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501 7 16 Todesanzeige. Geh. Hofrat Prof. Dr. Ernst Heinrich Bruns im Alter von 7 I Jahren. Wer den Verstorbenen noch kurz vor seiner Erkrankung gesehen, hatte ihm wohl ein langes Leben vorausgesagt. Aufrecht in der Haltung, schnell in seinen Bewegungen, lebhaft in der Unterhaltung und mit dunkleni Haar und Bart verriet er in nichts den Siebzigjahrigen. Im Vollbesitz seiner geistigen Krafte hatte er noch lange als Lehrer und Berater wirken konnen. Allein die Verhaltnisse der letzten Jahre hatten die Widerstandskraft des Korpers geschwacht, sodaiS er der Krankheit erlag. Nach arztlichem Ausspruch fiihrte eine Gehirnhautentzundung als Folge von Grippeerkrankung sein Ende herbei. Emst Heinrich BrunS wurde geboren am 4. Sept. 1848 in Berlin als Sohn des Landschaftsmalers Christian Gerhard Bruns. Er besuchte in seiner Vaterstadt das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und studierte Mathematik, Astronomie und Physik ebenda von I 8<66-187 1'; Foerster, Kummer, Magnus und Ft'eierstr@i waren seine Lehrer. Im Jahre I 8 7 I promovierte er an der Berliner Univekitat und trat im Jahr darauf an der Sternwarte Pulkowa als Rechner ein. Schon 1873 siedelte er nach Dorpat uber, wo er die Stelle eines Observators bekleidete. Im Jahre 1876 wurde er als a. 0. Professor der Mathematik nach Eerlin be- rufen und lehrte hier, bis er 1882 als Nachfolger von CarZBruhns in Leipzig Leitung der Sternwarte und Lehrstuhl ubernahm. Bruns vereinte zwei Eigenschaften, Wissen und Konnen, in selteneni MaOe. Sein umfassendes Wissen, die Klarheit seines Denkens und Ausdrucks machten ihn zu einem Meister des Vortrages. Aber ebenso besaD er in hervorragender IVeise einen praktischen Blick, der ihn befahigte, alles, was er in Angriff nahm, im richtigen Punkte zu erfassen, ganz gleich, ob es sich um theoretische Untersuchungen, um Beobachtungen, Rechnungen oder technische Fragen handelte. Weit entfernt, ein Stubengelehrter zu sein, war er ein Mann der Praxis, klug und erfahren in allen wirtschaftlichen Fragen, als Rerater und (hganisator geschatzt ebenso von der Universitat Leipzig wie von der Astronomischen Gesellschaft. W e erfolgreich er hier als langjahriger Rendant gewirkt hat, davon geben die Kassenberichte ein beredtes Zeugnis. Mit weiser SparSamkeit verstand er die Mittel zu den Publikationen der Gesellschaft bereit zu stellen und dabei das Vereinsvermogen zu mehren. Bruns war Astronom durch und durch und betonte das sehr entschieden bei jeder Gelegenheit. Wenn die Mathematik ihn infolge seiner glanzenden niatheniatischen Fahigkeiten als einen der Ihren in Anspruch nehmen wollte, so widerspriiche das ganzlich seiner Auffassung. Wo er in seiner Tatigkeit als Lehrer oder Leiter der Sternwarte ein 'Thema fand, das einer grund- licheren Bearbeitung oder einer Betrachtung von hoherem Standpunkte am bedurfte, da setzte er ein; waren das nun Fragen des Vielkorperproblems, der Geodasie oder Abbildungslehre, oder handelte es sich uni Refraktion, Teilungsuntersuchungen oder Wahr- scheinlichkeitsrechnung, immer standen diese Themata in Zusanimenhang rnit seiner amtlichen 'I'iitigkeit. Alle Arbeiten, von einem allgemeinen hoheren Gesichtspunkte aufgefafit und rnit der ihm eigenen Klarheit und Eleganz durchgefiihrt, sind stets wie atis einem GuO., iils Bruns die Leitung der Sternwarte ubernahm, besafl diese als einziges Arbeitsinstrument einen sechs- zolligen Meridiankreis von Pistor & Martins. Das groDe -&quatoreal von derselben Firma war nie recht brauchbar gewesen. Sofort ging er an die Beschaffung eines sechszolligen Heliometers von Repsold und spater eines groseren Refraktors. Sein praktischer Sinn sorgte dafiir, daO beide Instrumente bei einfacher Ausstattung so zweckmaOig. wie .moglich wurden. Die Stern- warte war damals in Anspruch genommen von deni Zonenunternehmen, zwei Zonen waren ihr uberwiesen. Die eine war von seinem Vorganger im Rohbau vollendet, die zweite in ungenugender lyeise in Angriff genommen. Hier fand sein Sinn fur praktische Astronomie ein Feld der Betatigung. Ein wohldurchdachtes Arbeitsprogramm fur die noch zu erledigenden Beob- achtungen und Rechnungen wurde aufgestellt und unter seiner Leitung durchgefiihrt. Im ubrigen uberliefl er seinen Astronomen nach Verabredung neuer Aufgaben die Ausfuhrung vollig selbstandig, nahm gern Bericht daruber entgegen, forderte ihn aber nicht, sondern wartete in Ruhe das Resultat ab. Manner von so scharfem ,Verstande und so auf das Praktische gerichtetem Sinn pflegen dem Gefuhl meist geringeren Spielraum zu lassen; so auch <mns. Er tadelte sehr wenig, war aber auch karg mit An- erkennung und Lob; nach seinem eigenen Ausspruch galt kein Tadel als Anerkennung. Nur schwer konnte man sich anfangs daran gewohnen; auch war das BewuiStsein, daO man im gegebenen Falle als ,recht brauchbara weiter empfohlen wurde, wah- rend andere Bewerber von anderer Seite rnit Auszeichnung genannt wurden, bedruckend. An den ihni eigenen AlaOstab fur Anerkennung gewohnte man sich; ja, wenn man ihrn nach jahrelanger Arbeit das Resultat vorlegte, und er fand auDer einigen kleinen AuDerlichkeiten nichts auszusetzen, so konnte wohl das BewuiStsein, den Anspruchen eines so bedeutenden Mannes zu genugen, eine Anerkennung aufwiegen. Im allgemeinen waren seine Veroffentlichungen von geringerem Umfange, wie schon gesagt, bald diesen, bald jenen Zweig der Wissenschaft behandelnd. Erst in spateren Jahren widmete er sich mehr und mehr einem Lieblingsthema, der Wahrscheinlichkeitsrechnung und KollektivrnaOlehre. Die Frucht dieser Arbeiten ist das schone 1,ehrbuch uber diesen Gegenstand, ein glanzender Beweis der groDen Fahigkeiten, die ich weiter oben hervorheben durfte. Dieses Buch laDt besonders schmerzlich empfinden, daO Bruns seinen Plan, auch andere Vorlesungen in Buchform herauszu- geben, nicht zur Ausfiihrung gebracht hat. Das ist umso bedauerlicher, als von seinen Schulern nur wenige sich ganz der Astro- nomie gewidmet haben. Dieser Umstand ist auffallend in Anbetracht sejnes glanzenden Lehrtalentes, erklart sich aber dadurch, daD er von seinen Schiilern einen gewissen AbschluD ihrer mathematischen Studien verlangte, ehe er sie in die Beobachtungs- kunst einfuhrte. Dadurch 4st so mancher veranlaDt worden, sich nicht der Astronomie zu widmen oder eine andere Sternwarte aufzusuchen. Bruns lief3 sich von dem Gedanken leiten, der Anfanger konne sich zu stark der interessanten Beobachtungskunst hingeben und dadurch verabsaumen, sich das so notige mathematische Rustzeug anzueignen. Es lag in seiner Auffassung keineswegs eine Unterschatzung der praktischen Astronomie. Die fruher nicht seltene ubermafiige Betonung der Beobachtungs- tatigkeit hatte ihn wohl zu diesem Grundsatz gefuhrt. Wie er eiri zielloses Anhaufen von Beobachtungen scharf tadelte, so war er andrerseits ein ausgesprochener Feind einseitiger Betonung der Theorie. Oft und gern gab er seiner Auffassung Ausdruck, daO nur von einer gesunden Mischung von Theorie und Praxis gedeihliche Fortschritte zu erwarten seien.. In diesem Geiste Am 2 3. Sept. I 9 I 9 ,verschied nach langerem Leiden der Direktor der Universitats-Sternwarte zu Leipzig, hat Bruns der Astronomie gedient, gelehrt und 37 Jahre lang die Sternwarte zu Leipzig geleitet. 3. Hqn. Inhalt zu Nr. 5017. J. G. Hagen, S. J. Vierter Vergleich zwischen Aptrogr. Katalogen und Atlas Stellarum Var. I. - 7. G' . Hapetz, S.1. Zur Geschichte des Veranderlichen T Scorpii. 5. - li. 14'. HofthzinR.er. Zur Bildung der Spiralnebel. 5. - P. JZazey. Uber die Formein der spharischen Trigonometrie. 9. - If-. lTuss. Nova Aquilae 3. 11. - J. PZussmuwi. Zur atrnospharischen r rr A ,in* I-J~~ -.nn u A?,_, nF ,? - .. . .. .. __ -- ..~ - .

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501 7 16

Todesanzeige.

Geh. Hofrat Prof. Dr. Ernst Heinrich Bruns im Alter von 7 I Jahren. Wer den Verstorbenen noch kurz vor seiner Erkrankung gesehen, hatte ihm wohl ein langes Leben vorausgesagt. Aufrecht in der Haltung, schnell in seinen Bewegungen, lebhaft in der Unterhaltung und mit dunkleni H a a r und Bart verriet er i n nichts den Siebzigjahrigen. I m Vollbesitz seiner geistigen Krafte hatte er noch lange als Lehrer und Berater wirken konnen. Allein die Verhaltnisse der letzten Jahre hatten die Widerstandskraft des Korpers geschwacht, sodaiS er der Krankheit erlag. Nach arztlichem Ausspruch fiihrte eine Gehirnhautentzundung als Folge von Grippeerkrankung sein Ende herbei.

Emst Heinrich BrunS wurde geboren am 4. Sept. 1848 in Berlin als Sohn des Landschaftsmalers Christian Gerhard Bruns. E r besuchte in seiner Vaterstadt das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und studierte Mathematik, Astronomie und Physik ebenda von I 8<66-187 1'; Foerster, Kummer, Magnus und Ft'eierstr@i waren seine Lehrer. Im Jahre I 8 7 I promovierte er an der Berliner Univekitat und trat im Jahr darauf a n der Sternwarte Pulkowa als Rechner ein. Schon 1873 siedelte er nach Dorpat uber, wo e r die Stelle eines Observators bekleidete. Im Jahre 1876 wurde e r als a. 0. Professor der Mathematik nach Eerlin be- rufen und lehrte hier, bis er 1882 als Nachfolger von CarZBruhns in Leipzig Leitung der Sternwarte und Lehrstuhl ubernahm.

Bruns vereinte zwei Eigenschaften, Wissen und Konnen, in selteneni MaOe. Sein umfassendes Wissen, die Klarheit seines Denkens und Ausdrucks machten ihn zu einem Meister des Vortrages. Aber ebenso besaD er in hervorragender IVeise einen praktischen Blick, der ihn befahigte, alles, was er in Angriff nahm, im richtigen Punkte zu erfassen, ganz gleich, o b es sich um theoretische Untersuchungen, um Beobachtungen, Rechnungen oder technische Fragen handelte. Weit entfernt, ein Stubengelehrter zu sein, war er ein Mann der Praxis, klug und erfahren in allen wirtschaftlichen Fragen, als Rerater und (hganisator geschatzt ebenso von der Universitat Leipzig wie von der Astronomischen Gesellschaft. W e erfolgreich er hier als langjahriger Rendant gewirkt hat, davon geben die Kassenberichte ein beredtes Zeugnis. Mit weiser SparSamkeit verstand er die Mittel zu den Publikationen der Gesellschaft bereit zu stellen und dabei das Vereinsvermogen zu mehren.

Bruns war Astronom durch und durch und betonte das sehr entschieden bei jeder Gelegenheit. Wenn die Mathematik ihn infolge seiner glanzenden niatheniatischen Fahigkeiten als einen der Ihren in Anspruch nehmen wollte, so widerspriiche das ganzlich seiner Auffassung. Wo er in seiner Tatigkeit als Lehrer oder Leiter der Sternwarte ein 'Thema fand, das einer grund- licheren Bearbeitung oder einer Betrachtung von hoherem Standpunkte am bedurfte, d a setzte e r ein; waren das nun Fragen des Vielkorperproblems, der Geodasie oder Abbildungslehre, oder handelte es sich uni Refraktion, Teilungsuntersuchungen oder Wahr- scheinlichkeitsrechnung, immer standen diese Themata in Zusanimenhang rnit seiner amtlichen 'I'iitigkeit. Alle Arbeiten, von einem allgemeinen hoheren Gesichtspunkte aufgefafit und rnit der ihm eigenen Klarheit und Eleganz durchgefiihrt, sind stets wie atis einem GuO., iils Bruns die Leitung der Sternwarte ubernahm, besafl diese als einziges Arbeitsinstrument einen sechs- zolligen Meridiankreis von Pistor & Martins. Das groDe -&quatoreal von derselben Firma war nie recht brauchbar gewesen. Sofort ging e r an die Beschaffung eines sechszolligen Heliometers von Repsold und spater eines groseren Refraktors. Sein praktischer Sinn sorgte dafiir, daO beide Instrumente bei einfacher Ausstattung so zweckmaOig. wie .moglich wurden. Die Stern- warte war damals in Anspruch genommen von deni Zonenunternehmen, zwei Zonen waren ihr uberwiesen. Die eine war von seinem Vorganger im Rohbau vollendet, die zweite in ungenugender lyeise i n Angriff genommen. Hier fand sein Sinn fur praktische Astronomie ein Feld der Betatigung. Ein wohldurchdachtes Arbeitsprogramm fur die noch zu erledigenden Beob- achtungen und Rechnungen wurde aufgestellt und unter seiner Leitung durchgefiihrt. Im ubrigen uberliefl er seinen Astronomen nach Verabredung neuer Aufgaben die Ausfuhrung vollig selbstandig, nahm gern Bericht daruber entgegen, forderte ihn aber nicht, sondern wartete in Ruhe das Resultat ab. Manner von so scharfem ,Verstande und so auf das Praktische gerichtetem Sinn pflegen dem Gefuhl meist geringeren Spielraum zu lassen; so auch <mns. E r tadelte sehr wenig, war aber auch karg mit An- erkennung und Lob; nach seinem eigenen Ausspruch galt k e i n Tadel als Anerkennung. Nur schwer konnte man sich anfangs daran gewohnen; auch war das BewuiStsein, daO man im gegebenen Falle als ,recht brauchbara weiter empfohlen wurde, wah- rend andere Bewerber von anderer Seite rnit Auszeichnung genannt wurden, bedruckend. An den ihni eigenen AlaOstab fur Anerkennung gewohnte man sich; ja, wenn man ihrn nach jahrelanger Arbeit das Resultat vorlegte, und er fand auDer einigen kleinen AuDerlichkeiten nichts auszusetzen, so konnte wohl das BewuiStsein, den Anspruchen eines so bedeutenden Mannes zu genugen, eine Anerkennung aufwiegen. Im allgemeinen waren seine Veroffentlichungen von geringerem Umfange, wie schon gesagt, bald diesen, bald jenen Zweig der Wissenschaft behandelnd. Erst in spateren Jahren widmete er sich mehr und mehr einem Lieblingsthema, der Wahrscheinlichkeitsrechnung und KollektivrnaOlehre. Die Frucht dieser Arbeiten ist das schone 1,ehrbuch uber diesen Gegenstand, ein glanzender Beweis der groDen Fahigkeiten, die ich weiter oben hervorheben durfte. Dieses Buch laDt besonders schmerzlich empfinden, daO Bruns seinen Plan, auch andere Vorlesungen in Buchform herauszu- geben, nicht zur Ausfiihrung gebracht hat. Das ist umso bedauerlicher, als von seinen Schulern nur wenige sich ganz der Astro- nomie gewidmet haben. Dieser Umstand ist auffallend in Anbetracht sejnes glanzenden Lehrtalentes, erklart sich aber dadurch, daD er von seinen Schiilern einen gewissen AbschluD ihrer mathematischen Studien verlangte, ehe er sie in die Beobachtungs- kunst einfuhrte. Dadurch 4st so mancher veranlaDt worden, sich nicht der Astronomie zu widmen oder eine andere Sternwarte aufzusuchen. Bruns lief3 sich von dem Gedanken leiten, der Anfanger konne sich zu stark der interessanten Beobachtungskunst hingeben und dadurch verabsaumen, sich das so notige mathematische Rustzeug anzueignen. E s lag in seiner Auffassung keineswegs eine Unterschatzung der praktischen Astronomie. Die fruher nicht seltene ubermafiige Betonung der Beobachtungs- tatigkeit hatte ihn wohl zu diesem Grundsatz gefuhrt. Wie er eiri zielloses Anhaufen von Beobachtungen scharf tadelte, so war er andrerseits ein ausgesprochener Feind einseitiger Betonung der Theorie. Oft und gern gab er seiner Auffassung Ausdruck, daO nur von einer gesunden Mischung von Theorie und Praxis gedeihliche Fortschritte zu erwarten seien.. I n diesem Geiste

Am 2 3. Sept. I 9 I 9 ,verschied nach langerem Leiden der Direktor der Universitats-Sternwarte zu Leipzig,

hat Bruns der Astronomie gedient, gelehrt und 37 Jahre lang die Sternwarte zu Leipzig geleitet. 3. H q n .

I n h a l t zu Nr. 5017. J. G. Hagen, S. J. Vierter Vergleich zwischen Aptrogr. Katalogen und Atlas Stellarum Var. I . - 7. G'. Hapetz, S.1. Zur Geschichte des Veranderlichen T Scorpii. 5. - li. 14'. HofthzinR.er. Zur Bildung der Spiralnebel. 5 . - P. JZazey. Uber die Formein der spharischen Trigonometrie. 9. - I f - . lTuss. Nova Aquilae 3. 1 1 . - J. PZussmuwi. Zur atrnospharischen

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