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Too-big-to-fail

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Mit der Finanzkrise ist deutlich geworden, dass große Banken erhebliche Risiken für das internatio-nale Finanzsystem bergen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie gleichzeitig durch Interbanken- und Derivate-Geschäfte im globalen Finanzmarkt stark vernetzt und/oder in ihrem Produkt- und Dienst-leistungsangebot kurzfristig nicht ersetzbar sind. Banken mit diesen Eigenschaften werden allge-mein als systemrelevant angesehen.

Der Zusammenbruch bzw. ungeordnete Marktaustritt einer solchen Bank kann weite Teile des Finanzsystems destabilisieren. Im Zuge der Zuspitzung der Subprimekrise im Herbst 2008 wurde dies evident: Nachdem die amerikanische Regierung zuvor bereits drei in Zahlungsschwierig-keiten geratene große Banken (Bear Stearns, Fannie Mae und Freddie Mac) mit Milliarden US-Dollar gestützt hatte, unterließ sie es, auch die international stark vernetzte Investmentbank Leh-man Brothers zu stützen. Die daraufhin einsetzen-de Verschärfung der bereits erheblichen systemi-schen Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten führten zur schwersten Finanz-marktkrise nach dem II. Weltkrieg – ein systemi-scher Schock mit nachhaltigen Auswirkungen auf weite Bereiche der Weltwirtschaft.

Systemische Relevanz ist mit erheblichen volkswirtschaftlichen Risiken verbunden Die Finanzkrise hat gezeigt, dass der Zusammen-bruch einer systemrelevanten Bank breite finanz-wirtschaftliche Funktionsstörungen verursacht, dadurch dem Nichtfinanzsektor einer Volkswirt-schaft die finanzwirtschaftliche Infrastruktur ent-zieht und die Investitionstätigkeit, den Zahlungs-verkehr und den internationalen Güterhandel stark beeinträchtigt.

In Anbetracht der bei weiteren Insolvenzen zu erwartenden negativen Auswirkungen auf andere Institute und der potentiell hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgekosten entschieden sich daraufhin zahlreiche Länder für staatlich finan-zierte Auffanglösungen bzw. direkte Stützungen von in Schieflagen geratenen Teilen der Finanzwirt-schaft (u. a. die USA, Großbritannien, die Nieder-lande und Deutschland).

Die im Zuge der Krise eingesetzten staatlichen Hil-fen nahmen in der Folge auch deshalb ein so hohes Volumen an, weil große Banken in ihrer Gesamtheit gerettet werden mussten, obwohl nur einzelne Teil-bereiche volkswirtschaftlich relevant waren.

Für die involvierten Staaten hatte dies erhebliche fiskalische Belastungen zur Folge. Einige sahen sich zu einer Kürzung gesamtwirtschaftlich not-wendiger Investitionen und zu Einschnitten in die

FinanzgruppeDeutscher Sparkassen- und Giroverband

S

Wird die Bedeutung eines einzelnen Finanzinstituts so hoch eingeschätzt, dass die Politik im Heimatland dieses Instituts einen Zusammenbruch nicht zulas­sen kann, ohne das Finanzsystem und die Gesamtwirtschaft zu gefährden, wird es als „too big to fail“ bzw. „too systemic to fail“ bezeichnet. Banken, die im­plizit diesen Status „genießen“, bilden eine eigenständige Quelle systemischer Risiken. Regulierung, die darauf abzielt krisenhafte Verwerfungen an den Finanz­märkten zukünftig zu verhindern, muss diesen Risiken mit geeigneten Regeln entgegen wirken!

„Too-biG-To-Fail“ – wenn banken zu GroSS werDen

SySTemiSche riSiken, „moral hazarD“ unD markTverzerrunGen

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Finanzmarktes als Ganzes nimmt generell mit seiner Größe zu.

2. Komplexität: Ein hoher Grad organisatorischer Komplexität erhöht das unmittelbare Anste-ckungspotenzial für andere Bankfunktions-bereiche bzw. Tochtergesellschaften und erschwert zugleich potenziell notwendige Abwicklungsmaßnahmen.

3. Vernetzung im Finanzsystem: Systemische Risi-ken können gegeben sein, wenn ein Institut aufgrund seiner komplexen Verbindungen zu anderen Marktakteuren, bei Ausfall schwere Störungen im Finanzsystem hervorrufen kann. (too connected to fail)

4. Ausmaß globaler Aktivität: Eine ausgeprägte grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit gilt als wichtige Ursache für länderübergreifende Ansteckungen.

5. (Un-)Ersetzbarkeit der Leistungen: Die System-relevanz einer Bank nimmt in dem Maße zu, wie es anderen Instituten Probleme bereitet, bestimmte, aber für den Erhalt eines funktio-nierenden Finanzmarktes notwendige Dienst-leistungen dieser Bank kurzfristig selbst zu erbringen oder durch einen andren Lieferanten zu ersetzen.

Von diesen Kriterien ist einzig das der Größe ein-deutig zu erheben. Ein gängiges Kriterium, um dar-aus die volkswirtschaftliche Relevanz einer Bank zu bestimmen, ist die „Bilanzsumme in Prozent des Bruttosozialproduktes (BIP)“ des Heimatlandes.

Weitere mögliche Kennziffern, die Systemrelevanz anzeigen können, sind:

b der Umfang derivater Positionen,b das Volumen an Wertpapiergeschäften, b das Volumen verbriefter Forderungen, die an

Investoren verkauft wurden,b der relative bilanzielle Umfang der Forderungen

bzw. Verbindlichkeiten gegenüber anderen Finanzinstituten

b der Umfang abgewickelter Devisentransaktio-nen und weiterer internationaler Geschäftsakti-vitäten.

Die Gewichtung dieser Kriterien bleibt jedoch umstritten.

sozialen Sicherungssysteme gezwungen. In man-chen Ländern waren die in Schieflage geratenen Banken offenbar nicht nur „too big to fail“, sondern letztlich auch zu groß, um gerettet zu werden: Sie aufzufangen überforderte einige Einzelstaaten wie zum Beispiel Irland, Island oder Lettland. Diese Staaten sind unter anderem für die Refinanzierung ihrer Haushaltsdefizite auf internationale Finanz­hilfen angewiesen.

Bisherige Regulierungsansätze reichen noch nicht ausAufgrund dieser Erfahrungen besteht seit der Finanzmarktkrise national und international Einig-keit darin, dass sich eine derartige Krise nicht wie-derholen darf, und es deshalb möglichst internatio-nal abgestimmter Regeln bedarf.

Daraus ergaben sich bereits umfangreiche Regulie-rungsansätze,b zum Beispiel auf nationaler Ebene Bankenab-

gabe, Institutsvergütungsverordnung, Leerver-kaufsverbot, MaRisk-Novellen,

b im europäischen Rahmen ESA (European Supervisory Authorities) und Basel III,

b sowie international (G20) ebenfalls Basel III.

Im Zuge dieser Regulierungsansätze werden die Risiken, die von systemisch relevanten Banken aus-gehen, bislang jedoch nur unzureichend berück-sichtigt. Sowohl im Sinne einer effektiven Krisen-prävention als auch aus ordnungspolitischen Erwägungen (Chancengleichheit im Markt) besteht hier erheblicher Handlungs- bzw. Nachholbedarf.

Abgrenzung systemrelevanter InstituteUm die oben genannten Probleme regulatorisch anzugehen, bedarf es einer objektiven Abgrenzung der systemrelevanten von nicht-systemrelevanten Akteuren an den Finanzmärkten. Grundsätzliche Kriterien zur Klassifizierung von Systemrelevanz sind bereits 2009 durch das Financial Stability Board (FSB) formuliert und ebenfalls in den ent-sprechenden Überlegungen des Baseler Ausschus-ses für Bankenaufsicht (Basel Committee on Ban-king Supervision [BCBS]) aufgegriffen worden:

1. Größe: Die Bedeutung eines einzelnen Finanz-instituts für das arbeitsteilige funktionieren des

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Äquivalent zur Bonität bei privaten und gewerbli-chen Darlehensnehmern.

Die von „Too-big-to-fail“-Banken begebenen Schuldverschreibungen müssen sich infolge der impliziten Staatshaftung jedoch weniger rentieren, als die Papiere anderer Anleihegläubiger. Denn die durch den Anleihemarkt signalisierten Risikoauf-schläge werden für diese Institute nach unten ver-zerrt. Im Endeffekt erhalten die Eigentümer und Gläubiger systemrelevanter Banken eine kostenlo-se staatliche Insolvenzversicherung. Große und systemimmanente Banken genießen dadurch einen ungerechtfertigten Refinanzierungsvorteil gegenüber Wettbewerbern.

Wettbewerbsverzerrung durch Refinanzierungskosten Die Erwartung von Marktteilnehmern, dass Banken, die als „too big to fail“ gelten, im Notfall auf eine unbegrenzte staatliche Unterstützung zählen kön-nen, verursacht auf den Finanz- und Kreditmärkten auch dann negative Verzerrungseffekte, wenn keine außergewöhnlichen Störungen oder Krisen vorliegen. Denn Kreditinstitute nutzen die Finanz-märkte u. a. zur Refinanzierung ihrer Aktivgeschäf-te. Das Ausfallrisiko u. a. von Schuldverschreibun-gen wie Anleihen und Zertifikaten spiegelt sich in der effektiven Rendite dieser Papiere wider: je wahrscheinlicher ein möglicher Ausfall, desto höher die Rendite. Die Rendite ist somit quasi das

Kreditinstitut Sitzland Bilanzsumme (ende 2010),

in mrd. eur

Bilanzsumme (ende 2010),

in Prozent des Sitzland-biP von

2010

BIP (des Sitzlandes in

mrd. eur, 2010)

UBS ch 1028 260 395,7

Credit Suisse ch 806 204 395,7

ING nl 1247 211 591,5

Nordea Se 581 168 346,1

HSBC uk 1857 110 1694,5

Barclays uk 1756 104 1694,5

RBS uk 1714 101 1694,5

BNP Paribas Fr 1998 103 1947,8

Banco Santander eS 1362 128 1062,6

Crédit Agricole Fr 1593 82 1947,8

Deutsche Bank De 1906 76 2498,8

DnB NOR no 236 75 313,0

Svenska Handelsbanken Se 238 69 346,1

Lloyds Banking Group uk 1169 69 1694,5

Unicredit iT 929 60 1548,8

Société Générale Fr 1132 58 1947,8

BBVA eS 553 52 1062,6

Quelle: Unternehmensangaben (Bilanzsummen), Eurostat (BIP-Angaben), EZB-Monatsbericht (Wechselkurse)

Europäische Banken nach Bilanzsumme in Prozent des BIP

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Eine weitere mögliche Folge besteht in der Oligo-polisierung der Marktstruktur, die in einigen Län-dern zu beobachten ist. Diese hat volkswirtschaft-lich erhebliche negative Effekte und fördert eine Entwicklung, in der die dortige Finanzbranche ins-gesamt über ein hohes Druckpotenzial gegenüber der Politik verfügt.

Latent bedrohlich – die destabilisierende Neigung zuviel zu wagenEin weiteres gravierendes Problem der Too-big-to-fail-Banken ist der sogenannte Moral Hazard3. Durch die implizite Staats-Garantie hat das Management einer solchen Bank objektiv geringe-re Anreize, unangemessene bzw. übermäßige Risi-ken zu vermeiden.

Der Anreiz, eine wirksame Risikokontrolle auszu-üben, wird geringer, weil die Bank im Erfolgsfall von übermäßig riskanten Geschäften profitiert. Im Falle eines Misserfolgs muss sie jedoch kein Scheitern ris-kieren, da etwa entstehende Verluste mittels staatli-cher Stützungsmaßnahmen sozialisiert werden.

Die fortbestehende Unglaubwürdigkeit der Option große, systemisch relevante Finanzinstitute zukünf-tig nicht zu retten, setzt somit einen zentralen Marktmechanismus außer Kraft: den wirtschaftli-chern Zusammenbruch bzw. der drohende Markt-austritt bei Insolvenz.

Der Moral-Hazard-Wirkung können sich auch Aktio-näre/Anteilseigner und Aufsichtsgremien nicht ent-ziehen. Sie haben bei systemrelevanten Banken einen deutlich geringeren Anreiz zur effektiven Kontrolle der Geschäftstätigkeit als bei kleineren und weniger vernetzten Kreditinstituten.

Umgang mit systemrelevanten KreditinstitutenChancengleichheit im Bankenmarkt und die Siche-rung von Finanzmarktstabilität bedeutet nicht, alle Kreditinstitute regulatorisch gleich zu behandeln. Im Gegenteil, sie verlangen eine unterschiedliche Behandlung entsprechend ungleicher Verhaltens-weisen und gesamtwirtschaftlicher Risiken.Die derzeitigen Reformen im Bereich der Finanz-marktregulierung sind bislang jedoch noch nicht ausreichend an den Ursachen der Krise ausgerich-tet. So laufen die im Rahmen von Basel III vorgese-

Dieser Wirkungsmechanismus führt für Schuldver-schreibungen von systemrelevanten Banken zu- dem zu einer verbesserten Beurteilung durch die Ratingagenturen, die ihrerseits die Rendite weiter reduzieren können. Daraus ergibt sich ein tenden-ziell selbst verstärkender Prozess, der eine ohnehin schon nicht unproblematische Marktverzerrung noch weiter verstärkt.

Die implizite Staatshaftung für Too-big-to-fail-Banken wirkt an den Märkten genauso wie die früher beste-hende explizite Gewährträgerhaftung für Landesban-ken und Sparkassen. Diese wurde zur Mitte des Jahres 2005 von der EU-Kommission mit der Begrün-dung aufgehobenen, dass der durch die Gewähr-trägerhaftung erwirkte Refinanzierungsvorteil eine unzulässige Marktverzerrung darstelle und die Chancengleichheit für die Marktteilnehmer verletze.

Hang zur Größe jenseits erzielbarer SynergienAufgrund des Refinanzierungsvorteils und der mit Größe und Vernetzung einhergehenden impli-ziten Staatshaftung neigen Banken dazu, über ihre be triebswirtschaftlich optimale Größe hinaus zu wachsen bzw. zu fusionieren. Diese Tendenz ist für die Dekade vor Ausbruch der Finanzmarktkrise gut belegt. Zwischen 1998 und 2008 verdoppelte sich der Anteil der fünf größten Finanzinstitute am welt-weiten Bankenkapital von acht auf 16 Prozent1.

Eine aktuelle britische Studie2, die 713 Banken aus 14 OECD-Ländern, darunter auch Deutschland, über einen Zeitraum von 12 Jahren untersuchte, ergab auch: Größere Geldinstitute hatten überpro-portional notleidende Kredite in ihren Büchern und verbuchten wesentlich mehr Zahlungsausfälle als kleinere Institute. Da die Vorteile aus einem Too-big-to-fail-Status diesen Nachteil jedoch mehr als wett machen, bestand der „Drang zur Größe“ unge-mindert fort.

Diese Konsolidierungsdynamik führt dazu, dass immer mehr der im Markt verbleibenden Banken Größenordnungen erreichen, die jenseits einer volkswirtschaftlich sinnvollen Erzeugung von Ska-leneffekten liegen und ein erhebliches systemi-sches Instabilitätsrisiko bergen. Heute sind allein in Europa neun Institute in der Bilanzsumme größer als ihre Volkswirtschaft. (siehe Tabelle auf Seite 3)

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digen Ressourcen ausgestattet werden. Als letzte Mittel sollten den Aufsichtsbehörden auch Größenbegrenzungen, Fusionsbeschrän-kungen sowie kartellrechtliche Entflechtungs-vorgaben zur Verfügung stehen. Dabei muss allerdings sichergestellt werden, dass diese Maßnahmen in ihrem Anwendungsbereich aus-schließlich auf systemrelevante Institute beschränkt bleiben.

(5) Damit großen und international vernetzten Banken bei betriebswirtschaftlichem Versagen ein Marktaustritt glaubhaft angedroht werden kann, ist ein Mechanismus zur geordneten Abwicklung bzw. Restrukturierung systemrele-vanter Kreditinstitute notwendig.

(6) Um die Komplexität und Krisenanfälligkeit die-ser Banken von vornherein zu reduzieren, kön-nen Vorgaben zur Erstellung von Abwicklungs-plänen (Living Wills) sinnvoll sein. Zielführend wären auch organisatorische Trennmauern, die das Privat- und Firmenkundengeschäft system-relevanter Banken intern strikt von riskanteren Finanzmarktaktivitäten trennt. Somit könnten bei einer Schieflage volkswirtschaftlich wichtige Funktionsbereiche systemisch relevanter Groß-banken separiert und weitergeführt werden5.

(7) Die Finanzierung möglicher Abwicklungsmaß-nahmen für systemrelevante Finanzinstitute sollte wirtschaftstheoretisch begründbar in Form einer Abgabe auf Systemrelevanz im Sin-ne einer Pigou-Steuer6 oder über eine Börsen- und Devisentransaktionssteuer erfolgen. Die von der deutschen Politik beschlossene Ban-kenabgabe ist insofern fehlerhaft konstruiert.

(8) Eine wirtschaftspolitische Förderung oder Sti-mulierung von betriebswirtschaftlich nicht not-wendigen Konzentrationsprozessen im Banken-sektor, die letztlich nur zur Herausbildung noch größerer Finanzkonglomerate führen, sollte unterbleiben bzw. muss beendet werden.

henen Maßnahmen weitgehend undifferenziert auf höhere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen für alle Kreditinstitute hinaus.4

Pauschal für alle Kreditinstitute höhere und teil-weise risikounabhängige Kernkapitalpuffer vorzu-schreiben, ist jedoch nicht ausreichend ursa-chenadäquat. Hier muss nachgebessert werden. Systemrelevante Institute müssen künftig einer besonderen Regulierung und Aufsicht unterliegen, welche die Refinanzierungsvorteile, die mit einer impliziten Staatshaftung einhergehen, tatsächlich ausgleicht.

Fragen nach der optionalen Regulierung und nach tragfähigen Strukturen der Bankenmärkte müssen daher neu beantwortet werden. Für tatsächlich umsetzbare Regulierungsansätze ist es zudem not-wendig, Eigenschaften zu definieren, die eine Sys-temrelevanz von Instituten begründen.

Folgende Maßnahmen sind als Lösungsansatz geeignet:(1) Die Erstellung einer Liste der auf weltweiter

Ebene systemrelevanten Institute. Basis dafür können verschiedene statistische Kennziffern sein – welche die Kriterien Größe, Ersetzbarkeit und Vernetzung durch Kapitalmarktgeschäfte transparent widerspiegeln – ergänzt durch Exper-teneinschätzungen der Aufsichtsbehörden.

(2) Zu den notwendigen regulatorischen Anforde-rungen an systemrelevante Kreditinstitute zäh-len gezielte Eigenkapitalzuschläge. Diese Zuschläge erhöhen die Risikotragfähigkeit die-ser Banken und kompensieren ihre Refinanzie-rungsvorteile. Sie sind auch deshalb ordnungs-politisch gerechtfertigt, weil sie den Anreiz für Banken, systemrelevant zu werden, senkt.

(3) Ergänzend zu Eigenkapitalzuschlägen sind Fremdkapitalinstrumente denkbar, die im Kri-senfall in Eigenkapital wandelbar sind.

(4) Wie bereits vom Financial Stability Board (FSB) gefordert, müssen systemrelevante Kreditinsti-tute besonders intensiv beaufsichtigt werden. Dazu müssen die Aufsichtsbehörden ein ein-deutiges Mandat erhalten und mit den notwen-

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Mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland hat sich das System der Dreigliedrigkeit aus privaten Geschäftsbanken, der großenteils dezentralen öffentlich-rechtlichen Säule und dem ebenfalls dezentral strukturierten genossenschaftlichen Sek-tor überaus bewährt. Das gilt sowohl in Hinblick auf die Krisenresistenz des finanzwirtschaftlichen Sek-tors, als auch auf seine zentrale volkswirtschaftliche Aufgaben: eine verlässliche Abwicklung des Zah-lungsverkehrs und die Kreditvergabe an Unterneh-men und private Kunden.

Die Diskussion darüber, dass der deutsche Banken-markt over-banked sei und daher zugunsten gro-ßer Bankkonzerne umstrukturiert werden müsse, ist überholt. Ein heterogenes Bankensystem mit unterschiedlich großen und geschäftspolitisch unterschiedlich ausgerichteten Instituten, wirkt gleichgerichtetem Marktverhalten entgegen und trägt dadurch zur Eindämmung systemischer Ver-werfungen bei. Ein hoher Grad an Unterschiedlich-keit in den Geschäftsmodellen, Aufgaben und rechtlichen Strukturen, wie er in Deutschland gege-ben ist, ist daher als Stärke eines Finanzplatzes zu begreifen.

Private gewinnorientierte Banken sowie die dezen-tralen Verbundgruppen der Sparkassen und Genos-senschaftsbanken als lebensfähige Systeme nebeneinander zu erhalten, hat sich in der Finanz-krise als kluge, risikobegrenzende Politik erwiesen. Diese „Artenvielfalt“ bzw. „Pluralität von Organisati-onsformen im Bankenwesen“ gilt es gerade auch im Kontext internationaler Regulierungsvereinba-rungen zu schützen und weiterzuentwickeln.7

FazitDie kostenlose implizite Versicherung systemisch relevanter Banken durch ihren Heimatstaat hat ernsthafte, die Finanzsysteme destabilisierende Folgen. Dazu zählen insbesondere Wettbewerbs-verzerrungen aus Refinanzierungsvorteilen und ein starker Anreiz für überzogenes wettbewerbs-schädliches Fusionsstreben.

Systemrelevante Institute müssen daher in beson-derer Weise reguliert und beaufsichtigt werden. Die im Rahmen von Basel III vorgesehenen Maß-nahmen sind bislang jedoch zu undifferenziert und erfordern eine Erweiterung bezüglich systemischer Risiken. Dafür ist es wesentlich, den Kreis der sys-temrelevanten Banken und der hochriskanten Geschäftsfelder richtig zu definieren.

Zum Schutz vor Belastungen der Staatshaushalte und zum Ausgleich der Vorteile aus faktischer Staatshaftung ist es notwendig und wirtschafts-theoretisch begründet, an große und auf globaler wie auf europäischer Ebene systemrelevante Ban-ken besondere, dem Destabilisierungsrisiko dieser Institute gerecht werdende Anforderungen zu stel-len. Die Politik ist daher gefordert, ein entsprechen-des aufsichtrechtliches und regulatorisches Rah-menwerk zu etablieren.

1 P. Alessandri und A. Haldane, Banking on the State, Bank of England, 2009

2 Ray Barrel et al., NIESR, London 20093 Mit dem englischen Ausdruck „Moral Hazard“ (wörtlich: sitt-

liche Gefährdung) wird in der Finanz- und Versicherungs-wirtschaft die Gelegenheit bzw. erhöhte Bereitschaft zu ver-antwortungslosem Verhalten in Bezug auf Risiken bezeichnet, die entsteht, wenn man damit rechnen kann, dass andere (etwa: Staat, Zentralbank, Sicherungsfonds, Versicherung, etc.) eventuell entstehende Schäden oder Verluste (mit)tragen.

4 Eine Ausnahme bzw. die Größe betreffende Differenzierung bildet die höhere Risikogewichtung für Interbankenforde-

rungen gegenüber LFGs (Large Financial Institutions) mit einer Bilanzsumme ab 100 Mrd. US$.

5 Siehe auch: John Vickers, Independent commission on Banking, „CHECK AGAINST DELIVERY“, Interim Report Publication, London, 2011

6 Nach Arthur Cecil Pigou (1920) sollen die einzelwirtschaft-lichen Kosten mit den volkswirtschaftlichen Kosten dadurch zur Deckung gebracht werden, dass die Verursacher nega-tiver externer Effekte besteuert werden.

7 Siehe auch: Reinhard Schmidt, Ein Plädoyer für Banken-Vielfalt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.05 2011