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Kerry Greenwood Torten, Tod und Teufel Roman Deutsch von Elfriede Peschel 3

Torten, Tod und Teufel · 2010. 10. 28. · Torten, Tod und Teufel Roman Deutsch von Elfriede Peschel 3. Buch Morgens um vier ist die Welt nie in Ordnung. ... von Fantasy- und Detektivromanen

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Page 1: Torten, Tod und Teufel · 2010. 10. 28. · Torten, Tod und Teufel Roman Deutsch von Elfriede Peschel 3. Buch Morgens um vier ist die Welt nie in Ordnung. ... von Fantasy- und Detektivromanen

KerryGreenwood

Torten, Todund Teufel

Roman

Deutsch vonElfriede Peschel

3

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Buch

Morgens um vier ist die Welt nie in Ordnung. Zumindest nicht fürCorinna Chapman, für die Frühaufstehen auf der Liste ihrer Lieb-lingsbeschäftigungen ungefähr so weit unten wie Diäthalten oderBügeln steht. Aber zu diesem Zeitpunkt muss sie aufstehen und denTeig in ihrer Backstube ansetzen. Denn eigentlich liebt Corinnaihre kleine Bäckerei ebenso sehr wie ihre Pfunde. Rund? Na und! –ist ihr Motto. Und Corinna mag ihre verrückten Nachbarn in demkleinen Apartmenthaus im Herzen Melbournes. Doch an diesemMorgen ist alles anders: Erst ist ihre Katze in eine Fixernadel getre-ten, dann findet sie vor ihrer Tür einen offensichtlich obdachlosen,sehr hungrigen Jungen. Und schließlich bekommt sie auch noch ei-nen widerlichen Schmähbrief: »Der Lohn der Sünde ist der Tod«.Die Katze kann zum Tierarzt, und der Junge erhält einen Aushilfs-job, aber was tut Corinna gegen diese Morddrohungen, die bereitsviele ihrer Nachbarn im Haus erhalten haben? Bevor die Atmo-sphäre ganz vergiftet wird, tritt zum Glück Daniel – der Mann mitden wunderschönen Schokoladenaugen – in ihr Leben. Nicht nurfindet er jedes ihrer vielen Pfündchen einfach hinreißend, er ist auch

zur Stelle, als plötzlich ein widerlicher Mord geschieht …

Autorin

Kerry Greenwood stammt aus Melbourne. Sie studierte Jura an derMelbourne University. Neben ihren Katzen ist eine große Liebe inihrem Leben das Theater: Kerry Greenwood war schon Folksänge-rin, Regisseurin, Übersetzerin, Kostümdesignerin und Köchin derKompanie. In der Regel aber arbeitet sie als Notarin und bei einerkostenlosen Rechtsberatungsstelle und widmet sich dem Schreiben

von Fantasy- und Detektivromanen.»Kuchen, Killer und Kanonen«, der nächste Roman mit CorinnaChapman, Bäckerin aus Liebe und Detektivin wider Willen, ist bei

Blanvalet bereits in Vorbereitung.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.earthlydelights.net.au

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Kapitel 1

Vier Uhr früh. Wer hat sich das nur ausgedacht?Ich hievte mich aus dem Bett, brachte mit einem

Schlag den Wecker zum Schweigen, ertastete mit meinennackten Füßen die Hauspuschen, stand dann auf etwas,das sich wie ein pelziges Seil anfühlte, und wurde mit ei-nem Fauchen belohnt.

So ein Mist. Da wartete Horatio höflich neben mei-nem Bett, um mir seinen Morgengruß zu entbieten, undich begann meinen Tag gleich mit einer schlimmen Tat.Meroe würde mir durch ihr Stirnrunzeln zu verstehengeben, was dies für mein Karma bedeutete – nichts Gutesjedenfalls.

Würde Horatio allerdings nicht darauf bestehen, essich immer auf meinen Pantoffeln bequem zu machen,könnte sich die Häufigkeit meiner Verfehlungen und diesich daraus ergebende karmische Schuldenlast beträcht-lich verringern. Wahrscheinlich käme ich als Maus zu-rück, und das auch nur an meinen guten Tagen.

Ich unterdrückte den schändlichen Gedanken, erkönnte seinen Schwanz mit Absicht so hinlegen, dass ichdrauftreten musste, um mich dann die folgenden zehnMinuten in Entschuldigungen zu ergehen – armes Kätz-chen! Ist die dicke, fette Frau tatsächlich auf das un-schuldige Ringelschwänzchen getrampelt? Mal sehen,ob ein wenig Milch diese Beleidigung abmildern konnte.

Sie tat es. Während Horatio sich voller Hingabe derMilch widmete, hatte ich Zeit, den Heizer anzuschalten,

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den Kaffee aufzusetzen (ohne den kein Bäcker je den Tagbeginnt), den erbärmlichen Zustand meiner kleinen ge-fliesten Küche auf mich wirken zu lassen und ein paarKlamotten zu holen. Ich habe es mir angewöhnt, mich inder Küche anzuziehen, denn in meinem Schlafzimmerwird es erst warm, wenn sich um vier Uhr automatischdie Backöfen einschalten. Als ich den Wecker abstellte,hatte ich gehört, wie die Ventilatoren ansprangen.

So eine Bäckerin ist an einem kalten dunklen Morgenwahrlich kein hübscher Anblick. Langes, mausgraues,achtlos nach hinten gebundenes Haar. Das Gesicht ohneeine Spur Make-up, die Augen von dunklen Ringen um-geben – kein Wunder, wenn man aufsteht, solange alleanderen noch schlafen. Schmale Gesichter sehen zu die-ser Stunde wie Skelette aus, dicke Gesichter wie eine Ab-bildung aus einem Fachbuch der forensischen Pathologiemit der Überschrift »Adipositas«. Ich bin dick, also trifftauf mich die Adipositas zu. Ich grinste mein Spiegelbildan, beendete meine Gesichtswaschung, zog zwei Trai-ningsanzüge übereinander an und toastete mir zumFrühstück ein Gourmetbrot mit Datteln und Walnüssen.

Gar nicht so übel. Vielleicht ein bisschen zu wenig Zu-cker. Ich nahm mir vor, beim nächsten Mal mehr Honigdazuzugeben.

Zum Backen kam ich, weil ich Wirtschaftsprüferinwerden wollte. Nur Geduld – das macht durchaus Sinn.Ich suchte mir einen Job, der es mir erlaubte, sämtlicheVorlesungen zu besuchen; der italienische Bäcker im Ortstellte mich als Mädchen für alles ein, und das in der Zeitvon vier Uhr bis neun Uhr morgens, so dass ich beinaherechtzeitig, wenn auch ein wenig mehlig zu meiner Wirt-schaftsvorlesung kam.

Im Lauf der Jahre fand ich die Zahlen immer trocke-

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ner und das Backen immer faszinierender. Es ist beinaheein alchemistischer Prozess. Man vermengt Mehl, Was-ser und die pflanzliche Hefe und bekommt am Ende desVerfahrens etwas Glänzendes, Knuspriges, Luftiges undKöstliches.

Vier Uhr morgens ist eine Uhrzeit, zu der die Gedan-ken gerne abschweifen. Wo war ich? Ah, ja. Ich weiß denMoment noch ganz genau, als es passierte. Es war mittenin einer Sitzung, in der es um eine Übernahme ging, undder Geschäftsführer erzählte gerade von Kursschwan-kungen. Ich hätte also fasziniert das Geschehen verfol-gen müssen, doch plötzlich machte es Klick bei mir. Esinteressierte mich nicht. Da saß unser Klient mit mehrProblemen am Hals, als sie unser Fußballstadion bei nas-sem Rasen hat, und mir war das völlig egal. Der Mistkerlhatte ohnehin zu viel Geld.

Mit einer solchen Einstellung kann man nicht Wirt-schaftsprüfer sein – nein, man kann keine Wirtschafts-prüferin bleiben. Ich legte meinem Boss eine Nachrichtauf den Tisch, dass ich meine in die Pensionskasse einge-zahlten Gelder flüssig machen wollte, ging nach Haus,zog meine unbequemen Schuhe aus, riss mir das doofe,lächerliche Kostüm mit den Schulterpolstern vom Leib,stieg in einen Trainingsanzug und gelobte mir, dass ich,egal womit ich für mich und Horatio den Lebensunter-halt verdiente, nie wieder auf koketten Absätzen dahin-stöckeln würde. Ich verschrieb mich nun ganz dem Ba-cken und beendete meine Lehrzeit. Als ich bei Pagliacci’saufhörte, schenkte Papa Toni mir einen Batzen seines ei-genen pasta douro Sauerteigs.

Den hatte ich immer noch, gefüttert mit Zucker, undbei optimaler Temperatur gedieh er fröhlich in seinemEimer. Hefe muss gepflegt werden. Mama Pagliacci

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pflegte mit ihren Hefen zu reden. Ehe Horatio zu mirkam, tat ich das auch. Jetzt spreche ich mit ihm und hof-fe, dass die Hefe sich nicht missachtet fühlt.

In der Calico Alley, mitten in der Stadt, machte ichmeine Bäckerei auf – Irdische Freuden (kennt jemandvon euch Hieronymus Bosch? Schaut euch das Bild ander Wand direkt neben dem Glaskasten an. Das begeis-tert die Wartenden, tja, einige Minuten schon). Ich magInnenstädte. Selbst um vier Uhr morgens regt sich ir-gendwas, auch wenn das hier in der Gegend nicht unbe-dingt etwas Gutes verheißt. In diesem Winkel der Stadtgibt es eine Menge Junkies. Und die sind auch der Grunddafür, weshalb meine Bäckerei mit äußerst teuren Drei-fachschlössern, Riegeln und Sicherheitstüren aus Edel-stahl versehen ist. Das Gesundheitsrisiko wäre bei einemEinbruch einfach zu hoch. Würde mir jemand eine Sprit-ze in meine Mischmaschine werfen, wäre ein ganzerSchub Brot im Eimer.

Mein Blick fiel auf die auf dem Tisch gestapelte Postvon gestern. Überwiegend Rechnungen, adressiert anCorinna Chapman, Bäckerin. Darunter war jedoch auchein seltsames religiöses Traktat, das mich zu beschuldi-gen schien, die Hure Babylon zu sein. Auf einem Com-puter verfasst – im Zeitalter der Elektronik kann jederVerrückte passable Traktate erstellen. »Tod ist der SündeLohn«, verkündete es. Verrückt.

Horatio, eine Pfote höflich auf meinem Knie abgelegt,gab mir zu verstehen, dass gegen ein Frühstück nichtseinzuwenden wäre. Ich legte das Traktat beiseite, darü-ber konnte ich auch später noch nachdenken. Städte sindBrutstätten von Verrückten. Ich gab ihm ein wenig ge-trocknetes Katzenfutter – warum formt man daraus klei-ne Fische und Herzen? Doch wohl nicht, um der Katze

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eine Freude zu machen. Horatio würde auch Buchsta-benkatzenfutter fressen, selbst wenn GIFT draufstünde,solange er hungrig war. Und es ist ihm auch egal, worauser es frisst. Eine Schale mit der Aufschrift KATZE an derSeite ist völlig überflüssig. Wer außer ihm hätte in dieserKüche sonst das Bedürfnis, lustig geformte Kekse mitFischgeschmack plus Vitaminen und Mineralstoffen auseiner Schale auf dem Fußboden zu essen? Seit ich er-wachsen bin, habe ich keine Freunde mehr, die so etwastun würden.

Ich musste Brot machen. Meine zweite Tasse Kaffeenahm ich über die Steintreppe mit in die Bäckerei hinun-ter. Ich spürte die aufsteigende heiße Luft. Horatio würdemir folgen, sobald er sein Frühstück beendet hatte. Er istein vornehmer Kater und erachtet es für unhöflich, seineNahrung hinunterzuschlingen. Außerdem muss er sämtli-che Krümel aus seinen Schnurrhaaren entfernen, ehe ernach unten geht, um sich dort der Mäusepolizei zu stel-len, einem ungehobelten, aber fröhlichen Pärchen, dasihm jedoch an Eleganz nicht das Wasser reichen kann.

Horatio ist ein Aristokater. Gelegentlich spüre ichmeine Unzulänglichkeit, seinen strengen Anforderungenan damenhaftes Verhalten zu genügen.

Ich ging in die Bäckerei hinunter, und die Lichtersprangen an und blendeten mich einen Moment. In ih-rem Eifer, mir zu beweisen, wie hart sie die Nacht übergearbeitet und somit eine Extraration Katzenfutter ver-dient hatten, prallte die Mäusepolizei heftig gegen meineKnöchel.

Während ich die Leichen zählte – sieben Mäuse und(igitt!) acht Ratten, eine davon fast so groß wie ein Kätz-chen –, gratulierte ich ihnen zu ihrer ausgezeichnetenPatrouille und füllte ihre Schalen mit Fressen.

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Gestatten Sie mir, sie Ihnen vorzustellen. Nagetierkon-trolloffizier Heckle zur Rechten, ein schwarz-weißer Ex-kater, der mit seinem um die Ohren gelichteten Fell unddem geheimnisvollen Knick in seinem Schwanz ziemlichmitgenommen aussieht. Seinerzeit ein berüchtigter Stra-ßenkämpfer, jetzt im Ruhestand. Und zur Linken Nage-tierkontrolloffizier Jekyll, eine kräftige junge schwarz-weiße Exkätzin, die ihren Wurf unter der Mischmaschi-ne hatte, jetzt aber kein Interesse mehr an Mutterschaftzeigt. Sie hat Heckle, als dieser zu nah an ihren Wurf he-ranstolziert kam, die beste Rechte verpasst, die ich je ge-sehen habe, und seitdem verband sie eine weniger auf ge-genseitigem Respekt, sondern auf dem Gleichgewichtdes Schreckens gegründete Beziehung. Ich habe jedochbeobachtet, wie Heckle Jekyll erlaubte, ihm die Ohrenzu lecken, und einmal habe ich Heckle bei der Pflege vonJekylls Fell ertappt. Als sie mich kommen sahen, schau-ten beide ziemlich verlegen drein. Was mich betrifft,kann das nur bedeuten, dass sie die besten Kumpels sind.

Ich mischte unter dem fröhlichen Knacken von KittyDins und dankbarem Schmatzen den ersten Schub desTages zusammen. Roggenmehl, Zucker, Sauerteighefe,Wasser, einen Becher Weißmehl, um es ein wenig locke-rer zu machen, dann die Knethaken dran und die Ma-schine eingeschaltet. Meine Roggenbrothefe stammt vonWild-Hefe und schmeckt sauer. Alles Roggenbrot, dasich herstelle, kann ich an osteuropäische Restaurantsverkaufen.

Ich habe einen Auftrag für Reformhausbrot, garan-tiert fettfrei. Dem Käufer habe ich verschwiegen, dass imBrot, sofern es sich nicht um ein spezielles süßes Brothandelt, niemals Fett ist. Ich glaube nicht, dass die Ge-werbeverordnung mich dazu verpflichtet. Reformhaus-

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brot ist auch glutenfrei, und das bedeutet, dass ich Back-pulver verwenden muss, damit es aufgeht. Gluten ist einganz wesentlicher Bestandteil beim Brotbacken, denn essorgt für Nährstoffe wie auch für Geschmack. Aber soist das eben. Der Kunde hat immer Recht, wie irgendeinKapitalist mal bemerkt hat. Und es ist schließlich auchein ganz vernünftiger Handel. Sie bekommen was Besse-res als das übliche Sägemehl, und ich werde dafür be-zahlt. Reformhausbrot zu backen, befriedigt einen nunwirklich nicht. Ohne Bindemittel krümelt es, und ohneSalz, Zucker oder Gewürze hat es kein Aroma. Ich den-ke, wer das isst, hätte von einer Handvoll unbehandelterKleie genauso viel, und billiger käme es auch.

Mir fällt ein, wie ich ein Tablett voll mit diesem Brotmal zu irgendeiner gesunden Veranstaltung gelieferthabe und mich dabei ertappte, »Esst Sägemehl undsterbt, Yuppieabschaum« zu murmeln. Wahrscheinlichhabe ich es gar nicht so gemeint. Also gut, Reformhaus-brot zusammengemischt, rein in die Formen und ab inden Ofen. Backpulver bewirkt eine chemische Reaktion,die in Gang kommt, sobald man die Flüssigkeit dazu-mischt. Da kommt es auf Schnelligkeit an. Ich bestückteden Schieber mit den Formen, rein in den Ofen, Zeit-schaltuhr an.

Während die Sägemehlziegel backen, geht’s an die Ba-guette. Pasta douro Hefe, Weißmehl, ein wenig Öl, war-mes Wasser. Los, Hefe. Die Muffins werden reingescho-ben, sobald das Sägemehl rauskommt, wieder eine che-mische Reaktion. Heute ist mir nach Äpfeln. Die Dosemit der Füllung für Apfelpastete (ja, ja, ich weiß, aberhaben Sie eine Ahnung, wie viel ich morgen für das Kar-toffelbrot schälen muss?) aus dem Regal gezerrt unddann der Griff nach dem Dosenöffner.

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Kein Dosenöffner. Vertrauensselig fällt meine Handauf seinen Platz im Regal und kommt leer zurück.

Verdammt. Offenbar habe ich ihn mit in meine Küchegenommen. Ich poltere in meinen Doc Martens (gutessolides Schuhwerk ist wichtig, wenn man den ganzenTag auf den Füßen ist, und die werden nun garantiertnicht mit dämlichen Stöckeln auf den Markt gebracht)nach oben, suche das blöde Ding, poltere wieder nachunten, lege die oberste Schicht meines Trainingsanzugsab und öffne die Dose.

Jetzt wird es richtig heiß hier. Die Öfen laufen jetzt aufHochtouren. Zeit, die Tür aufzumachen und die Mor-gendämmerung zu begrüßen.

Die Mäusepolizei huscht unter erleichtertem Ge-kreisch ins Freie, als wäre sie tagelang mit einem Politi-ker in einem Fahrstuhl eingesperrt gewesen und hättesich dessen Reden über Grenzschutz anhören müssen.Ein kalter Luftschwall fegt herein. Ich schalte einen Mi-scher ab und stelle das Roggenbrot auf »Aufgehen«.Dann bereite ich die Milch für die Muffinmischung vorund mache schließlich eine Pause, um mir die Dämme-rung anzuschauen und meinen Rücken zu dehnen.

Aber da kommt Heckle angesprungen, als wäre er ge-stochen worden. Etwas steckt in seinem Fuß, denn erschüttelt seine Pfote wie verrückt und miaut laut. Ich pa-cke ihn und ziehe eine Spritze aus seiner Pfote.

Sofort lässt Heckle sich nieder und erlaubt Jekyll, ihmdie Verletzung abzulecken, während ich vor Wut zit-ternd nach draußen gehe.

Junkies! Diese verdammten, verantwortungslosenJunkies. Machen sich einfach nicht die Mühe, einenSpritzensammeleimer zu suchen, sondern werfen dieDinger einfach auf die Straße, eine lauernde Falle für eine

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unschuldige Katze. Ich trete wütend gegen die Wand,was aber Kraftvergeudung ist, denn als man dieses Ge-bäude errichtete, baute man es so, dass es höchstens beieinem Vulkanausbruch einstürzen würde. Ich fluche indas kalte, graue Dämmerlicht hinein. Dann sehe ich aufmeinem Belüftungsgitter eine zusammengesackte Ge-stalt. Kein Wunder, dass es in meiner Backstube so heißwird, wenn ein Stadtstreicher auf meinem Gitter liegt!Ich stapfe hin, strecke die Hand aus und packe die Schul-ter des Anstoßes in der Absicht, sie kräftig zu schüttelnund der dazugehörigen Gestalt Beine zu machen.

Sie entzieht sich meinem Griff, als hätte sie keine Kno-chen, und fällt flach auf den Rücken. Ein Mädchen mitlangem verfilzten Haar, das ihr aus dem blauen Gesichtfällt. Nicht einfach nur ein zartes Himmelblau, sondernein Dunkelblau wie mein Schieferboden.

Keine Atmung. Ich renne wieder hinein, drücke aufmeinem Mobiltelefon die 000 und bin mit einer gelang-weilten Stimme verbunden, die sofortige Hilfe versprichtund mich instruiert, mit der Wiederbelebung zu begin-nen. O Jesus, Maria und Josef. Meine Haut möchte sichkribbelnd verabschieden und einen mitleidigeren Men-schen suchen. Dieses Mädchen ist wahrscheinlich vonKrankheiten zersetzt, AIDS, Hepatitis A bis Z. Und gera-de hat es eine meiner Katzen mit ihrer achtlos wegge-worfenen Spritze verletzt. Das Leben kann schon gemeinsein. Das ist die Bestrafung dafür, dass ich auf HoratiosSchwanz getreten bin.

Ich habe noch Plastikhandschuhe an und werde ihrHaushaltsfolie auf den Mund legen. Schaudernd lege ichsie auf die kalten Pflastersteine. Ich stoße ein Loch in dieFolie, sorge dafür, dass der Luftweg frei ist und keucheihr meinen Atem in den Mund. Ich spüre keinen Herz-

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schlag, weiß aber auch gar nicht, wo ich den suchen soll.Na mach schon, Corinna, das hast du alles in der Schulegelernt, hier pressen und dann atmen, zählen, dann wie-der pressen und wieder atmen. Die Lippen unter demPlastik sind weich. Sie fühlt sich wie ein Kind an, nichtsals Knochen, ein hoher Brustkorb, stinkt aber wie eineKloake. Atmen, zählen, pressen, wieder atmen.

Mir ist schwindelig. Ich weiß nicht, wie lange ich dasdurchhalte und ob es funktioniert. Atmen, pressen, at-men, pressen. Beide Katzen beobachten mich von derTürschwelle aus. Horatio gesellt sich zu ihnen und blicktverwundert drein. Ich verstehe ihn. Ich weiß auch nicht,warum ich das hier mache. Sie ist tot. Nicht die leisesteReaktion auf mein Pressen, und bei meinem Krafteinsatzgibt’s bestimmt blaue Flecken.

Ich rieche, dass etwas anbrennt. Wenn ich nicht bin-nen fünf Minuten diese verdammten Reformhauslaibeaus dem Ofen hole, fangen sie Feuer. Aber irgendwiekann ich diese verdreckte, kindgleiche Leiche nicht al-leinlassen, was sollte ich auch tun, wenn ich aufhörte?Reingehen und die Tür zumachen?

Hände packen mich an meinen Schultern. Jemandzieht mich hoch, bis ich stehe. Ich schwanke und sehe,was für ein Segen, zwei Sanitäter, die aussehen, als wüss-ten sie, was sie tun.

Also hole ich tief Luft – diesmal behalte ich sie fürmich –, gehe hinein und ziehe die Laibe aus dem Ofen.Sie sind ein wenig krustiger als sonst, aber ich bin mir si-cher, dass das den Gesundheitsbewussten nicht auffallenwird. Ich entdecke meinen kalten Kaffee und trinke ihn,und der rote Nebel, der mir den Blick verschleiert hat,verschwindet. In der Schule hat mir keiner gesagt, dassWiederbelebung olympisches Fitnessniveau voraussetzt.

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Dann gehe ich nach draußen, um zu sehen, was pas-siert ist. Ich möchte es nicht. Ich tue es einfach.

Die Sanitäter haben dem Mädchen eine Sauerstoff-maske angelegt und injizieren ihm etwas. Ich frage, wasdas ist.

»Narcan«, sagt der eine. »Sie haben gute Arbeit geleis-tet, aber es könnte zu spät sein. Die Atmung versagt, se-hen Sie, und stoppt die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn.Große Teile des Gehirns werden geschädigt. Aber Narcanhebt die Wirkung der Opiate auf. Es geht ganz schnell.Genau. Jetzt geht’s wieder zurück, Lady. Für gewöhnlichsind sie beim Aufwachen sauer. Da, sie kommt, Julie.«

Julie, seine Kollegin, hielt das Mädchen an beiden Ar-men fest, ein Polizeigriff, der einen ziemlich unbeweglichmacht. Und das war auch nötig. Das Mädchen tauchteschreiend aus seiner tödlichen Trance auf und schlug umsich wie ein verängstigtes Tier. Es war unglaublich. Gera-de noch war sie ganz ruhig, ohne Puls und Atem gewe-sen, und jetzt kämpfte sie wie ein Fisch am Angelhaken.Farbe schoss ihr ins Gesicht. Mädchenrosa, nicht Lei-chenblau.

»Ihr Ärsche!«, kreischte sie in einem Akzent, den ichbisher immer nur in Verbindung mit den besten Schulengehört hatte. »Ihr habt mich narcanisiert! Ich hatte dochnur einen Schuss! Gebt mir meinen Schuss zurück!«

»Es hätte dein letzter Schuss sein können«, sagte Julieund hielt sie fest. »Du hast zu viel genommen. Jetzt atmemal tief durch.«

»Es ist immer das Gleiche«, bemerkte der Mann vomRettungswagen, der offenbar gesehen hatte, wie ge-schockt ich war. »Sie haben das gut gemacht. Ich binThommo. Schön, Sie kennen zu lernen.« Wir schütteltenPlastikhandschuhe. Er zündete sich eine Zigarette an.

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Offenbar haben wir alle unsere Lieblingsdroge. Ichnahm eine seiner Kippen, obwohl ich schon vor Jahrenmit dem Rauchen aufgehört habe. Sie schmeckte gött-lich. Thommo klärte mich weiter auf. »Süchtige reagie-ren meistens so. Machen Sie sich keinen Kopf darüber.Aus ihrem Blickwinkel haben wir sie beraubt. Jetzt musssie zusehen, wie sie ihren nächsten Schuss bekommt. EinGlück, dass wir in unserem Job nicht auf Dankbarkeitangewiesen sind«, fügte er hinzu. »Du solltest mit in dieNotaufnahme«, riet er dem Mädchen. »Wäre gut, wenndich mal ein Arzt ansieht.«

»Ja, komm mit«, bedrängte Julie sie. »Du warst schonfast hinüber, weißt du. Kannst du mir deinen Namen sa-gen?«

»Verpiss dich, du Arsch«, sagte die Patientin.»Komm schon«, sagte Thommo. »Wir haben nicht

den ganzen Tag Zeit.«»Nein!«, kreischte das Mädchen und wehrte sich so

heftig, dass sie sich aus Julies Umklammerung befreite.Sie kam taumelnd auf die Beine und schwankte auf ei-nem abgebrochenen Bleistiftabsatz.

»Geht wohl anschaffen«, meinte Julie. »Sie wollenkeinen zahlenden Kunden verpassen, indem sie ins Kran-kenhaus gehen.«

»Tue ich nicht«, schrie die Patientin mit ausgestreck-ten Händen, die Finger zu Klauen gekrümmt.

»Hey, Suze«, sagte eine tiefe, satte Stimme so beiläu-fig, als würde er ihr zur Mittagszeit auf der Straße begeg-nen, anstatt um fünf Uhr morgens in einer Seitengasseauf einen schreienden, hysterischen Derwisch zu treffen.»Was ist los?«

Ein Mann war in die Calico Alley eingebogen und hat-te sich geräuschlos über die harten, feuchten Pflasterstei-

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ne bewegt. Er war groß, hatte kurz geschnittenes,schwarzes Haar, eine Narbe über der Stirn und Augen,so durchdringend, strahlend und schön, wie ich nie wel-che gesehen habe. Er trug Jeans, Stiefel und eine mitWebpelz gefütterte Lederjacke.

»Diese Ärsche wollen mich ins Krankenhaus schi-cken!«, antwortete Suze in maßvollerem Ton. Ich fragtemich, wie viele meiner außerordentlich ehrbaren Nach-barn wohl jetzt fasziniert hinter ihren Schlafzimmerfens-tern da oben lauschten. Für gewöhnlich hörte man zudieser Stunde in der Calico Alley nur das gedämpfteBrummen meiner Maschinen und gelegentliches Quie-ken, wenn die Mäusepolizei wieder eine ihrer Verhaftun-gen vornahm.

»Beruhig dich!«, riet der Mann. »Diese freundlichenLeute haben dir das Leben gerettet, und selbst wenn dues anders siehst, finde ich, dass es wert ist, gerettet zuwerden. Jetzt sag freundlich danke und komm mit. Duweißt, dass der Bus heute Abend an der Flagstaff hält,oder?«

Zu meinem Erstaunen wandte Suze sich uns zu undsagte wie ein wohl behütetes kleines Mädchen, dasSprechunterricht genossen hatte, mit deutlicher Aus-sprache »danke«, dann folgte sie dem großen Mann ausder Calico Alley.

»Was war das denn für ein geheimnisvoller Mann?«,keuchte ich, wobei ich mich an den Pfosten lehnte undmir Luft zufächelte.

»Das ist Daniel«, erklärte Julie gleichermaßen ange-tan. »Er ist der Rausschmeißer bei der fahrbaren Sup-penküche. Sie sind doch Bäckerin, oder? Dann kommt erbestimmt zurück.«

»Oh, gut«, sagte ich matt. »Und warum?«

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»Weil er für die Suppenküche arbeitet«, sagte Thom-mo gequält. »Wir müssen los«, ergänzte er und lauschteseinem Funkradio. »Auf der Ringstraße gibt’s Gebrutzel-tes. Komm, Jules.«

Julie stopfte ihre Ausrüstung zurück in die Tasche undmachte sich daran, ihrem Partner zu folgen.

»Was ist denn Gebrutzeltes?«, erkundigte ich mich,als sie sich entfernte.

»Ein brennendes Auto«, antwortete sie. »Schöne Ar-beit. Sie haben dem Mädchen das Leben gerettet.Tschüss«, sagte sie.

Ich ging in die Bäckerei zurück, machte meine Muffinsund meine Baguettes, warf vom Restteig noch ein paarWeißbrotzöpfe in den Backofen und versuchte die ganzeZeit, nicht nachzudenken. Die schreckliche Gesichtsfar-be dieses Mädchens. Wie sich ihre Knochen unter mei-nen Händen anfühlten. Und die grausame, undankbareHeftigkeit ihrer Reaktion, welche die Sanitäter nicht imGeringsten überrascht hatte.

Erst als ich beobachtete, wie Horatio Heckles Fuß un-tersuchte, erinnerte ich mich meiner Fürsorgepflicht ge-genüber den von mir Abhängigen.

Ganz gegen seine Gewohnheit erlaubte Heckle mir,seinen verletzten Fuß zu betasten. Im harten Ballen sei-ner verwitterten Pfote erkannte ich eine kleine Stichwun-de. Sie hatte ungehindert geblutet, was in Anbetrachtdessen, was sich in der Spritze befunden haben mochte,nur gut sein konnte. Ich tütete die Spritze ein und legtesie in meine Schublade, weil ich vorhatte, sie zusammenmit Heckle zum Tierarzt zu bringen. Konnten sich Kat-zen AIDS einfangen? Da gab es doch eine Abart für Kat-zen, die … wie hieß die noch mal? Mein Gott, ich war somüde, und mir war so kalt.

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Heckle, der im Grunde seines Herzens ein alter Softiewar, schnurrte rostig unter meinen gedankenlosen Lieb-kosungen, als es an der offenen Tür klopfte und die wohltönende Stimme fragte: »Darf ich reinkommen?«

»Warum nicht?«, erwiderte ich und bekam weicheKnie.

Er zog hinter sich die Tür zu. Horatio stolzierte entge-gen seiner üblichen Praxis auf ihn zu, den Schwanz ker-zengerade, und begrüßte ihn höflich. Daniel von derSuppenküche ließ sich auf ein Knie nieder und streckteeine Hand aus. Horatio ließ es sich anmutig gefallen,dass man ihm die Ohren streichelte und die Schnurrhaa-re glatt strich.

»Wie heißt du denn, Ketschele?«, fragte er.Ich fand meine Sprache wieder. »Er heißt Horatio.

Das hier ist Jekyll und das Heckle, ich bin Corinna.«»Freut mich«, begrüßte er uns alle. »Ich bin gekom-

men, um mich zu bedanken«, ergänzte er und setzte sichauf den anderen Stuhl. Jekyll pflanzte sich entschlossenauf seinen Fuß. Sie ist eine Katze, die ihre Absichten un-umwunden kundtut.

»Das war doch nichts«, murmelte ich. »Das war dochwirklich nichts. Wenn die Sanitäter nicht gekommen wä-ren … sie war so blau wie der Fußboden hier …«

Mir war gar nicht klar gewesen, wie erregt ich war.Daniel setzte Jekyll sanft beiseite, zog seinen Mantel aus,wickelte ihn mir um die Schultern und wühlte im Vor-ratsraum herum. Dann kam er mit einer Flasche Brandyin der Hand zurück, die zum Einsatz kommt, wenn ichFrüchtebrot backe, schenkte mir ein halbes Glas ein unddrückte es mir in die Hände.

»So etwas ist Ihnen wohl noch nie passiert?«, erkun-digte er sich mit leiser Stimme. »Möchten Sie den Brandy

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mit Wasser? Ist schon gut. Sie stehen unter Schock. Dochdaran gewöhnen Sie sich.«

»Ich hoffe nicht«, sagte ich und trank einen Schluck.Ich trinke nicht oft harte Sachen und verschluckte michein wenig. Daniel klopfte mir auf den Rücken. Seine kör-perliche Anziehung war so eklatant, dass ich bezweifle,ob meine Knie mich auch ohne Schock aufrecht gehaltenhätten. Er hatte die gleichen geschmeidigen und anmuti-gen Bewegungen wie Horatio. Kein Wunder, dass sie ei-nander schätzten. Seiner Jacke entströmte ein Duft, einsauberer männlicher Geruch mit einem Hauch süßerWürze; vielleicht Zimt. Er hatte Augen, in denen manvoll Freude ertrinken würde. Und dieses Wrack von ei-nem Mädchen hatte sich unter seinem Einfluss in ein lie-bes Kind verwandelt. Ein Zauberer. Meroe, die Hexevon nebenan, würde sagen, er habe großes mana. Erschien über meine Antwort nachzudenken, die eigentlichkein großartiges Grübeln verdient hatte.

»Stimmt. An menschliches Leid sollte man sich nie ge-wöhnen. Aber wenn man diese Art von Arbeit macht, istdas unvermeidlich.«

»Welche Art von Arbeit?«»Ich arbeite in der fahrbaren Suppenküche«, sagte er

schlicht, als würde dies alles erklären.»Was ist die Suppenküche?«Seine Augen wurden groß wie Forellenteiche. Damit

hatte er nicht gerechnet.»Sie leben doch in der Innenstadt. Sie müssen uns ge-

sehen haben. Den rosa-grünen Bus? Wir machen an vierOrten in der Stadt Halt. Ich bin in der Spätschicht, vonzehn Uhr abends bis vier Uhr früh. Ich bin gerade fertiggeworden.«

»Natürlich. Sie sind ein Sozialarbeiter.« Selbstver-

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ständlich hatte ich den Bus gesehen und erinnerte michdes wütenden Aufschreis »Haltet Melbourne sauber«,als dieser vor einem McDonald’s in Nähe des Bahnhofsgestanden hatte. Zu diesem rosa-grünen Bus zog es dieObdachlosen und Junkies wie die Bienen zum Honig derSolomon-Inseln. Doch es fiel mir schwer, in diesem kat-zenartigen Draufgänger einen Sozialarbeiter zu sehen. Ermerkte wohl, was ich dachte, und lächelte.

»Nicht wirklich. Ich habe keine Ausbildung als Sozial-arbeiter. Die fahrbare Suppenküche kümmert sich umdie Verletzten, solche wie Suze, aber auch um die Hung-rigen und Frierenden und die Verlorenen. Manchmalstellen diejenigen, die zu uns kommen, auch eine körper-liche Bedrohung dar. Wir haben eine Krankenschwesteran Bord, wissen Sie, und da glauben immer alle, sie hätteDrogen dabei. Deshalb fährt im Suppenbus auch immerein Gorilla mit, der eingreift, wenn einer handgreiflichwird.

»Und das sind Sie«, sagte ich kraftlos.»Das bin ich. Daniel Cohen, zu Ihren Diensten. Bei

der Suppenküche mitzumachen, ist eine mitzvah, einegute Tat«, erklärte er. »Und Großvater hat immer gesagt,die Belohnung für eine mitzvah sei eine weitere mitz-vah.«

Er grinste. Nun war es warm genug, ihm seinen Man-tel zurückzugeben und mein abgelegtes Oberteil desTrainingsanzugs anzuziehen. In meinen Adern tanzte derBrandy. Mein müdes Gehirn schaffte es schließlich, dieVerbindung zwischen meinem Beruf und der Suppenkü-che herzustellen. Was passt zur Suppe? Was passt immerzur Suppe?

»Sagen Sie, Daniel«, sagte ich, »kann Ihre Suppenkü-che Brot brauchen?«

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Die australische Originalausgabe erschien 2004unter dem Titel »Earthly Delights«

bei Allen & Unwin, Australia.

Umwelthinweis:Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches

sind chlorfrei und umweltschonend.

1. AuflageDeutsche Erstveröffentlichung Januar 2007 bei Blanvalet,

einem Unternehmen der VerlagsgruppeRandom House GmbH, München.

Copyright © by Kerry Greenwood 2004Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2007

by Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: Design Team München

Umschlagfoto: getty images/Zimmermann SchoenrockMD ⋅ Herstellung: Heidrun NawrotSatz: DTP Service Apel, Hannover

Druck und Einband: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in Germany

ISBN: 978-3-442-36457-2

www.blanvalet-verlag.de

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Kerry Greenwood

Torten, Tod und TeufelRoman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 352 Seiten, 11,5 x 18,3 cmISBN: 978-3-442-36457-2

Blanvalet

Erscheinungstermin: Dezember 2006

Früher einmal war Corinna Chapman eine erfolgreiche Bankmanagerin im Nadelstreifenkostüm.Jetzt freut sie sich über jedes Pfündchen zuviel auf ihren Hüften und über ihren wunderbarenkleinen Backshop mitten im Herzen Melbournes. Und als eine Reihe von widerlichen Drohbriefendieses Glück zu zerstören versucht, da greift Corinna ein: Mit Witz, Wut und vielen gutenFreunden kommt sie dem Verrückten auf die Spur. Glücklicherweise muss sie das aber nichtalleine tun, sondern mit Daniel – dem Mann mit den hinreißenden schokoladenbraunen Augen,in denen eine Frau so schön versinken kann … • Spannend und romantisch: eine leidenschaftliche Bäckerin wird zur Detektivin wider Willen.• Mit köstlichen Rezepten frisch aus Corinnas Backstube!• Rund? Na und! Corinna Chapman ist eine hinreißend charmante Heldin.• Depressionen, kalte Füße, schlechte Laune? Entdecken Sie die Wohlfühlgarantie bei KerryGreenwood!