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WAS MMW-LESER ERLEBEN Ärztliche Erfahrung beschränkt sich nicht auf medizinisches Fachwissen. Sie entsteht auch aus den mehr oder minder alltäglichen, heiter, ärgerlich oder nachdenklich stimmenden Erlebnissen mit Patienten, Kollegen und Mitarbeitern. Senden Sie uns Ihre Geschichte an: [email protected]. Für jeden veröffentlichten Text erhalten Sie bis zu 100 Euro. © A. Klementiev/Fotolia Folge 109 Armdrücken – ein gefährliches Vergnügen! - Als angehender Hausarzt durfte ich vor kurzem einen besonderen Patienten ver- sorgen. Dass Patienten zu uns in die Praxis kommen, um Fäden nach uns unbekann- ten operativen Versorgungen entfernen zu lassen, ist ja keine Besonderheit. Als ich an diesem Tag in den Verbandsraum trat und den jungen Mann mit Verband am rechten Arm begrüßte, vermutete ich eine versorgte Humerusfraktur nach Sportun- fall. Bevor ich mich an die Arbeit machte, las ich mir den Krankenhausbericht durch und staunte nicht schlecht. Mein Patient geriet ebenfalls ins Schmunzeln und musste mei- nen Gesichtsausdruck bemerkt haben. „Wie ist das denn passiert?“ fragte ich. „Armdrücken“, entgegnete er wortkarg. Tatsächlich hatte sich der junge Mann beim Armdrücken eine Humerusspiralfrak- tur zugezogen und musste mittels Notarzt in eine orthopädische Klinik transportiert werden, wo die Fraktur regelrecht mittels Plattenosteosynthese versorgt wurde. Der Sieger bei diesem Armdrückwett- kampf ist wohl schwer auszumachen! Dr. med. Henrik Lamers, Heidelberg Tschechische Weihnachten (Ticha noc) GESCHICHTEN AUS DER PRAXIS - Es ging auf Weihnachten zu, mit dem übli- chen Weihnachtsstress – und dann passierte, was nicht passieren durfte – meine tschechi- sche „Perle“, zuständig für Raumpflege und Praxishygiene verkündete mir, dass sie ihrem Traummann begegnet sei und aus diesem Grund zurück in ihre Heimat wolle ... sofort! Diesen Abschied würde ich ihr schwer machen und so beschloss ich, mit meinem Praxisteam das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ auf Tschechisch einzustudie- ren, denn meines Wissens gibt es das Lied in fast allen Sprachen dieser Welt. Im Inter- net fanden wir den Text – aber wie, ver- dammte Hacke, spricht man das denn alles aus? Wir hörten es von Karel Gott, und so übten wir tagtäglich mit Gitarre. Den Pa- tienten verkauften wir unsere Proben als „Teambesprechung“. Eine Krippenszene dazu wäre schön. Zwei Engel (meine beiden blonden Arzthel- ferinnen) habe ich ja. Für Maria, Josef und auch für Hirten waren wir personell ausrei- chend besetzt. Fehlte nur noch das Jesus- kind. „Sie können mein Kind nehmen“, rief mir eine junge Mutter aus dem Wartezimmer zu, die die Diskussion mitbekommen hatte. „Nehmen wir! Und Sie, wollen Sie die Maria spielen?“ „Oh ja, gerne!“ kam die Antwort. Der Tag der Aufführung kam. Die Treppe wurde mit Teelichtern beleuchtet, und über der „Krippe“ (einem unserer Sprechzimmer) hing der Stern zu Bethlehem. Wir riefen die Tschechin herunter, und sie stand vor der „Stalltür“ die wir von innen langsam öffne- ten: Im Stall saß Maria mit dem Jesuskinde vor einer Krippe, umgeben von den Hirten und den himmlischen Heerscharen, welche bei Gitarrenklängen „Ticha Noc“ (Stille Nacht) sangen. Und sie, sie sang mit, nein, sie schluchzte mit. Dann folgte die zweite Strophe, auf In- donesisch, denn ich hatte bereits Ersatz ge- funden, welcher „ganz zufällig“ einen Ter- min bei uns zu genau diesem Zeitpunkt be- kommen hatte. Und dann heulten sie beide und wir alle mit. Unsere Patienten wollten gerne wissen, ob wir so etwas öfters veranstalten, denn die hatten wir einfach mit überrascht. Dr. med. Luise Hess, Darmstadt 10 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (21-22) © Zeit4men / fotolia.com

Tschechische Weihnachten (Ticha noc)

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WAS MMW-LESER ERLEBEN

Ärztliche Erfahrung beschränkt sich nicht auf medizinisches Fachwissen. Sie entsteht auch aus den mehr oder minder alltäglichen, heiter, ärgerlich oder nachdenklich stimmenden Erlebnissen mit Patienten, Kollegen und Mitarbeitern. Senden Sie uns Ihre Geschichte an: [email protected]. Für jeden verö�entlichten Text erhalten Sie bis zu 100 Euro.

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Folge 109

Armdrücken – ein gefährliches Vergnügen! − Als angehender Hausarzt durfte ich vor

kurzem einen besonderen Patienten ver-sorgen. Dass Patienten zu uns in die Praxis kommen, um Fäden nach uns unbekann-ten operativen Versorgungen entfernen zu lassen, ist ja keine Besonderheit. Als ich an diesem Tag in den Verbandsraum trat und den jungen Mann mit Verband am rechten Arm begrüßte, vermutete ich eine

versorgte Humerusfraktur nach Sportun-fall.

Bevor ich mich an die Arbeit machte, las ich mir den Krankenhausbericht durch und staunte nicht schlecht. Mein Patient geriet ebenfalls ins Schmunzeln und musste mei-nen Gesichtsausdruck bemerkt haben.

„Wie ist das denn passiert?“ fragte ich. „Armdrücken“, entgegnete er wortkarg.

Tatsächlich hatte sich der junge Mann beim Armdrücken eine Humerusspiralfrak-tur zugezogen und musste mittels Notarzt in eine orthopädische Klinik transportiert werden, wo die Fraktur regelrecht mittels Plattenosteosynthese versorgt wurde.

Der Sieger bei diesem Armdrückwett-kampf ist wohl schwer auszumachen! Dr. med. Henrik Lamers, Heidelberg ■

Tschechische Weihnachten (Ticha noc)

GESCHICHTEN AUS DER PRAXIS

− Es ging auf Weihnachten zu, mit dem übli-chen Weihnachtsstress – und dann passierte, was nicht passieren durfte – meine tschechi-sche „Perle“, zuständig für Raump�ege und Praxishygiene verkündete mir, dass sie ihrem

Traummann begegnet sei und aus diesem Grund zurück in ihre Heimat wolle ... sofort!

Diesen Abschied würde ich ihr schwer machen und so beschloss ich, mit meinem Praxisteam das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ auf Tschechisch einzustudie-ren, denn meines Wissens gibt es das Lied in fast allen Sprachen dieser Welt. Im Inter-net fanden wir den Text – aber wie, ver-dammte Hacke, spricht man das denn alles aus? Wir hörten es von Karel Gott, und so übten wir tagtäglich mit Gitarre. Den Pa- tienten verkauften wir unsere Proben als „Teambesprechung“.

Eine Krippenszene dazu wäre schön. Zwei Engel (meine beiden blonden Arzthel-ferinnen) habe ich ja. Für Maria, Josef und auch für Hirten waren wir personell ausrei-chend besetzt. Fehlte nur noch das Jesus-kind.

„Sie können mein Kind nehmen“, rief mir eine junge Mutter aus dem Wartezimmer zu, die die Diskussion mitbekommen hatte. „Nehmen wir! Und Sie, wollen Sie die Maria spielen?“ „Oh ja, gerne!“ kam die Antwort.

Der Tag der Au�ührung kam. Die Treppe wurde mit Teelichtern beleuchtet, und über der „Krippe“ (einem unserer Sprechzimmer) hing der Stern zu Bethlehem. Wir riefen die Tschechin herunter, und sie stand vor der „Stalltür“ die wir von innen langsam ö�ne-ten: Im Stall saß Maria mit dem Jesuskinde vor einer Krippe, umgeben von den Hirten und den himmlischen Heerscharen, welche bei Gitarrenklängen „Ticha Noc“ (Stille Nacht) sangen. Und sie, sie sang mit, nein, sie schluchzte mit.

Dann folgte die zweite Strophe, auf In-donesisch, denn ich hatte bereits Ersatz ge-funden, welcher „ganz zufällig“ einen Ter-min bei uns zu genau diesem Zeitpunkt be-kommen hatte. Und dann heulten sie beide und wir alle mit.

Unsere Patienten wollten gerne wissen, ob wir so etwas öfters veranstalten, denn die hatten wir einfach mit überrascht. Dr. med. Luise Hess, Darmstadt ■

10 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (21-22)

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