6
Diskussionsbeitrfige Toxikologische Bewertung yon Rfistungsaltlasten Diskussionsbeitr~ige Schwerpunktthema: Toxikologische Bewertung von Riistungsaltlasten Teil I : Expositionsanalyse als erster Schritt zur Bewertung von Gesundheitsgef/ihrdungen und zur Ableitung von standortspezifischen Bodenbeurteilungskriterien Klaus SCHNEIDER, Martin HASSAUER, Fritz KALBERLAH Teil Ih Bewertung der toxischen Potenz nitroaromatischer Schadstoffe - Beriicksichtigung yon Kombinationswirkungen Klaus SCHNEIDER, Martin HASSAUER, Fritz KALBERLAH Toxikologische Bewertung von Riistungsaltlasten I: Expositionsanalyse als erster Schritt zur Bewertung von Gesundheitsgefiihrdungen und zur Ab- leitung von standortspezifischen Bodenbeurteilungskriterien Klaus Schneider, Martin Hassauer, Fritz Kalberlah Forschungs- und Beratuagsinstitut Gefahrstoffe FoBiG GmbH, Gerberau 2, D-79098 Freiburg Zusammenfassung Zur toxikologlschen Bewertung yon bewohnten Alttasten aus der ehemaligenSprengstoffproduktion wurde eine Methodik entwickelt, die aus den beiden Teilschritten Expositionsanalyseund Ermittlung von noch tolerierbaren stoffspezifischen K6rperdosenbesteht. In die- sem ersten Beitrag wird die quantitative Expositionsanalyse fiir ni- troaromatische Schadstoffe erliiutert. Die Exposition hiingt yon den Standortbedingungen (z.B. Boden- beschaffenheit), der Art der Nutzung (Wohnnutzung, industrielle Nutzung etc.) und den Stoffeigenschaften ab. Innerhalb einer be- stimmten Nutzungssituation (z.B. Wohnnutzung) tragen verschie- dene Expositionspfade zur gesamten Schadstoffaufnahme bei. Be- dingt durch die speziellen Eigenschaften yon nitroaromatischen Ver- bindungen wie 2,4,6-Trinitrotoluol (gute Hautresorption, Anreiche- rung in Pflanzen) gewinnt die Exposiuon fiber dermalen Bodenkontakt und iiber den Verzehr kontaminierter Nutzpflanzen besondere Bedeutung.An diesen beiden Expositionspfaden wird bei- spielhaft erkl~rt, wie das Ausmafl des Schadstoffkontaktes in Form von sogenannten Expositionsfaktoren quantifiziert werden kann. Durch Vergleich der Gesamtexposition mit noch tolerierharen K6r- perdosen ffir die vorliegenden Stoffe lassen sich standortspezifische Bodenwerte zur Beurteilung der Bodenkontaminationen ermirteln (siehe Folgebeitrag in UWSF 6/94). Abstract Risk Assessment of Military Waste Sites A method was developed for the risk assessmentof a military waste site. The method consists of two steps: 1. evaluation of the expo- sure through different pathways and 2. derivation of substance- specifictolerable intake levels. In this first part of the paper the quan- titative exposure analysis will be discussed. Exposure depends on the conditions at the contaminated site :(e.g. soil characteristics), the type of utilisation (residential area, indu- strial area etc.) and the substance properties. In a specific utilisa- tion scenario, e.g. as residential area, different exposure pathways are contributing to the total contaminant uptake. Becauseof the pro- perties of nitroaromatic compounds like 2,4,6-trinitrotoluene (good resorption through skin and accumulation in plants) exposure via dermal soil contact and via consumption of plants gains special im- portance. With these two exposure pathways as examples we ex- plain the quantification of the exposure through different pathways by so-calledexposure factors. Bycomparing the total exposure with tolerable intake levelsfor the compounds, waste site s _ p ~ c soil pol- lutant levels can be established(seesecondpart of the paper in UWSF 6/94). 1 Einleitung Ein wesentlicher Teilschritt bei der Bew~iltigung von Altla- stenproblemen besteht in der toxikologischen Bewertung der vorgefundenen Bodenkontaminationen. Diese Bewertung soll - eine Beurteilung potentieller Gesundheitsgefahren der Alt- lastanwohner in der gegenw~irtigen Situation erm6glichen, - und zur Festlegung maximaler Schadstoffkonzentrationen im Boden f/ihren, bei denen keine Gesundheitsgef/ihrdun- gen bestehen bzw. bei denen kein erh6htes Risiko zu er- warten ist. UWSF-Z.Umweltchem.Okotox. 6 (5) 271- 276 (1994) © ecomedverlagsgesellschaft AG & Co.KG Landsberg 271

Toxikologische Bewertung von Rüstungsaltlasten; Risk assessment of military waste sites;

  • Upload
    fritz

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Toxikologische Bewertung von Rüstungsaltlasten; Risk assessment of military waste sites;

Diskussionsbeitrfige Toxikologische Bewertung yon Rfistungsaltlasten

Diskussionsbeitr~ige

Schwerpunktthema: Toxikolog ische Bewertung von Riistungsaltlasten

Tei l I : Exposi t ionsanalyse als erster Schritt zur Bewertung von Gesundhei tsgef / ihrdungen u n d zur Able i tung von standortspezif ischen Bodenbeur te i lungskr i te r ien Klaus SCHNEIDER, Mar t i n HASSAUER, Fritz KALBERLAH

Tei l Ih Bewertung der toxischen Potenz n i t roaromat i scher Schadstoffe - Beriicksichtigung yon K o m b i n a t i o n s w i r k u n g e n Klaus SCHNEIDER, M a r t i n HASSAUER, Fritz KALBERLAH

Toxikologische Bewertung von Riistungsaltlasten

I: Expositionsanalyse als erster Schritt zur Bewertung von Gesundheitsgefiihrdungen und zur Ab- leitung von standortspezifischen Bodenbeurteilungskriterien

Klaus Schneider, Mart in Hassauer, Fritz Kalberlah

Forschungs- und Beratuagsinstitut Gefahrstoffe FoBiG GmbH, Gerberau 2, D-79098 Freiburg

Z u s a m m e n f a s s u n g

Zur toxikologlschen Bewertung yon bewohnten Alttasten aus der ehemaligen Sprengstoffproduktion wurde eine Methodik entwickelt, die aus den beiden Teilschritten Expositionsanalyse und Ermittlung von noch tolerierbaren stoffspezifischen K6rperdosen besteht. In die- sem ersten Beitrag wird die quantitative Expositionsanalyse fiir ni- troaromatische Schadstoffe erliiutert.

Die Exposition hiingt yon den Standortbedingungen (z.B. Boden- beschaffenheit), der Art der Nutzung (Wohnnutzung, industrielle Nutzung etc.) und den Stoffeigenschaften ab. Innerhalb einer be- stimmten Nutzungssituation (z.B. Wohnnutzung) tragen verschie- dene Expositionspfade zur gesamten Schadstoffaufnahme bei. Be- dingt durch die speziellen Eigenschaften yon nitroaromatischen Ver- bindungen wie 2,4,6-Trinitrotoluol (gute Hautresorption, Anreiche- rung in Pflanzen) gewinnt die Exposiuon fiber dermalen Bodenkontakt und iiber den Verzehr kontaminierter Nutzpflanzen besondere Bedeutung. An diesen beiden Expositionspfaden wird bei- spielhaft erkl~rt, wie das Ausmafl des Schadstoffkontaktes in Form von sogenannten Expositionsfaktoren quantifiziert werden kann.

Durch Vergleich der Gesamtexposition mit noch tolerierharen K6r- perdosen ffir die vorliegenden Stoffe lassen sich standortspezifische Bodenwerte zur Beurteilung der Bodenkontaminationen ermirteln (siehe Folgebeitrag in UWSF 6/94).

Abs t r ac t Risk Assessment of Military Waste Sites

A method was developed for the risk assessment of a military waste site. The method consists of two steps: 1. evaluation of the expo- sure through different pathways and 2. derivation of substance- specific tolerable intake levels. In this first part of the paper the quan- titative exposure analysis will be discussed.

Exposure depends on the conditions at the contaminated site :(e.g. soil characteristics), the type of utilisation (residential area, indu- strial area etc.) and the substance properties. In a specific utilisa- tion scenario, e.g. as residential area, different exposure pathways are contributing to the total contaminant uptake. Because of the pro- perties of nitroaromatic compounds like 2,4,6-trinitrotoluene (good resorption through skin and accumulation in plants) exposure via dermal soil contact and via consumption of plants gains special im- portance. With these two exposure pathways as examples we ex- plain the quantification of the exposure through different pathways by so-called exposure factors. Bycomparing the total exposure with tolerable intake levels for the compounds, waste site s_p~c soil pol- lutant levels can be established (see second part of the paper in UWSF 6/94).

1 Einleitung

Ein wesentlicher Teilschritt bei der Bew~iltigung von Altla- stenproblemen besteht in der toxikologischen Bewertung der vorgefundenen Bodenkontaminationen. Diese Bewertung soll

- eine Beurteilung potentieller Gesundheitsgefahren der Alt- lastanwohner in der gegenw~irtigen Situation erm6glichen,

- und zur Festlegung maximaler Schadstoffkonzentrationen im Boden f/ihren, bei denen keine Gesundheitsgef/ihrdun- gen bestehen bzw. bei denen kein erh6htes Risiko zu er- warten ist.

UWSF- Z.Umweltchem. Okotox. 6 (5) 271- 276 (1994) © ecomed verlagsgesellschaft AG & Co.KG Landsberg

271

Page 2: Toxikologische Bewertung von Rüstungsaltlasten; Risk assessment of military waste sites;

Toxikologische Bewertung yon Rfistungsaltlasten Diskussionsbeitrfige

Prinzipiell sind hierffir verschiedene Vorgehensweisen m6g- lich (LOHR und HEFER, 1991):

1. Das heuristische Verfahren, bei dem Experten aufgrund von Erfahrung, h~iufig orientiert an Hintergrundkonzen- trationen und allgemeinen Daten, jedoch ohne offenge- legtes Bewertungskonzept, Beurteilungskriterien festlegen (h/iufig in Form von Bodenwertlisten).

2. Epidemiologische Verfahren, bei denen der Ist-Zustand mit statistischen Verfahren analysiert wird (effect- monitoring, biological monitoring, biochemical effect mo- nitoring).

3. Der induktive Weg, bei dem durch eine Analyse der Ex- positionssituation die Schadstofffrachten abh/ingig von der Nutzung, von den Schadstoffeigenschaften und den lokalen Gegebenheiten untersucht werden und durch Ge- genfiberstellung mit der humantoxikologisch bewerteten Potenz der Schadstoffe eine Beurteilung getroffen wird.

Der letztgenannte Weg erm6glicht eine detaillierte quanti- tative Betrachtung des Schadstofftransfers und der resultie- renden Gesundheitsgefahren in Abh/ingigkeit vom Ausma~ der Bodenkontaminationen. Die Methodik ist nachvollzieh- bar und hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Unsicherheiten fiberprfifbar. Hierbei ist es m6glich und erforderlich, stand- ortspezifische und nutzungsspezifische Einflugfaktoren zu be- riicksichtigen, wie es z.B. vom Sachverst~indigenrat fiir Um- weltfragen oder der L/inderarbeitsgemeinschaft Abfall ffir eine standortspezifische Altlastenbewertung gefordert wird (SRU, 1990; LAGA, 1991).

W~ihrend standortunabh/ingige Bodenwertlisten definitions- bedingt nur einen groben Beurteilungsrahmen ohne Beriick- sichtigung der Standortgegebenheiten darstellen k6nnen, lie- fern epidemiologische Auswertungen wertvolle Validierungs- hilfen fiir die induktive Vorgehensweise, sofern die Gegeben- heiten (Kollektivgr6t~e und -zusammensetzung, Nachweis- empfindlichkeit der in Frage kommenden Verfahren) ihren Einsatz zulassen.

Zwischenzeitlich shad von verschiedenen Arbeitsgruppen in- duktive Verfahren in unterschiedlicher Auspr~igung ent- wickelt und angewendet worden (ROSENBLATT, 1986; EPA, 1989; McKONE, 1991; WICHMANN et al., 1992). In/ihnli- cher Weise wurde von uns eine Methodik entwickelt, um Alt- lastensituationen durch eine Gegeniiberstellung der Exposi- tionanalyse mit noch tolerierbaren K6rperdosen fiir diese Schadstoffe zu bewerten (KALBERLAH et al., 1993) (-" Abb. 1). Diese Vorgehensweise soil am Beispiel der Pro- blematik yon R/istungsaltlasten aus der ehemaligen Spreng- stoffproduktion beschrieben werden.

Bei Riistungsaltlasten aus der Sprengstoffproduktion liegen h~iufig aus der Produktion von Trinitrotoluol (TNT) neben 2,4,6-Trinitrotoluol selbst andere nitroaromatische Schad- stoffe als Vor- oder Abbauprodukte von TNT vor. Weiter sind unter Umst/inden andere sprengstoffspezifische Stoffe wie Hexogen (Hexahydro-l,3,5-trinitro-l,3,5-triazin, RDX) anwesend. Die sich daraus ergebenden Problemstellungen weisen neben der h~ufig sehr schlechten Datenlage ffir viele der relevanten Verbindungen als weitere Besonderheiten auf:

Exp~ition~natyse

l Wie stark ist der Kontakt I mlt den Gefahrstoffen bel bestimmter Nutzung ?

Bewertung der Exposition I irn Nulzungsszenarlo I

Ermittlung yon lolemblen K6rperclosen

I Welche Gefahr for die J Gesundheit geht yon den Stoffen aus ?

I Welche Kombinatlons- [ wirkungen treten auf ?

Welches Risiko besteht bei welchen Boden- verunreinigungen ?

kurzfristige ÷ langfristige Handlungsempfehlungen Bodenbeurteilungskriterien

Abb. 1: Standortspezifische Altlastenbewertung mit den zwei Teilschrit- ten Expositionsanalyse und Ableitung von stoffspezifischen to- |erablen K6rperdosen

- die Bedeutung von routinem~iflig selten erfaflten Exposi- tionspfaden (dermale Exposition, Anreicherung in Nutz- pflanzen)

- gemeinsame toxikologische Endpunkte vieler nitroaroma- tischer Schadstoffe (Methfimoglobinbildung, mutagene und kanzerogene Wirkungen).

Im vorliegenden Beitrag sollen zun~chst Schritt 1 der Me- thodik, die Expositionsanalyse, im folgenden Beitrag Schritt 2, die toxikologische Bewertung der Kombinationswirkun- gen von nitroaromatischen Schadstoffen beschrieben und L6- sungsansiitze, wie sie in der praktischen Bewertung von Rfi- stungsaltlasten entwickelt wurden, vorgestellt werden.

2 Expositionsanalyse

Wie grot~ die Schadstoffmenge ist, die potentiell von den ex- ponierten Personen aufgenommen werden kann, h/ingt von drei Faktoren(-gruppen) ab:

1. Substanzspezifische Eigenschaften, die das Umweltverhal- ten des Schadstoffs beeinflussen (physiko-chemische Ei- genschaften wie Lipophilie, Akkumulationsverhalten, Fl/ichtigkeit, Wasserl6slichkeit, biotischer trod abiotischer Abbau etc.).

2. Standortspezifische Faktoren, wie Bodenart, hydrogeo- logische Verh/iltnisse, Bewuchs etc.

3. Bewohnerspezifische Nutzungsbedingungen: Art der Bo- dennutzung (Landwirtschaft, Hausg/irten, Spielplatz, in- dustrielle Nutzung, Brachland, Baut~itigkeit etc.).

W~ihrend die zu 1.) geh6renden Faktoren standortunabh~in- gig sind und nur durch die Substanzeigenschaften bestimmt werden, sind die unter den Punkten 2.) und 3.) aufgez~ihl- ten Faktoren spezifisch fiir die Verh~iltnisse einer konkreten Altlastsituation. Zur Bewertung der Expositionswege ist ein Verst~indnis des umweltchemischen Verhaltens der Schad- stoffe (Ausbreitung, Mobilit/it, Degradation) notwendig (-~ Kasten).

272 UWSF-Z.Umweltchem. Okotox. 6 (5) 1994

Page 3: Toxikologische Bewertung von Rüstungsaltlasten; Risk assessment of military waste sites;

Diskussionsbeitr~ige Toxikologische Bewertung yon Rfistungsaltlasten

Umweltchemisches Verhalten von Schadstoffen im Boden

Zur quantitativen Beschreibung des umweltchemischen Stoffverhaltens wird davon ausgegangen, dal~ in kontaminiertem Boden eine Gleichgewichtssitua- tion zwischen den Konzentrationen des Schadstoffs in den verschiedenen Pha- sen des Bodens (feste Bodenmatrix, Bodenwasser, Bodenluft) vorliegt (EPA, 1988).

Zur Beschreibung der Gleichgewichtssituation sind die Henry-Konstante H und der Bodenadsorptionskoeffizient K d von zentraler Bedeutung. Die Henry- Konstante H ist die Gleichgewichtskonstante zwischen w/issriger und gasffr- miger Phase und kann aus dem Dampfdruck und der Wasserl6slichkeit er- rechnet werden.

Der Bodenadsorptionskoeffizient K d ffir das Gleichgewicht zwischen w/issri- get und fester Bodenphase beschreibt die St/irke der Schadstoffsorption an Bodenpartikel und ist somit zentral ffir die Bewertung der Mobilidit im Bo- den. Ffir organische Substanzen kann K d theoretisch abgeleitet werden un- ter der Annahme, dag die Bodensorption im wesentlichen durch lipophile Wechselwirkungen mit den organischen Bestandteilen des Bodens beeinflufgt ist. In der realen Situation wirken aber zus/itzliche Einfluggrfflen wie Katio- nenaustauschkapazit/it, Tongehalt und andere Parameter auf die Sorption ein, so dal~ eine experimentelle Bestimmung fiir den betreffenden Boden immer einer theoretischen Ableitung von K d vorzuziehen ist. Ffir 2,4,6-Trinitrotoluol zeigten PENNINGTON und PATRICK (1990), daft die Kationenaustauschkapazi- t/it des Bodens einen st/irkeren Einflul~ auf K d besitzt als der Gehalt an orga- nischem Kohlenstoff.

Mit Kennmis von K d und H 1/it~t sich die Mobilit/it eines Schadstoffes bereits weitgehend beschreiben. Damit kann angegeben werden, ob ein Austrag in das Grundwasser, eine Ausgasung aus den oberen Bodenschichten oder eine starke Immobilisierung im Boden wahrscheinlich ist.

Bei der Betrachtung langer Expositionszeitr/iume ist weiter von Bedeutung, ob durch biotischen oder abiotischen Abbau mit einer Verringerung der Schad- stoffkonzentrationen zu rechnen ist. Untersuchungen mit 2,4,6-Trinitrotoluol zeigen, dag irn Boden ein Prim/irabbau durch Reduktion der Nitrofunktio- nen stattfinden kann (CATALDO et al., 1989; La'tTON et al., 1987). Eine voll- stfindige Minera|isierung wird jedoch nur in ganz geringem Umfang beob- achtet, weil die Ringfffnung der entstehenden Metaboliten erschwert ist. fidan- liches gilt auch ffir andere nitroaromatische Verbindungen, so dat~ unter nor malen Bedingungen fiber Jahre nur eine geringe Schadstoffverminderung durch Abbauprozesse zu erwarten ist.

Bei einer bestimmten Nutzungssituation (,,Nutzungsszena- rio") existieren normalerweise mehrere Expositionspfade, fiber die Schadstoffe zum Menschen gelangen k6nnen. Zum Beispiel sind Rir die Situation eines Wohngebietes folgende Expositionspfade besonders wichtig:

- Inhalative Aufnahme gasf6rmiger Schadstoffe in Innen- rfiumen (eventuell auch aut~en)

- Inhalative Aufnahme yon kontaminiertem Staub - Orale Aufnahme von kontaminiertem Boden und Staub

(Kleinkinder, Erwachsene bei der Gartenarbeit etc.) - Dermale Schadstoffaufnahme bei Wasser- und Boden-

kontakt - Orale Aufnahme yon schadstoffhaltiger Nahrung (Pflan-

zen und tierische Produkte).

Das Ausmat~ des Schadstoffkontaktes fiber einen bestimm- ten Expositionspfad kann fiber sogenannte Expositionsfak- toren (EF) beschrieben werden. Der Expositionsfaktor gibt an, wieviel Schadstoff von den exponierten Personen im an- genommenen Nutzungsszenario aufgenommen wird. Je h6- her der Expositionsfaktor, umso h6her ist die potentielle Schadstoffaufnahme fiber diesen Pfad. Bei bekanntem Ex- positionsfaktor kann die toxikologische Bedeutung der Bo- denkontamination beurteilt werden.

TRD (1) Cs - EF

C s stellt eine maximal tolerable Bodenkonzentration dar, die nicht fiberschritten werden sollte.

TRD ist hierbei eine maximal tolerable K6rperdosis 1, die aus der toxikologischen Stoffbewertung resultiert. Bei die- ser Dosis (in mg Schadstoff pro kg K6rpergewicht und Tag) ist nach Stand des Wissens davon auszugehen, dat~ keine ge- sundheitlichen Schfiden durch den Schadstoff entstehen, bzw. bei Kanzerogenen ein noch zu tolerierendes Risiko nicht fiber- schritten wird. Die Methodik zur Ermittlung von TRD fiir nitroaromatische Schadstoffe, insbesondere unter Berficksich- tigung von Kombinationswirkungen, wird im Folgebeitrag beschrieben.

In Form yon Expositionsfaktoren (mit der Einheit kg Boden pro kg K6rpergewicht und Tag) mut~ ffir alle relevanten Expositionspfade das Ausma~ des Schadstofftransfers zum Menschen quantifiziert werden. Der Expositionsfaktor

EFgesamt

ffir die Gesamtexposition bei der betrachteten Nutzungsform Wohnnutzung ergibt sich aus der Summe der Expositions- faktoren ffir die einzelnen Pfade.

(2) EFg . . . . . = EForal-Boden + EFd . . . . l-Boden + EFinhalativ_Stau b + EFNutzpflanzen + . . .

Im Falle von nitroaromatischen Schadstoffen aus der Spreng- stoffproduktion verdienen die Pfade dermaler Bodenkontakt und Schadstoffaufnahme fiber Pflanzen (neben dem Ver- schlucken yon Boden durch Kinder und dem Eintrag yon Stoffen in das Grundwasser) besondere Beachtung. Deshalb wird die Quantifizierung der Exposition beispielhaft an der Behandlung dieser beiden Pfade beschrieben.

2.1 Dermale Exposition

In bisherigen Abschiitzungsversuchen der dermalen Auf- nahme bei Bodenkontakt wurde davon ausgegangen, da~ - unabh~ingig yon den Schadstoffeigenschaften - 100 % oder ein definierter Teil des Schadstoffs, der sich am Boden ge- bunden auf der Haut befindet, resorbiert wird (EPA, 1991). Diese starke Vereinfachung wird der komplexen Situation beim Transport durch die Haut nicht gerecht.

Das Stratum Corneum, die Hornschicht der Epidermis, stellt beim Durchgang durch die Haut die wesentliche Barriere dar. Diffusionskontrollierter Transport kann sowohl durch die lipophile Matrix als auch durch die wiissrige Phase der Haut- zellen erfolgen.

Aus experimentellen Untersuchungen ist bekannt, daft am- phiphile organische Molekfile, die sowohl lipophile Eigen- schaften als auch eine relativ gute Wasserl6slichkeit besit- zen, besonders gut durch die Haut resorbiert werden. Dies erkl~irt, warum viele nitroaromatische Verbindungen, die diese Bedingungen erffillen, sehr gut durch die Haut aufge- nommen werden (BRONAUGH und MAIBACH, 1985). Auch an Arbeitsplfitzen mit Exposition gegenfiber Nitrotoluolen hat

1TRD: tolerierbare resorbierte Dosis: der resorbierte Anteil der Schadstoffmenge an der zugefiihrten Menge wird berficksichtigt. Bei den sehr gut resorbier- ten nitroaromatischen Stoffen wird bei oraler Aufnahme yon 100 % Re- sorption ausgegangen, d.h. die resorbierte Menge entspricht der zugeffihr- ten Menge. Ob durch die Adsorption an die Bodenmatrix eine verringerte Bioverfiig- barkeit bei oraler Exposition besteht, ist bei gegenw/irtiger Datenlage nicht zu beurteilen und wird nicht berficksichtigt.

UWSF-Z.Umweltchem. Okotox. 6 (5) 1994 273

Page 4: Toxikologische Bewertung von Rüstungsaltlasten; Risk assessment of military waste sites;

Toxikologische Bewertung yon Riistungsaltlasten Diskussionsbeitr~ige

dieser Aufnahmepfad einen wesentlichen Anteil an der Ge- samtk6rperbelastung (HENsCmER, 1985, 1988).

Experimentelle Untersuchungen zur Hautresorption von ni- troaromatischen Schadstoffen, die zumeist mit L6semittel als Vehikel durchgeffihrt werden, k6nnen lediglich qualitative Hinweise zur Bedeutung dieses Aufnahmepfades in der Alt- lastensituation bieten. Durch die Wechselwirkung der Schad- stoffe mit der Bodenmatrix liegt eine komplexe Situation vor, auf die die experimentellen Ergebnisse in der Regel nicht fibertragbar sind.

McKONE (1990) entwickelte ein Modell zur Beschreibung der Hautresorption, bei dem die Eigenschaften der boden- gebundenen Schadstoffe berticksichtigt werden. Wesentliche Einfluftgr6fen sind hierbei die Lipophilie (ausgedriickt in Form des logarithmischen Oktanol/Wasser-Verteilungskoef- fizienten log Po/w) und die Henry-Konstante K H (der dimen- sionslose Verteilungskoeffizient zwischen Luft- und Wasser- phase) der betrachteten Verbindung, die Verweilzeit auf der Haut, die Gr6fte der bodenbedeckten Hautfl~che und die Dicke der die Haut bedeckenden Bodenschicht.

Bei Kenntnis dieser Parameter l~iftt sich mit Hilfe der Aussa- gender Modellrechnungen von McKONE (1990) die poten- tiell resorbierte Schadstoffmenge angeben. Bei Hautbe- deckungen gr6fter 1 mg Boden/cm z Haut verringert sich der resorbierte Anteil an der gesamten im Boden auf der Haut befindlichen Schadstoffmenge stark. Experimentelle Unter- suchungen haben aber gezeigt, dat~ in den meisten F~illen die Annahme einer Hautbedeckung mit maximal 1 mg/cm 2 re- alistisch ist (EPA, 1991; DRIVER et al., 1989).

Fiir Verbindungen

- mit log Po/w -< 6 und K H < 0,01 erh/ilt McKONE (1990) aus den Modellbetrachtungen Aufnahmeraten von ann~hernd 100 %,

- bei log Po/w > 2 und K H -> 0,01 sollte die Resorptions- quote deutlich unter 40 % liegen,

- bei KH _> 0,1 sollte die Resorptionsquote 3 % nicht fiberschreiten.

Zur ersten Gruppe geh6ren eine Vielzahl yon nitroaromati- schen Verbindungen, die bei Rfistungsaltlasten aus der TNT- Produktion von Bedeutung sind.

Zur Quantifizierung der Exposition sind Annahmen zur Ex- positionssituation notwendig. Bei der dermalen Exposition sind Angaben

- zur bodenbedeckten Hautfl~iche (1650 cm 2 bei Kleinkin- dern, 5000 cm z bei Erwachsenen) (EPA, 1991),

- zur Hautbedeckung mit Boden (1 mg/cm 2) (EPA, 1991; DRIVER et al., 1989),

- - zum K6rpergewicht der Exponierten (Kleinkinder 10 kg, Erwachsene 70 kg),

- zur Dauer des Bodenkontaktes (Kleinkinder: Extremfall 6 Stunden pro Tag an 180 Tagen im Jahr, Erwachsene 60 Tage im Jahre, z.B. w~ihrend Gartenarbeiten)

notwendig.

Mit diesen Angaben und den Resorptionsquoten nach McKONE (1990) ergibt sich z.B. ffir 2,4,6-Trinitrotoluol

und for 2,6-Dinitrotoluol ein Expositionsfaktor bei Lang- zeitbelastung von EF = 1 • 10 -s kg Boden/kg K6rperge- wicht • d. Dies bedeutet z.B. bei Vorliegen einer groftfl~i- chigen Kontamination von 100 mg 2 ,4 ,6 -TN T/ kg Boden eine potentielle t~igliche Aufnahme von 1 ag Schadstoff pro kg K6rpergewicht und Tag (Mittelwert fiber lange Zei- tr~ume).

2 . 2 P f l a n z e n t r a n s f e r

Fiir einige rfistungsaltlastenspezifische Schadstoffe liegen Un- tersuchungen zur Aufnahme in Pflanzen vor (McFARLANE et al., 1987; OVERCASH et al., 1982; O'CONNOR et al., 1990, CATALDO et al., 1990). Am ausfiihrlichsten untersucht wurde 2,4,6-Trinitrotoluol (PENNINGTON, 1988; PALAZZO und LEGETT, 1986). Diese Arbeiten zeigen, daft die Anrei- cherung von Schadstoffen in Pflanzen im Fall der Nitroaro- maten besondere Beachtung verdient. Insbesondere die Un- tersuchungen von CATALDO und Mitarbeitern (CATALDO et

al., 1989) erbrachten fundierte Hinweise auf eine relevante Anreicherung von 2,4,6-Trinitrotoluol und dessen Abbau- produkten in Pflanzen. Sie untersuchten die Akkumulation von 2,4,6-Trinitrotoluol und seinen Metaboliten in drei ver- schiedenen Pflanzenarten in Abhfingigkeit vom Bodentypus ftir drei verschiedene B6den mit stark unterschiedlichen Cha- rakteristika. Bei Untersuchungen mit radioaktiv markiertem 2,4,6-Trinitrotoluol erhielten sie ffir alle Pflanzenarten fol- gende Ergebnisse:

2,4,6-Trinitrotoluol (und vermutlich auch die Aminodini- trotoluole) werden in hohem Mafte in die Pflanze aufgenom- men. Die gr6flten Substanzmengen wurden in den Wurzeln der Pflanzen gemessen. Die Verbindungen werden von den Pflanzen schnell metabolisiert. In oberirdischen Pflanzenteilen lagen nur ca. 3 % der gesamten aufgenommenen Radioak- tivit~it in Form von 2,4,6-Trinitrotoluol oder der Prim~irme- taboliten 2-Amino-4,6-dinitrotoluol bzw. 4-Amino-2,6- di- nitrotoluol vor. Bei der Umwandlung entstehen sowohl li- pophile als auch hydrophile Metaboliten. Haupttransportform in der Pflanze sind die Aminodinitro- toluole sowie ein nicht identifizierter Metabolit. Transport- weg in obere Pfla~azenorgane ist das Xylem. Die Akkumulation in den Pflanzen war stark abhSngig von der Bodenart. Auf einem Boden mit durchschnittlichem Ge- halt an organischem Kohlenstoff war die Anreicherung in den Wurzeln der Pflanzen gegeniiber der Konzentration im Boden bis zu 4fach (Konzentration von 2,4,6- Trinitroto- luol und aller Metabolite in der Pflanze bezogen auf Nafge- wicht zu Konzentration im Boden). Ffir oberirdische Pflan- zenteile wurden Anreicherungsfaktoren von bis zu I fiir ver- schiedene Pflanzenarten (Bohne, Gr~iser) beobachtet.

In Wohngebieten mit Nutzgiirten oder bei Kontaminationen in Kleingartenanlagen ist nach diesen Daten mit einer erheb- lichen Schadstoffaufnahme zu rechnen. Unter der Annahme, daft zumindest ein Tell der Verstoffwechslung in der Pflanze zu einer Entgiftung ffihrt (Annahme: 50 %), k6nnen aus den Daten von CATALDO et al. (1989) Anreicherungsfaktoren (Konzentration in der Pflanze bezogen auf das Naftgewicht zur Konzentration im Boden) von etwa 2 ffir Wurzeln und unterirdische Speicherorgane sowie 0,5 fiir oberirdische Pflanzenorgane abgeleitet werden. Aus statistischen Daten

274 UWSF-Z.Umweltchem. ()kotox. 6 (S) 1994

Page 5: Toxikologische Bewertung von Rüstungsaltlasten; Risk assessment of military waste sites;

Diskussionsbeitr~ge Toxikologische Bewertung yon Rfistungsaltlasten

des Ernfihrungsministeriums sind die durchschnittlichen Ver- zehrmengen von Nutzpflanzen, die auch in Hausg~irten an- gepflanzt werden, bekannt. Der Selbstversorgungsanteil kann ebenfalls aus diesen Daten abgeschiitzt werden. Danach ist von folgenden durchschnittlichen Verzehrmengen auszuge- hen (BMELF, 1992):

Obst: 150 g/d GemOse (aufler Kartoffeln): 200 g/d davon: Wurzelgemfise und Arten mit

unterirdischen Verzehrteilen: 40 g/d Kartoffeln: 200 g/d

mit geschiitzten Eigenverzehranteilen von 30 % fOr GemOse und Kartoffeln, bzw. 20 % for Obst und FrOchte.

Aus diesen Angaben und obigen Anreicherungsfaktoren in Pflanzen ergibt sich z.B. for 2,4,6-Trinitrotoluol und 2,6-Dinitrotoluol ein Expositionsfaktor von 2,6 • 10 -3 kg Boden/kg K6rpergewicht • Tag. Entsprechend obigem Bei- spiel resultiert daraus bei einer Bodenkontamination von 100 mg/kg Boden eine tfigliche Schadstoffaufnahme von 260 /ag/kg K6rpergewicht • Tag. FOr Hexogen wurde vonder Arbeitsgruppe von CATALDO (CATALDO et al., 1990) in ~ihnlichen Untersuchungen eben- falls eine starke Akkumualation in Pflanzen festgestellt. Aus den Daten ergibt sich for diesen Pfad ein Expositionsfaktor von 3,8 • 10 -2 kg Boden/kg K6rpergewicht • Tag.

3 Diskussion

In Tabelle 1 sind beispielhaft die Expositionsfaktoren dar- gestellt, die for die Stoffe 2,4,6- Trinitrotoluol, 2,6-Dini- trotoluol, 2,4-Dinitrophenol und Hexogen for das Szenario Wohnnutzung in einer konkreten Altlastensituation berech- net wurden.

Tabelle 1: Beispiele Rir standortspezifische Expositionsfaktoren fiir ver- schiedene sprengstoffspezifische Schadstoffe bei langfristiger Exposition bei Wohnnu tzung und privatem Nutzpflanzen- anbau (in kg Boden/kg K6rpergewicht • Tag)

.~,4,6-Trinitrotoulol

_~,6-Dinitrotoluol

_~,4-Dinitrophenol

-lexogen

oraler dermaler Verzehr Gesamt- Boden- Boden- yon Nutz- t r ans fe r kontakt 2 kon tak t p f lanzen - fak to r

1 ,8 .10 -6 1 . 1 0 -5 2 ,6 .10 -3 2 ,6 .10 -3

1 ,8 .10 -6 1 .10 -5 2 , 6 . 1 0 -3 2 ,6 .10 -3

3 ,3 .10 -5 - 1 , 1 - 1 0 -3 1 ,1 .10 3

3 ,3 .10 .5 3- 10 -5 3,8- 10 -2 3,8- 10 -2

FOr alle Substanzen is t die m6gliche Schadstoffanreicherung in Nutzpflanzen und die potentielle Exposition, die aus dem Verzehr derselben resultiert, der bedeutendste Expositions- pfad. Die dermale Schadstoffexposition besitzt bei den Ni- trotoluolen etwa die gleiche Gr6flenordnung wie die orale Bo-

2 Die Absch/itzung der Schadstoffaufnahme bei oralem Bodenkontakt beruht im wesentlichen auf Vorschl~igen des Umweltbundesamtes zur Bodenaufnahme bei Kleinkindern (Ruc~(, 1990). Auf eine exakte Beschreibung wird in diesem Rah- men verzichtet.

denaufnahme (fOr beide Expositionspfade wurden Kleinkin- der als die sensibelste Personengruppe betrachtet).

In der betrachtete Situation ergab sich somit fOr die Bedeu- tung der Schadstoffpfade folgende Reihenfolge:

Verzehr von Nutzpflanzen > > dermaler Bodenkontakt oraler Bodenkontakt > > andere Pfade

Nach Formel (1) k6nnen mit den ermittelten Expositions- faktoren dutch Vergleich mit den humantoxikologisch ab- geleiteten tolerierbaren K6rperdosen for die Schadstoffe ma- ximal tolerable Bodenwerte berechnet werden. Dies wird im folgenden Beitrag eingehender erlfiutert.

Die vorgestellte Expositionsanalyse quantifiziert die Beitr~ige der einzelnen Expositionspfade zur Gesamtk6rperbelastung der betroffenen Personen. Daraus ergeben sich - in Bezug aufkurzfristige Mat~nahmen - Handlungsempfehlungen, die gezielt auf die Abstellung von Belastungsschwerpunkten ge- richtet sind und zu einer Unterbindung der wichtigsten Schad- stoffkontaktm6glichkeiten fohren. FOr die langfristige Ex- position k6nnen Bodenbeurteilungskriterien ermittelt wer- den, die auf Basis toxikologischer Kriterien einen umfassen- den Schutz vor gesundheitlichen Beeintriichtigungen erwarten lassen.

Bei einzelnen Teilschritten der Expositionsanalyse bestehen noch erhebliche DatenlOcken:

- So sind zum Beispiel beim Pfad Verzehr von Nutzpflan- zen bisher Untersuchungen zur Aufnahme aus dem Bo- den in die Pflanze nur zu wenigen Pflanzenarten durch- gefOhrt worden.

- Derartige Untersuchungen existieren bislang nur zu we- nigen der relevanten Schadstoffen.

- Zudem stellt sich die Frage nach der toxikologischen Re- levanz der pflanzlichen Metaboliten.

Da nicht angenommen werden kann, daft jeder Umwand- lungsschritt eine Entgiftung darstellt, insbesondere wegen des sehr schwierigen Bioabbaus dieser Verbindungsklasse, mOs- sen wir gegenwfirtig davon ausgehen, dan die Metaboliten zumindest zum Teil iihnliche toxikologische Eigenschaften wie die Muttersubstanzen besitzen. Eventuell f0hrt aber auch die von uns angenommene Schfitzung von 50 % biologisch aktiver Metaboliten noch zu einer Oberbewertung dieses Ex- positionspfades.

Die Ausarbeitung der Expositionsanalyse for einen Standort erbringt somit neben der qualitativen und quantitativen Be- wertung der Expositionspfade Hinweise auf Datenlficken und Unsicherheiten. Diese DatenlOcken k6nnen und sollen dutch spezifische Untersuchungen am Standort verringert werden. Die vorgestellte Methodik der Expositionsanalyse stellt ei- nen wesentlichen Schritt zur Erfassung des Schadstoffkon- taktes am Standort dar, der durch gezielte Untersuchungen zu den erarbeiteten zentralen Fragestellungen welter verbes- sert werden kann.

UWSF-Z.Umweltchem. Okotox. 6 (5) 1994 275

Page 6: Toxikologische Bewertung von Rüstungsaltlasten; Risk assessment of military waste sites;

Toxikologische Bewertung yon Rfistungsaltlasten Diskussionsbeitrfige

4 Literatur

BMELF, Bundesministerium for Erniihrung, Landwirtschaft und For- stem Statistisches Jahrbuch fiber Erniihrnng, Landwirtschaft und For- sten der Bundesrepublik Deutschland, 1992, Landwirtschaftsverlag GmbH, Mfinster-Hiltrup

BRONAUGH, R. L.; H. I. MAIBACH (1985): Percutaneous penetration of nitroaromatic compounds: in vivo and in vitro in the human and monkey. Journal of Investigative Dermatology 84, 180- 183

CATALDO, D. A.; S. D. HARVEY; R. J. FELLOWS, R. M. BEAM; B. D. McVEETY (1989): An evaluation of the environmental fate and be- haviour of munitions material (TNT, RDX) in soil and plant sy- stems. Environmental fate and behavior of TNT. Batelle Memorial Institute, Richland, USA

CATALDO, D. A.; S. D. FELLOWS, R. J. FELLOWS (1990): Evaluation of the environmental fate and behavior of munitions material (TNT, RDX) in soil and plant systems. Environmental fate and behavior of RDX. Battelle Memorial Institute, Richland, USA

DRIVER, J. H.; J. J. KONZ, G. K. WHITMYRE (1989): Soil adherence to human skin. Bulletin of Environmental Contamination and Toxi- cology 43, 814- 820

EPA, Environmental Protection Agency 1991: Interim guidance for der- mal exposure assessment, Review draft. Office of Health and Envi- ronmental Assessment, US Environmental Protection Agency, Wa- shington, DC

EPA, Environmental Protection Agency 1989: Risk assessment guidance for Superfund, Vol. I: Human health evaluation manual, Part A to C. US Environmental Protection Agency, Washington, DC

EPA, Environmental Protection Agency 1988: Superfund exposure as- sessment manual. Office of Remedial Response, US Environmental Protection Agency, Washington, DC

HENSCHLER, D. (1985): Gesundheitssch~idliche Arbeitsstoffe. Toxiko- logisch-arbeitsmedizinische Begriindung von MAK-Werten, Dinitro- toluole, 11. Lfg. DFG, Deutsche Forschungsgemeinschaft, VCH Vet- lag Weinheim

HENSCHLER, D. (1988): Gesundheitssch/idliche Arbeitsstoffe. Toxi- kologisch-arbeitsmedizinische Begrfindung von MAK-Werten, 2,4,6-Trinitrotoluol, 14. Lfg. DFG, Deutsche Forschungsgemein- schaft, VCH Verlag Weinheim

KALBERLAH, F.; M. HASSAUER; K. SCHNEIDER (1993): Methodik der Ab- leitung von toxikologisch begrfindeten Bodenbelastungswerten, in: F. ARENDT, G. J. ANNOKKI~E, R. BOSMAN, W. J. van den BRINK (Hrsg.) Altlastensanierung '93, S. 293 -304, Kluwer Academic Pu- blishers

LAGA, L/inderarbeitsgemeinschaft Abfall (1991): LAGA- Informationsschrift Altablagernngen und Altlasten, in: Bodenschutz. D. ROSENKRANZ; G. EINSELE; H.-M. HARREi~ (Hrsg.) Handbuch der Maf~nahmen und Empfehlungen for Schutz, Pflege und Sanierung von B6den, Landschaft und Grundwasser, Bd. 2, 7. Ergiinzungs- lieferung, Nr. 8810, Erich Schmidt Verlag, Berlin

LAYTON, D. W.; B. MALLON; W. MITCHELL; L. HALL; R. FISH (1987): Conventional weapons demilitarization: A health and environmen- tal effects data base assessment. Phase 2. Explosives and their co- contaminants. Lawrence Livermore National Lab., Environmental Sciences Division, Livermore, CA

LOHR, H.-P.; B. HEFER (1991): Grundsiitzliches zum Ableiten yon Wet- ten im Zusammenhang mit Sanierungsma~nahmen, in: Ableitung von Sanierungswerten for kontaminierte B6den. Trfigerverein des Instituts for wassergefhhrdende Stoffe e.V. (Hrsg.) lWS-Schriftenreihe Band 13, Erich Schmidt Verlag, Berlin

McFARLANE, C.; O. NOLT; C. WICKLIFF; T. PFLEEGER, R. SHIMABUKU (1987): Uptake, distribution and metabolism of four organic che- micals by soybean plants and barley roots. Journal of Environmen- tal Toxicology and Chemistry 6, 8 4 7 - 856

McKONE, T. E. (1990): Dermal uptake of organic chemicals from a soil matrix. Risk Analysis 10, 407 -419

McKONE, T. E. (1991): Human exposure to chemicals from multpile media and through multiple pathways: research overview and com- ments. Risk Analysis 11, 5 - 10

O'CONNOR, G. A.; J. R. LUJAN; Y. JIN (1990): Adsorption, degrada- tion, and plant availability of 2,4-dinitrophenol in sludge-amended calcareous soils. Journal of Environmental Quality 19, 587 - 593

OVERCASH, M. R.; J. B. WEBER; M. L. MILES (1982): Behavior of or- ganic priority pollutants in the terrestrial system: di-n-butyl phtha- late ester, toluene, and 2,4-dinitrophenol. Water Resources Scien- tific Information Center; Washington, DC

PALAZZO, A. J.; D. C. LEGGETT (1986 ): Effect and disposition of TNT in a terrestrial plant. Journal of Environmental Quality 15, 49 - 52

PENNINGTON, J. C.; W. H. jr. PATRICK (1990) Adsorption and desorp- tion of 2,4,6-trinitrotoluene by soils. Journal of Environmental Qua- lity 19, 559- 567

PENNINGTON, J. C. (1988): Soil sorption and plant uptake of 2,4,6-trinitrotoluene. Army Engineer Waterways Experiment Sta- tion, Environmental Lab., Vicksburg, MS., USA

ROSENBLATT, D. H. (1986): Contaminated soil cleanup objectives for cornhusker army ammunition plant. U.S. Army Medical Bioengi- neering Research & Development Laboratory, Fort Detrick

RUCK, A. (1990): Bodenaufnahme durch Kinder - Abschiitzungen und Annahmen, in: Bodenschutz. D. ROSENKRANZ; G. EINSELE; H.-M. HARRE~ (Hrsg.) Handbuch der Mat~nahmen und Empfehlungen ffir Schutz, Pflege und Sanierung von B6den, Landschaft und Grund- wasser, Bd. 1, 5. Ergiinzungslieferung, Nr. 3520, Erich Schmidt Ver- lag, Berlin

SRU, Der Rat der Sachverst/indigen for Umweltfragen 1990: Aldasten, Sondergutachten Dezember 1989. Metzler-P6schel, Stuttgart

WICHMANN, H. E.; W. IHME; O. C. L. MEKEL (1992): Abschluflbericht zum Forschungsvorhaben ,Quantitative Risikoabschfitzung for drei kanzerogene Stoffe in Altlasten", erstellt im Auftrag des Ministers fOr Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen

Toxikologische Bewertung von Rfistungsaltlasten Tell II: Bewertung der toxischen Potenz nitroaromatischer Schadstoffe

- Beriicksichtigung von Kombinat ionswirkungen

Z u s a m m e n f a s s u n g

Ffir verschiedene nirroaromatische Schadstoffe aus der Produktion yon Trinitrotoluol (TNT) wurde eine Bewertung ihrer toxischen Wirkun- gen vorgenommen. Zur Bewertung yon Gesundheitsgefahren bei Ex- position durch Schadstoffe im Boden fiber eine kurze Zeitdauer wur- den die h~imatotoxischen Wirkungen der Verbindungen, insbesondere ihre F/ihigkeit zur Meth~imoglobinbildung, verglichen. Bei langfristi- ger Exposition standen die gentoxischen und krebserzeugenden Effekte im Vordergrund. Die Wirkungsst/irke der gew~ihlten Referenzverbin- dung 2,4,6-Trinitrotoluol wurde in Form von TRD-Werten (tolerable resorbierte Dosis pro Tag) sowohl for kurz- als auch for langfristige Exposition quantifiziert. Um die zu erwartenden Kombinations-

wirkungen im vorliegenden Schadstoffgemisch beriicksichtigen zu k6n- nen, wurde fiir beide Endpunkte (Methiimoglobinbildung und Kan- zerogenit~it) die relative Wirkungsstiirke der einzelnen Schadstoffe in Relation zu 2,4,6-Trinitrotoluol in Form yon Aquivalenzfaktoren aus- gedrfickt. Von den betrachteten Schadstoffen zeigen m- und p-Dinitrobenzol die stiirkste Methiimoglobin-induzierende Wirkung. In Bezug auf kanze- rogene Wirkungeu besitzt 2,6-Dinitrotoluol die gr6t~te Potenz. Durch Vergleich der Wirkungsst~irke der Substanzen mit der poten- tiellen Exposition am Standort (siehe Tell I des Beitrages) ergeben sich standortspezifische Bodenwerte, mit deren Hilfe die vorliegenden Kon- taminationen beurteilt werden k6nnen.

276 UWSF-Z.Umweltchem. Okotox. 6 (5) 1994