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W ie bereits in unseren ersten beiden Artikeln der Serie „Der moderne Tennistrai- ner“ beschrieben, vertre- ten wir die Auffassung, dass neben der Fachkompetenz, gerade auch Fähigkei- ten des Trainers im zwischenmenschli- chen Bereich sowie das Erkennen von sich selbst und seines Gegenübers, ebenso wie die personen- und typenge- rechte Betreuung der Schüler und Spie- ler in zunehmendem Maße von Bedeu- tung sind. Unter anderem haben wir unterschiedliche Kommunikations- und Persönlichkeitsmerkmale und die daraus resultierenden Verhaltensstile zwischen Trainern und Schülern näher betrachtet. Sie erinnern sich: „Warum ist Rudi gerade Paul so sympathisch? Auf diesen Erkenntnissen können Sie ihr Training individualisieren, denn Menschen bevorzugen es, typgerecht angesprochen und behandelt zu wer- den. Eben ganz im Sinne der Platin Regel: „Behandle andere so, wie sie behandelt werden möchten!“ Transferstärke für mehr Trainingserfolg Was ein Trainer „seinem“ Spieler beibringt, kann dieser nicht zwangsläufig auf dem Platz auch umsetzen. Mit dem Trans- ferstärke-Modell erhöhen Sie die Wahrschein- lichkeit. Die Autoren: Bane Bradonic ist Diplom- und A-Trainer beim Deutschen Tennis Bund (DTB) und Diplom Psychologe. [email protected] Claudia Lanz ist Diplom-Betriebswirtin (DH) und Diplom Coach (Swiss Coaching Organization). [email protected] Oliver Vogelhuber ist Diplom Psychologe und staatlich geprüfter Tennislehrer. [email protected] Weitere Informationen: www.ippsy.de | HINTERGRUND TennisSport | 3_2012 | 4 Stephane Charret (rechts) im Gespräch mit seiner Spielerin Petra Cetkovska.

Transferstärke für mehrTrainingserfolg Sport 3-2012.pdf · 2015. 10. 15. · [email protected] ClaudiaLanz istDiplom-Betriebswirtin (DH)undDiplomCoach(SwissCoaching Organization)

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Page 1: Transferstärke für mehrTrainingserfolg Sport 3-2012.pdf · 2015. 10. 15. · bane.bradonic@ippsy.de ClaudiaLanz istDiplom-Betriebswirtin (DH)undDiplomCoach(SwissCoaching Organization)

Wie bereits in unseren erstenbeiden Artikeln der Serie„Der moderne Tennistrai-ner“ beschrieben, vertre-

ten wir die Auffassung, dass neben derFachkompetenz, gerade auch Fähigkei-ten des Trainers im zwischenmenschli-chen Bereich sowie das Erkennen vonsich selbst und seines Gegenübers,ebenso wie die personen- und typenge-rechte Betreuung der Schüler und Spie-ler in zunehmendemMaße von Bedeu-tung sind. Unter anderem haben wir

unterschiedliche Kommunikations-und Persönlichkeitsmerkmale und diedaraus resultierenden Verhaltensstilezwischen Trainern und Schülern näherbetrachtet. Sie erinnern sich: „Warumist Rudi gerade Paul so sympathisch?Auf diesen Erkenntnissen können Sieihr Training individualisieren, dennMenschen bevorzugen es, typgerechtangesprochen und behandelt zu wer-den. Eben ganz im Sinne der PlatinRegel: „Behandle andere so, wie siebehandelt werden möchten!“

Transferstärke fürmehr Trainingserfolg

Was ein Trainer „seinem“Spieler beibringt, kanndieser nicht zwangsläufigauf dem Platz auchumsetzen. Mit dem Trans-

ferstärke-Modellerhöhen Sie dieWahrschein-

lichkeit.

Die Autoren: Bane Bradonic ist Diplom-und A-Trainer beim Deutschen TennisBund (DTB) und Diplom Psychologe.

[email protected]

Claudia Lanz ist Diplom-Betriebswirtin(DH) und Diplom Coach (Swiss CoachingOrganization). [email protected]

Oliver Vogelhuber ist Diplom Psychologeund staatlich geprüfter Tennislehrer.

[email protected]

Weitere Informationen: www.ippsy.de

| HINTERGRUND

TennisSport | 3_2012 | 4

Stephane Charret (rechts) imGespräch mit seiner SpielerinPetra Cetkovska.

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Entsprechend unsererPhilosophie „aus der Praxisfür die Praxis“, wollen wirIhnen hier ein entsprechen-des Beispiel von einem Trai-ningslager in Portugal schil-dern:

ImVorfeldwar eine Trai-nerin, von nun an Pia ge-nannt, über das AnalysetoolInsights umfangreich infor-miert worden. Sie hatte diePersönl ichkeitsanalyseselbst durchgeführt und einentsprechendes Interpreta-tionsgespräch erhalten. Piaist in ihrem Verhaltensstileine „Mischtrainerin“ vonGelb und Grün, d.h. sie wirdals sehr kontaktfreudig, of-fen, verständnisvoll und ein-fühlend beschrieben. Natür-lich hatte Pia vor dem Trai-ningslager „ihren“ Trai-ningsstil, den sie bei allenSpielern gleich einsetzte.Mal mit sehr großem, malmit weniger großem Erfolg.

In einem ersten Schritthatten wir Pia gebeten, zuBeginn des Trainingslagersdie Übung „Blas sie weg“zum Erkennen der unter-schiedlichen Verhaltens-und Spielertypen durchzu-führen. Sie erinnern sich?Sie bauen eine Dosen-Pyra-mide auf demT auf und wei-sen die Spieler an, alle Dosen„wegzublasen“ (siehe „Tool-box“ Ausgabe 2, 2012). InPias Trainingsgruppe befan-den sich zehn Jugendlichemit einem Durchschnittsal-ter von ca. 13 Jahren und espassierte genau das, was zuerwarten war: Die „Gelben“schossen einfach los. Die„Roten“ machten auf Chef.Die „Blauen“ wollten es ganzgenau wissen. Und die „Grü-nen“ suchten nach Unter-stützung.

»Das Trensferstär-ke-Modell zeigtpräzise auf, welchepsychologischenAspekte beachtetwerden müssen.«| OLIVER VOGELHUBER

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In einem zweiten Schritt erhielt Piaselbst während des gesamten elftägi-genTrainingslagers ein intensivesTrai-ning und Coaching. Jedoch nichtbezüglich ihrer tennisspezifischenFähigkeiten, sondern in Bezug auf IhreSelbstwahrnehmung (Identität), dasErkennen der Spielercharaktere und -typen sowie die Umsetzung ihres neuerworbenen Wissens auf dem Platz.Die Zielsetzung lag in der Individuali-sierung ihres Trainings, der Optimie-rung ihrer Kommunikation, der Mittelzur Stärkung ihrer Schüler und letzt-lich der Erhöhung ihres Trainingser-folgs. Unterstützend wurden sie undihre Schüler auf Video aufgenommenund Spielerinterviews geführt. Mit Piafanden regelmäßige Analysen undStandortbestimmungen statt.

Zum Ende des Trainingslagersbefragten wir die Spieler, die Elternund auch Pia, welche Veränderungensie festgestellt hatten und wie sie dieErgebnisse qualitativ beurteilten. Hierdie subjektiven Bewertungen und Ein-schätzung der Befragten:

• SpielerDie meisten Spieler hatten eine Verän-derung im Verhalten von Pia festge-stellt. Manche fühlten sich, ohne esgenau beschreiben zu können, „ange-nehmer“ behandelt und mehr „abge-holt“. Sie gaben an, dass ihnen das Trai-ning besonders gut gefallen hätte undsie sich sehrwohlgefühlt hätten. Einigesagten, dass sie sich besser verstandenund gefördert gefühlt hätten. Beson-ders aber fiel den Jugendlichen auf,dass das Training nicht auf ihrenSchwächen aufgebaut und über diesegesprochen wurde, sondern der Fokusauf ihren Stärken lag. Diese wurdenimmer wieder hervorgehoben undangesprochen, wodurch sie sich ermu-tigt gefühlt hätten. Nur einige wenigemeinten, dass sie keine Veränderungbei Pia festgestellt hätten und es wederbesser noch schlechter war.

• PiaPia sagte direkt zu Beginn der Befra-gung, dass es ihr anfangs sehr schwergefallen sei, sich immer wieder die ein-zelnen Persönlichkeiten/Spielertypenbewusst zu machen und entsprechendzu kommunizieren und zu handeln. ImLaufe des Trainingslagers fühlte es sichmehr und mehr „natürlich“ an. Siemusste nicht mehr bewusst darübernachdenken, sondern es hatte sichautomatisiert. Auch das FokussierenFo

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| HINTERGRUND

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ZusammenfassungZusammenfassend möchten wir sagen,dass sich die Sozialkompetenz bei Piadeutlich erhöhte. Das zeigte sich gera-de in den Feedbacks von Spielern undEltern, die bei Pia eine positive Verän-derung imUmgang und in derKommu-nikation feststellten. Was aber auch zubeobachten war, ist die Tatsache, dasses bei einigen Spielern eben nurbedingt zu den erwünschten Effektenwie Motivationssteigerung und letzt-endlich zu einer Leistungssteigerungkam.

Dieses Ergebnis hatten wir so aucherwartet, da es sich mit unserer langenTrainingserfahrung deckt. Wir könnenes auch so ausdrücken: Warum kannder eine Spieler Trainingsimpulse bes-ser umsetzen als andere? An wem liegtdies? AmTrainer? Am Schüler, der ein-fach nichts „kapiert“? An den Eltern,die sich „falsch“ verhalten? Die Beant-wortung dieser Fragen musste in derVergangenheit immer aus dem Bauchheraus erfolgen. Das Ergebnis ist dannnatürlich mit allen psychologischenFehlinterpretationen behaftet, denenMenschen nun einmal unterliegen.Deshalb möchten wir Ihnen in diesemArtikel einen neuen Ansatz vorstellen,der einen systematischen undpraktika-blen Zugang zu diesen spannendenFragen eröffnet.

Ein neuer Ansatz:Die „Transferstärke“Wir gehen grundsätzlich davon aus,dass jeder Trainer seinen Schüler zumErfolg führen will. Wie bereits imersten Artikel dieser Serie erläutert, istder „moderne“ Trainer ein Dienstleis-ter der virtuos sowohl auf den Trai-nings-, als auch auf allen anderenInteressensebenen kompetent agierenkann: fachlich, methodisch, didaktisch,kommunikativ und menschlich. Nurdann kann es eine dauerhafte underfolgreiche Zusammenarbeit geben.Hierbei ist es das oberste Ziel jedesprofessionellen Trainers, seinen Spie-lern etwas beizubringen – idealerwei-se, wie wir in unseren Artikeln manifes-tieren, in einer persönlichkeits- undtypengerechten Methodik (Insights).Selbstverständlich gibt es andererseitsTrainingseinheiten, in denen einfachder Spaß und das Miteinander im Vor-dergrund stehen, was ein wichtigerBestandteil und Antrieb im Sport istund sein muss. Wir wollen jetzt nocheinen Schritt weiter gehen, und dieLücke zwischen (erfolgreichem) Trai-

ning und erfolgreicher Umsetzung aufdem Platz bzw. im Match schließen.Denn letztlich nützt jedes Training nurbedingt, wenn es dem Spieler nichtgelingt, das Erlernte wirkungsvollanzuwenden.

Ein Großteil der täglichen Arbeitdes Trainers auf dem Platz ist davongeprägt, messbare Erfolge bei seinenSpielern zu erzielen. Wo Geld bezahltwird, wird in der Regel auch Leistunggefordert. Kommenwir doch noch ein-mal zu Pia.

Während des Trainingslagers standPia unter ständiger Beobachtung vonEltern, Spielern, Trainer-Kollegen undihren „Verhaltens-Coaches“. Pia: „Dasmacht schon Druck, wenn Dir immerauf die Finger geschaut wird. Aber dasgehört halt dazu. Ich hoffe nur, dassmeine Jungs und Mädels alles umset-zen und berücksichtigen,was ich ihnengesagt und erklärt habe. Dannmuss iches doch richtig gemacht haben!“ Gehtes Ihnen auch so? Sich immer in einemdynamischen Spannungsfeld oderdruckvollen Umfeld bewegen zu müs-sen? Und wenn die Trainingsziele, vor-zugsweise in Form von Siegen, nichterreicht werden, in eine Rechtferti-gungsfalle zu geraten? Wenn es nichtfunktioniert, wer ist dafür verantwort-lich? Natürlich der Trainer! So könntees bei Pia beispielsweise nun der Fallsein, dass aus der von ihr in Portugalbetreuten Trainingsgruppe zwei Spie-ler „aufblühen“ und einen gewaltigenSprung nach vorne machen.

Und die anderen, die dahinter blei-ben? Was hat sie bei ihnen falschgemacht? Sie hat doch alles berück-sichtigt, was sie in ihrer Trainingsaus-bildung gelernt hat. Zusätzlich wurdesie doch noch von uns gecoacht! Ver-gessen wir aber nicht, dass es letztlichder Spieler ist, der die Impulse aufneh-men und umsetzen muss. Er muss dieLeistung des Transfers von dem imTraining Erlernten zur Anwendung imSpiel erbringen. So gibt es beispielswei-se Spieler, die bei Misserfolgen zuschnell aufgeben und sich auch imVor-feld keinerlei Handlungsalternativenüberlegen. Auf die in belastendenSituationen immens wichtige Frage„Was tue ich jetzt konkret?“ kennen siekeine Antwort und fallen wieder inalte, ineffektive Handlungsmusterzurück.

Auch konnten wir des Öfterenbeobachten, dass manche Spieleroffensichtlich in Gedanken schon vier-facheGrand-Slam-Sieger sind und des-

auf die einzelnen Stärken der Spielersei sehr ungewohnt gewesen. Sie hättesich immer wieder dabei ertappt, zusehr an den Defiziten „arbeiten“ zuwollen. Sie meinte, es wäre gewesen,als wenn sie die Dinge plötzlich durcheine andere Brille gesehen hätte – eineneue Einstellung, die sie erlernen mus-ste. DasCoaching hätte ihr dabei gehol-fen, sich diese neue Einstellung immerwieder bewusst zu machen und zuüberlegen, mit welchen Hilfsmittelnsie sich auch auf dem Platz wieder ent-sprechend darauf fokussieren könne.Auch reflektierte sie in den Einzelge-sprächen mit dem Coach immer wie-der, wie sie einen typgerechten Kom-munikationsstil anwenden könne. Die-se Reflexionen und das Erarbeiten per-sönlicher Anwendungsstrategien hal-fen ihr sehr, „unbewusster“ arbeiten zukönnen. Natürlich forderten diese Ver-änderungen in ihrem TrainingsstilGeduld und Durchhaltevermögen. Eswar eine sehr intensive Arbeit. Verhal-ten, Einstellungen und Methoden zuändern, ist ein fortwährender Prozess,der erfordert, dass Pia auch nach Endedes Lagers weiter trainiert und sprich-wörtlich am Ball bleibt.

Was die Leistungssteigerung bzw.den Trainingserfolg anbelangte, wardas Ergebnis unterschiedlicher: Piastellte bei machen Spielern ein regel-rechtes Aufblühen und eine deutlicheMotivationssteigerung, verbunden mitsehr guten Matchergebnissen, fest. Beianderen Spielern hingegen sei nur eingeringer Leistungs- und/oder Motiva-tionsanstieg festzustellen gewesen.

• Umfeld/ElternDie Aussagen von Eltern und dem rest-lichen Trainerstab bildeten die Außen-wahrnehmung ab. Das zu beobachten-de Verhalten der Spieler auf dem Platzdeckte sich mit der Einschätzung vonPia. Einige Eltern berichteten, dass sichihre Kinder im Trainingslager vielwohler fühlten als im Training mit Piazu Hause und einen großen Schrittnach vorne gemacht hätten. MancheEltern gaben aber auch an, dass sie kei-ne Veränderung bei ihrenKindern fest-stellen konnten und sie sich in Bezugauf eine Leistungssteigerung mehrerhofft hätten. Allen fiel jedoch auf,dass auf dem Platz nicht mehr so viel„negativ“ kritisiert wurde und es ent-spannter war. Die Atmosphäre im Trai-ningwurde als sehr angenehmund för-derlich empfunden.

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halb auch keine Offenheit für Lern-und Veränderungsimpulse mehr zei-gen oder „nötig“ haben (Anm: Vorallem ist diese Haltung bei 15-jährigen,pubertierenden männlichen Spieler zubeobachten, die in ihrem Heimvereinbereits in der ersten Herrenmann-schaft spielen – unabhängig von derSpielklasse!). Das hat mit einer realisti-schen Einschätzung von Trainingsauf-wand und „Ertrag“ überhaupt nichtsmehr zu tun.

Zusätzlich liegen noch weitereÜberlegungen nahe: Hat der Spielereine innere optimistische Grundhal-tung, dass er Situationen verändernkann? Bei den Spielerinterviews in Por-tugal stellten wir immer wieder fest,dass es offensichtlich gerade in diesemPunkt starke Unterschiede gibt. Es gibtSpieler, die über wenig Glauben an ihreSelbstwirksamkeit verfügten. Sie füg-ten sich eher passiv in ihr (Trainings-)Schicksal und dachten sich „Pia wirdschon machen!“. Natürlich ist das aucheine klare Verweigerung, selbst Verant-wortung zu übernehmen.

Und wie sieht es mit dem bereits

erwähnten Spannungsfeld aus, in demsich Pia,wie natürlich auch diemeistenanderen kommerziell tätigen Trainer,bewegen? Sind vielleicht gerade dieEltern ein Problem? Vielleicht auch dieErwartungen des Vereins, des Mann-schaftsführers, des Sponsors, derFreunde,…? Stellen Sie sich doch ein-mal vor, Pia leistet top Arbeit, der Spie-ler verfügt über alle erforderlichenFähig- und Fertigkeiten, nur daheimstimmt es leider nicht. Dannmuss dochein ganz anderer Weg eingeschlagenwerden. Eine Möglichkeit wäre bei-spielsweise ein Eltern-Coaching, waswir im Trainingslager tatsächlich auchdurchgeführt haben.

Wir haben es uns also zur Aufgabegemacht, die aufgeworfenen Fragen zubeantworten und Lösungen zu suchen.Wir sehen keinen Nutzen darin, einenweiteren populärwissenschaftlichen„Ratgeber“ zu schreiben, der einer wis-senschaftlichen Überprüfung nichtstandhält. Deshalb haben wir uns ent-schlossen,Methoden undTheorien ausder Psychologie so auszuwählen, dasssie verständlich, nachvollziehbar und

anwendbar sind, und diese auch mitanderenAnsätzen und Ideen zu kombi-nieren, um neue Impulse zu setzen.

Kommen wir zurück zu Pias ur-sprünglichen Frage: Warum kann dereine Spieler Trainingsimpulse besserumsetzen als andere? Betrachten wirdiese Frage etwas differenzierter, gehtes doch zentral darum, welche Fähig-keiten und eventuell auch welche Hal-tung bzw. welchen Willen Spieler auf-weisen, die Lernimpulse aus einemfortschrittlichen typgerechten Trai-ning sehr gut aufnehmen und vor allemauch umsetzen. Diese persönlicheKompetenz bezeichnen wir als „Trans-ferstärke“.

Was bedeutet die sogenannte„Transferstärke“ nun im Tennis? Kon-kret heißt das, dass der Spieler Tippsund Trainingshinweise wissbegierigaufnimmt. Er gibt nicht sofort auf,wenn die Umsetzung schwierig wird.Er hat einen Rückfallmanagement-Plan. Er sucht bei Mitspielern oderMannschaftskollegen Unterstützungund erkundigt sich vor seinenMatches,mit wem er es zu tun hat und wie der

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taktische Plan aussehen muss. TrotzHürden undWiderstände ist er gewillt,immer 100 Prozent zu geben und seingesamtes Leistungspotenzial auszu-schöpfen. In diesem Fall besitzt derSpieler eine hohe Transferstärke.

Leider zeigt unsere Erfahrung, dassdas, was eigentlich dem gesundenMenschenverstand entspricht, in derPraxis sehr selten anzutreffen ist. Eherdas Gegenteil ist die Regel – eine nied-rige Transferstärke: „Ich brauche Dei-nen Ratschlag nicht, denn ich spielemein bestes Tennis, egal mit wem iches zu tun habe. Ich bin einfach derBeste!“ Gerade als Analysewerkzeug istdie „Transferstärke-Methode“ für den„modernen“ Trainer ein geeignetesInstrument, um den wirklich erfolgs-entscheidenden Hebel des Schülers zuaktivieren – die innere Einstellung inForm des Willens zur Ergebniserzie-lung und den persönlichen (Hand-lungs-)Kompetenzen. Weist einSchüler eine hohe Transferstärke aus,dann lässt sich das vorhandene Poten-zial wirkungsvoll und effektiv er-schließen. Weist er einen niedrigenWert auf, dann bedarf es einer einge-henden Potenzialanalyse, der Ursa-chenforschung und vor allem konkre-ter Handlungspläne.

Die wissenschaftliche Basisder „Transferstärke®“

Das „Transferstärke-Modell “ findetseinen Ursprung im „klassischen“Wei-terbildungsbereich und beantwortetganz grundsätzlich einmal die Frage,was zeichnet Teilnehmer einerWeiter-bildung aus, die sehr gut in der Lage

sind, Lern- und Veränderungsimpulseaus Seminaren und Trainings selbst-verantwortlich und nachhaltig in diePraxis umzusetzen. Das „Transferstär-ke-Modell “ nach Prof. Dr. Axel Kochbasiert auf 18 psychologischen Ein-zelmodellen, die sich zu den Themen„Lernen“, „Praxistransfer“, „Selbstver-änderung“ und „Selbstmanagement“bewährt und innerhalb des For-schungsprojekts als relevant herausge-stellt haben.

Neben einem unterstützenden Um-feld wurden drei weitere grundlegendeEinstellungen und Fähigkeiten ermit-

telt, die für den Umsetzungserfolg vonLernimpulsen entscheidend sind:• Umsetzungsinitiative• Offenheit• VeränderungskonsequenzEine hohe Transferstärke drückt sichdemzufolge durch eine große „Offen-heit für Lern– und Veränderungsim-pulse“, starke „Umsetzungsinitiative“und dauerhafter „Veränderungskonse-quenz“ aus.

Einsatz der „Transferstärke“im Sport

Die Grundidee ist, die Transferstärkeund mögliche Transferbarrieren vonSportlern vor einem Training zu analy-sieren (durch Beobachtung, struktu-rierte Interviews, standardisierte Onli-ne-Fragebogen) und dazu passend denTrainingsprozess und begleitendeSpielerentwicklungsmaßnahmen zugestalten und zu begleiten. Das bedeu-tet zwar mehr Aufwand vor dem Trai-ning, erhöht dafür aber den „Return onTraining“. Es gibt dabei sogar einendoppelten Nutzen: Die Teilnehmererreichen zum einen die Trainingszie-le, zum anderen steigern sie ihre per-sönliche Transferstärke. Das zahlt sichdannwiederum für künftige Trainings-maßnahmen aus.

Beeinflusst wird die persönlicheTransferstärke eines Sportlers natür-lich auch durch das eigene Umfeld.Unterstützend ist ein Umfeld, wenn

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| HINTERGRUND

Abb. 1: Das Transferstärke-Modell

Die vier Faktoren der TransferstärkeDie Transferstärke umfasst drei grundlegende Einstellungen und Fähigkeiten, diefürdenUmsetzungserfolgvonTrainingsimpulsennotwendigsind:Offenheit:Dieser Faktor ist die zentraleGrundlage für jede sportlicheundpersön-liche Weiterentwicklung. Fehlt die Bereitschaft, sich beispielsweise mit anderenSpieltechniken und ungewohnten Handlungsempfehlungen auseinanderzuset-zen,hatderTrainer/Coach/BetreuerkeineChance.Umsetzungsinitiative: Dieser Faktor sorgt dafür, dass reine Handlungsabsichtenumgesetzt werden. Ohne Aktivität und Selbstverantwortung bleibt alles beimAlten. Ein Spieler mit einer hohen Umsetzungsinitiative, sucht beispielsweiseselbständignachÜbungs-,Anwendungs-undVertiefungsmöglichkeiten.Veränderungskonsequenz: Ohne diesen Faktor entstehen keine nachhaltigenneueKompetenzenundGewohnheiten. EinSpielermit einemhohenWertbesitztso z.B. seine persönliche Strategie gegen den Rückfall in alte, meist nicht ziel-führendeVerhaltensmuster.

Der vierte Faktor zeigt auf, inwiefern die persönliche Transferstärke tatsächlichzumAusdruckkommt:Unterstützendes Umfeld: Dieser Faktor stellt den situativen Einfluss auf dieTransferstärkedar.EinSpielermiteinemunterstützendenUmfeldzeigthiereinenhohenWertunderbringt in letzterKonsequenzeinebessereLeistung,daerbereitist, sichaufBasisneuer Impulseweiterzuentwickeln.

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sich Trainer, Eltern undFunktionäre im Verein undVerband für die Umsetzungvon Trainings- und Fortbil-dungsinhalten interessieren,der Spieler in einem Teamtrainiert, das seine Entwick-lungsbemühungen wert-schätzt und er genügendRessourcen (im Tennis v.a.Zeit und Finanzen) zumAufbau neuer Kompetenzenhat.

Das „Transferstärke -Modell“ zeigt präzise auf,welche psychologischenAspekte auf der Ebene desKönnens und Umfeldsbeachtet werden müssen,damit Entwicklung und Ver-änderung gelingt.

Die Zusammenarbeitzwischen Trainer und Spie-ler ist dann „optimal“, wenneine zwischenmenschlicheBasis entstanden ist, auf derVeränderungen, z.B. techni-sche Umstellungen, konse-quent und nachhaltig umge-setzt werden, Rückschlägedurch adäquate Bewälti-gungsstrategien angegangenwerden und das Umfeld sichpassend zu den formuliertenZielen verhält.

Betrachten wirnochmals Pia: Mit Marc,einem ihrer Schüler in Por-tugal, hat Pia eine „Transfer-stärke-Analyse“ durchge-führt. Das Ergebnis hilft Pia,ihr Training noch effektiverzu gestalten. Bei Marc hatsich beispielsweise gezeigt,dass er bei Misserfolgensehr schnell orientierungs-los wird und in alte, negativeund entmutigende Verhal-tensmuster zurückfällt. FürPia heißt das, dass siezusammen mit Marc Hand-lungspläne on- und off-court entwickeln muss, wieer sich in herausforderndenSituationen verhalten soll.Er braucht schnelle undkonkrete Antworten auf dieFrage, was habe ich jetzt zutun, um zu siegen.

Transferstärke in derPraxis

Die wesentliche Vorausset-

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zung für die Wirksamkeitder „Transferstärke-Metho-de“ ist, tatsächliche Ent-wicklung und Veränderungbeim Spieler erreichen zuwollen und die individuelleEntwicklung als zentraleTrainer-Aufgabe zu betrach-ten. Nur so können die Lei-stungsmöglichkeiten ausge-schöpft und die Motivationdauerhaft sichergestelltwerden. Die „Transferstär-ke-Methode“ gibt denAnstoß dafür, da sie dazubeiträgt, sich mit einemSpieler individuell zu befas-sen. Dies erfordert vomTrainer sowohl Interesseund Bereitschaft, als auchentsprechende Kompeten-zen, um einen eingeschla-genen Entwicklungsprozessprofessionell zu begleiten.

Das Institut für PositivePsychologie arbeitet zurzeitan den entsprechenden„Werkzeugen“ zur zielge-richteten Anwendung imSport. Ein Coaching, basie-rend auf der „Transferstär-ke-Methode“, beinhaltet alsBasis erst einmal einen per-sönlichen Auswertungsbe-richt für den Sportler. Indiesem „Transferstärke-Pro-fil“ wird deutlich, an wel-chen psychologischen Stell-schrauben er bei sich drehenmuss, um sich durch diegegebenen Trainingsimpul-sen wirkungsvoll weiterzu-entwickeln und eigeneLernziele zu erreichen –wiez. B. eine Verbesserung derVerarbeitungsstrategien beibelastenden Ereignissen.

Die Abbildung zeigteinen Ausschnitt eines Aus-wertungsberichtes. Hier istzu lesen, dass der Sportlereine gering ausgeprägte„Veränderungskonsequenz“hat. In diesen Gesamtwertfließen die vier Teilaspekte„Veränderungswirksam-keit“, „Positive Selbstin-struktion“, „RealistischeErwartungen zum Auf-wand“ und „Aktives Rück-fallmanagement“ ein. AlleAspekte sind für eine erfolg-reiche Veränderungskonse-quenz nötig und – so zeigt

Abbildung 2: Ausschnitt „Transferstärke®-Profil“

die Detailauswertung – alle-samt auszubauen.

Zusammen mit Pia ent-wickeln wir aktuell Trai-ningsinhalte on- und off-court, auf Basis aller „Trans-ferstärke®-Profile“ der teil-nehmenden Spieler. Dabeibetrachten wir sowohl dieEinzelergebnisse, als auchdie Auswertung für diegesamte Trainingsgruppe.So wird z.B. für Spieler,denen Handlungsstrategienfehlen, um unter Stress undZeitdruck neues Verhaltensofort umzusetzen (niedrigeVeränderungskonsequenz)ein Trainingsmodul inte-griert, das hierzu das nötigepsychologische Know-how

vermittelt.Zusätzlich erarbeiten

wir mit Pia einen Hand-lungsplan zur Definition derrichtigen Umsetzungsbe-gleitung jedes Spielers inseinem Trainings- und Ent-wicklungsprozess. Maßnah-men hierzu können Trans-fercoaching, Lernpartner-schaften oder gezieltesFeedback durch den Traineroder Psychologen sein. DieErgebnisse werden dann imTrainingslager 2013 eva-luiert. Wir sind gespannt,welche Ergebnisse wirIhnen dann präsentierenkönnen!