosen, nordwestlich von Dötlin-

gen gelegen, in der örtlichen Gewerbe-schule zu einer Besprechung, die acht Jah-re lang Gerichte beschäftigen wird. DerKampfgruppenkommandant Heinz Wich-mann, so wird aus den Akten deutlich,hat seinen Adjutanten Schnibben, denLandrat und die Freiwilligen Wilhelm Piening und Heinrich Cordes zusammen-gerufen, um sich über den beschuldigtenBauern ein Urteil zu bilden. Schnibbenmuss später für die Staatsanwaltschafteine Skizze anfertigen, weil er behauptet,bei der Besprechung nur anwesend gewe-sen zu sein, aber wegen vieler Telefonatenichts mitbekommen zu haben.

Heinrich Cordes, 35 Jahre alt, seit1929 in der NSDAP und in derSA, trägt in der Runde vor, was

der NSDAP-Mann ihm gesagt hat.Schnibben verweist auf einen Befehl desGeneralobersten Blaskowitz, dass Plün-derer und Verräter rücksichtslos bestraftwerden müssten, alle sind sich einig dar -in, dass der Bauer – angesichts „der erns-ten Lage des Vaterlandes, wo täglich Tau-sende unserer Soldaten fallen“ – sein„Recht zu leben verwirkt“ habe. Cordestritt dem Vorschlag Schnibbens entgegen,auch den Hof anzuzünden, weil man die

Werwolf-Schild vom Tatort„Querulant, Demokrat, Quertreiber“

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mandant Wichmann kehrt um 15.30 Uhrvon einem medizinischen Eingriff zurück,legt sich schlafen, sagt seinem Adjutan-ten, er wolle nicht gestört werden, wirdaber von Schnibben nach 30 Minuten ge-weckt. Was denn nun in Dötlingen un-ternommen werden solle, fragt mein Va-ter, die Bevölkerung müsse geschütztwerden. Wichmann lässt Piening kom-men, gibt ihm den Befehl, Rogge zu er-schießen. Schnibben soll Piening Leutemitgeben.

Piening sagt zu Schnibben, der im Stütz-punkt bleibt, vor der Abfahrt, das sei ein„verdammter Auftrag“. Mein Vater antwor-tet: „Hilft nichts, Piening, es muss sein!“

Piening trifft an der Tür Adeline Rogge,die Ehefrau, und den Sohn, sagt ihnen,Willi Rogge müsse dringend zum Ge-fechtsstand der Kampfgruppe kommen.Der schon schlafende Bauer – es ist 21Uhr – wird geweckt, steigt ins Auto.

Der Fahrer bringt das Auto nach kurzerFahrt zum Halten. Piening fordert Roggeauf, in ein anderes Auto umzusteigen. Alsder aussteigt, sich aufrichtet, entsichertPiening die Pistole, tritt schräg von hintenan Rogge heran und schießt ihm aus kur-zer Entfernung in die linke Schläfe.

Ein Mitfahrer feuert einen zweitenSchuss auf den fallenden Bauern, trifft

dessen rechtes Schulterblatt. Pieningdrückt noch mal ab, seine Kugel zertrüm-mert die linke Schädelseite über demJochbein. Sie heben die Leiche an denGraben neben der Straße und legen ihmdas Schild auf die Brust: „Wer sein Volkverrät stirbt.“

Piening meldet Wichmann am nächs-ten Morgen: „Volksverräter Roggeist hingerichtet.“ Schnibben fährt

nachmittags zur Gauleitung, erstattet Be-richt und verfasst zusammen mit demSchriftleiter des Gaupressedienstes dieMeldung, die am nächsten Tag in der „Ol-denburgischen Staatszeitung“ erscheint.

„Verräter gerichtet. Am Ortseingangvon Dötlingen wurde am Sonntagmorgendie Leiche eines Mannes gefunden. Eshandelt sich um einen sattsam bekanntenbolschewistenfreundlich eingestellten Döt -linger Einwohner, der in den letzten Ta-gen wiederholt geäußert hat te, er wolledeutschbewusste Männer und Frauendem Feind ausliefern. Rächer deutscherEhre haben diesem Vaterlandsverräterden verdienten Lohn ausgezahlt.“

Die britischen und kanadischen Trup-pen rücken weiter voran, die Kampfgrup-pe weicht zurück. Zwei Wochen späterist der Krieg vorbei.

Als erster Täter wird Cordes festge-nommen, am 11. Juni 1945, weil ein briti-scher Besatzungsoffizier einen vertrauli-chen Hinweis eines Dötlingers bekom-men hat. Cordes gibt sofort die Namenseiner vier Mittäter preis, am 15. Juniwird Piening, der Hauptschütze, in Bre-men festgenommen. Georg Schnibbennehmen die Polizisten am 12. Juli fest, inWehdel im Kreis Wesermünde, wie es imArrest-Report an die britische Besat-zungsmacht heißt.

In den ersten Vernehmungen äußernsich die Täter unterschiedlich zur Tat. IhrTraum von einem selbstbewussten, mäch-tigen Deutschland ist zerbombt, ihr Va-terland von Besatzungsmächten zerlegt,ihr geliebter Führer hat sich umgebracht,ihre Familien sind zerstreut, sie selbst ste-hen vor einer ungewissen Zukunft. Undnun müssen sie sich verantworten für eineTat, die sie noch drei Monate vorher alsDienst am Volk gesehen haben, für diesie von der Gauleitung gelobt und in derZeitung gefeiert wurden.

Wilhelm Piening, der Todesschütze, istderjenige unter den Tätern, der den größ-ten Wendekreis hat. Er braucht lange, umzu begreifen, dass seine Schüsse unter bri-tischer Besatzungsmacht anders zu be-werten sind als unter Hitler. In einem

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mehrseitigen handschriftlichen Brief anseinen Rechtsanwalt bringt er seine auchim November 1945 noch ungebrochenenationalsozialistische Weltsicht in Stel-lung, um zu begründen, warum die imAktenverkehr benutzte Bezeichnung„Mordsache Piening“ eine „irrige Beein-flussung der Richter und der Öffentlich-keit“ darstelle. Er schlägt als neutrale For-mulierung vor: „Erschießung des Plünde-rers und Volksverräters Rogge“, da dieErschießung von Überläufern „eine mili-tärische Notwendigkeit“ sei.

Schnibben dagegen ist derjenige unterden Tätern, der schon in der ersten Ver-nehmung durch seine Antworten erken-nen lässt, dass er die Umkehrung derMaßstäbe begriffen hat, und deshalb kon-sequent seinen Anteil an der Tat zu ver-wischen versucht.

Er beschuldigt Cordes, mit Rogge eineoffene Rechnung gehabt zu haben unddeshalb zu ihm gefahren zu sein, um ihm„eine Tracht Prügel“ zu verpassen.

Cordes und Piening setzen sich in denfolgenden Vernehmungen gegen die Äu-ßerungen Schnibbens zur Wehr, beschul-digen ihn, der eigentliche Inspirator desMordes gewesen zu sein, auch die beidenanderen Mittäter bestätigen später dieseAussage.

Während der gemeinsamen Überfüh-rung der Verhafteten von Delmenhorstin die Untersuchungshaft nach Oldenburgversuchen sie, sich auf eine gemeinsameVersion zu verständigen. Schnibbenschlägt vor, alles auf den – zu diesemZeitpunkt noch nicht verhafteten – Kom-mandanten Wichmann und dessen Be-fehle zu schieben. Schon zuvor haben dieTäter sich darauf verständigt, sich nichtfreiwillig zur Kampfgruppe gemeldet zuhaben, sondern einen Stellungsbefehl be-kommen zu haben. Den Tätern dämmert,dass ihre Strafen härter ausfallen werden,wenn sie als Werwölfe auftreten.

Die NS-Propaganda hatte die Werwöl-fe größer und gefährlicher gemacht, alssie tatsächlich waren. Über den SenderRadio Werwolf waren jeden Abend um19 Uhr Heldengeschichten verbreitet wor-den, über Attentate auf US-Soldaten,Sprengstoffanschläge, Überfälle auf Nach-schubtransporte und Strafaktionen gegen„Deserteure und Überläufer“.

Die britische Presse warnte vor denWerwölfen und „ihrem tollkühnen Kamp-feswesen“, die US-Truppen stellten sichauf einen „langen und bitteren Guerilla-krieg“ ein.

Die Inhaftierten der Kampfgruppe ver-suchen in den Vernehmungen den Ein-druck zu vermitteln, sie seien eigentlichreguläre Soldaten und als solche nach mi-litärischen Regeln zu beurteilen. Fanati-sche Freiwillige der letzten Stunde mitMordauftrag wollen sie nicht mehr sein,sondern ganz normale Befehlsempfänger,die zum Töten gezwungen wurden. Inder Vernehmung geben sie zu Protokoll,sie seien in Werwolf-Methoden geschult,dann jedoch als Freikorps militärisch ein-gesetzt worden.

Besonders Schnibben gibt sich großeMühe, den angeblich unpolitischen Cha-rakter der Kampfgruppe herauszustellen.Tatsächlich aber war die Kampfgruppemilitärisch nicht zu gebrauchen, die Aus-rüstung war lächerlich: hundert Männer,die Hälfte Jugendliche, zwei Autos, einKrad, ein paar Fahrräder, Handfeuerwaf-fen. Ihre Hauptaufgabe bestand darin,Jagd auf deutsche Soldaten zu machen,die desertieren wollten.

Da das Wachpersonal immer wiederKassiber der Gefangenen abfängt undSchnibben Druck auf den Haupttäter Pie-ning ausübt, verfügt der Staatsanwalt,dass Schnibben in ein anderes Gefängnis

verlegt wird, sein Anwalt kein Besuchs-recht mehr hat und auch meiner Mutterjeder Kontakt untersagt wird.

Meine Eltern hatten am 14. März 1946im Gefängnis geheiratet, am 1. Januar1945 war die erste Frau meines Vaters ge-storben. Da die Staatsanwaltschaft meineMutter Elfriede, geborene Kuhlebert, zuden Personen zählte, die an der Mordtatbeteiligt waren, sahen die Staatsanwälteeine „besondere Verdunklungsgefahr“und verlängerten die Besuchssperre im-mer wieder.

Hitler hatte in seinem Werwolf-Be-fehl ausdrücklich „tapfere Männerund Frauen jeden Alters“ zum

Kampf gerufen. Frauen wurden an Hand-feuerwaffen ausgebildet, in der Kampf-gruppe Wichmann waren sie mit Organi-sationsaufgaben beschäftigt, selbst Kü-chenfrauen waren in den Plan, Rogge umzubringen, eingeweiht.

Als nach dem Mord der Gauleiter dieGruppe besuchte und sich mit Wichmannund Schnibben zu einer Besprechung zu-sammensetzte, war auch eine Frau anwe-send. Meine Mutter? Denn als Schnibbenvernommen und nach dieser Frau gefragtwird, sagt er: „Den Namen dieser Fraukenne ich nicht. Erwähnen will ich nur,dass diese Frau von ihren Erlebnissen er-zählte, dabei einige Schnäpse getrunkenwurden.“

In den Briefen, die meine Mutter insGefängnis schickt, beschwört sie ihre na-tionalsozialistische Haltung, versichertmeinem Vater, „dass Du jetzt und späteralles von mir verlangen kannst, was die-ser Einstellung entspricht“. Über einengeheimnisvollen „Frontspaziergang“ am1. Mai 1945 tauschen sie sich aus, überdie Vernehmungen durch den Staatsan-walt, über Zeugen, die sie ansprechen sollund die ihn entlasten sollen, über den Er-mordeten, der in seinen Augen immernoch ein Plünderer ist.

„Treue“ ist in ihren Briefen das Syn -onym für: Wir denken so, wie wir vorhergedacht haben. Meine Mutter macht sichlustig über ein befreundetes Ehepaar:„Ich muss ja immer lachen, wenn sie ihreantifaschistische Einstellung zum Aus-druck bringt und er dann dabei sitzt wieein begossener Pudel und sich vergebenszu Wort meldet.“ Sie verstehe nicht,„dass eine Frau ihren eigenen Mann solächerlich machen kann“. Wie könne man

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Wenn es stimmt, dass Eltern äußere Regelnin innere Maßstäbe ihrer Kinder

verwandeln, wie erfolgreich warenmeine Nazi-Eltern bei mir? Wie

fremdbestimmt, wie antisemitisch bin ich?

Rekonstruktion des Mordes 1947, Angeklagter Brockshus, Opfer Rogge

„Juristisches Neuland“

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sich lieben, „wenn man sich gegenseitignicht achtet“.

Meine Eltern verstanden sich als zäheKampfgruppe: Sie versorgt ihn mit sau-berer Wäsche und ideologischem Bei-stand, mit Goethe-Zitaten und Ratschlä-gen für Vernehmungen; er kämpft hinterGittern mit Lügen, Kassibern und Dro-hungen dafür, möglichst schnell rauszu-kommen. Und er antwortet auf Goethemit Seneca: „Unsere geistige Haltung ver-leiht uns Adel, wenn wir die Kraft finden,uns aus jeder Lage über das Schicksal zuerheben.“ Im Gefängnis „stärken sichKampfbereitschaft, Mut und Ausdauerderart, dass uns diese Kraftquelle ermög-licht, das Schicksal in die Schranken zufordern“.

Sie sehen sich in einem „Schicksals-kampf“, das Wort fällt immer wie-der, zwei Unbelehrbare im Kampf

um den Endsieg, die beklagen, dass indiesem „Trümmerdeutschland“ nichtsmehr so ist wie in der Vergangenheit, woalles „mit wenig Mühe in den Schoß ge-fallen“ ist. „Partei ist wie ein Spuk ver-weht, ohne Saft und Kraft!“ So schreibensie sich zwei, drei Jahre nach einem Krieg,der alles widerlegt hat, an das sie geglaubthaben. „Krassester Materialismus, wohinman schaut!“, klagt mein Vater. „Lass unswenigstens, uns beide, den Idealismus,den Glauben an das Gute im Menschen,an die Kraft unseres Volkes hinüberrettenaus diesem Chaos.“ Die Idee, „Nationalis -mus und Sozialismus zu verbinden, lässtsich nicht mehr aus der Welt schaffen“.

In den Briefen treten mir zwei fremdeMenschen entgegen, fremd in doppeltemSinne: So zärtlich und einfühlsam habeich sie nie erlebt, so kaltblütig und be-rechnend auch nicht. Es sei zunächst an-gebracht gewesen, „mit Samtpfötchenaufzutreten, da man immer noch glaubte,mir eine größere Rolle in unserem Fallzusprechen zu können“, schreibt meinVater. „Nur nicht einschüchtern lassendurch diese Schreiberlinge!“ Sie entwi-ckelt in ihren Briefen das Konzept einer„demokratischen Diktatur“: Wahl der Par-teiführer von unten nach oben, Block -leiter wählen Gauleiter, die wählen dieFührer. Er antwortet: „Schade nur, dassallerhand Zeit vergeht, bis sich der heuti-ge Quatsch totgelaufen hat.“

Wenn ich mit ihm über Politik disku-tierte, dann brachte er oft den Standard-

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Wir haben in uns einen eisernen Vorhanghochgezogen, um uns vor der Geschichteunserer Eltern zu schützen, wir haben unseingebildet, unberührt und elternlos dieWelt verändern zu können.

Soldat Schnibben, Fliegerin Schnibben„Unsere geistige Haltung verleiht uns Adel“

rem Nazi-Gen zuzuschreiben? Wie fremd-bestimmt, wie selbstbestimmt bin ich?

Ich kann nicht genau sagen, ob es diesexuellen Übergriffe im Wikinglager wa-ren oder die Enttäuschung darüber, dassmein Vater schnell nach dem Tod meinerMutter eine trinkende Stiefmutter insHaus holte. Ich jedenfalls bin kein Nazigeworden. Aber da ist diese Angst, dieaus den Knochen kommt und die michseit Jahrzehnten um fünf Uhr morgensnicht mehr schlafen lässt.

Jetzt, mit den neuen Erkenntnissenversehen, taste ich den Lauf meines Le-bens genauer als vorher darauf ab, wiesehr diese ersten zwölf Jahre mein Lebengeprägt haben. Da sind diese gelegent -lichen antisemitischen Reflexe, die ichmit großem geistigem Aufwand unterKontrolle bringen muss. Warum sucheich, wenn mir Juden begegnen, nach jü-dischen Gesichtszügen? Warum tendiereich dazu, sie sofort für arrogant, gerissenund unehrlich zu halten? Da ist diesemich verstörende Kälte behinderten Men-schen gegenüber, warum schießt mir so-fort das Wort „Krüppel“ in den Kopf?Warum reagiere ich auf „Krüppel“ undJuden intoleranter als auf Schwarze undSchwule, die in meiner Kindheit keineRolle spielten? Da ist diese Begeisterungfür Massen, da ist diese scheinbar eman-zipatorische Entscheidung, nach demAbitur für ein Jahr in die nächstbesteDiktatur auszureisen und in der DDRMarxismus zu studieren. Ich suchte diemoralische Alternative zu meinen Eltern

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satz: „In meiner Jugend war ich engagiertund politisch aktiv, aber unsere Idealewurden missbraucht.“ Er ging regelmäßigzu seltsamen Zirkeln, die „Fahrenden Ge-sellen“ waren einer, „Erster Freitag imMonat“ (Efim) ein anderer. Es waren Ka-meradentreffen mit Gesinnungsfreunden,die in Parteien, Behörden, Gewerkschaf-ten saßen und ihm auch beruflich dienten.Als Holzagent vermittelte er zwischenTischlern und Wohnungsbaugesellschaf-ten, das Netzwerk seiner alten Kamera-den besorgte ihm Aufträge.

Mein Vater bewegte sich immer nochals Werwolf durch die Nachkriegsjahre,tagsüber war er der biedere Reisende,nach Einbruch der Dunkelheit tauchte erab in sein braunes Rudel.

Er nahm mich gelegentlich mit aufBaustellen oder in die Büros der Gewoba,ein plaudernder Charmeur, der überallfür gute Laune sorgte mit seinen Juden-witzen. Oft stand ich in seinem Büro undnutzte die knisternden Lautsprecher sei-ner Telefonanlage, um Goebbels-Redenan vermeintliche Massen zu halten. Ge-schlagen hat er mich nie, aber mitge-schleppt zu den Burgenwochenenden derWiking-Jugend, die spannend waren undromantisch, mit Fackelzügen, Lagerfeu-ern und Eroberungsspielen. Werwölfewaren für die Jugendlichen die Heldendes Untergangs.

Als meine Mutter starb, konnte ich da-mit offenbar nur fertigwerden, indemmein Hirn alle Erinnerungen an sie aus-löschte, und nicht nur an sie, viele Erin-nerungen an meine ersten zwölf Jahreverschwanden irgendwohin, ein paar vonihnen werden in tiefen Hirnwindungeneingefroren sein. Jetzt, da ich durch dieBriefe ins Hirn meiner Eltern schauenkann, tauchen Bilder aus meiner Kindheitwieder auf, Szenen, die mich so berüh-ren, dass ich sie mir nicht einbilden kann.Bisher hatte ich mir meine Kindheit sovorgestellt, dass da zwar ein netter Nazi-Vater war, aber eine kluge, mutige, be-schützende Mutter. Aus den Briefen undAkten steigt nun das Bild eines braunenNestes hervor, in dem ein kleiner Nazigezüchtet wird.

Wenn es stimmt, dass Eltern äußere Re-geln in innere Maßstäbe ihrer Kinder ver-wandeln, wie erfolgreich waren sie bei mir?Wenn ich bisher ihren Einfluss auf michunterschätzt habe, wie vermeide ich es,nun all das, was ich an mir nicht mag, ih-

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und fand den dogmatischen Widerpart:Kommunisten, dem KZ entkommen, dieuns Schülern den Weg wiesen zu KarlMarx und nach Ost-Berlin.

Da ist diese – aus heutiger Sicht – ko-mische Sehnsucht der Generation der Tä-terkinder, vor der Vergangenheit ihrer El-tern zu fliehen in den Dogmatismus vonMaoisten, Trotzkisten und Stalinisten,oder gar in die Mordlust terroristischerWerwölfe. Gleichgültig zu sein gegenüberMenschenrechtsverletzungen ist nicht ver-erbbar. Vielleicht hätte uns die konkreteAuseinandersetzung mit der Radikalisie-rung unserer Eltern in den dreißiger Jah-ren bewahren können vor der naiven Bewunderung von Mao, Fidel Castro, PolPot und Co.

Da war diese Unfähigkeit zu fragen,dieser Widerspruch zwischen der theo-retischen Faschismuskritik und der Angstdavor, meinem Vater ganz naheliegendeFragen zu stellen: Warum hieltest du dichfür einen Sozialisten? Warum bist du indie Partei eingetreten? Warum war OpaSozialdemokrat, und warum warst duNationalsozialist? Warum hasst du Ju-den? Wie hast du meine Mutter kennen-gelernt? Wie viele Leute hast du er -schossen? Was hat der Krieg mit dir gemacht?

Das wichtigste Medium für die Ver-mittlung von Geschichte ist die Familie,und wir – die antifaschistische Generationder Nazi-Kinder – haben uns diese Ge-schichte geraubt und rauben lassen. Dar -um haben wir ein entvölkertes Wissen

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Mittag mit der Gauleitung telefoniert undden Vorschlag gemacht, den aufsässigenBauern Rogge in Oldenburg einzusperrenund zu vernehmen, die Gauleitung habeihm jedoch gesagt, das „solle das Frei-korps vorne erledigen“. Im Juni 1947, alsozwei Jahre nach seiner ersten Verneh-mung, erwähnt mein Vater diese Anwei-sung der Gauleitung zum ersten Mal. Be-gründung: „Weil ich es mir vorbehaltenhatte, sie bei einer Gegenüberstellung mitWegener diesem selbst ins Gesicht zuschleudern.“ Er habe es als „eine ganzgroße Gemeinheit“ empfunden, dass dieGauleitung über „die Hoffnungslosigkeitder Situation“ genau unterrichtet war,den Freiwilligen aber verschwieg, „dassalles längst verloren war“.

Im Prozess vor einem britischen Mili-tärgericht drohte den Angeklagten dieTodesstrafe. Weil die Alliierten jedochverfügten, dass Deutsche, die Deutschegetötet haben, vor ein deutsches Gerichtgehören, kommt es im Dezember 1947zum ersten von insgesamt vier Prozessenin Oldenburg. Sie werden nötig, weil ent-weder die Angeklagten oder die Staats-anwaltschaft Revision beantragen.

Das Gericht muss nach Maßgabe zwei-er Gesetze urteilen. Da ist einmal dasdeutsche Strafgesetzbuch und der Para-graf 211: Mord, ja oder nein. Wenn nicht,dann § 212, Totschlag. Und zum anderendas Kontrollratsgesetz Nr. 10, eines derGesetze, die die Alliierten erlassen ha-ben, um die Verantwortlichen des Hitler-Regimes verurteilen zu können. Das Ge-

über die Nazi-Zeit, das sich aus Büchern,TV-Serien und Hollywood-Filmen speist.

Ich weiß nicht, ob ich den Mut gehabthätte, meinen Vater mit seinem Mord zukonfrontieren, wenn ich die Akten ehergefunden hätte. Ich hätte ihn quälen müs-sen, wie ein Vater seinem Sohn zusetzt,der Schlimmes verbrochen hat. Warumkonntet ihr diesen mutigen Bauern nichteinfach leben lassen? Habt ihr ihn umge-bracht aus Rache dafür, dass er nicht soirrte wie ihr? Warum hast du so jämmer-lich gelogen in den Vernehmungen? Hastdu befürchtet, von den Engländern auf-gehängt zu werden?

Seine Winkelzüge sind aus den Ver-nehmungsprotokollen und Gerichts-akten so deutlich herauszulesen, als

könnte man ihn nachträglich an einen Lü-gendetektor anschließen. Solange seinKommandant noch nicht in Haft ist, sinddessen Befehle, so mein Vater, der Anlassfür den Mord. Später schieben beide zu-sammen die Tat auf die Anweisungen desGauleiters, der sich zur selben Zeit inBielefeld vor Gericht verantworten mussund deshalb nicht in Oldenburg im Ge-fängnis sitzt.

Die Besprechung des Gauleiters Wege-ner mit Wichmann eine Woche vor demMord, also der Befehl, kriegsmüde Deut-sche umzubringen, wird in den Zeugen-aussagen von Wichmann und Schnibbennun zum Mordbefehl gegen jeden Defai-tisten und Überläufer. Noch am Tag derTat, so Schnibben, habe Wichmann gegen

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setz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 bil-dete die Rechtsgrundlage für Prozessewegen Kriegsverbrechen oder Verbre-chen gegen die Menschlichkeit.

„Juristisches Neuland“ betrete man mitdiesem Prozess, hat der Oberstaatsanwalteinem der Anwälte vor dem Prozess mit-geteilt, und das führt zu seltsamen Be-wertungen durch die Richter: Von Mordkönne man nicht sprechen, da alle Ange-klagten – außer dem NSDAP-Ortsgrup-penleiter – der Meinung waren, der Bau-er sei ein Plünderer, erster Irrtum der Tä-ter; und da es den Befehl gab, Plündererumzubringen, fühlten sie sich im Recht,zweiter Irrtum der Täter. Darum sei derMord an dem Bauern kein Mord, die Tä-ter hätten „nicht vorsätzlich einen Men-schen getötet“.

Ihren Irrtum hätten sie nicht fahrlässigverschuldet, da man von ihnen nicht ver-langen könne, den Vorwurf der Plündereizu überprüfen. Wirklich nicht? Zudemkonnten sie aufgrund der in „Presse undRundfunk verbreiteten Fälle, in denengenau so gehandelt worden war, … desGlaubens sein, dass auch gegen Roggeeingeschritten werden müsse“.

Die Tat, so das Gericht, ist jedem dieserAngeklagten „persönlichkeitsfremd“, je-der hat im „Krieg seine Pflicht gegeben“,einige sind „mehrfach verwundet“, „Mas-senpsychose“ habe „zur Überwindunginnerer Hemmungen beigetragen“. Undzu Brockshus, dem stellvertretendenNSDAP-Ortsgruppenleiter, heißt es: „Sei-ne Tat ist auf ein geringes Maß von Geis-tesgaben zurückzuführen.“ Die Täterkonnten „die Aussichtslosigkeit des Krie-ges“ nicht erkennen, darum wandten siesich gegen „aktive Kräfte, die ihrem Stre-ben nach der ihrer Ansicht nach noch Er-folg versprechenden Verteidigung entge-genwirkten“.

Aber, so die widersprüchliche Argu-mentation der Richter: Die Angeklagtenhätten dennoch ein Verbrechen gegen dieMenschlichkeit begangen, da entscheidendsei, „welchen Eindruck die Tat auf einenaußerhalb stehenden Beschauer macht“.Die „Geringschätzung des Menschenle-bens, seine Vernichtung in einem übereil-ten formlosen Verfahren stellt eine schwe-re Verletzung der Menschenwürde dar“.

Sich bei solch einer Tat auf militärischeBefehle zu berufen, sei selbst nach denMaßstäben des Hitler-Regimes nicht mög-lich. Als Kronzeugen für diese Auslegungzitiert das Gericht PropagandaministerGoebbels: „Es ist in keinem Kriegsgerichtvorgesehen, dass ein Soldat bei einemschimpflichen Verbrechen dadurch straf-frei wird, dass er sich auf seinen Vorge-setzten beruft, zumal wenn dessen An-ordnungen in eklatantem Widerspruchzu jeder menschlichen Moral stehen.“

Im Brief an meine Mutter empört sichmein Vater über dieses Argument und dasGoebbels-Zitat: „Einmal wird sogar Goeb-

bels, der ,größte Lügner aller Zeiten‘ zuunseren Ungunsten herangezogen. EinTreppenwitz der Weltgeschichte!“

Durch Aussagen seines Komman dantensieht Schnibben sich in die Rolle desHaupttäters gedrängt, Wichmann „schiebt… durch seine Darstellung alles auf denwildgewordenen Adjutanten“. Jetzt sei al-les anders zwischen den Tätern, weil „dieRübe nicht mehr wackelt“, die Angeklag-ten also nicht mehr mit Todesstrafe rech-nen und deshalb jeder mit möglichst ge-ringer Freiheitsstrafe davonkommen will.

Schnibbens Rolle in der Planung, Aus-führung und Auswertung des Mordesschätzt das Gericht als maßgeblich ein:Er war über Rogge empört, er soll auchdas Anzünden seines Hofes vorgeschla-gen haben, er hat seinen Kommandeurzur Entscheidung gedrängt, Pienings Ein-wände beiseitegeschoben, danach denGauleiter informiert.

Meine Mutter äußert in ihren Brie-fen große Sorgen darüber, wiesich mein Vater vor Gericht auf-

führt. Ob die Reithosen, die mein Vaterträgt, vielleicht vor Gericht „zu provo-zierend“ wirken, andererseits seien seineSchaftstiefel schlecht, „weil die Hosen-ränder unten dann schneller verschlei-ßen“. In der Wäsche, die sie ihm ins Ge-fängnis bringt, sind Kassiber eingenäht,wenn sie fehlen, schreibt sie: „Das Hemdneulich war ohne Einlage.“

Sie gibt ihm klare Anweisungen für dieVerhandlungen: „Trompete bitte nicht

wieder mit überlauter Stimme ins Lokal,dass wir während der Haft geheiratet ha-ben.“ Er solle Baldrian nehmen, „damitdir nicht wieder der Faden wegläuft“.Und er solle „nicht wieder den Unwillen“des Staatsanwalts erregen, „indem Du zuviel lächelst“. Sonst müsse er damit rech-nen, „dass dieser Geier dann wieder überDich herfällt“.

Von Reue ist in diesen Briefen nichtszu spüren, auch über drei Jahre nach demMord ist Rogge für meinen Vater einPlünderer: Er hat meiner Mutter aufge-tragen, Belastungszeugen in Dötlingenaufzutreiben, die den Ruf Rogges beschä-digen sollen; dann bliebe als Vorwurf„nur noch die Art der Erschießung, dennRogge wäre dann von jedem Standgerichtzum Tode verurteilt worden“.

Mein Vater und die anderen Täter tre-ten auf, als seien sie Soldaten im Gefechtgewesen, aber der Oberste Gerichtshoffür die britische Zone macht ihnen klar,dass sie Werwölfe waren, Freiwillige, dieeinen Zivilisten umbrachten. Tatsächlichhatten „weder Anlass noch Umständeund Ausführungsart der Tötung … ir-gendetwas mit Dienst und Aufgaben derWehrmacht zu tun“. Ihre Bewaffnungund ihr Zustand reichte nicht mehr dazu,britische Panzer aufzuhalten, sondern nurnoch dazu, unbewaffnete Deutsche zukillen.

Am 18. Juni 1953, kurz vor meinem ers-ten Geburtstag, kommt das Schwurgerichtin Oldenburg zusammen, um in nur einemTag den Schlussstrich zu ziehen unter den

Titel

70

300 km

Einbeck

Maastricht

WilnaHel

Munster Lager

Leningrad

Tosno

Helsinki

SewastopolKertsch

Paris

Nordsee

Ostsee

Schwarzes Meer

Mittel-meer

Wien

London

Moskau

Warschau

Beförderungen Georg Schnibbens und an ihn verliehene Orden

Kiew

Berislaw

Bukarest

Odessa

Berlin

Georg Schnibbens Weg mit der 170. Infanterie-division

Middelfart

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Page 10: Titel Mein Vater, ein Werwolf - DER SPIEGEL

achtjährigen Streit darüber, ob sechs un-belehrbare Nazis in den letzten Kriegsta-gen einen Bauern umbringen durften, dersich auf die baldige Befreiung durch dieAlliierten freute. Der Strafsenat des Bun-desgerichtshofes hatte diese Verhandlungangeordnet, da inzwischen die Ermächti-gung deutscher Gerichte zur Aburteilungvon Verbrechen gegen die Menschlichkeit(gemäß Kontrollratsgesetz Nr. 10) zurück-genommen worden war.

In dem Vorverfahren der Briten warendie Täter noch von der Todesstrafe be-droht, nun lauten die milden Urteile:Kommandeur Wichmann bekommt eineStrafe von drei Jahren wegen vorsätz -licher Tötung, mein Vater als Adjutantzwei Jahre und neun Monate wegen Bei-hilfe zur vorsätzlichen Tötung, alle an-deren – auch der Schütze Piening – zweiJahre und sechs Monate. Gauleiter PaulWegener wird freigesprochen.

Der Richter ist August von Döllen,während des Krieges Oberstabsrichter beider 180. Division, die in den Niederlan-den gegen gelandete Einheiten der Alli-ierten eingesetzt war. Die Wehrrichtersollten unter anderem desertierende Sol-daten zum Tode verurteilen, insgesamtüber 20000 Wehrmachtsangehörige wur-den auf diesem Wege hingerichtet.

Direkt nach dem Krieg hatten alle be-lasteten Juristen den Staatsdienst verlas-sen müssen – und das waren fast alle. Lei-tende Juristen kamen in Internierungs -lager. In den Jahren seit 1933 waren dieTatbestände, bei denen die Todesstrafedrohte, von 3 auf schließlich 46 erhöhtworden. 28000 Männer und Frauen wa-ren besonders in den letzten Jahren we-gen Diebstahls, Munitionsbesitzes odernur einer Ohrfeige für einen Polizistenhingerichtet worden.

Viele dieser belasteten Richter kehrtenschon von 1946 an wieder in den Staats-dienst zurück, schließlich saßen 80 Pro-zent des ehemaligen Justizpersonals wie-der an den Schreibtischen und in den Gerichtssälen. „Das Recht ist … hundert-tausendfach gebeugt worden,“ stellte Rudolf Augstein 1965 fest, „doch nochnicht ein Richter, noch nicht ein Staats-anwalt aus der NS-Zeit“ habe vor demStrafrichter gestanden. Die wenigen, diedanach auf die Anklagebank kamen, wur-den freigesprochen, immer nach demMotto des ehemaligen Marinestabsrich-ters und späteren MinisterpräsidentenHans Filbinger: „Was damals rechtenswar, kann heute nicht Unrecht sein.“

So haben sich auch mein Vater und sei-ne Komplizen verteidigt; ihre vier Pro-zesse waren so etwas wie ein Muster dafür, wie die deutsche Nachkriegsjustizdaran scheiterte, das millionenfache Un-recht der kleinen Nazis zu ahnden.

Aus den Briefen meiner Eltern sprechenkeine Verrückten zu mir, keine braunenMonster, es sind ganz gewöhnliche Nazi-

Eltern, meine Eltern, vielleicht ein wenigschlauer als andere. Sie hatten Goetheund Seneca als „Hausphilosophen“ er-wählt, im Gefängnis hatte mein VaterThomas Carlyle entdeckt, einen britischenEssayisten, der dem sozialen Idealismusanhing, Goethe, Schiller und Deutschlandverehrte („Die Zukunft Deutschlands istdie Zukunft der Welt“) und sich in seinenSchriften mit dem Heldentum und derVerlogenheit der modernen Gesellschaftbeschäftigte. Friedrich Engels gehörte zuCarlyles Bewunderern, vielen deutschenSoldaten diente dessen Buch „Arbeitenund nicht verzweifeln“ im Ersten Welt-krieg als Durchhalteliteratur.

Lustig macht sich mein Vater über dasneue Deutschland: „Die größte Selbst -erniedrigung eines Volkes ist es wohl,wenn die Kriegsverweigerung in der Ver-fassung verankert wird.“

Und der „Materialismus“ allerortenmacht ihm Sorgen, er vermisst den „Idea-lismus“, womit er das völkische Gleich-heitsversprechen der Nazis meint und dieHoffnung seiner Generation, die jungenDeutschen könnten den Mief der Altvor-deren ersetzen durch ein selbstbewusstes,kühnes, starkes Deutschland.

Zwischen den Bekennerzeilen schim-mert der Mann durch, der um eineFrau kämpfen muss, die von seinem

Familiensinn als Keimzelle eines glückli-chen Deutschlands allerdings wenig hält,die Angst davor hat, sie dürfe „nur pendelnzwischen Kochtopf und Bett“. Sie hätte„sich nicht zur Frau haben wollen, so wenigehebegeistert, wie ich bin“, hat sie geschrie-ben, die Ehe „sei mehr zum Vergnügender Männer da als zur Freude der Frauen“.

In den Briefen gibt es manche Zeile,die auch 20 Jahre später geschrieben wor-den sein könnte, Zeilen, so rebellisch undaufsässig, als hätten sie mir Freunde ge-

schrieben. Da sind mir meine Elternplötzlich näher, als mir lieb ist. Aberwenn mein Vater dann Mitte der fünfzi-ger Jahre bei Gericht um Erlass der 5000Mark Gerichtskosten bittet, ist er wiederein halbes Jahrhundert entfernt. Die Ge-richtskosten wurden ihm übrigens zu gro-ßen Teilen erlassen, von einem Mann,der ihn gut kannte aus dem letzten Pro-zess und der inzwischen ins niedersäch-sische Justizministerium befördert wor-den war – Kriegskamerad und RichterAugust von Döllen.

Meinen Aufstand gegen die Bonner Re-publik, die wir 68er wieder auf dem Wegin den Faschismus sahen, nahm mein Va-ter mit Spott und Kopfschütteln. Als ichihm zum 60. Geburtstag das „Schwarz-buch Chile“ mit den Worten schenkte,„Schau mal, was deine Faschisten da inChile anrichten“, erhob sich in der Ge-burtstagsrunde im Wohnzimmer wüten-der Protest. Bis dahin war mir nicht klargewesen, wie viele meiner netten Onkelund Tanten so dachten wie er.

Als ich später Journalist war, schwollder zustimmende Chor seiner Kriegs -kameraden immer dann an, wenn ich inderen Augen so schrieb, wie es sich fürSchnibbens Sohn gehört. Als ich zum Bei-spiel das Massaker der U.S. Army in MyLai und seine Folgen („Seht her, auch dieAmerikaner sind Kriegsverbrecher“) oderdie Verstrickung von Richard von Weiz-säcker in die Produktion krebserregenderStoffe beschrieb, hatte ich unangenehmenBeifall. Weizsäcker gilt in diesen Kreisenals Deserteur und seit seiner Rede zum8. Mai 1985 als „Kapitulationsredner“.

Bei der Beerdigung meines Vaters stan-den einige ältere Herren in langem dunk-

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Soldaten der 170. Infanterie-Divisionvor Leningrad 1942

„Über das Schicksal erheben“

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rie-Sturmabzeichen. Krimschild. Ostme-daille (Winterschlacht). Verwundetenab-zeichen.

Sein Kriegskamerad Kardel erzähltenun die Geschichten dazu, die jungen Dä-ninnen, der Champagner in Paris, dieHäuserkämpfe in der Ukraine, die 54 000Gefangenen am Beginn des Russland-Feldzuges, die vor Erschöpfung krepie-renden Pferde, die 600 Toten vor Lenin-grad, die Schneeanzüge der Russen, mi-nus 35 Grad, drei Wochen Gewaltmarsch,auf dem es nur Waldbeeren zu fressengab, die Stalinorgeln.

Je länger Kardel redete, von der Ka-meradschaft, von den Toten, von derMacht über das Leben, desto deutlicherwurde seine Botschaft: Wer nicht imKrieg war, kann nicht verstehen, wie sichder Mensch im Krieg verändert.

Mitten in Vietnam war mir diese Sichtauf den schießenden Mann schon ein -mal begegnet, vorgetragen von William Broyles, Ex-Chefredakteur von „News -week“, Ex-GI, eher ein Pastor als einRambo, der zehn Jahre nach seinem Vietnam-Krieg durchs Land reiste, umseine Soldatenzeit zu verstehen. Amliebsten hätte er wohl gesagt, diese Jahreseien die schönsten seines Lebens gewe-sen, aber er wollte diesen pazifistischenSohn deutscher Nazi-Eltern nicht über-fordern; nach ein paar Bier kam aller-dings der verstörende Satz: „So existen-tiell wie für die Frau eine Geburt ist fürden Mann der Krieg.“ Der Krieg sei „dieEinweihung in die Macht vom Leben undSterben“.

Kardel schilderte meinen Vater na-türlich als guten Soldaten, von sei-nen Kameraden wegen der roten

Haare „Germane“ genannt und wegenseiner fast immer guten Laune als Stim-mungskanone geschätzt. Besonders alses mit der Division runter in den SüdenEuropas ging, sei er gut drauf gewesen,habe sich sogar mal über den humpeln-den, keifenden Goebbels lustig gemacht.

Während Kardel erzählte, zog er sichgelegentlich mit seinen muskulösen Ar-men an dem großen Griff hoch, der überseinem Bett baumelte. Neben ihm imDoppelbett lagen Akten, Bücher, Bro-schüren, die er nach Bedarf herauszog,aufschlug und mit ihnen wedelte. Er hatüber ein Dutzend Kampfschriften ver-fasst: „Deutschland – Heimatland“, „Die

Geschichte der 170. Infanterie-Division“,„Adolf Hitler – Begründer Israels“.

Und je mehr Trollinger der 82-Jährigetrank, desto herrlicher wurde dasDeutschland der dreißiger Jahre. DieOlympischen Spiele, die Aufmärsche, dieArbeit, der Stolz, das Land der unbe-grenzten Möglichkeiten – die Generationder Zwanzig- und Dreißigjährigen über-nahm die Macht in Staat und Partei.

Und darum zogen die jungen Männerberauscht wie Auserwählte in den Krieg:die Trinkgelage, die Frauen, wilde Atta-cken und erbeutete Hühner. Als ich ihnnach dem Prozess gegen meinen Vaterfragte, spielte er den Mord herunter, „derKrieg hat uns alle verroht“. Was ich dennglaube, wie viele tote Kameraden meinVater in den fünf Jahren gesehen habe?

Ein Volk von Tätern zu schaffen, daswar das Ziel von Hitler, Goebbels & Co.,also das Verbrechen zu vergesellschaften,und so konnte jeder leicht zum Mörderwerden. Wirklich? Die Millionen Täterhaben Millionen Kinder und Enkel hin-terlassen, die sich mit dieser Frage her -umschlagen. Und wie konnte aus demMörder nach dem Krieg der Mensch wer-den, der mir beibrachte, was Recht undOrdnung ist? Was steckt von ihm in mir?

Viele der Täterkinder sind zu Erbendes Schweigens geworden. Weil über denKrieg nicht geredet wurde, wurde übernichts von Belang mehr geredet zwischenEltern und Kindern, jedes Treffen warein ritualisierter Austausch von nichts,bei uns war es so, bei vielen meinerFreunde ist es auch so.

Das hat Folgen für das Bild, das dieDeutschen vom Nationalsozialismus ha-ben. Wurde die Generation gefragt, die1945 mindestens 15 Jahre alt war, dannantwortete jeder Zweite auch 40 Jahrenach dem Krieg noch, er habe im Natio-nalsozialismus seine Ideale verwirklichtgesehen. Werden dagegen deren Kinderund Enkel gefragt, räumen nur sechs Pro-zent von ihnen ein, ihre Vorfahren seieneher positiv (vier Prozent ) oder sehr posi -tiv (zwei Prozent) eingestellt gewesen.Nur drei Prozent glauben an Antisemi-tismus bei ihren Eltern und Großeltern,nur ein Prozent sieht seine Vorfahren anVerbrechen in der Nazi-Zeit beteiligt.Aber: 17 Millionen Deutsche dienten inder Wehrmacht, 700000 waren in der SSund der Waffen-SS aktiv, 4 Millionen inder SA, 8,5 Millionen gehörten derNSDAP an.

Es brauchte immer wieder äußere An-lässe, um das Schweigen aufzubrechen.Der Auschwitz-Prozess 1963, die TV-Serie„Holocaust“ 1979, die Weizsäcker-Rede1985, die Wehrmachtsausstellung 1995, imletzten Jahr die ZDF-Serie „Unsere Müt-ter, unsere Väter“.

Es blieb aber immer die Diskrepanzzwischen verordneter, öffentlicher Reueund privater Verdrängung. Ich selbst habe

Titel

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lem Mantel deutlich abseits der trauern-den Familie, den Kopf zwischen denhochgeschlagenen Kragen gezogen. Siekondolierten nicht, sie wirkten wie Ab-gesandte aus braunen Gruften. Kurz da-nach schickte mir Walter A. Bauer „mitkollegialem Gruß“ den Nachruf, den erfür den Freundeskreis meines Vaters(„Schorse“) geschrieben hatte.

Bauer war jahrelang Kulturredakteurbei der Deutschen Presse-Agentur, auchMitglied im PEN. „Wie wir alle“, schrieber, „litt auch Schorse unendlich unter derBitterkeit des geschlagenen Soldaten undverunglimpften Jugendführers, vor allemunter der verleumderischen Nachrede de-rer, die unseren Idealismus missdeute-ten.“ Dies „verschloss ihm wohl auch dieLippen gegenüber seinen Kindern, wennvon Deutschlands schwerem Schicksal dieRede war“.

Auch Hennecke Kardel schrieb mir da-mals, Oberleutnant in der 170. Infanterie-Division meines Vaters, Ritterkreuzträger,und lud mich in sein Haus ein: „Ich sageIhnen, wer Ihr Vater wirklich war!“

Er empfing mich in seinem kleinen Ein-familienhaus in Hamburg-Eidelstedt. Erlag im Bett, seit vier Jahren mit gelähm-ten Beinen, „Granatsplitter, die wan-dern“, gepflegt von einer Ukrainerin,„seit unserem Ukraine-Feldzug weiß ichdiese Frauen zu schätzen“.

Er war ein Curd-Jürgens-Typ, breiterSchädel, sonore Stimme, und an seinemHaarschnitt sah man, dass die Ostfrontnoch in seinem Kopf war.

Dänemark, Paris, Südfrankreich,Ukraine, Rumänien, Kiel, Leningrad, Ost-preußen. So sind er und mein Vater durchEuropa gezogen, fünf Jahre lang, 7000blutige Kilometer. Zuletzt lagen sie vorLeningrad, waren beteiligt an der Blo-ckade, deren Auswirkungen über 1,1 Mil-lionen Einwohner der Stadt verhungernließen. Meinen Vater erwischte es im Ja-nuar 1944, bei der Sprengung des Bela-gerungsringes durch die Rote Armee,Bauchschuss, so blieb ihm das jämmerli-che Ende erspart: der Schnee, keinBrennstoff, keine Munition, keine Flug-zeuge, die Flucht, die Kapitulation, dieGefangenschaft.

Als wir sein Haus räumten, sah ich zumersten Mal seine Orden und Urkunden,fünf Jahre Jubel, Angst, Feuer, Feinde,Ehre, Ruhm, Gewalt und Tod in Papierund Metall. Das Eiserne Kreuz. Infante-

Ich hatte mir meine Mutter als kluge, beschützende Frau vorgestellt.Aus den Briefen steigt nun das Bild eines braunen Nestes hervor, in demich als kleiner Nazi gezüchtet wurde.72

Page 12: Titel Mein Vater, ein Werwolf - DER SPIEGEL

ja zehn Jahre gebraucht, um den Hinwei-sen auf die Schuld meiner Eltern ent-schlossen nachzugehen. Bei mir war esdie ZDF-Serie, in der ich überzeugteDurchschnitts-Nazis wie meinen Vatervermisste, die den Ausschlag gab, dieSchweigespirale in unserer Familie zu be-enden. Und das Bekenntnis Sigmar Ga-briels in der „Zeit“, unter seinem Nazi-Vater ein Leben lang gelitten zu haben.

Immer noch beschäftigt mich dieFurcht, mich als Täterkind zu wichtigzu nehmen, besonders dann, wenn

sich drei Tage lang auf einer Konferenzalles um Täterkinder dreht, wie kürzlichim ehemaligen KZ Neuengamme gesche-hen. Da treffen dann die Söhne von hohen Nazis wie Hans Frank, dem„Schlächter von Polen“, dort im ZweitenWeltkrieg Generalgouverneur, oderHanns Ludin, zuständig für die Deporta-tion der slowakischen Juden, auf die Kin-der und Enkel von Ortsgruppenleitern,Henkern, Lagerärzten. Wenn sich erwach-sene Männer und Frauen, die schon langeEltern sind, wieder darüber definieren,dass sie als Kinder ein ähnliches Schicksalhatten, macht es das Leben komplizierter,als sich mancher vorgestellt hat. Je mehrFreunde ich teilhaben ließ an meiner Ge-schichte, desto mehr ging ich mir auf dieNerven. Ja, ich wollte erzählen, nein, ichwollte nicht vor ihnen sitzen wie einMensch, den man zu bemitleiden hat wegen seiner Eltern und zu bestaunenwegen seiner Geschichte.

Es sind inzwischen jährlich Hunderte,die in Seminaren und Gesprächsgruppenlogistische und psychologische Unterstüt-zung bei der Verarbeitung von Verbrechenihrer Eltern und Großeltern suchen. Sieeint die Erkenntnis, dass die Verbrechenihrer Eltern nicht hinter einem wie auchimmer gearteten Schlussstrich verschwin-den, sie treibt der Wille, mehr als nur Mit-leid mit den Opfern ihrer Eltern zu haben.

Und wenn dann eine junge Frau – dieEnkelin eines hohen SS-Mannes – wäh-rend des Treffens in Neuengamme auf-steht und erzählt von einem Großvater,der aus dem Krieg nach Hause kam unddort weitermachte, wo er in Polen auf -gehört hatte, der seine Tochter und seineEnkelin über Jahre vergewaltigte, spätes-tens dann wird deutlich, wie groß dasLeid von Täterkindern sein kann.

In den letzten Monaten in seinem Haus– inzwischen allein, weil seine dritte Fraugestorben war – verschwand mein Vaterwieder ganz im Krieg, er schleppte sichals müder Werwolf durch die Tage. Errief mich oft an, behauptete, in Hannover,Bielefeld oder Berlin zu sein, auf einemKriegskameradentreffen, und bat mich,ihn nach Hause zu bringen, er finde denWeg nicht allein. Ich riet ihm jedes Mal,aus dem Fenster zu schauen und mir zubeschreiben, was er sehe. Es war immer

wunderern von Goethe und Seneca – dasunwiderstehliche Bild „Bekenntnis“ desWieners Fritz Schwarz-Waldegg gezeigtund das verstörende Panorama „Der tollePlatz“ von Felix Nussbaum. Und auch dasGemälde „Das Verhör“ von Friedl Dicker.Schön, oder? Dicker und Nussbaum sindin Auschwitz vergast worden, Schwarz-Waldegg wurde im VernichtungslagerMaly Trostinez ermordet.

Und neulich saßen meine Eltern nebenmir, als im Fernsehen „Schindlers Liste“wiederholt wurde. Ich habe den Film an-ders gesehen als vor Jahren, jetzt spiel-ten meine Eltern mit. „Sie fürchten uns,weil wir die Macht haben, aus Willkürzu töten“, sagt Schindler zu Amon Göth,dem Lagerkommandanten, neben ihmlächeln meine Eltern. „Sie können alsMänner zu ihren Familien zurückkeh-ren“, ruft Schindler den Wachmännernzu, die am Ende in der Fabrik die letztenJuden umzingeln, „oder als Mörder.“Mein Vater steht vor ihnen, das Gewehran der Wange.

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Video: Wie ich meine Elternkennenlernte

spiegel.de/app162014werwolf oder in der App DER SPIEGEL

Sohn, Vater Schnibben Was steckt von ihm in mir?

die Garage hinter seinem Haus. Ich be-sorgte ihm einen Heimplatz.

Als wir unser Elternhaus räumten, fandich in der Schublade mit den Zeitungs-ausschnitten über seinen Prozess auch dieSchatulle mit seinen Orden. Mein Sohnwollte sie nicht den Militaria-Händlernüberlassen, die bereitstanden, um dasHaus zu entrümpeln. Das war die einzigeErinnerung an seinen Großvater, die ermitnahm.

Meine Eltern sind mir – da ich aus denAkten erfahren habe, wer sie wirklich wa-ren – vertrauter geworden, als mir liebist. Ich verfluche die Macht, mit der meineEltern in den letzten Monaten wiedernach mir greifen. Je mehr ich mich mitihrem wahren Leben beschäftigt habe,desto mehr zwangen sie mich, mein Le-ben neu zu betrachten. Da ich sie nichtloswerde, nehme ich sie jetzt mit. Sie be-gleiten mich ins Theater, wenn ich HansFalladas „Jeder stirbt für sich allein“ an-schaue, die Bühnenfassung eines Romansüber den zähen Widerstandskampf einesBerliner Ehepaares gegen das um sie her -um wuchernde Nazi-Regime. Sofort ab-knallen, die beiden Volksschädlinge?

Meine Eltern sind auch mit mir zusam-men in die Berliner Ausstellung „Wien–Berlin“ gefahren, in der die Kunst der ers-ten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhundertsgezeigt wurde. Ich habe ihnen – den Be-