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„Tunnel – Räume fürzukunftssichere Mobilität“ ist das Thema der diesjährigen STUVA-Ta- gung in Hamburg. Verkehrstunnel sind die Basis für eine nachhaltige und zukunftssichere Mobilität. Die Mobilität ist ein wichtiges Element für eine gesellschaftliche und wirtschaft- liche Weiterentwicklung und Prosperität. Sie bildet eines der Hauptelemente, um Standorte oder Regionen attraktiv zu machen. Aus Gründen der Umwelt und der Siedlungsdichte sind der oberirdischen Weiterentwicklung der Verkehrsträger immer mehr enge Grenzen gesetzt, was stetig zu neuen, unterirdischen Lösungen führt. Weltweit ist eine sehr große Anzahl von untertägigen Verkehrsanlagen im Bau, in Planung, oder sie sind noch Vision. Bauherren, Planer, Sachverständige sowie die gesamte Bauindustrie konnten durch die zahlreichen Projekte, die in den letzten Jahrzehnten erfolgreich realisiert wurden, sehr viele Erfahrungen sammeln. Wenn ich zurück blicke auf die Zeit, bevor die schweizerischen Alpen- transversalen in Angriff genommen wurden und dies nach relativ kurzer Zeit mit dem heuti- gen Stand der Technik vergleiche, so sind auf allen Gebieten riesige Fortschritte und Innova- tionen erzielt worden. Die Entwicklung der Tunnelvortriebsmaschinen, die Technik der Backup-Systeme, Bohrjumbos, Flüssigsprengstoffe, Spritzbetontechnik um nur ein paar zu nennen, ist gewaltig. Damit verbunden sind eindeutig eine höhere Arbeitssicherheit zugunsten der Vortriebsmannschaften sowie eine Produktivi- tätssteigerung, was sich positiv auf die Kosten und damit auf die Volkswirtschaft auswirkt. Durch den Druck, die Verkehrswege im beschränkten Raum untertägig zu führen, wird man auch immer mehr mit schwierigem Baugrund konfrontiert. Auch da sind bei den Maschinenentwicklungen sehr viele Innovationen entstan- den. Es gibt heute kaum mehr Baugrundverhältnisse, die mit den heutigen Möglichkeiten derverschiedenen Typen von Vortriebsmaschinen nicht erfolgreich aufgefahren werden können. Doch noch zu oft stehen Bauherren, Planer, Sachverständige innovativen Lösungen der Unternehmer und den Ma- schinenherstellern negativ gegenüber. Es gibt viele Projekte, bei denen zukunftsträchtige, innovative Lösungen durch konzeptionelle Vorgaben und Verfahrensvorschriften unmöglicht gemacht wurden. Wohl geht es in der Planungsphase darum, mittels einer sorgfältigen Risikoabwägung die richtigen Entscheide zu treffen. In dieser Projektphase ist die Bau- industrie meistens noch nicht einbezogen. Die Bauherren, Planer und Sachverständigen sind aber in der Regel noch auf dem Wissensstand ihrer Erfahrungen und sehen die neuesten technischen Entwicklungen nur selten. Diese Weiterent- wicklungen, die wiederum eine Chance bieten, fließen dann in solche Betrachtungen kaum ein. Bei den Risikoabklä- rungen bewertet man verständlicherweise das Bewährte positiver gegenüber neuen, noch unbekannten Entwicklungen. Wenn man als Bauherr, Planer und Sachverständiger jedoch immer am Bewährten festhält und nicht bereit ist, auf in- novative Vorschläge der Unternehmer und der Maschinenhersteller einzutreten, so bremst man die Innovation. Ist man unter Abwägung der Risiken offen für neue Innovationen, so fördert dies die Weiterentwicklung, und man bietet den be- teiligten Firmen dank ihrer neuesten Referenzen Wettbewerbsvorteile für die Zukunft, was letztendlich wieder der ge- samten Bauwirtschaft zugute kommt. Als ehemaliger verantwortlicher Leiter des Projektes Lötschberg-Basistunnel kann ich die Aussage machen, dass uns sehr viele neue innovative Lösungen angeboten wurden, die zum Vergabezeitpunkt überhaupt noch nicht bewährt waren. Wir hatten aber zusammen mit allen Beteiligten den Mut, diese Schritte zu wagen, neue Entwicklungen zu ak- zeptieren, und wir wurden bei keinem dieser innovativen Schritte enttäuscht. Sichere Arbeitsplatzverhältnisse und hohe Leistungen waren nur ein paar Vorteile, die wir trotz schwierigster Verhältnisse realisieren konnten. Alle diese damals neuesten Innovationen sind - gestützt auf Erfahrungen - bereits wieder weiterentwickelt worden, was den Folgeprojek- ten zugute kam oder noch kommen wird. Meine Botschaft an die Bauherren, Planer und Sachverständigen ist es, Schritte in die Zukunft zu wagen, nicht stur am Bewährten festzuhalten und Innovationen zuzulassen und zu fördern. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung im gesamten Untertagebau. Tunnelbau – Innovationen zulassen, Innovationen fördern Peter Teuscher, Bern Editorial 797 © 2009 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 12

Tunnelbau – Innovationen zulassen, Innovationen fördern

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„Tunnel – Räume für zukunftssichere Mobilität“ ist das Thema der diesjährigen STUVA-Ta-gung in Hamburg. Verkehrstunnel sind die Basis für eine nachhaltige und zukunftssichereMobilität. Die Mobilität ist ein wichtiges Element für eine gesellschaftliche und wirtschaft-liche Weiterentwicklung und Prosperität. Sie bildet eines der Hauptelemente, um Standorteoder Regionen attraktiv zu machen. Aus Gründen der Umwelt und der Siedlungsdichte sindder oberirdischen Weiterentwicklung der Verkehrsträger immer mehr enge Grenzen gesetzt,was stetig zu neuen, unterirdischen Lösungen führt. Weltweit ist eine sehr große Anzahl vonuntertägigen Verkehrsanlagen im Bau, in Planung, oder sie sind noch Vision.

Bauherren, Planer, Sachverständige sowie die gesamte Bauindustrie konnten durch diezahlreichen Projekte, die in den letzten Jahrzehnten erfolgreich realisiert wurden, sehr vieleErfahrungen sammeln. Wenn ich zurück blicke auf die Zeit, bevor die schweizerischen Alpen-transversalen in Angriff genommen wurden und dies nach relativ kurzer Zeit mit dem heuti-gen Stand der Technik vergleiche, so sind auf allen Gebieten riesige Fortschritte und Innova-tionen erzielt worden. Die Entwicklung der Tunnelvortriebsmaschinen, die Technik der

Backup-Systeme, Bohrjumbos, Flüssigsprengstoffe, Spritzbetontechnik um nur ein paar zu nennen, ist gewaltig. Damitverbunden sind eindeutig eine höhere Arbeitssicherheit zugunsten der Vortriebsmannschaften sowie eine Produktivi-tätssteigerung, was sich positiv auf die Kosten und damit auf die Volkswirtschaft auswirkt.

Durch den Druck, die Verkehrswege im beschränkten Raum untertägig zu führen, wird man auch immer mehr mitschwierigem Baugrund konfrontiert. Auch da sind bei den Maschinenentwicklungen sehr viele Innovationen entstan-den. Es gibt heute kaum mehr Baugrundverhältnisse, die mit den heutigen Möglichkeiten der verschiedenen Typen vonVortriebsmaschinen nicht erfolgreich aufgefahren werden können.

Doch noch zu oft stehen Bauherren, Planer, Sachverständige innovativen Lösungen der Unternehmer und den Ma-schinenherstellern negativ gegenüber. Es gibt viele Projekte, bei denen zukunftsträchtige, innovative Lösungen durchkonzeptionelle Vorgaben und Verfahrensvorschriften unmöglicht gemacht wurden. Wohl geht es in der Planungsphasedarum, mittels einer sorgfältigen Risikoabwägung die richtigen Entscheide zu treffen. In dieser Projektphase ist die Bau-industrie meistens noch nicht einbezogen. Die Bauherren, Planer und Sachverständigen sind aber in der Regel noch aufdem Wissensstand ihrer Erfahrungen und sehen die neuesten technischen Entwicklungen nur selten. Diese Weiterent-wicklungen, die wiederum eine Chance bieten, fließen dann in solche Betrachtungen kaum ein. Bei den Risikoabklä-rungen bewertet man verständlicherweise das Bewährte positiver gegenüber neuen, noch unbekannten Entwicklungen.Wenn man als Bauherr, Planer und Sachverständiger jedoch immer am Bewährten festhält und nicht bereit ist, auf in-novative Vorschläge der Unternehmer und der Maschinenhersteller einzutreten, so bremst man die Innovation. Ist manunterAbwägung der Risiken offen für neue Innovationen, so fördert dies die Weiterentwicklung, und man bietet den be-teiligten Firmen dank ihrer neuesten Referenzen Wettbewerbsvorteile für die Zukunft, was letztendlich wieder der ge-samten Bauwirtschaft zugute kommt.

Als ehemaliger verantwortlicher Leiter des Projektes Lötschberg-Basistunnel kann ich die Aussage machen, dassuns sehr viele neue innovative Lösungen angeboten wurden, die zum Vergabezeitpunkt überhaupt noch nicht bewährtwaren. Wir hatten aber zusammen mit allen Beteiligten den Mut, diese Schritte zu wagen, neue Entwicklungen zu ak-zeptieren, und wir wurden bei keinem dieser innovativen Schritte enttäuscht. Sichere Arbeitsplatzverhältnisse und hoheLeistungen waren nur ein paar Vorteile, die wir trotz schwierigster Verhältnisse realisieren konnten. Alle diese damalsneuesten Innovationen sind - gestützt auf Erfahrungen - bereits wieder weiterentwickelt worden, was den Folgeprojek-ten zugute kam oder noch kommen wird.

Meine Botschaft an die Bauherren, Planer und Sachverständigen ist es, Schritte in die Zukunft zu wagen, nicht sturam Bewährten festzuhalten und Innovationen zuzulassen und zu fördern. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitragzur Weiterentwicklung im gesamten Untertagebau.

Tunnelbau – Innovationen zulassen,Innovationen fördern

Peter Teuscher, Bern

Editorial

797© 2009 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 12