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Oben – unten, Armut – Reichtum, Krieg – Frieden, Flucht – Sicherheit; das sind Parallelwelten, oft nur durch eine Grenz- linie, ein Papier getrennt. Doch häufig fehlt der Übergang, um von der einen auf die andere Seite zu gelangen, um teilzu- haben an der Welt der anderen, an deren Errungenschaften und Privilegien. Die Heilsarmee dient als Brückenbau- erin. Mit ihrer Arbeit verschafft sie Benachteiligten Zugang zu Unterkunft, Annahme und Gemeinschaft. Ihre Pla- katkampagne, siehe Bild oben, zeigt auf, wie sie gegen Obdachlosigkeit, Flücht- lingsnot, Einsamkeit und Ausgrenzung kämpft und so Brücken zwischen den Parallelwelten baut. 9 Die Fotografin im Operationssaal 5–7 Missverständnis – andere Brille 10–11 Das „Paradies” als neues Daheim Wie lebt’s sich in der Welt der anderen? Die Heilsarmee versetzt sich in die Notlage der Menschen, um gezielt und mit Wert- schätzung zu helfen. Die Heilsarmee solidarisiert sich bei ih- rer Arbeit mit den Hilfesuchenden: Sie will die Welt mit deren Augen und aus ihrer Lage sehen. Denn nur so erkennt sie, welche Hilfe nützlich und dringend ist. Ausgangspunkt der Hilfe ist deshalb nicht einfach ein Bürotisch, sondern der in Not geratene Mensch. Das Bild mit der roten Bank zeigt es: Die Heilsarmee ist dort, wo die Menschen sind, sie versetzt sich in ihre Situation und holt sie mit ihren Bedürfnissen ab. Sie ist nahe bei den Leuten und bietet vielseitige Hilfe, aber auch Gemeinschaft und Seelsorge an. Mehr dazu in diesem TRIALOG. Gesellschaft Mal anders Am Werk Von Mensch zu Mensch zu Gott zu Mensch 3 | 2016 heilsarmee.ch

Trialog 03.2015 - Wie lebts sichs in der Welt der anderen?

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h e i l s a r m e e . c h

von Mensch zu Mensch zu Gott zu Mensch 6 | 2015

Oben – unten, Armut – Reichtum, Krieg – Frieden, Flucht – Sicherheit; das sind Parallelwelten, oft nur durch eine Grenz-linie, ein Papier getrennt. Doch häufig fehlt der Übergang, um von der einen auf die andere Seite zu gelangen, um teilzu-haben an der Welt der anderen, an deren Errungenschaften und Privilegien.Die Heilsarmee dient als Brückenbau-erin. Mit ihrer Arbeit verschafft sie Benachteiligten Zugang zu Unterkunft, Annahme und Gemeinschaft. Ihre Pla-katkampagne, siehe Bild oben, zeigt auf, wie sie gegen Obdachlosigkeit, Flücht-lingsnot, Einsamkeit und Ausgrenzung kämpft und so Brücken zwischen den Parallelwelten baut.

9Die Fotografin im Operationssaal

5–7Missverständnis – andere Brille

10–11Das „Paradies” als neues Daheim

Wie lebt’s sich in der Welt der anderen?

Die Heilsarmee versetzt sich in die Notlage der Menschen, um gezielt und mit Wert-schätzung zu helfen.

Die Heilsarmee solidarisiert sich bei ih-rer Arbeit mit den Hilfesuchenden: Sie will die Welt mit deren Augen und aus ihrer Lage sehen. Denn nur so erkennt sie, welche Hilfe nützlich und dringend ist. Ausgangspunkt der Hilfe ist deshalb nicht einfach ein Bürotisch, sondern der in Not geratene Mensch. Das Bild mit der roten Bank zeigt es: Die Heilsarmee ist dort, wo die Menschen sind, sie versetzt sich in ihre Situation und holt sie mit ihren Bedürfnissen ab. Sie ist nahe bei den Leuten und bietet vielseitige Hilfe, aber auch Gemeinschaft und Seelsorge an. Mehr dazu in diesem TRIALOG.

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Magazin für ein Leben voll Hoffnung 1/2 2006 ¥ 121. Jahrgang

Gesellschaft

Mal anders

Am Werk

Von Mensch zu Mensch zu Gott zu Mensch 3 | 2016

heilsarmee.ch

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DI A LO G

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ImpressumGründer: William Booth General: André Cox Leiter für die Schweiz, Österreich, Ungarn: Kommissär Massimo Paone

Leiter Marketing:Philipp SteinerRedaktionsleiterin:Florina GermanHeilsarmee Hauptquartier, Postfach, Laupenstrasse 5, 3001 BernTelefon: 031 388 05 91, Fax 031 382 05 91,[email protected]

Redaktionsteam TRIALOG:Elsbeth Cachelin, Redaktorin, ([email protected]), Thomas Martin, Regula Trummer (Gast)

Layout: HQ, BernDruck: Ast & Fischer AG, WabernAuflage: 12'000

Jahresabonnement TRIALOG (erscheint siebenmal jährlich)Preis: Franken 24.– / 44.–* / 49.–***Ausland / **Luftpost

Bildnachweis:S. 1: Spinas Civil Voices/Alberto Venzago, yoppi/Flickr.com, ZVG, Tina Steinauer; S. 2, 4: ZVG; S. 3: ZVG, J.BC/Flickr.com; S. 5: re:publica2015/ Flickr.com, ZVG; S. 6: Rij/Flickr.com, ZVG; S. 7: madichan/Flickr.com, ZVG; S. 8: Heilsarmee; S. 9: ZVG; S. 10-11: Tina Steinauer; S. 11 unten: Heilsar-mee Warschau; S. 12: ChrisArt/Flickr.com

Umfrage Seite 2: Elsbeth Cachelin

Editorial: Elsbeth Cachelin, Redaktorin

Flucht nach vorne

Liebe Leserin, lieber Leser

Missverständnisse gibt es leicht, oft und überall. Denn alle denken, handeln und reden aus ihrer eigenen Sicht, mit ihrem

eigenen Hintergrund. Aus diesem Grund rät Andrea Signer im Interview auf Seite 5 so-zusagen zur Flucht nach vorne: nämlich mit Missverständnissen zu rechnen, statt diese vermeiden zu wollen. Einige Missverständnisse klären sich in Kürze auf, andere können eine grosse Belastung für Beziehungen sein oder reissen tiefe Wunden. Im Umgang mit Missverständnissen ist wichtig, nicht daran zu verbittern, sondern sie zu verarbeiten – Gott gibt die Kraft dazu! Lesen Sie dazu die Seiten 6 und 7. Die Heilsarmee ist für ihre Arbeit unter Randständigen bekannt. Ein ganz anderes An-gebot ist „Frauenwelten“. Hier setzen sich Frauen kreativ mit gesellschaftlichen, kultu-rellen und sozialen Fragen auseinander. Auf der Seite „Gesellschaft“ stellen wir Ihnen eine Fotografin vor. Ja, Hochzeiten, Porträts und Blumen fotografiert sie auch, aber Katja Läser ist am Inselspital tätig und hat deshalb meist andere Sujets vor der Linse. Typische Heilsarmeearbeit leistet das „Paradies“; in der Institution im zürcherischen Mettmenstetten finden Kinder und Jugendliche ein Zuhause und lernen, was es braucht, um das Leben zu meistern.

Ich hoffe, dass Sie dieser TRIALOG Sie anspricht!

Ist das ein Freipass für unkoordiniertes Handeln, ungeplante Aktivitäten, zielloses Agieren oder chaotisches Vorgehen? – Nichts von alldem. Aber Jesus fordert uns auf, nicht berechnend, sondern frei-giebig zu sein. Seine be-dingungslose Liebe zu uns Menschen soll uns da als Vorbild dienen!

Andreas Stettler

Für mich heisst das: „Tue Gutes und sprich nicht da-von“. Nicht immer gelingt mir das. Ab und zu meine ich, erzählen zu müssen, was ich alles tue. Diese Selbstdar-stellung ist nicht nötig, denn Jesus kennt mich durch und durch. Er weiss sowohl, was die Rechte als auch was die Linke tut – und er kennt das Herz!

Trudy Schwab

„Tue Gutes und sprich dar-über“ heisst es oft. Wer so handelt, wird von den Mitmenschen bewundert. Das ist ihr Lohn. Die Bi-bel meint, dass man seine guten Taten nicht an die grosse Glocke hängen soll. Für gute Taten im Verbor-genen wird man zwar nicht bewundert, dafür von Gott reichlich beschenkt.

Markus Kugler

Die Linke weiss nicht, was die Rechte tut.In der Alltagssprache gibt es Redewendungen und Ausdrücke, die aus der Bibel stammen. Wir stellen sie Ihnen vor:

Das Fernsehen sammelt für einen gu-ten Zweck: Man kann per SMS einen Betrag überweisen und gleich erschei-nen Spendername und Summe auf dem Bildschirm – sichtbar für Millionen von Menschen. Jesus sagt in Matthäus 6, 3:

„Wenn du hilfst, soll die Linke nicht wis-sen, was die Rechte tut.” – Denn hier geht s̓ um eine Herzensangelegenheit: Im Verborgenen des Herzens entsteht Mitgefühl für die Not der anderen – ohne Berechnung, ohne Wunsch nach öffentlicher Anerkennung und Ehre. Hören wir deshalb auf die Stimme un-seres Herzens, dann weiss die Linke nicht, was die Rechte tut. Und übrigens:

„Gott, dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dich belohnen“, Vers 4!

Ursula Dollé

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H E I L SA R M E E M A L A N D E RS

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Es sind jüngere Frauen, die in der Heilsar-mee Bern „Frauenwelten“ besuchen. Und sie haben Freude an Überraschungen – denn ausser dem Titel auf der Einladungs-karte ist vom Anlass im Voraus nichts bekannt. „Deshalb kommen die Frauen immer mit grossen Erwartungen und sind gespannt, wie das Thema umgesetzt wird. Was würden Sie sich zum Beispiel unter dem Titel ‚Handtaschen‘, ‚Geld‘ oder ‚Farben‘ vorstellen?“ – so die Leiterin der Heilsarmee Bern, Irene Walzer.

Bunte GruppeDer Abend steht unter dem Motto „von Frauen für Frauen“. Die Besucherinnen sollen sich wohlfühlen, miteinander aus-tauschen können und einen Abend weg von Hektik, weg von Verpflichtungen er-leben. Ein Highlight ist, dass die Frauen aus unterschiedlichen Lebenssituationen kommen. Die einen sind verheiratet, andere Single, die einen sind Familien-frauen, andere sind ausser Haus berufstä-tig. Dementsprechend bunt ist die Gruppe.

Nur für Überraschungsfreudige!Michèle Nufer/Redaktion

Das Angebot für Frauen zwischen 25 und 50 macht neugierig. Denn die Besucherinnen wissen jeweils nicht, was sie erwartet. Doch „Frauenwelten‘‘ kommt gut an!

Nähen, tanzen, diskutierenBeliebt an diesem niederschwelligen Heilsarmeeangebot ist auch seine Viel-seitigkeit. Denn es ist nicht einfach ein wiederkehrender Bastel-, Koch- oder Bücherabend. „Manchmal sind wir kre-ativ tätig, manchmal denken wir mitei-nander nach, manchmal hören wir zu. Einzig einen kurzen biblischen Input gibt es jedes Mal. So ist die Stimmung einmal besinnlich, einmal fröhlich oder herausfordernd“, erzählt Irene Walzer. Die Programmvielfalt spreche Frauen

verschiedenen Temperaments an, was spannende und überraschende Abende garantiere.

Frohes und Schweres austauschen Herzstück des Abends ist ein reiches Dessertbuffet. Beim Geniessen von Tor-ten und Tiramisu, von Patisserie und Pralinen fällt es manchmal leichter, über Sorgen und Ängste reden. Der Freiraum zum Gespräch ist eingeplant, das Pro-gramm nicht überladen, was von den Besucherinnen geschätzt wird.

Blosses Wohlfühlangebot?„Das Wohlfühlen ist tatsächlich wichtig“, so Irene Walzer, „doch ebenso wichtig ist, dass die Frauen eine überraschende, junge Heilsarmee kennenlernen; eine, die sich nicht nur in der Arbeit für Rand-ständige engagiert, sondern auch in ge-sellschaftlichen und kirchlichen Fragen mitredet. Denn hier geht es um Präventi-onsarbeit.“ In diesem Rahmen entstehen Freundschaften und die Besucherinnen werden „gluschtig“, weitere Heilsarmee-anlässe zu besuchen.

Spannendes OrganisierenDas Organisationsteam – vier Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund – finden es spannend, mit diesem Angebot ge-meinsam unterwegs zu sein. Sei das nun beim Planen und der Durchführung der

Themen oder bei der Nachbe-sprechung der Abende sowie beim Nachdenken über die Ent-wicklungsmöglichkeiten von „Frauenwelten“, „denn“ – so Irene Walzer – „wir möchten weitere Frauen gewinnen und ihnen wertvolle Impulse fürs Leben mitgeben!“

heilsarmee-bern.ch

Wofür die Micky Maus-Einladung stehen mag? – Erst am Abend selbst erfahren die Besucherinnen, dass es diesmal in „Frauenwelten“ um Filme geht.

Beim Dessert lässt sich auch über Sorgen reden!

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frauenwelten

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PEOPLE

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Herausgepickt. TRIALOG stellt Ihnen vor:

Florina German: wälzt Fragen zur Kommunikation

Als Sachbearbeiter in der Buchhaltung des Evangelisationswerks der Heilsar-mee sehe ich, was in den verschiedenen Gemeinden (Korps) läuft. Es ist span-nend, Revisionen vor Ort durchzuführen und mit den Standortleitern in Kontakt zu sein. Als Mitglied der Heilsarmee Bern liegt mir viel daran, den Weg als Streiter für Jesus Christus überzeugt und mit festem Schritt zu gehen.

Vor zehn Jahren habe ich ins Jahrbuch meiner Abschlussklasse geschrieben, wo ich heute gerne stehen möchte. Wenn man mal vom Traumwohnort Hamburg absieht, bin ich ziemlich nah am Wunsch, Leiterin der Kommunikation einer gros-sen Organisation zu sein. Klar, am An-fang muss ich mich noch ganz schön durchfuchsen. Neben den Artikeln, die in der Heilsarmee-Redaktion für unsere Zeitschriften wie fürs Internet entstehen, wälze ich mit meinen Kollegen grund-sätzliche Fragen: Wie kommuniziert die Heilsarmee zeitgemäss? Wie bereiten wir uns auf Herausforderungen im Kom-munikationsbereich vor? Ich sehe es als Chance, in diesem Prozess mitzuwirken. Dabei fühle ich mich manchmal wie im Blindflug: Viele Dinge entscheide ich zum ersten Mal. Es ist meine Zuversicht, dass Gott mein Geschick lenkt. Ich ver-traue ihm. Ich glaube, dass er, selbst wenn ich mal falsch entscheide, auf

Die Pionierarbeit der Heilsarmee Zen-tralschweiz in Luzern fasziniert mich, fordert aber auch heraus: Wie können wir den Mitmenschen ganzheitlich dienen? Wie finden wir Zugang zu ihren Her-zen? Diese Fragen bringen mich auf neue Ideen. So habe ich einen Persönlichkeits-kurs entwickelt, um damit eine Brücke zu neuen Begegnungen und Beziehungen zu schlagen. Ich will mich an Jesus Christus orientieren, der uns Menschen Brücke zum himmlischen Vater geworden ist.heilsarmeeluzern.ch/enneastar

meine Mitarbeitenden achtgibt. Dass er auch zu den Menschen sieht, die er der Heilsarmee anvertraut. Jenen Menschen, deren Lebensweg vielleicht ganz anders verlief, als sie in ihr Jahrbuch schrieben. Für mich steht die Heilsarmee dafür, dass am Ende nicht zählt, wie holprig der Weg war. Sondern, dass man heil ankommt.

Samuel Schmid: guter Rechner,

guter Streiter

Markus Brunner: sucht Zugang zu Menschen

Seit 25 Jahren arbeite ich als Leiter von Kollektivunterkünften für die Heilsar-mee Flüchtlingshilfe. Ich lernte unzählige Menschen mit ihren Schicksalen kennen. Diese Begegnungen sowie die vielfältige Herausforderung, mit sehr bescheidenen Ressourcen und unter schwierigen Um-ständen das Beste für die Asylsuchenden herauszuholen, brauchen viel Engage-ment. Ich schätze es, für die Heilsarmee zu arbeiten: Sie ist politisch unabhängig und orientiert sich an christlichen Werten – statt an Profitmaximierung.

Pius Peter: Das Beste mit wenig

Ressourcen

Zurzeit helfe ich als Praktikantin im Korps Zürich Oberland mit: beim Baby-Song, Mittagstisch, den Gottesdiensten, der Seelsorge sowie Administrativem. Jahrzehntelang litt ich an Depressionen. Selten empfand ich innere Freude. Wes-halb? – Seit Kindheit erkaufte ich mir Liebe übers Angepasstsein! Dann hat Jesus mich freigemacht. Der düstere Schleier war weg. Die Medikamente konnte ich in Absprache mit der Ärztin auf eine geringe Dosis reduzieren. So ist mein Leben heute mit Farben und Freude gefüllt!

Ruth Schulze: farbenfroh statt düster

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M I T TE N D R I N

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Ein Missverständnis, das Sie selbst betraf?Ich entdeckte im Internet eine tolle Fe-rienwohnung und fragte per Mail an, ob es nebst dem Tages- auch einen Wo-chenpreis gebe. Die Frau machte mir daraufhin bitterbös klar, dass sie keine Billigferien vermittle. Obwohl ich das Missverständnis zu klären versuchte – ich fand den Tagespreis durchaus fair – liess die Besitzerin mir keine Chance: Ich musste zähneknirschend eine andere Wohnung suchen.

Was führt zu Missverständnissen?Hauptproblem der menschlichen Kom-munikation ist, dass wir die eigene Sichtweise zu stark gewichten und mei-nen, dass alle anderen die Welt mit der-selben Brille betrachten. Wir vergessen, dass jeder den eigenen Hintergrund, eine individuelle Geschichte und damit ganz persönliche Annahmen und Überzeu-gungen hat. Statt sorgfältig zu kommu-nizieren, erwarten wir, dass unser Ge-genüber uns einfach versteht.

Wie steht es damit in Partnerschaften? Hier ist die Liebe zwar eine wichtige Voraussetzung, niemals aber Ersatz

Missverständnisse sind nicht aus der Welt zu schaffen. Deshalb rät die Therapuetin Andrea Signer, mit ih-nen zu rechnen und daran zu wachsen.

„Um Missverständnisse zu klären, müssen wir unseren Anklageposten verlassen“ – so Andrea Signer.

Alle reden aus eigener Sicht. (Symolbild)

Nicht alle betrachten das Leben durch dieselbe Brille

Fragen Elsbeth Cachelin

für Kommunika-tion. Gerade in na-hen Beziehungen müssen wir lernen, über Gefühle und Empfindungen zu sprechen und unser Gegenüber für un-sere Bedürfnisse zu sensibilisieren.

Was sind typische Folgen von Missver-ständnissen?Missverständnisse schaffen zunächst einmal Verunsicherung und Distanz in Beziehungen. Nicht selten reagieren Menschen gekränkt und verletzt, wenn sie missverstanden werden, und gehen auf Abstand. Die grösste Falle schei-nen mir Interpretationen und voreilige

Schlüsse zu sein. Statt nachzufragen, denken wir uns Verschwörungstheorien aus und unterstellen dem Gegenüber sogar böse Motive. Uns ist zu wenig bewusst, dass das, was ein Mensch sagt oder tut, immer mehrere Gründe und Bedeutungen haben kann.

Worauf gilt es zu achten, um Missver-ständnisse zu vermeiden?Wichtiger scheint mir, Missverständ-nisse zu akzeptieren, ja, mit ihnen zu rechnen. Dass wir Menschen uns nicht immer verstehen, ist nicht weiter schlimm. Tragisch ist, wenn der Mut fehlt, Verunsicherung anzusprechen, für eigene Bedürfnisse einzustehen und Konflikte auszutragen. Um Miss-verständnisse zu klären, müssen wir unseren Anklageposten verlassen und

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M I T TE N D R I N

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Nicht hören wollen, nicht verstehen können?

„Missverständnisse entstehen oft man-gels Empathie* oder durch Schwerhörig-keit.“ – Dieser Satz von Alfred Selacher beschäftigt mich. Missverständnisse aus Mangel an Empathie lösen sich meis-

tens wieder auf, wenn es gelingt, eine Situation durch eine andere Brille zu betrachten. Schwieriger wird es, wenn man „schwerhörig“ ist und gar nicht zuhören kann. Ich befinde mich in einer Phase, in der ich das Gefühl habe, dass verschiedene Leute mich zwar akustisch verstehen, dafür aber kein Verständnis oder eben nur „Missverständnis“ auf-bringen. Oder mich gar nicht verstehen wollen. Erfahrungen, die schmerzen. Und irgendwann beginne ich mich genau gleich zu verhalten. Wie ich mit körperlichen Schmer-zen zum Arzt gehe, bin ich mit diesen schmerzhaften Erfahrungen vor Gott getreten. Die „Behandlung“, die er an-wendet, hatte ich so nicht erwartet: Auch Gott schien mir gar nicht zuzuhören, so dass ich das Gefühl bekam, er sei eben-

falls schwerhörig. Dann aber merkte ich, dass von Gott eine Stille ausgeht, in der plötzlich Dinge hörbar werden, die ich in meiner Schwerhörigkeit gar nie wahrge-nommen habe. Neue Erwartungen, neue Perspektiven, die die Missverständnisse in den Hintergrund rücken lassen. Meine Schwerhörigkeit werde ich wohl nicht so schnell los. Sie wird mich noch lange beeinflussen; dank der Stille, die ich in Gottes Nähe finde, aber immer weniger behindern.

*Die Bereitschaft, Gedanken, Emotionen und Motive anderer zu verstehen.

Samuel Büchi

Samuel Büchi erlebt die Schwerhörigkeit anderer, aber auch seine eigene. Und auch Gott scheint manchmal schwerhörig zu sein.

offen für einen Neunanfang werden. Wer so Verantwortung übernimmt, braucht Missverständnisse nicht zu fürchten, im Gegenteil: Beziehungen gewinnen durch bewältigte Krisen an Tiefe.

Wie hilft der Glaube beim Verarbei-ten von Missverständnissen?Jesus hat uns aufgetragen, einander zu lie-ben und einander zu vergeben. Als The-rapeutin ist mir wichtig, dass Vergebung

prozesshaft und mit Sorgfalt geschieht. Eine schmerzende Wunde braucht Zeit zum Heilen. Hilf-reich ist für viele Menschen, dass sie ihre Verletzungen Gott anvertrauen und mit ihm darüber sprechen können.

Ein biblisches Be-spiel für Missver-ständnis oder des-sen Klärung?

Jesus war für die religiöse Elite sei-ner Zeit ein einziges Missverständnis. Die Juden warteten auf einen starken politischen Machthaber, der sein Volk von den Römern befreien und es zu Ansehen führen würde. Stattdessen ver-kündete Jesus inneren Frieden und die gute Nachricht vom barmherzigen Vater, dem die Menschen sich nicht beweisen, sondern nur zuwenden müssen. Jesu ra-dikale Botschaft von der Verlorenheit

Wie sieht das Leben durch deine Brille aus? (Symbolbild)

Andrea Signer-PlüssGeboren 1979, aufgewachsen in Rothrist AG. Masterstudiengänge in Psychologie und Psychotherapie. Seit 2007 ambulante psychothera-peutische Praxis im Christlichen Therapiezentrum Siloah in Güm-ligen, daneben Tätigkeit als Refe-rentin für psychologische und theo-logische Themen. andreasigner.ch

der Menschheit und Gottes Beziehungs- angebot stellte das damalige religiöse Verständnis völlig auf den Kopf. „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit je-der, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat.“ Diese Verheissung aus dem Johannesevange-lium gilt auch heute noch: Gott liebt uns. Unmissverständlich.

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Es lebe das Bedürfnis nach Verständnis!Stefan Inniger*

„Ach, du verstehst mich ja gar nicht.” Das Gefühl, falsch oder gar nicht verstanden zu werden, kennt wohl jeder. Dort, wo Menschen miteinander unterwegs sind und kommunizieren, kommt es zu Miss-verständnissen. Das war schon in ver-gangenen Zeiten so. In der Bibel findet sich die Geschichte vom Turmbau zu Ba-bel (1. Mose 11): Menschen verstanden einander im wahrsten Sinne des Wortes nicht, weil sie unterschiedliche Sprachen redeten. Deshalb konnten sie ihr gemein-sames Vorhaben, einen Turm zu bauen, nicht vollenden.

Doch selbst wenn Menschen die gleiche Sprache sprechen, kommt es zu Missver-ständnissen. Probleme in einer Partner-schaft, der Familie oder bei der Arbeit entstehen oft durch das verletzte Bedürf-nis, verstanden zu werden. Gott sei Dank gibt es einen, der ein umfassendes Ver-ständnis von mir und für mich hat, Gott.

Er versteht meine Gedanken, was in mir vorgeht: „Ich sitze oder stehe, du, Gott, weisst es; du verstehst meine Gedanken von ferne“ (Psalm 139,2).

Gott stillt dieses tiefe Bedürfnis nach Verständnis und er ist es auch, der uns Menschen helfen kann, einander (wie-der) besser zu verstehen. An Pfingsten (Apostelgeschichte 2) ist das Unmög-liche geschehen: Durch seinen hei-ligen Geist schenkt Gott Menschen mit unterschiedlichen Sprachen das Ver-ständnis füreinander, Barrieren werden überwunden. Wenn Sie also das nächste Mal andere nicht verstehen oder nicht verstanden werden, bitten Sie doch Gott um seinen Geist, damit er gegenseitiges Verständnis schafft!

*leitet die Heilsarmee Liestal

Die Wunde ist verheilt!

„Als Kind fiel mir vieles einfach – Schule, Sport, Musik. Aber die Trennung meiner Eltern, ich war knapp vier Jahre alt, riss ein ‚Loch‘ in mein Herz. Deshalb war ich oft traurig. Mein späterer Stiefva-ter war Christ und brachte uns mit der Kirche in Kontakt. Dort fühlte ich mich stets willkommen, so dass ich mehr über Gott wissen wollte. Bald lernte ich ihn persönlich kennen: Jesus Chri-stus. Einmal allein im Zimmer, in den Sommerferien 1996, habe ich ihn ge-fragt: ‚Kannst du in mein Leben kom-men?‘ Und etwas Besonderes passierte: Ich war nicht mehr traurig, das ‚Loch‘ war gefüllt, die Wunde verheilt. Ich

hatte einen Vater im Himmel. Einer, der mich bis heute begleitet. Er hört mich, er spricht zu mir, hilft mir konkret im Alltag oder bei Begegnungen mit mei-nen Nächsten! Für meine berufliche Tä-tigkeiten inspiriert mich Jesus: Er gibt mir kreative Ideen, Weisheit im Umgang mit den Kunden. Er hat aber nicht nur das Trauer-Loch gefüllt und ist mein Alltagsmotor – er hat mir auch ein rie-siges Geschenk gemacht: das ewige Le-ben und riesige Lebensfreude! Und das schon seit 20 Jahren!“

Stève Galeuchet

Gleiche, verschiedene oder Körperspra-che – wo das Verstehen aufhört, kann Gott Verständnis schaffen.

Die Scheidung seiner Eltern riss ein Loch in Stève Galeuchets Herz. Jesus füllte es aus. Mehr noch: Jesus ist heute Stèves Begleiter und Lebensmotor.

Stève Galeuchet ist Sales Manager für eine IT-Firma und eine Webagentur.

Gleiche oder verschiedene Sprachen – Missverständnisse gibt es immer. Wie gut, dass Gott Verständnis schaffen kann.

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FA M I L I E • F R E I Z E I T • S E RV IC E

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Gott sei Dank!Wenn Sie Ihr Leben Gott anvertrauen möchten, dann sprechen Sie folgendes Gebet: Jesus Christus, ich erkenne, dass ich von Gott getrennt und vor ihm schuldig bin. Komm deshalb in mein Leben und vergib mir meine Schuld. Danke für die Versöhnung mit Gott, die du durch deinen Tod am Kreuz und durch deine Auferstehung erwirkt hast. Danke, dass du mich liebst und dass ich jeden Tag mit dir rechnen darf. Amen.

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Für Menschen, die keine Heimat mehr haben.

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G E S E L L S C H A F T

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Haben Sie im Spital auch schlafende „Models“?Ja, bei Operationen, die aber den kleins-ten Teil meiner Arbeit ausmachen. Häu-fig bin ich für Reportagen unterwegs. Als Gegensatz zu den Operationen kann man hier Geschichten erzählen.

Ihre Lieblingssujets?Eigentlich sind es ja die Hochzeiten, die ich freischaffend fotografiere. Im Spital aber sind es am ehesten die Operationen: Licht, OP-Lampen und Outfits ergeben eine gewisse Ästhetik. Eine Stimmungs-welt, in der alles zusammen passt.

Was ist Ihnen beim Fotografieren wichtig?Die Fotos müssen Emotionen transpor-tieren und dürfen nicht trostlos ausse-hen. Es ist eine gute Gelegenheit, die menschliche Seite eines grossen Spital-betriebs zu zeigen.

Fallen die künstlerischen Akzente und das Einfangen von Stimmungen im Spital weg?

Unterwegs mit Kamera und MundschutzFragen Elsbeth Cachelin

Neben verliebten Herzen an Hochzeiten fotografiert Tanja Läser auch mal ein offenes Herz. Sie arbeitet am Inselspital in Bern.

Viele meiner Aufträge sind für die Homepages der Kliniken, Medienmit-teilungen oder Eventdokumentationen. Hier habe ich einen gewissen kreativen Spielraum. Es gilt, ein Gleichgewicht zwischen den Erwartungen des Auf-traggebers und der eigenen Sichtweise zu finden. Weil es im Spital auch um Menschenleben geht, versuche ich als Gegengewicht bestimmte Sujets etwas kreativer anzugehen und die Bilder freundlich und einladend zu gestalten.

Ihr eindrücklichstes medizinisches Bild?Ein Bild, das bei einer Operation am of-fenen Herzen entstand. Ich kam in die-sen OP und wusste, dass ich gleich einen offenen Brustkorb und ein freigelegtes, schlagendes Herz sehen würde. Das ist ein sehr intimer Moment. Man weiss, dass es ein riesiger Aufwand war, bis man das Herz schon nur freigelegt hat. Nach dieser relativ groben Arbeit mit dem Aufsägen des Brustkorbs wechselt die Atmosphäre schlagartig, weil plötz-lich der allerkleinste Fehler verhee-

rende Folgen haben kann. Das war ein unglaublicher Moment.

Was ist für Sie ein gelungenes Bild?Wenn man spürt, dass bei einem Foto alles stimmt. Man kann das nicht pla-nen oder erzwingen, aber es gibt Fotos, die atmen und leben. Das Ganze ergibt mehr als die Summe seiner Teile. Das ist unglaublich inspirierend.

Wie kamen Sie zur Arbeit als Spital-fotografin?Ursprünglich schloss ich eine Lehre zur Fotofachfrau ab. Danach bin ich über die Modefotografie in die Branche ein-gestiegen.

Wie sieht Ihre Alltagsarbeit aus?Einerseits koordiniere ich die Fototer-mine. Ein anderer Teil ist die Bearbei-tung der Fotos – zum Beispiel Retu-schen zu Datenschutzzwecken: Oftmals nimmt sie gleich viel Zeit in Anspruch wie die Fotografie selber.

Braucht es bei Fotografien von Pati-enten deren Einwilligung?Wunddokumentationen brauchen keine Einwilligung. Sie fliessen direkt ins Pa-tientendossier ein und unterstehen der ärztlichen Schweigepflicht. Werden sie aber zu Kommunikationszwecken oder für fachspezifische Veröffentlichungen verwendet, so ist ein OK des Patienten nötig. Das Gleiche gilt, wenn der Patient auf dem Foto identifizierbar ist

tanjalaeser.ch

Tanja Läser, geboren am 24. März 1988, arbeitet nebst dem Teilpensum für die Insel Gruppe als freischaffende Fotografin.

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A M W E R K

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Jedem ein ParadiesTamara Traxler

LeitbildDie Heilsarmee ist eine inter-nationale Bewegung und Teil der weltweiten christlichen Kirche. Ihre Botschaft gründet auf der Bibel.Ihr Dienst ist motiviert durch die Liebe Gottes. Ihr Auftrag ist es, das Evangelium von Jesus Christus zu predigen und menschliche Not ohne Ansehen der Person zu lindern.

sind. Andere sitzen im Gefängnis oder sind früh verstorben“, erklärt Romer. Diese prägenden Erfahrungen bringen die Kinder mit ins Heim. Nicht selten haben sie Wutausbrüche, beschädigen Einrichtungsgegenstände oder drohen den Mitarbeitenden. „Oft suchen sie damit jedoch einfach Aufmerksamkeit“, berichtet der Heimleiter.

Von der Polizei aufgegriffenIm „Paradies“ sollen die Kinder und Ju-gendlichen spüren, dass für sie gesorgt wird und ihre Probleme Gehör finden. Sie wachsen in altersgerechter Umge-bung auf, die sie fördert und fordert. Auf dem grossen Umschwung können die Kinder beim Gemüseanbau für die Küche helfen, sich auf dem Spielplatz austoben oder im heimeigenen Pool schwimmen gehen. Dies ist auch der Lieblingsort von Max. Vor drei Jahren kam er zusammen mit seinem älteren Bruder ins Wohnheim. „Da seine Mutter gewalttätig war und nicht für die Kinder sorgen konnte, sind Max und sein Bruder

Im „Paradies“ leben zurzeit 24 Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 15 Jahren.

stolz. Seit sieben Jahren führt der diplo-mierte Heimleiter das Wohnheim im zürcherischen Mettmenstetten. „Men-schen haben mich schon immer interes-siert“, verrät Romer. Seit 25 Jahren ist er in der sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tätig. „Die Kinder bei uns kommen häufig aus schwierigen Ver-hältnissen. Manche Eltern können sich nicht mehr um ihre Kinder kümmern, weil sie alkohol- oder drogenabhängig

„Jeder hat seine Vorstellung vom Pa-radies“, meint Heimleiter Kurt Romer.

„Für viele ist es ein Ort, wo man ver-wöhnt wird.“ So sei es im Heilsarmee Wohnheim jedoch nicht. Die Kinder finden im „Paradies“ zwar ein Daheim in schönster Umgebung und mit vielen Freizeitmöglichkeiten vor, es gelten je-doch klare Regeln. Genauso wie in ei-ner Familie hat jedes Kind seine Ämtli.

„Die Jugendlichen waschen ihre Wäsche als Vorbereitung für die spätere Selb-ständigkeit selber und am Wochenende kochen die Kinder gemeinsam in den Wohngruppen“, erklärt Kurt Romer.

Ein Schrei nach Aufmerksamkeit Seit 1923 ist das „Paradies“ im Besitz der Heilsarmee. Paradiesisch ist neben der Umgebung auch der Blick auf den Zugersee. „Bei klarem Wetter sieht man sogar bis in die Berner Alpen“, so Romer

Kinder, die in Heimen aufwachsen, wurden in ihrer Familie nicht selten mit Gewalt oder Suchtproblemen konfrontiert. Vorbilder fehlen. Im Heilsarmee Wohnheim „Paradies‘‘ lernen sie, was es braucht, um ein selb-ständiges und erfülltes Leben zu führen.

Heimleiter Kurt Romer und seine Frau Marlies.

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A M W E R K

„Die Armutsspirale dreht sich schnell‘‘Gabrielle Głodek-Keller

Polen entwickelt sich rasant, und viele Menschen bleiben dabei auf der Stre-cke. Das soziale Netz ist undicht, und die Armutsspirale dreht sich schnell. Obdachlosigkeit, Krankheit, Alkoholis-mus, Gewalt und Kriminalität gehören

für viele zum Alltag. In unserem Korps (Heilsarmeegemeinde) sind etwa neun-zig Prozent der Besucher obdachlos. Es kommen immer mehr Arme und uns fehlen helfende Hände, Finanzen und Räumlichkeiten. Im Januar 2015 wurde unser Sozialtreffpunkt rund 24 Mal auf-gesucht. Heute sind es über 800 Besuche pro Monat.

Was wir tunKinder aus bedürftigen Familien er-halten täglich Aufgabenhilfe und ein warmes Essen. Wir verteilen Suppe und Brot beim Ostbahnhof. Im Sozialtreff-punkt erhalten die Leute heissen Kaf-fee, vor dem Gottesdienst servieren wir eine kleine Mahlzeit. Es besuchen auch

Gabrielle Głodek-Keller (57) lebte und arbeitete in der Schweiz, bevor sie die Leitung des Korps in Warschau übernahm. Sie berichtet von ihrer Arbeit.

von zuhause ausgerissen. Die Polizei hat sie aufgegriffen und zu uns gebracht“, berichtet Romer.

Die Tiere vom „Paradies“Vieles, was im „Paradies“ den Heim- alltag bereichert, wird möglich dank Spenden. Vom Spielzeug bis hin zu le-bendigen Tieren! Wie der Pool sind auch viele Spielsachen oder zwei Islandpferde über Spenden finanziert: So zogen 2011 Odin und Koppur ein. Durch die Pferde lernen die Kinder auch viel über sich selbst. Sei dies während der agogischen Trainingseinheiten oder auf dem Pferde-trekking. Die 7-jährige Sarah liebt Tiere über alles. „Am Mittwoch-Nachmittag darf ich manchmal mit Hündin Jara trainieren“, erzählt sie mit strahlenden Augen.

Am liebsten heim zur FamilieSarahs ältere Schwester Mirjam ist 21 Jahre alt und hat früher auch im „Para-dies“ gewohnt. „Mirjam hat eine Aus-

obdachlose Menschen unsere Bibelstun-den. Über unsere Aktivitäten wollen wir den Menschen vermitteln, wie wertvoll sie für Gott und für uns sind.

Symptomlinderung?Mit der Verkündigung des Evangeliums – in Wort und Tat – treffen wir den Kern der Armut. Wir wollen nicht einfach Suppe verteilen und dabei die Seelen vergessen! Unser Ziel ist es, Menschen für Christus zu gewinnen. Nimmt ein Mensch Jesus als seinen Retter und Hei-land an, so verändert sich sein Leben Schritt für Schritt. Und dies hat Auswir-kungen auf sein Umfeld.

bildung gemacht und steht heute auf eigenen Beinen“, berichtet der Heim-leiter stolz. Für die Heimkinder ist die eigene Familie nach wie vor sehr wichtig. Kurt Romer spricht damit ein Thema an, mit dem sich alle Kinder im Heim im-mer wieder ausein-andersetzen. Keines der Kinder sei frei-willig im „Paradies“. „Auch wenn ihnen zuhause viel Schreckliches widerfah-ren ist, möchten die Kinder am liebsten heim.“ Bis auf vier Kinder können alle an den Wochenenden und in den Ferien nach Hause.

Verantwortung übernehmenDas Wohnheim soll für die Kinder und Jugendlichen auch eine Lebensschule

Suppenverteilung an Randständige in Warschau.

sein. Sie lernen, einander zu unterstüt-zen sowie Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. „Wir wollen den Kindern zeigen, wie man den Le-bensunterhalt bestreitet oder wie man im Leben erfolgreich wird“, so Romer.

Die Kinder helfen begeistert im Kräutergarten mit.

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AU F W I E D E RS E H E N

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Rätseln Sie mal …

So gehts: Füllen Sie das Rätselgitter mit Zahlen von 1 bis 9. Jede Zahl darf in jeder Zeile, jeder Spalte und in je-dem der neun 3x3 Blöcke nur ein Mal vorkommen! Viel Spass!

Sudoku-Spass

Lösungen: Sudoku und Rätsel

Helden und Verlierer

Wir freuen uns auf eine Kontaktnahme. Überreicht wurde Ihnen TRIALOG durch:

Was wird nicht alles landesweit medial gesucht: Helden, Supertalente, die bes-ten Stimmen! – Gott sucht auch. Doch er sucht neben Helden auch Verlierer, neben Talentierten auch Unbegabte, er sucht Menschen mit und ohne Stimme. Weshalb? – Weil er die Menschen liebt und in ihrem Leben präsent sein möchte. Gott sucht das Verlorene: „Denn Jesus ist gekommen, um zu suchen, was ver-

loren ist“ (Lukas 19,10). Verloren? Gott sucht jene, die von ihm getrennt sind oder sich von ihm losgelöst haben. Das, weil er weiss, dass viele nicht nur vom Mitmenschen, sondern auch von Gott Anerkennung möchten. Und die ver-spricht er, ebenso Lebensfülle und -sinn!

Elsbeth Cachelin

Allgemeines Spendenkonto der

Heilsarmee

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Wort auf den Weg

Gott spricht: „Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reissen sie dich nicht fort … denn ich bin mit dir.‘‘

Die Bibel, Jesaja 43,2