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2208 KLINISCHE WOCHENSCH nachwirken muB (Resorpfionserscheinungen, Bauchfell- reizung). Bet der Verabreichung yon Extrakten liegen die Schwierig- keiten darin, dab man fiber die Art der zu erwartenden Wir- kungen v611ig im Dunkel tastete. Niemals gab es einen Nachweis darfiber, ob in den auf verschiedensfe Weise her- gestellten Extrakten eine wirksame Substanz vorhanden war, geschweige denn bestand die M6glichkeit zu einer Einstellung der Wirkungsst~trke. Hinzu kommen T~uschungen dutch Bei- mengungen yon Cholin und Histamin. In ether der medizinischen Fakult~t der Universit~t Jena am 27. M/irz 1929 eingereichten Preisarbeit konnte ich erst- malig darfiber berichten, dab parenterale und perorale Ver- abreichnng yon Milz sowohl im Tierversuch wie beim Menschen eine Steigerung der Erregbarkeit des Vagus zur Folge hatte 2. Diese Versnche best~tigten meine vorher schon dutch Ex- sfirpationsversuche gewonnene Auffassung. Die yon Herrn Dr. MAURER nnter st~ndiger biologischer Kontrolle her- gestellten Extrakte konnten so geeicht werden, dab nach I ccm eben eine Steigerung der Cholinempfindlichkeit bet Kaninchen hervorgerufen wurde. Die Wirkung ant die Zusammensetzung des menschlichen Blutes wurde zuerst an mehreren Studenten erprobt, denen auch hier herzlichst gedankt set. Die Untersuchungen wurden durchgeffihrt yon den Herren HEPPE, DIMITROFF und HAEN- LEIN. Bei Besfimmungen des re/raktometrisehen Index im Blur- serum, die nnter Berficksichtigung der zeitlichen Verh~tltnisse durchgeftihrt worden sind, fand DIMITROFF, dal3 der zeitliche Ablaut der Ver~nderungen ganz bestimmte Gesetzm~Bigkeiten aufweist. Durchschnittlich finder in der ersten halben Stunde nach der Einspritzung ein Absinken der Werte statt, dann ein Anstieg, der bis zu 3 Stunden anh~lt; nach diesem erfolgt ein nochmaliges Heruntergehen unter den Anfangswert. Es ergeben sich damit 3 Wirkungsphasen, deren Zeitwerte individuell verschieden sind. Die absoluten Werte nnd Zeiten k6nnen so verschieden sein, dab manchmal eine Phase nur rudiment/~r vorhanden ist und eine andere das Bild durchaus beherrscht. Worauf die Ver~nderung der Refraktometerwerte als solche beruht, ist zur Zeit noch Gegenstand unserer Unter- suchungen; es kann sich um eine ver~nderte Quellung der Serumkolloide handeln, doch erscheint uns nach unseren bis- herigen Ergebnissen die Annahme einer Wasserverschiebung zwischen Geweben und t31ut wahrscheinlicher. In gleicher Weise hat HEPPE die zeitlichen VerXnderungen des Blutzuekers verfolgt und dabei die gleichen Gesetzm~13ig- keiten gefunden. Der t31utzuckerspiegel pfiegs in der ersten halbert Stunde etwas anzusteigen, um dann manchmal his zur HMfte des Ausgangswertes abzusinken. Im Zusammen- hang mit den Ver~nderungen der Serumkolloide interessierte auch die Bewegung des Koehsalzes, doch waren hier die Aus- schl~ge nur sehr gering, Die Gerinnungsdauer des Blutes, die durch I-IAENLEIN untersucht wurde, ~indert sich ebenfalls in Gestalt drei- phasischer Kurven mit den gleichen zeitlichen Verhiiltnissen. Hier fiberwiegt nach kurzer Ver]/ingerung die zweite Phase mit einer starken Verkfirzung der Gerinnungsdauer (oft bis zur H~lfte des Ausgangswertes) und nachfolgendem Ansfieg. Nur ganz gering sind die Verschiebungen im weil3en und roten Blutbild. Bezfiglich der Magensekretion sind meine frfiheren Ver- suche yon 1~. KRONSOHN fortgesetzt worden. Dabei zeigte sich, dab der yon mir frfiher berichtete Rfickgang der Acidit~t nur ein Sonderfall der m6glichen R eaktionen ist und dab in manchen F~llen sogar ein Anstieg stattfinden kann. MaB- gebend ist hierfiir die individuelle Einstellung, und zwar wird durchschnitflich bet t(ranken mit Hyperacidit~t ein Rfick- gang, bet Anaciden ein Anstieg der SXurewerte gefunden, w~hrend die Reakfion bet Normaciden unkonstant ist. Nur kurz set erw~hnt, dab DIMITROFF auch einen be- deutenden Anstieg der Cholesterinwerte im Blu% nachwies. Die t3edeutung dieser Untersuchungen liegt darin, dab sich jetzt die auBerordentlichen Widersprfiche bet ~lteren Autoren RIFT. 9. JAHRGANG. Nr. 47 22. NOVEMBER x93o in vollkommen befriedigender Weise erkl~ren.. Die Reaktionen nach Verabreichung yon Milzsubstanzen waren ohne Be- rficksichfigung der Zeitverh~ltnisse geprfift worden. Dazu kamen die individuellen Schwankungen, bet oraler Verab- reichung die verschiedenen Resorptionsverh~itnisse, die das Bild verzerrten, so dab vollkommen entgegengesetzte Ergeb- nisse die Folge sein mui3ten. Praktisch wohl weir wichtiger sind unsere ]3efunde fiber die Anregung yon Abwehrkrdi]ten im K6rper dutch unsere Milzextrakte. In gemeinsamen Versnchen mit SINCKE hat sich eine Anregung der Farbstoffspeicherung im reticulo- endothelialen System durch oral und parenteral zugeffihrte Milzstoffe gezeigt. Daraufhin wurde auch die Phagocytose bet Menschen eingehend nntersucht. In vitro wurde die Phagocytose durch Zusatz geringer Mengen yon Milzextrakten stark angeregt; l~ngere Zeit hindurch gekochte Extrakte, EiweiB16sungen und Bouillon hatten diese Wirkung nicht. Subcntane Einspritzung yon I Einheit Milzextrakt hatte bet Menschen eine bedeutende Steigerung des phagocytischen Index gegenfiber Tusche, Staphylokokken und Tuberkel- bacillen um 2o--4o% zur Folge, die I--2 Stunden anhielt. Hier ist also gezeigt worden, dab die AbwehrkrMte der Milz, wie auch LAUDA 3 annimmt, nicht nut an das intakte Organ gebunden sind, sondern dab sich aus der Milz Stoffe isolieren lassen, die den gesamten Organismus zur Krank- heitsabwehr anregen. (Aus der ivied. Univ.-Klinilc dena [Dir.: Pro/. Dr. Veil_].) L i t e r a t u r : ~ Verh. dtsch. Ges. inn. Med. I929, 523 ; I93o, I49. -- Z. ges. exper. Med. 70, 52. -- Klin. Wschr. I929, 2o98, -- Naunyn Schmiedebergs Arch. i48, I. -- 3 Wien. klin. Wschr. z93o, Nr 36. TOXIKOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN ZUR PRAXIS DER LOKALANASTHESIE. Von GERT TAUBMANN und GEORG JUNe. Die klinische Erfahrung zeigt, dab im AnschluB an die 6rtliche Betitubung bet Operationen an Mund und Rachen verhgltnismiil3ig h~iufig unangenehme Nebenerscheinungen auftreten, die als resorptive Vergiftungserscheinungen durch die angewandten Bet/~ubungsmittel zu deuten sind. Beob- achtet wurden Kr~mpfe, Bl~sse, Kollaps, starkes Herz- klopfen, mehr oder weniger lange dauernder Atemstillstand. Die Erscheinungen besserten sich zum Tell ohne Behandlung, tells waren sie schwererer Natur. Auch Todesf~lle im An- sehluB an Lokalangsthesie sind beschrieben worden. Wir glauben, diese Vergiftungserscheinungen darauf zurfick- fiihren zu k6nnen, dab in den genannten sehr gef~Breichen Operafionsgebieten erhebliche Mengen der Bet~ubungs- fifissigkeit direkt in Gef~13e injiziert worden sind. Damit f~llf die mechanische ,,Ent~ftung" dnrch Sperrung der Abfuhrwege bei Anwendung yon Novocain-Suprarenin- Gemischen fort, und es war zu untersuchen, wie es um die Giftigkeit yon Novocain und Mischungen yon Novocain mit Suprarenin bet intraven6ser Injektion steht. Die Prfifung solcher Gemische bet zeitlich gleichmXBiger Injektion er- gab Iolgendes: Bet Verwendung ether reinen I proz. Novo- cainl6sung in physiologischer Kochsalzl6sung war die sicher t6dliche Dosis 5omg/kg Kaninchen. Bet 45 mg starben 7o%, bet 4 ~ und 35 mg je 3o%, bet 3 ~ mg iiberlebten alle Tiere. Im Vergleich dazu ergab eine Irisch hergestellte Kombination yon 1% Novocain mit 2, 5 rag% Suprarenin, wie sie auch in Ampullen fertig k~uflich ist und in den I~li- niken vie1 verwendet wird, folgende Werte: t3ei 3~ mg (bezogen auf Novocain) starben s~mtliche Tiere, bet 25 mg 9o %, bet 2o mg iiberlebten alle, d. h. diese Mischung war bet intravenSser Injekfion nngef/ihr doppelt so giftig wie Novo- cain allein. Die Prfifung ebenso signierter fertiger L6sung in Ampullen ergab eine erheblich geringere Giftigkeit, sehr stark der der reinen Novocainl6sung angen'~hers Die Un- tersuchung auf Suprarenin zeigte, dab die Menge der wirk- samen Substanz in den AmpulIen 5~uBerst gering war. Wir

Toxikologische Untersuchungen zur Praxis der Lokalanästhesie

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Page 1: Toxikologische Untersuchungen zur Praxis der Lokalanästhesie

2208 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

nachwirken muB (Resorpfionserscheinungen, Bauchfell- reizung).

Bet der Verabreichung yon Extrakten liegen die Schwierig- keiten darin, dab man fiber die Art der zu erwartenden Wir- kungen v611ig im Dunkel tastete. Niemals gab es einen Nachweis darfiber, ob in den auf verschiedensfe Weise her- gestellten Extrakten eine wirksame Substanz vorhanden war, geschweige denn bestand die M6glichkeit zu einer Einstellung der Wirkungsst~trke. Hinzu kommen T~uschungen dutch Bei- mengungen yon Cholin und Histamin.

In ether der medizinischen Fakult~t der Universit~t Jena am 27. M/irz 1929 eingereichten Preisarbeit konnte ich erst- malig darfiber berichten, dab parenterale und perorale Ver- abreichnng yon Milz sowohl im Tierversuch wie beim Menschen eine Steigerung der Erregbarkeit des Vagus zur Folge hatte 2. Diese Versnche best~tigten meine vorher schon dutch Ex- sfirpationsversuche gewonnene Auffassung. Die yon Herrn Dr. MAURER nnter st~ndiger biologischer Kontrolle her- gestellten Extrakte konnten so geeicht werden, dab nach I ccm eben eine Steigerung der Cholinempfindlichkeit bet Kaninchen hervorgerufen wurde.

Die Wirkung ant die Zusammensetzung des menschlichen Blutes wurde zuerst an mehreren Studenten erprobt, denen auch hier herzlichst gedankt set. Die Untersuchungen wurden durchgeffihrt yon den Herren HEPPE, DIMITROFF und HAEN- L E I N .

Bei Besfimmungen des re/raktometrisehen Index im Blur- serum, die nnter Berficksichtigung der zeitlichen Verh~tltnisse durchgeftihrt worden sind, fand DIMITROFF, dal3 der zeitliche Ablaut der Ver~nderungen ganz bestimmte Gesetzm~Bigkeiten aufweist. Durchschnittlich finder in der ersten halben Stunde nach der Einspritzung ein Absinken der Werte statt, dann ein Anstieg, der bis zu 3 Stunden anh~lt; nach diesem erfolgt ein nochmaliges Heruntergehen unter den Anfangswert.

Es ergeben sich damit 3 Wirkungsphasen, deren Zeitwerte individuell verschieden sind. Die absoluten Werte nnd Zeiten k6nnen so verschieden sein, dab manchmal eine Phase nur rudiment/~r vorhanden ist und eine andere das Bild durchaus beherrscht.

Worauf die Ver~nderung der Refraktometerwerte als solche beruht, ist zur Zeit noch Gegenstand unserer Unter- suchungen; es kann sich um eine ver~nderte Quellung der Serumkolloide handeln, doch erscheint uns nach unseren bis- herigen Ergebnissen die Annahme einer Wasserverschiebung zwischen Geweben und t31ut wahrscheinlicher.

In gleicher Weise hat HEPPE die zeitlichen VerXnderungen des Blutzuekers verfolgt und dabei die gleichen Gesetzm~13ig- keiten gefunden. Der t31utzuckerspiegel pfiegs in der ersten halbert Stunde etwas anzusteigen, um dann manchmal his zur HMfte des Ausgangswertes abzusinken. Im Zusammen- hang mit den Ver~nderungen der Serumkolloide interessierte auch die Bewegung des Koehsalzes, doch waren hier die Aus- schl~ge nur sehr gering,

Die Gerinnungsdauer des Blutes, die durch I-IAENLEIN untersucht wurde, ~indert sich ebenfalls in Gestalt drei- phasischer Kurven mit den gleichen zeitlichen Verhiiltnissen. Hier fiberwiegt nach kurzer Ver]/ingerung die zweite Phase mit einer starken Verkfirzung der Gerinnungsdauer (oft bis zur H~lfte des Ausgangswertes) und nachfolgendem Ansfieg. Nur ganz gering sind die Verschiebungen im weil3en und roten Blutbild.

Bezfiglich der Magensekretion sind meine frfiheren Ver- suche yon 1~. KRONSOHN fortgesetzt worden. Dabei zeigte sich, dab der yon mir frfiher berichtete Rfickgang der Acidit~t nur ein Sonderfall der m6glichen R eaktionen ist und dab in manchen F~llen sogar ein Anstieg stattfinden kann. MaB- gebend ist hierfiir die individuelle Einstellung, und zwar wird durchschnitflich bet t (ranken mit Hyperacidit~t ein Rfick- gang, bet Anaciden ein Anstieg der SXurewerte gefunden, w~hrend die Reakfion bet Normaciden unkonstant ist.

Nur kurz set erw~hnt, dab DIMITROFF auch einen be- deutenden Anstieg der Cholesterinwerte im Blu% nachwies.

Die t3edeutung dieser Untersuchungen liegt darin, dab sich jetzt die auBerordentlichen Widersprfiche bet ~lteren Autoren

R I F T . 9. J A H R G A N G . Nr. 47 2 2 . NOVEMBER x93o

in vollkommen befriedigender Weise erkl~ren.. Die Reaktionen nach Verabreichung yon Milzsubstanzen waren ohne Be- rficksichfigung der Zeitverh~ltnisse geprfift worden. Dazu kamen die individuellen Schwankungen, bet oraler Verab- reichung die verschiedenen Resorptionsverh~itnisse, die das Bild verzerrten, so dab vollkommen entgegengesetzte Ergeb- nisse die Folge sein mui3ten.

Praktisch wohl weir wichtiger sind unsere ]3efunde fiber die Anregung yon Abwehrkrdi]ten im K6rper dutch unsere Milzextrakte. In gemeinsamen Versnchen mit SINCKE hat sich eine Anregung der Farbstoffspeicherung im reticulo- endothelialen System durch oral und parenteral zugeffihrte Milzstoffe gezeigt. Daraufhin wurde auch die Phagocytose bet Menschen eingehend nntersucht. In vitro wurde die Phagocytose durch Zusatz geringer Mengen yon Milzextrakten stark angeregt; l~ngere Zeit hindurch gekochte Extrakte, EiweiB16sungen und Bouillon hatten diese Wirkung nicht. Subcntane Einspritzung yon I Einheit Milzextrakt hatte bet Menschen eine bedeutende Steigerung des phagocytischen Index gegenfiber Tusche, Staphylokokken und Tuberkel- bacillen um 2o--4o% zur Folge, die I - - 2 Stunden anhielt.

Hier ist also gezeigt worden, dab die AbwehrkrMte der Milz, wie auch LAUDA 3 annimmt, nicht nu t an das intakte Organ gebunden sind, sondern dab sich aus der Milz Stoffe isolieren lassen, die den gesamten Organismus zur Krank- heitsabwehr anregen. (Aus der ivied. Univ.-Klinilc dena [Dir.: Pro/. Dr. Veil_].)

L i t e r a t u r : ~ Verh. dtsch. Ges. inn. Med. I929, 523 ; I93o, I49. -- Z. ges. exper. Med. 70, 52. -- Klin. Wschr. I929, 2o98, -- Naunyn

Schmiedebergs Arch. i48, I. -- 3 Wien. klin. Wschr. z93 o, Nr 36.

TOXIKOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN ZUR PRAXIS DER LOKALANASTHESIE.

Von

GERT TAUBMANN und GEORG JUNe.

Die klinische Erfahrung zeigt, dab im AnschluB an die 6rtliche Betitubung bet Operationen an Mund und Rachen verhgltnismiil3ig h~iufig unangenehme Nebenerscheinungen auftreten, die als resorptive Vergiftungserscheinungen durch die angewandten Bet/~ubungsmittel zu deuten sind. Beob- achtet wurden Kr~mpfe, Bl~sse, Kollaps, starkes Herz- klopfen, mehr oder weniger lange dauernder Atemstillstand. Die Erscheinungen besserten sich zum Tell ohne Behandlung, tells waren sie schwererer Natur. Auch Todesf~lle im An- sehluB an Lokalangsthesie sind beschrieben worden. Wir glauben, diese Vergiftungserscheinungen darauf zurfick- fiihren zu k6nnen, dab in den genannten sehr gef~Breichen Operafionsgebieten erhebliche Mengen der Bet~ubungs- fifissigkeit direkt in Gef~13e injiziert worden sind. Damit f~llf die mechanische , ,Ent~ftung" dnrch Sperrung der Abfuhrwege bei Anwendung yon Novocain-Suprarenin- Gemischen fort, und es war zu untersuchen, wie es um die Giftigkeit yon Novocain und Mischungen yon Novocain mit Suprarenin bet intraven6ser Injektion steht. Die Prfifung solcher Gemische bet zeitlich gleichmXBiger Injektion er- gab Iolgendes: Bet Verwendung ether reinen I proz. Novo- cainl6sung in physiologischer Kochsalzl6sung war die sicher t6dliche Dosis 5omg/kg Kaninchen. Bet 45 mg starben 7 o%, bet 4 ~ und 35 mg je 3o%, bet 3 ~ mg iiberlebten alle Tiere. Im Vergleich dazu ergab eine Irisch hergestellte Kombination yon 1% Novocain mit 2, 5 rag% Suprarenin, wie sie auch in Ampullen fertig k~uflich ist und in den I~li- niken vie1 verwendet wird, folgende Werte: t3ei 3 ~ mg (bezogen auf Novocain) starben s~mtliche Tiere, bet 25 mg 9o %, bet 2o mg iiberlebten alle, d. h. diese Mischung war bet intravenSser Injekfion nngef/ihr doppelt so giftig wie Novo- cain allein. Die Prfifung ebenso signierter fertiger L6sung in Ampullen ergab eine erheblich geringere Giftigkeit, sehr stark der der reinen Novocainl6sung angen'~hers Die Un- tersuchung auf Suprarenin zeigte, dab die Menge der wirk- samen Substanz in den AmpulIen 5~uBerst gering war. Wir

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e2. NOVEMBER 193o K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 9. J A H R G A N G . N r . 47 2209

u n t e r s u c h t e n d a r a u f h i n S~ichproben aus e iner gr6Beren A n z a h l y o n P a c k u n g e n u n d f a n d e n fiir S u p r a r e n i n s t a r k wechse lnde Mengen, so d a b a n g e n o m m e n w e r d e n muB, d a b die H a l t b a r k e i t des S u p r a r e n i n s in solch v e r d i i n n t e r L 6 s u n g a u c h bei A n w e n d u n g al ler V or s i ch t s m aB r ege l n n n r sehr be- g renz t ist. D a d u r c h , d a b kurz n a c h de r I - ters te l lung sehr v ie l w i r k s a m e s Supra ren in , m a n k a n n sagen zuviel , i n d e n Misch- 16sungen e n t h a l ~ e n i s t u n d die Menge w i r k s a m e r S u b s t a n z i m Ver l au f y o n e in igen M o n a t e n de r L a g e r u n g e rheb l i ch a b n i m m t , i s t ftir d e n O p e r a t e u r e in e rheb l i ches M o m e n t de r U n s i c h e r h e i t gegeben. W i r be f i i r w or t en d a h e r die He r - s t e l l ung f r i scher L 6 s u n g e n j e d e s m a l v o r de r Opera t ion . T e c h n i s c h m a c h t dies ke ine Schwier igke i ten , d a L 6 s u n g e n y o n Novoca in . h y d r o c h l o r i c u m u n b e d e n k l i c h d u t c h K o c h e n s te r i l i s ie r t w e r d e n k6nnen . N a c h d e m A b k t i h l e n e r fo lg t d a n n de r e n t s p r e c h e n d e Z u s a t z y o n S u p r a r e n i n l 6 s u n g I:IOOO. Die e rheb l i che Gi f t igke i t s s t e ige rung d u r c h da s S u p r a r e n i n m a c h t es w i in schenswer t , n l i t d e m S u p r a r e n i n z u s a t z m6g- l i chs t v o r s i c h t i g zu sein. Es w a r zu f ragen, wie ger ing die Menge S u p r a r e n i n sein k a n n , die n o c h eine s ichere An~isthesie ve rb i i rg t . Ve r suche m i t i n • I n j e k t i o n y o n Novoca in - S u p r a r e n i n - G e m i s c h e n zeigten, d a b m a n bis zu o,5 m g % Supra r en in , also ~/~ ccm de r S u p r a r e n i n s t a m m l 6 s u n g I : IOOO auf IOOCCm i proz. Novoca in l6sung , h e r u n t e r g e h e n k a n n . Die U n t e r s u c h u n g e n de r K l in ik b e s t ~ t i g t e n dieses R e s u l t a t in v o l l e m U m f a n g .

W i r u n t e r s u c h t e n fe rne r d e n Einf luB de r Ca lc iumvor - b e h a n d l u n g , die z u m Zwecke v e r b e s s e r t e r t31utst i l lung zu- wei len ge i ib t wird, au i die Gi f t igke i t des N o v o c a i n - S u p r a - r e n i n - G e m i s c h e s u n d k o n n t e n eine ger inge Abschw~ichung de r Toxiz i t i i t fes ts te l len .

W i r p r i i f t en wel te r die W i r k u n g des y o n t (OCI~MA~ an- gegebenen Zusa tzes y o n K a l i u m s u l f a t Zu Bet~inbungsfl t iss ig- k e i t e n u n d f a n d e n eine ganz e rheb l i che Abschw~ichung de r Gif t igkei t . E i n e L 6 s u n g y o n 1% N o v o c a i n m i t o,5 r a g % S u p r a r e n i n ohne K a l i u m s u l f a t z u s a t z e rgab fo lgende W e r t e : Bei 35 m g % N o v o c a i n s t a r b e n s~imtliche Tiere, bei 3 ~ m g % i i be r l eb t en alle. ]3ei Z u s a t z y o n o, 4 % K a l i u m s u l f a t zu obiger L 6 s u n g s t a r b e n bei 4 ~ m g s~mt l i che Tiere, bei 35 m g s t a r b yon 8 T ie ren n u t I, bei 3 ~ m g yon 6 T ie ren I. De r Z u s a t z yon IZa l iumsul fa t i s t also a u c h u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t de r ge r ingeren Gi f t igke i t de r L 6 s u n g zu empfeh len . Es i s t n i c h t ausgeschlossen, d a b be i Z u s a t z y o n K a l i u m s u l f a t die Menge des S u p r a r e n i n s n o c h wei te r v e r m i n d e r ~ w e r d e n k a n n . J edenfa l l s d i i r f te die M i s c h u n g y o n 1% N o v o c a i n m i t %5 m g % S u p r a r e n i n u n d o, 4 % l~a l iumsu l f a t fiir alle o p e r a t i v e n Zwecke a u s r e i c h e n d sein.

(Die ausf i ih r l iche Ve r6 f f en t l i chung unse r e r ]3efunde er- Io lg t i m A r c h i v ftir expe r imen te l l e P a t h o l o g i e u n d P h a r m a - kologie.) (Aus dem Institut ]~r Pharmakologie und experi- mentelle ~herapie und aus der K[inilc [i~r Ohren-, Nasen- und Ha~sI~ranl~heiten der Universit~t Breslau.)

K A S U I S T I S C H E M I T T E I L U N G E N .

VERGIFTUNG MIT NITROTOLUOL UND o-p-NITRO- CHLORBENZOL.

Won

Dr . W. SCHWANI~E, H a m b u r g . Aus der L Inneren Abteilung des St~dt. Krankenhauses Neuk611n

(Leiter: Prof. Dr. R. EHRMANN).

Doppelvergiftungen, wie in der IJberschrift, sind noch nicht beobachte t ; daher ist folgender Fall vielleicht yon besonderem Interesse.

Gegen Mit te rnacht wird ein jugeudlicher, mittelgroger, krMtiger Pa t ien t in gutem Ern~hrungszus tand bewuBtlos eingeliefert. Won Zeit zu Zeit sehr schnelle, kurz dauernde klonische Zuckungen der gesamten Muskulatur, besonders der Beine. Lippen, Zahnfleisch, H~nde, FfiBe, Nasenspitze blau, kiihl, Gesicht wachsbleich, Ausatmungsluf t r iecht bit ter . Cheyne-Stokes-Atmen. Hals, l~achen, Lungen ohne krankhaf ten ]3efund. Herz: Grenzen normal, T6ne undeutl ich, leise, Aktion sehr beschleunigt, ganz unregel- miiBig, Puls zeitweise gar n icht zu ft~hlen. ]3tutdruck R R 74/22. Tempera tur 36,6 ~ Leib nichts Besonderes zu ftihlen. Nerven- system: 1Rechte Pupille hochgestelltes Oval, l ichtstarr, sehr welt. Linke extrem weir, fund, reagiert etwas auf Licht. Augeu dauernd in raseher rollender ]3ewegung, eine Augenspiegelung ist daher n icht m6glich. Patellarreflex + + , Achillessehncnreflex + + . Babinski -- , Oppenheim --, Gordon --. Es wird sofort ein AderlaB yon 4oo ccm gemacht, Blur fast schwarz, ohne auffallenden Geruch, ger innt sehr langsam. Anschliegend werden intraven6s 5oo ccm NaC1 und 2 ccm Digalen gegeben. AuBerdem Sauerstoff und W~rm- flasehen. Im Blut spektroskopisch : Meth~moglobin -- , H/~matin -- , H/~matoporphyr in- - . Urin ohne auffallenden Geruch, frei yon EiweiB und Zucker. Ein besonderer Farbstoff lieB sich aus dem Blute uicht isolieren.

W~ihrend der Uutersuchung Erbrechen, anf dem Erbrochenen keine Fet t t ropfen, kein spezifischer Geruch. 2 Stuuden sp~ter Puls noch ganz klein, abet immer zu fiihlen, etwas langsamer, 12o. Zustand sonst unver~tnderL Die Zuckungen sind h/iufiger nnd hal ten etwas l~inger an, j eder Anfall dauer t etwa 2 Minuten. Wieder 2 ccm Digalen intraven6s, 2 Stunden danach Pa t ien t bei ]3ewuBt- sein, keine Zuckungen mehr, Cyanose fast gewichen, Arme nnd ]3eine warnl, normale Atmung, Puls regelm~Big, 112, yon mit t lerer Spannung. Rechte Pupille rund, mittelweit , Lichtreakt ion an- gedeutet. Linke sehr welt, reagiert etwas besser. Augenspiegelung am n~chsten Morgen 2eigte keine sichere Erweiterung der Gef~Be. Linke Pupille noch etwas weiter als die rechte, beide etwa mittelweit, reagieren p rompt auf Licht und Akkommodation. Leichter Tempera- turanst ieg auf 37,7~ Puls kr/~ftig, regelm~Big, I io . Skleren leicht

gelblich, ]3ilirubin im Serum I ,I X 1/2oooo o, direkte Reakt ion + . Pa t ien t fiihlt sich noch schlapp, aber sonst recht wohl.

Blutbefund: Ery throcy ten 4132o00, Hiimoglobin 7o%, Farbe- werfi o,85, Thrombocyten 294000, Leukocyten 79oo, davon poly- nucleAre neutroph. 74,6%, eosinoph. 1,8%, basoph. Lymphocyten I9,8%, Mononucl. 2%, LIbergangszellen 2,6%. t~eine Ery~chro - blasten, keine pathologischen Leukocyten. Geringe Anisocytose ohne Mikrocyten und Megalocyten, Poikllocytose und Polychromasie geringen Grades. ]3eginn der Gerinnung nach 9x[2 Minuten, IZon- trolle nach 31/2 Minuten, vollsti~ndige Gerinnung nach I8X/2 Minuten, Kontrolle nach 9 Minuten. ]3eginn der H~imolyse 0,46% NaC1, voll- st/indige H~molyse 0,3o%. In o,34 ccm Serum 1,8 • 1/20000 o Bili- rubin, direkte Reaktion versp~itet, WaR. -- , Urin ohne besonderen Gerueh, E iweiB- - , Nylander + , Aeeton Spur + . Sed. o. ]3. ]3 i l i rubin-- , U rob i l i n - - , Urobilinogen --, reichlich gepaarte Gly- kurons~ure (Tollensprobe). Benzoes~iure + . Polarisat. Urin dreht o, 3 nach links. Der Urin l~iBt sich n icht mit Bleiacetat kl~iren und entf~trben, immer bleibt ein ziemlich s tarker Gelbton, aueh bei wiederholtem Filtrieren, bestehen. Ers t mi t Tierkohle erh/ilt man wasserklaren Urin. Die 24stiindige Urinmenge betr~gt nur 6o0 ccm, bei 1,OLO spez. Gew., H~matoporphyr in in Spuren, Gesamt-N o,82%, davon (NH3)N 4,8% normal. Kreat inin 5% (sehr vermehrt) , UN 76 % etwas uiedrig, Melanin neg., keine ]Benzole nachzuweisen.

Am 2. Tage gutes A11gemeinbefinden, Tempera tur und Puls normal, Herz, Lungen o. ]3. Im Morgenurin EiweiB in Spuren. Nylander + . Sed. o. ]3. Bilirubin -- , Urobilin -- , Urobilinogen --, polarimetrisch Drehung nach links 0, 3. Echte Glykosurie daneben l/~Bt sich durch G~irungsversuch ausschlieBen.

Znr Prt~fung des Zuckerausseheiduugsverm6gens bekommt Pa t ien t morgens ni~chtern l o o g Traubenzucker. Im Tagurin lassen sieh mi t dem G~irungssaccharimeter o,2 % Zucker, im selben unvergorenen Urin o,2 Linksdrehung nachweisen, so dab die Ge- samtausscheidung l inksdrehender Substanzen 0,4% betr~gt. Won Galleufarbstoffen ist Urobilinogen uud Urobiain im Mittag- und Abendurin vermehrt . Im Naehtur in verschieben sieh die Verh/ilt- nisse noch weiter. Die G/irungsprobe gibt o,6% Sacchar. Der unvergorene Urin dreht o,i nach rechts, also insgesamt 0,5% links- drehender Werbindungen. Urobilin noch vermehrt . Gestern uud heute abend vermehr te Stfihle. Am dr i t ten Tage im Urin noch Spuren yon EiweiB, s~imtliche Reduk t ionsp roben - - , ebeuso a11e Gallenfarbstoffproben. I~eine Linksdrehung mehr. Der Puls ist langsamer geworden, 68, roll und kr~ftig. Die iR6nfgendureh- leuchtung am vierten Tage ergab normale Verh~Lltnisse der ]3rust- organe. I)ie linke Pupille ist immer noch etwas gr6Ber als die rechte. Urinmenge heute 14oo ccm, bis dahin tligliche Ansscheidung dnrch- schnittlieh nur 600 cem yon 1,OlO--l,O2O spez. Gewieht. Keine Linksdrehung. Blutzucker 0,08%. Skleren wieder weiB. ]Blur-