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Torben Wetter Die Sitzordnung: Pädagogisches Feng‐Shui Sitzordnung.pdf · K Die Sitzordnung: Pädagogisches Feng‐Shui Kaum eine vermeintliche Nebensächlichkeit sorgt bei Eltern

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Page 1: Torben Wetter Die Sitzordnung: Pädagogisches Feng‐Shui Sitzordnung.pdf · K Die Sitzordnung: Pädagogisches Feng‐Shui Kaum eine vermeintliche Nebensächlichkeit sorgt bei Eltern

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Die Sitzordnung: Pädagogisches Feng‐ShuiKaum eine vermeintliche Nebensächlichkeit sorgt bei Eltern für so viel Frust wie dieSitzordnung in der Klasse ihres Kindes. Das muss nicht sein: Ein durchdachtesKonzept hilft dabei, das gemeinsame Lernen in der Klasse erfolgreich zu gestalten unddie Nerven der Eltern zu schonen.

Torben Wetter

ommentare von Eltern aus Online­Foren:

„Hilfe! Die Klassenlehrerin unseres Kindes ändert fastalle drei Wochen die Sitzordnung! Diese ständige Um­zieherei nervt alle. Grund ist, dass es wohl in der Klasseetliche Schwätzer gibt, die dann jedesmal neu verteiltwerden müssen. Müssen wir als Eltern da eigentlich al­les mitmachen oder haben wir ein Mitsprachsrecht?“

„Gestern kam meine Tochter weinend nach Hause. Sieist jetzt von der Lehrerin neben ein anderes Kind ge­setzt worden, das stadtbekannt ist. Mehr möchte ich da­zu nicht schreiben. Ich habe die Lehrerin angerufen,leider kein Erfolg. Habe ich das jetzt einfach hinzuneh­men?“

„In der Klasse meines Sohnes rotieren die Kinder jedeWoche einen Tisch im Uhrzeigersinn weiter. Angeblichist das so, weil einige Kinder in der Klasse von ihremPlatz aus schlecht sehen können. Durch die Rochadesoll irgendwie jeder mal betroffen sein. Erschließt sichirgendeinem der Sinn dabei? Mir nicht!“

„Unser Sohn hat ADS (diagnostiziert!) und soll auf Anra­ten des Arztes am besten an einem Einzeltisch ganzvorne sitzen. Der Klassenlehrer meint aber, so viele Ein­zelplätze, wie er in der Klasse eigentlich bräuchte, hätteer gar nicht. Was sollen wir machen? Jemand eineIdee?“

enn Eltern über die Sitzordnung in der Klasse ihresKindes berichten, wird es ganz schnell emotional, wiedie Eingangszitate zeigen. Während schlechte Noten fürdie allermeisten Mütter und Väter noch irgendwie nach­vollziehbar sind, herrscht oft große Ratlosigkeit, wenndas eigene Kind berichtet, wer in der Klasse neben wemzu sitzen hat. „Muss das sein?" ist oft der erste Gedan­ke. Der zweite: „Soll ich meinem Kind nun beibringen,dass es eine Sitzordnung als gottgegeben hinzunehmenhat? Oder darf ich bei der Lehrerin vorstellig werden,um mir das ein oder andere mal genauer erklären zulassen?"

Die Lehrkraft entscheidet ­ und hat danach dieVerantwortung!

Die beiden obigen Fragen dürfen sich Eltern selbstver­ständlich stellen. Die Zuständigkeit ist allerdings klar ge­regelt: Verwaltung, Organisation und Pflege desKlassenraums ist ein Aufgabenfeld, das die Klassen­lehrkraft zu übernehmen hat. Sie trägt dann allerdingsauch die volle Verantwortung für alle diesbezüglichen

Entscheidungen! Eine Lehrerin, die ihren Klassenraumstets im chaotischen Zustand hinterlässt, wird dafürschnell zur Verantwortung gezogen werden. Eine Ent­schuldigung wie: „Meine Schüler lernen einfach nicht,ihren Platz sauber zu hinterlassen" wird keinesfalls ak­zeptiert. Stattdessen wird die Schulleitung der Kollegindeutlich machen, dass sie hier ihren dienstlichen Ver­pflichtungen nachzukommen hat.

Ähnlich ist dies im Falle der Sitzordnung. Auch hier ent­scheidet die Klassenlehrkraft selbstständig, in welcherFormation und Anordnung die Kinder sitzen und lernen.Doch eine Sitzordnung wird nicht willkürlich festgelegt,sondern muss bestimmte „Qualitätskriterien" erfüllen:

• Sie sollte allen Kindern gleich gute Lernbedingungenermöglichen.

• Sie sollte Unterrichtsstörungen vorbeugen.• Sie sollte den Kindern ein Gefühl von Stabilität,Verlässlichkeit und Geborgenheit geben.

• Sie muss den Stil und die Lehrmethoden der Lehrkraftunterstützen.

Mit einem zweiten Blick auf die Eingangszitate wirddeutlich, dass diese Qualitätskriterien offenbar nichtüberall erfüllt werden. Es wird aber noch etwas deutlich:Die Kritik der zitierten Eltern richtet sich vor allem daranaus, dass die Lehrkräfte etwas verändern, also offenbarmit der Situation selbst nicht zufrieden sind und siemehr oder weniger gezielt verändern möchten. Dies ist

www.grundschulinfo.de1

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Eltern / Interessierte

Abb.1: Sitzordnung vor hundert Jahren. Quelle: Wikimedia

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ein Punkt, der in der Diskussion rund um die Sitzord­nung von hoher Bedeutung ist: Lehrkräfte ändern Sitz­ordnungen, verschieben Tische und setzen Kinder um,nicht weil sie Eltern und SchülerInnen ärgern wollen,sondern weil sie einen Missstand erkennen und ihnbeseitigen müssen. Insofern sollten Eltern ­ bei allemverständlichen Unmut über willkürlich wirkende Ände­rungen der Sitzordnung ­ Ruhe bewahren und die„neue Lage" vielleicht erst einmal abwarten. Erst wennsich bestimmte Befürchtungen bestätigen, sollte dasGespräch gesucht werden. Professionell arbeitendeLehrkräfte werden dabei gerne Rede und Antwort ste­hen. Sind in der Elternschaft mehrere Mütter und Väterunzufrieden mit der Sitzordnung, so können alle Punk­te gesammelt und auf einem Elternabend gemeinsamdiskutiert werden. Sinnvoll kann es natürlich auch sein,wenn die Klassenlehrkraft von sich aus auf einem Tref­fen gleich zu Beginn des Schuljahres das Thema Sitz­ordnung anspricht. Dabei kann sie ihre Entscheidungfür eine bestimmte Anordnung von Tischen erläuternund Eltern können Wünsche äußern. Denn dass sichdas Äußern von Wünschen trotz des formal „letztenWortes" der Lehrkraft nicht verbietet, sollte in einer gutfunktionierenden Erziehungspartnerschaft, wie sieLehrkräfte und Eltern nun mal per Gesetz eingehen,eigentlich selbstverständlich sein.

Um Eltern über gängige Sitzordnungen aufzuklären,folgen in diesem Beitrag nun zwei weitere Absätze:einen zur Anordnung der Tische in der Klasse undeinen zur Anordnung der Kinder.

Anordnung der Tische

Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Frage nach derSitzordnung keine wirklich drängende. Tische undStühle waren in den Klassenräumen festgeschraubt,so dass sie nicht bewegt werden konnten (s. Abb. 1).Da die Unterrichtsprinzipien vor allem die direkte In­struktion und das Nachahmen waren, gab es auch kei­ne Notwendigkeit, an der Anordnung der Tische etwaszu verändern: beide Unterrichtsprinzipien ließen sichmit der Standard­Sitzordnung gut umsetzen. Dochschon ab 1890 gab es zunehmend kritischere Stim­men, die dieses „behaviouristische" Lernen ablehnten.Zwischen 1905 und 1919 entwickelten sich viele neueLernkonzepte wie die Arbeitsschulbewegung nachGeorg Kerschensteiner oder die von Rudolf Steinerbegründete Waldorfpädagogik, die auch eine Abkehrvon der dominierenden Klassenraumgestaltung mitsich brachte. Durch die Weltwirtschaftskrise und dieZeit des Nationalsozialismus in Deutschland gab esvielerorts eine Rückkehr zu klassischen Konzepten,die erst wieder ab den 1960er Jahren hinterfragt wur­den. In den 1970er und vor allem den 1980er Jahrenwurden durch rege Forschungsarbeiten aus den Uni­versitäten nun auch wieder neue Unterrichtsformenund ­methoden erprobt, die nach anderen Sitzordnun­gen verlangten.Dennoch findet sich auch heute noch in vielen Grund­schulklassen die traditionelle Omnibussitzordnung, beider die Kinder an Zweiertischen hintereinander sitzen ­meist durch einen Mittelgang voneinander getrennt,den die Lehrkraft auf­ und abschreiten kann (s. Abb. 2)

Sitzordnung: Omnibus

Diese Sitzordnung ist zwar als altmodisch verschrien,hat aber Vorteile, wenn die Lehrkraft gerne nach demSchema „Ich mache vor ­ und ihr macht nach" unter­richtet. Auch Kurzvorträgen und Lehrerpräsentationenkönnen die Kinder in dieser Sitzordnung besser folgen.Nachteilig ist hingegen die Gesprächsführung nachdem Einbahnstraßenprinzip: Sachgespräche oder Dis­kussionen der Kinder untereinander sind erschwert, sodass eigentlich jede Äußerung in Richtung des Lehrerserfolgt (s. Abb. 3). Da aber auch Grundschulkindernach den aktuellen Rahmenplänen das Gesprächeführen, das Darstellen im szenischen Spiel, das Argu­mentieren, Informieren und Appellieren lernen sollen(KMK 2005), muss diese Sitzordnung immer wieder fürentsprechende Übungen umgebaut werden.

Die Vermutung mancher Eltern übrigens, dass dieseSitzordnung die am wenigsten störanfälligste und lern­förderlichste ist, konnte in Untersuchungen nicht be­stätigt werden (SCHICKE 2007). Aber das wirdohnehin jeder wissen, der einmal an seine eigenenSchulerfahrungen mit dieser Formation zurückdenktund gerne in der letzten Bank Käsekästchen gespieltoder unter dem Tisch Donald Duck gelesen hat!

Abb.2: Der Klassiker „Omnibus­Sitzordnung“.

Abb.3: Schematische Darstellung der Sitzordnungen„Omnibus“ (links) und „gemäßigt­frontal“ (rechts).

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Sitzordnung: Gemäßigt­frontal

In einer etwas älteren Publikation findet sich eine Ab­wandlung der Omnibus­Sitzordnung, deren Einsatz alssehr lernförderlich beschrieben wird (BUSCH /NEUMANN / NEUMEIER 2004). Hierbei werden die hin­tereinander stehenden Tische der Omnibus­Sitzordnungetwas schräg gestellt, so dass sowohl dem LehrerIn­nenvortrag als auch den Beiträgen von MitschülerInnenzugehört werden kann (s. Abb. 3). Die Formation vereintdie Vorzüge des Omnibus mit denen des Hufeisens (s.unten), übernimmt dafür aber auch einige der Nachteile:für Gruppenarbeiten muss umgebaut werden und einigeSchülerInnen müssen sich für Klassengespräche um­drehen. Zudem kann diese Sitzordnung nur in kleinerenKlassen mit bis zu 20 Kindern ihre Stärken ausspielen,da nur dadurch in der Mitte der Formation ausreichendPlatz für Kreisgespräche oder Vorführungen bleibt.

Sitzordnung: Gruppentische

Zum neuen Klassiker in vielen Grundschulklassen istdie Anordnung der Tische zu Gruppen geworden (s.Abb. 4). Dabei werden immer zwei oder drei Tische zueiner großen Tischfläche zusammengeschoben. DieKinder sitzen um diese Tischfläche herum.Auch wenn sich diese Sitzordnung großer Beliebtheiterfreut, hat sie nur eingeschränkten Nutzen ­ bei vielenNachteilen. Die Vorteile: Die Kinder sitzen oft mit be­freundeten Kindern zusammen und können jederzeit zu­sammenarbeiten (wenn es der Unterricht erfordert) odersich gegenseitig helfen. Die Nachteile: Einige Kinder sit­zen ungünstig zur Tafel und müssen den Kopf stark dre­hen; auch ist Untersuchungen zufolge die Anfälligkeit fürUnruhe in dieser Formation am höchsten. Zudem be­mängeln Kinder, dass sie hier das Gefühl hätten, vonder Lehrkraft nicht richtig wahrgenommen zu werden(BAULIG 2003).Obwohl Gruppentische dem Lernen in der Klasse alsonicht zwingend schaden, sollte ihre Beliebtheit in denGrundschulen kritisch hinterfragt werden.

Sitzordnung: Hufeisen

Neben den Gruppentischen ist auch die Hufeisen­For­

mation als Anordnungsmöglichkeit der Tische recht be­liebt (s. Abb. 4). Das Hufeisen ist eine Mischung ausfrontaler und kommunikativer Ausrichtung, da die Kindersowohl die Lehrkraft als auch ihre MitschülerInnen je­derzeit in den Blick nehmen können. Auch die Sichtnach vorn ­ beispielsweise zur Tafel ­ ist in der Regelunverstellt.Ideal ist das Hufeisen in kleineren Klassen mit bis zu 20Kindern, wenn die Tische im Halbrund ­ also tatsächlichwie ein Hufeisen geformt ­ gestellt werden können (s.Abb. 5). Ist die Zahl der Kinder in der Klasse erhöht(> 22) werden im Schulalltag häufig weitere Tische in dieMitte des Hufeisens gestellt und die Ausrichtung derSitzordnung wird damit frontaler ­ ähnlich wie bei derOmnibus­Sitzordnung. Da dann aber häufig störendeKinder von Lehrkräften gerne in die Mitte gesetzt wer­den, erhöht das die Ablenkbarkeit der Umsitzenden er­heblich, wodurch einer der Vorteile dieser Sitzordnung ­ihr disziplinierender Effekt ­ in das genaue Gegenteilgewandelt wird! So ist auch zu erklären, das sich in ei­ner Untersuchung der TU Braunschweig ausgerechnetdiese Sitzordnung als besonders anfällig für Lautstärkeund Disziplinierungsmaßnahmen herausstellte(SCHICKE 2007). Diese Feststellung steht im Gegen­satz zur alltäglichen Schulpraxis, in der Lehrkräfte ihreguten Erfahrungen mit dem Hufeisen hervorheben.Als Fazit ließe sich demnach festhalten, dass die Hufei­sen­Formation also dann am wirkungsvollsten ist, wennKinder, die zu Störungen neigen, nicht unbedingtdauerhaft im Blickfeld der übrigen sitzen!

Sitzordnung: Randstellung

Hin und wieder findet sich eine weitere Sitzordnung inden Grundschulen, die allerdings noch einen hohenExotenstatus genießt. Ich habe sie in diesen Beitrag mitaufgenommen, da ich sie selbst gerne in Klassen ein­setze, in denen Kinder mit sehr unterschiedlichen Lern­ausgangslagen gemeinsam lernen.Bei dieser Sitzordnung werden alle Arbeitstische an dieAußenwände gestellt, so dass die Kinder beim Hoch­schauen nur ihren eigenen Arbeitsplatz vor Augen undihre MitschülerInnen im Rücken haben (s. Skizze in Abb.7 und Foto in Abb. 6).

www.grundschulinfo.de3

Abb.4: Schematische Darstellung der Sitzordnungen„Gruppentische“ (links) und „Hufeisen“ (rechts).

Abb.5: In kleineren Klassen bis zu 20 Kindern kann sich dashalbrunde Hufeisen anbieten.

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Dies ist so ungewöhnlich, dass diese Sitzordnung beiKindern wie Eltern gleichermaßen auf Irritation undSkepsis stößt. Bei manchen KollegInnen übrigensauch. Ihr Vorteil liegt aber in der geringen Ablenkbar­keit der einzelnen Kinder: Dadurch, dass jede Schüle­rIn vor allem ihren individuellen Arbeitsauftrag und einStück Wand oder Fensterbank vor sich hat, steigt dieKonzentration und kognitive Ausdauer. Auch in der Un­tersuchung der TU Braunschweig erreichte diese Sitz­ordnung die besten Bewertungen bezogen aufLautstärkeentwicklung und Wahrnehmung durch dieLehrkraft (SCHICKE 2007). Diese hat bedingt durchden gewonnenen freien Platz (s. Abb. 7) schnellereLaufwege zu den einzelnen Kindern und kann im Be­darfsfall zügig Hilfe anbieten. Nachteil der Randlage istdie fehlende Kommunikationsmöglichkeit der Kinderuntereinander: Für Diskussionen oder Klassengesprä­che liegen die Tische zu weit auseinander ­ was insbe­sondere dann ein Problem darstellt, wenn die Kinder ­wie in der Grundschule nicht selten ­ zu leise spre­chen. Daher müssen gerade bei dieser Sitzordnungdie einzelnen Phasen des Unterrichts genau geplantund die Sitzordnung ritualisiert angepasst werden. Sosollte die Klasse z.B. in der Lage sein, für einen Leh­rervortrag schnell Sitzreihen vor der Tafel oder einenGesprächskreis in der Mitte des Raums zu bilden.

Anordnung der Kinder

Wichtig ist, dass es der Klassenlehrkraft gelingt, „Un­ruheherde" strategisch so günstig im Raum zu vertei­len, dass möglichst alle Kinder in der Klasse gleicheLernbedingungen vorfinden. In der Tat muten die ent­sprechenden Versuche der Lehrkräfte zuweilen an wiepädagogisches Feng Shui: Da werden die lautenJungs zwischen die braven Mädchen gesetzt, der zap­pelige Marc ins hinterste Eck verbannt und die unerzo­gene Melissa an den Gruppentisch zu den strebsamenKindern aus dem Vorort verwiesen ­ nur um zwei Wo­chen später alle Überlegungen „über den Haufen zuwerfen". Für die nächsten Wochen darf Melissa dannmit Marc ein duo infernale irgendwo am Rande desKlassenraums bilden und die Jungen befinden sichnun alle an Einzeltischen in greifbarer Nähe zur

Lehrerin. Kurz: „Läuft" es inder Klasse nicht „rund", wirdals erstes an der Sitzordnunggedreht. Dann wird rotiert,weggesetzt und ausprobiert.Muss das sein? Ja und nein.Nein, weil mit Hilfe einerdurchdachten Anordnung derTische und einer straffen, gutorganisierten Klassenführungviele Stolperstellen vermieden

werden können. Ja, weil Sitzordnungen selbst dannnoch verbesserungsfähig sein werden. Immer gibt esetwas, das man als Lehrkraft übersehen oder das sichunbemerkt in der Klasse entwickelt hat und Störungenverursachen kann (z.B. Rivalitäten, Zuneigungen, Ab­neigungen).Letztlich gibt es ­ worin sich auch die universitäre For­schung einig ist ­ keinen Königsweg und kein Patent­rezept. Es kommt auf die einzelne Lehrkraft an, die mitihrer Erfahrung und ihrem pädagogischem Geschickdie Anordnung der Kinder möglichst sinnvoll festlegenmuss ­ manchmal eben auch zum Leidwesen einigerMütter und Väter. Das Magazin FOCUS­Schule bringtes auf den Punkt: "Eine perfekte Sitzordnung für alleKlassen gibt es nicht. (...) Neben einigen wenigen all­gemeingültigen Regeln (...) muss meistens im konkre­ten Einzelfall entschieden werden. Denn ob ein guterSchüler einem schlechten weiterhelfen kann oder sichein nervöses Kind durch einen ruhigen Nebensitzerverändert, liegt vor allem am Charakter. Oftmals bleibtden Lehrern deshalb nur eines übrig: ausprobieren."(HELLE 2008)

Der Autor dieses Beitrags ist Diplom‐Pädagoge und Grundschul‐lehrer im aktiven Schuldienst. Er betreibt die Internetseitenwww.grundschulinfo.de und www.grundschuldownloads.de

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Baulig, Volkmar: Die Sitzordnung ­ ein viel zu wenig beachtetespädagogisches Thema. In: Förderschulmagazin 2/2003, S.7­8.

Busch/Neumann/Neumeier: Ich gestalte mein Klassenzimmer. Berlin2004.

Helle, Anke: Schwätzer nach vorn? Sitzordnung in der Klasse. In:FOCUS­Schule 5 (2008), S. 22­25.

Kultusministerkonferenz: Bildungsstandards im Fach Deutsch für denPrimarbereich. München 2005.

Schicke, Christiane: Oder doch lieber im Hufeisen? VomExperimentieren mit Sitzordnungen. In: Grundschule 10/2007, S. 18­21.

Abb.6: Ein wirkungsvoller Exot ist die Sitzordnung Randstellung,bei der sämtliche Arbeitstische an den Rand des Klassenraumsgestellt werden.

Abb.7: Randstellung.