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D € 4,80 | A € 5,50 ubuntu das magazin für kindheit und kulturen »Väter, nicht nervös werden!« Der Regisseur Leander Haußmann und sein Vater, der Schauspieler Ezard Hauß- mann, haben eben einen Film zusammen gedreht. In »Dinosaurier« spielen sie Vater und Sohn, ganz wie im Leben. Ein Gespräch über Liebe und Stolz und Feh- ler, die man weitergibt. Seite 42 Retter der Schattentänzer Die Denkmäler des UNESCO-Weltkul- turerbes kennt jeder – aber kaum jemand kennt ihre Liste der immateriellen Kul- turgüter. Uralte Mythen und Bräuche sind dort zu ihrem Schutz versammelt. Eine Geschichte gegen das Verschwinden und Vergessen. Seite 56 SOS-Familienhilfe nach dem Krieg Wenn die Bomben längst gefallen und die Gewehre lange verstummt sind, beginnt im Westjordanland der Kampf an der Psycho-Front. Dann müssen viele Fami- lien in die Schlacht gegen einen unsicht- baren Feind ziehen: die Traumata ihrer Kinder. Seite 76 Gefährliche Hilfe Sie wollten Gutes tun – und mussten sterben. Eine Reportage Seite 18 Zwei Euro des Heftpreises fließen direkt in Projekte der SOS-Kinderdörfer weltweit Henning Mankell: »Warum ich mich schäme.« Seite 98

Ubuntu Leseprobe

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Das Magazin für Kindheit und Kulturen der SOS-Kinderdörfer weltweit. Eine Leseprobe.

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D € 4,80 || AA €€ 55,,5500

ubuntudas magazin für kindheit und kulturen

»Väter, nichtnervös werden!«Der Regisseur Leander Haußmann undsein Vater, der Schauspieler Ezard Hauß-mann, haben eben einen Film zusammengedreht. In »Dinosaurier« spielen sieVater und Sohn, ganz wie im Leben. EinGespräch über Liebe und Stolz und Feh-ler, die man weitergibt. Seite 42

Heintschel GmbHD-85386 EchingUntere Hauptstraße 2Telefon: 089-37 00 59 30Fax: 089-37 00 59 59E-Mail: [email protected]: Pamela Kurz

Kunde: SOS KinderdorfProjekt: 60 JahreObjekt: AktionslogoDatum: 08.01.2009

Farben:

Fonts: Benton Sans

Software: Illustrator CS3 Abbildungsgröße: 100%

CMYK

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Bemerkungen

Retter der SchattentänzerDie Denkmäler des UNESCO-Weltkul-turerbes kennt jeder – aber kaum jemandkennt ihre Liste der immateriellen Kul-turgüter. Uralte Mythen und Bräuchesind dort zu ihrem Schutz versammelt.Eine Geschichte gegen das Verschwindenund Vergessen. Seite 56

SOS-Familienhilfenach dem KriegWenn die Bomben längst gefallen und dieGewehre lange verstummt sind, beginntim Westjordanland der Kampf an derPsycho-Front. Dann müssen viele Fami-lien in die Schlacht gegen einen unsicht-baren Feind ziehen: die Traumata ihrerKinder. Seite 76

Gefährliche HilfeSie wollten Gutes tun – und mussten sterben. Eine Reportage Seite 18

Zwei Euro des Heftpreises fließen direkt in Projekte

der SOS-Kinderdörferweltweit

Henning Mankell: »Warum ich mich schäme.« Seite 98

editorial

»Gutes entsteht nur, wenn jemand mehr tut, als er tun muss«, isteinesmeiner Lieblingszitate des Gründers der SOS-Kinderdörfer,Hermann Gmeiner. Er wäre vor wenigen Wochen 90 Jahre altgeworden. Zum 60-jährigen Jubiläum der SOS-Kinderdörfer indiesem Jahr haben wir diesen Satz für uns ganz neu interpretiert:Wir haben mehr getan und »Ubuntu« entwickelt, ein Magazin,von dem wir sagen, dass es gut ist! Ich hoffe, Sie sind unserer Mei-nung!

Warum ein Magazin? Seit 60 Jahren engagieren sich die SOS-Kinderdörfer für die Kinder in der Welt. In diesen Jahrzehntenhaben wir vielfältige Erfahrungen gesammelt und eine Sicht aufKindheit und Kulturen entwickelt, die klar ist und in die Tiefegeht. Dieser Blick liegt auch dem Ubuntu-Magazin zugrunde.Wir wollten wissen – und weitererzählen: Ist es wirklich so, dassdie Wirtschaftskrise die Kinder in den armen Ländern am meis-ten trifft? Leider ja, zum Beispiel in Namibia (S. 46).Und was ist denn eigentlich drin, in den Schatzkästchen der Kin-der – bei uns und anderswo auf der Welt? Lesen Sie von Mur-meln, Briefen, Münzen und mehr auf S. 84.Und wie denkt Jehan Sadat, die Witwe des ehemaligen ägypti-schen Präsidenten, über die Rolle der Frau im Islam und den Todihres Mannes? Überraschenderweise haben wir eine Frau getrof-fen, die Frieden geschlossen hat (S. 28).

Natürlich haben wir auch in der SOS-Welt nach Erzählenswer-tem gesucht – und haben zuallererst eine sehr traurige, bittereGeschichte gefunden, die mir und vielen Kollegen heute nochpersönlich nahegeht. Zwei außergewöhnliche SOS-Mitarbeitersind ermordet worden: Dick und Enid Eyeington. Wer sie waren,lesen Sie auf S. 18.

Ubuntu ist übrigens ein Wort aus dem südlichen Afrika und be-deutet achtsames Miteinander, gegenseitiger Respekt und Men-schenwürde. Ein großartiges Motto, und wir danken dem Volkder Zulu für diese wunderbare Wortschöpfung!

Und nun sind Sie dran, liebe Leserinnen und Leser: Ich hoffe,dass Ihnen das Magazin genauso viel Freude und Erstaunenbringt, wie uns bei der Entwicklung. Und bitte – schreiben Sieuns! Was Sie gut finden, was Sie anders machen würden oderwelche Themen Sie sich für kommende Ubuntu-Magazine wün-schen.

HerzlichstIhr

Dr. Wilfried Vyslozil,Geschäftsführer SOS-Kinderdörfer weltweit

Liebe Leserinnen und Leser,

03

inhalt

weggefährten

08 In Zahlen. Kindheit weltweit

06 Am Rande

10 Bildgewaltig. Kindheit und Kulturen

18 Gefährliche Hilfe. In Extremsituationen kannaußergewöhnliches Engagement lebensbedrohlichsein. Manchmal sogar tödlich.

26 Erinnerungen an Vietnam. Helmut Kutin baute1967 die ersten SOS-Kinderdörfer im Kriegsgebiet.

kulturgut56 Tradition unter Schutz. Damit Mythen und

Bräuche nicht verloren gehen, werden sie von derUNESCO unter Schutz gestellt.

64 Kurzgeschichte: Autor Ilija Trojanow über seine»Savanne der Jugend«. Eine Story aus Kenia.

68 SOS-Kunststück.Moderne Kunst als »Bauträger«:Der Verkauf zeitgenössischer Werke unterstützt denBau von SOS-Kinderdörfern.

familienbande76 SOS-Familienhilfe.Wie in Bethlehem Psycholo-

gen den Kindern bei der Traumabewältigung helfen.Interview. Therapeutin Elise Bittenbinder über denUmgang mit Traumaopfern.

84 Mein Schatzkästchen. Sie halten die Welt inihren Händen. Eine bunte Bilderreise durch diegeheimen Schätze der Kindheit.

88 Und der Vorhang geht auf !Wie der ZirkusUBUNTU Kindern Lebensperspektiven bietet.

90 Für Kinder:Kommando »Rettet die Wurst«.Vorabdruck aus der erfolgreichen Kinderbuchreihe»4 1/2 Freunde«

96 Geschichte der Kindheit. Historiker FrankMeier über Kindheit damals und heute.

94 In Zahlen. SOS-Kinderdörfer weltweit

98 Henning Mankell: »Warum ich mich schäme.«

menschenkinder36 Gute Arbeit, schlechtes Gewissen. Sobald

Kinder und Job unter einen Hut gebracht sind,meldet sich das Gewissen.

42 »Väter, nicht nervös werden!«: Ein Gesprächzwischen Ezard und Leander Haußmann, Vaterund Sohn.

51 Über den richtigen Umgang mit dem Löffel.Essay von Wilfried Vyslozil.

52 Unsere Besten. Lesenswerte Bücher derSOS-Kinderdörfer.

53 Die Welt ist schlecht. Oder doch nicht?Eine Glosse von Dieter Nuhr.

46 Die Minen in Namibia stehen still. Die Wirt-schaftskrise schlägt mit voller Wucht zu – und trifftdie Ärmsten der Armen in Afrika.

28 »Ich habe vergeben«: Ägyptens ehemalige FirstLady Jehan Sadat im Interview.

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18 28

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contributors

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impressumHerausgeber:SOS-Kinderdörfer Global Partner GmbHNederlinger Straße 480638 München

GeschäftsführungSOS-Kinderdörfer Global Partner GmbH:Dr. Christian GrünlerfürSOS-Kinderdörfer weltweitHermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V.Ridlerstr. 5580339 München

Verlag:medienfabrik Gütersloh GmbH, Büro MünchenGeisenhausener Str. 1781379 MünchenTelefon 089 – 5203176–15

Projektleitung/Chefredaktion:Rainer HahnObjektleitung:Timour ChafikArt-Direktion:Nadine SchröderGrafik, Satz, Litho:Achim Hettwer, Phil Stauffer, Frank WellenbrinkRedaktion:Timour Chafik, Verena Hoefert, Timm Saalbach

Fotos:Gunter Bieringer (5, 6, 18, 19, 20, 21, 23, 84), Björn Lindgren (98),Sven Creutzmann (57), Thomas Ernsting (10, 11), Andreas Friedle(3), Mauricio Guillén (71), Paul Hahn (5, 47, 48, 49, 50, 87), An-dreas Kühlken (82, 96), Thomas Linkel (85), Frank May, dpa (86),Michela Morosini (5, 36, 37, 38, 39, 40, 41), Jörg Sänger (1, 6, 42,43, 44), Jan Scheutzow (6, 28, 30, 32), Patrick Wittmann (1, 5, 76,78, 79, 80, 87), UNESCO (1, 61), corbis (12, 13, 14, 15, 16, 34, 54,63, 64, 65, 66, 99), Roman März (68, 69, 70), mauritius Images(62), dpa-Picture Alliance (58, 60), Dr. Heike Moser (5, 59), SOS-Kinderdörfer weltweit (26, 27, 52, 87), ubuntu-Zirkus (88), kultur-agenten (53), Thienemann Verlag (90, 91, 92, 93), SebastianSpaleck (72), Hanser-Verlag (66)

Die Zeitschrift ubuntu und alle darin veröffentlichten Beiträge undAbbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede durch das Ur-hebergesetz nicht ausdrücklich zugelassene Nutzung oder Verwer-tung bedarf der Einwilligung des Verlags. Eine Vermietung oderein Nachdruck, auch auszugsweise, sind nicht gestattet.

Am Rande

JEHAN SADATEs gibt grün lasierte Schokolinsen und – natürlich! – arabischen Tee während des Ge-sprächs in Kairo mit Madame Sadat, zuvor eine kurze Führung mit ihrem Leibwächter –sie nennt ihn »Sekretär« – General Mahmut Seoud durch das Erdgeschoss der dreistöckigenVilla inklusive des Arbeitszimmers des ehemaligen Präsidenten. Während des Interviews(»Zwischen den Welten«, S.28 ) mit Redakteur Timour Chafik umstreunen »Mickey«und »Misch-Misch« die Präsidentenwitwe, zwei ihrer insgesamt elf Katzen. Was FrauSadat derzeit am meisten besorgt? Weniger die Situation der Frau oder die politischenInstabilitäten im Nahen Osten, sondern ein ganz banaler Wasserrohrbruch: ein geplatztesRohr hatte kurz zuvor in einem der Salons fast für die Absage eines mit Vertretern ausWirtschaft, Kultur und Politik hochkarätig besetzten Abendempfangs gesorgt.

GUNTER BIERINGERGlücklicher Zufall: Während der Recherche in Swasiland (»Der Tod der Guten«, S.18 )konnte der Fotograf Gunter Bieringer den 41. Geburtstag des schillernden Königs MswatiIII mitfeiern. Im neugebauten Stadion schwitzten die Scharfschützen oben auf den Dächernund darunter die vielen Anhänger – und Gunter Bieringer, leider ohne Akkreditierung. Alsder König schließlich im offenen Landrover einfuhr, war die allgemeine Euphorie so groß,dass Bieringer direkt auf den königlichen Rasen geschickt wurde. Auf seinem Foto schautMswati III genau in die Kamera; die Diamanten auf seiner Uhr kann man einzeln zählen.

LEANDER HAUSSMANNVor dem Interview (»Was will er denn mit der Nase spielen?«, S.42) zeigte LeanderHaußmann unseren Journalistinnen Simone Kosog (r.) und Verena Hoefert (2.v.r.) seinenneuen Film »Dinosaurier« im Rohschnitt. Auf die anschließenden freundlichen Worte gaber nicht viel. Ob jemand einen Film mag, sehe er am deutlichsten an dessen Verhalten beimZuschauen: »Sie haben drei Mal das Bein gewechselt und der Fotograf sieben Mal – unddazu vier Mal aus dem Fenster geschaut!« Das seien wichtige Informationen.

GeschäftsführungHermann-Gmeiner-Fonds Deutschland (HGFD) e.V.:Dr. Wilfried Vyslozil, Ulla Sensburg (stellv.)

Objektleitung HGFD:Ingrid Famula (V.i.S.d.P.)Chefredaktion HGFD:Ingrid Famula, Simone KosogMitarbeit Bildredaktion HGFD:Andrea Seifert

Magazinpartnerschaften/Anzeigen:medienfabrik Gütersloh GmbH, Büro München

Autoren:Natalie Marie Bayerl, Paul Hahn, Gabriela Herpell, HenningMankell, Matthias Maruhn, Dieter Nuhr, Ilija Trojanow

Lektorat:Karin Witt

Leserbriefredaktion:per E-Mail an [email protected] oder der Post anSOS-Kinderdörfer weltweitHermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V.Ridlerstr. 5580339 MünchenTel. 089/17 914-140

Vertriebsleitung:Heike Blanke

Vertriebsbetreuung:dpv, Deutscher Presse Vertrieb GmbH, Düsternstr. 1-320355 Hamburg

Druck:Mohn media Mohndruck GmbH, Carl-Bertelsmann-Straße 161M,33311 GüterslohGedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.

Gruppe, www.pixelpark.com

Sozialverantwortungvernetzeninnovationmenschenglobalzukunft.

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69% 54%

Analphabetenratebei afghanischen Frauen

zwischen 15 und 24 Jahren:

82%

Anteil der somalischen Mädchenzwischen 5 und 14 Jahren, die

arbeiten müssen

der 12- bis 25-Jährigen glauben,dass man Kinder braucht, um im

Leben glücklich zu werden.

denken, sie sind alleine glücklicher.

Anteil dervietnamesischen Kinder

unter 5 Jahren, die unter einemMoskitonetz schlafen:

96%Anteil der

vietnamesischen Kinder unter5 Jahren, die medikamentös gegen

Malaria behandelt werden:

7%

Zahl der Aids-Waisenin Südafrika im Alter von

0 bis 17 Jahre (2005):

1.200.000Zahl aller Waisen inSüdafrika im Alter von0 bis 17 Jahre (2005):

2.500.000

Durchschnittsalter,in dem die Hälfte allerMännerbei den Eltern ausgezogen ist:

29,7 (in Italien)

Durchschnittsalter,in dem die Hälfte allerMännerbei den Eltern ausgezogen ist:

24,8 (in Deutschland)

Durchschnittsalter,in dem die Hälfte aller Frauenbei den Eltern ausgezogen ist:

21,6 (in Deutschland)

Rang 1der Länder mit der höchstenSterblichkeitsrate bei

Kindern unter 5 Jahren:

Sierra Leone

Erstes EU-Land: Bulgarien(Rang 129)

Rang, den Deutschlandeinnimmt: 168

44%

36%

der Jugendlichen bis 25 Jahrewünschen sich später zwei Kinder

(Deutschland)

TOP 3der wichtigsten Werte allgemein:

Ehrlichkeit, Familie,Gerechtigkeit

TOP 3der wichtigsten Erziehungswerte:

Höflichkeit, Ehrlichkeit,Ordentlichkeit

(Deutschland)

(Deutschland)

Analphabetenratebei afghanischen Männernzwischen 15 und 24 Jahren:

49%

AnteilUS-amerikanischer Kinder

zwischen 3 und 5 Jahren,denen an jedem Tag in der Woche

vorgelesen wurde (2005):

60%

Anteilnichtehelicher Geburten 1970:

7%Anteil

nichtehelicher Geburten 2006:

30%(Deutschland)

in zahlen: kindheit weltweit

08

09

12.397.000Familien leben in Deutschland 2006.

Kinder zwischen 6 und 13 besitzen ein eigenes Handy.

Ehen wurden im Jahr 2006 in Deutschland geschlossen,

2.200.000374.000

Ehen im Jahr 2006 geschieden.

191.000

Kosten für einen Platz in der Villa Ritz, einer privaten Fünf-Sterne-Kindertagesstättein Potsdam, pro Jahr in Euro.

11.760

Euro bekamen die 6 bis 13-Jährigen zu Weihnachten 2007 geschenkt.

76

Euro brachte der Osterhase 2007 immerhin noch.

20

46

menschenkinder

Aber dann kam die Weltwirtschaftskrise, und die Kupferpreise sanken ins Bodenlose. In Tsumeb, Namibia,stehen seitdem die Minen still, und die Kinder gehen hungrig zur Schule – wenn überhaupt! Eine Reportagedarüber, wie marode Börsen und Banken das Lernen und die Zukunft im südlichen Afrika gefährden.

Beginnen wir am 25. März 2008. Zu diesem Zeit-punkt ist Kupfer noch richtig wertvoll. In Lychen,Brandenburg, stehen deshalb für zwei Tage dieTelefonleitungen still, denn dreiste Kupferdiebehaben rund einen Kilometer Leitung gestohlen.

Nach Angaben der Polizei wird das gestohlene Kupfer oft überdubiose Schrotthändler nach China verfrachtet.

3. Juli 2008 Der Preis für eine Tonne Kupfer erreicht seinenhistorischen Höchststand von 5.769 Euro. Mit einem Importvon mehr als 200.000 Tonnen pro Jahr ist China der größteVerbraucher des Buntmetalls, aber begehrt ist es auch an-derswo: Kupferkabel sind die glänzenden Nervenleitungen derIndustrienationen.15. September 2008 Hermien Benjamin, 39, Rektorin derOpawa Junior Secondary School in Tsumeb, Namibia, erfährtin den Nachrichten vom Zusammenbruch des Bankhauses Leh-man Brothers. Sie glaubt, dies sei »ein Problem, das Namibianichts angeht«. Aber tatsächlich nimmt an diesem Tag die Wirt-schaftskrise ihren Anfang, die bald die ganze Welt angehenwird. Es dauert nicht lange, bis sich die Prognosen jagen. Einedavon: Die Krise wird die Ärmsten der Armen stärker treffen alsalle anderen.16. Dezember 2008Tsumeb, Namibia. In dem beschaulichen,1905 von deutschen Bergarbeitern gegründeten Minenstädt-chen, 400 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Windhuk,herrscht blankes Entsetzen. Soeben hat die australische Mi-nengesellschaft Weatherly Mining die sofortige Schließung ihrervier Kupferbergwerke verkündet, zwei davon bei Tsumeb. DerGrund: der niedrige Kupferpreis als Folge der Weltfinanzkrise.Lediglich der Smelter, die Kupferschmelze, die Erz aus Sam-

bia, Bulgarien oder auch Peru zu hochreinem Kupfer verarbei-tet, arbeitet mit rund 50 Leuten weiter. Eine Anlage, die wegenihrer Belastung für die Umwelt nirgends gerne gesehen wird.643 Kumpel verlieren gut eine Woche vor Weihnachten ihrenJob. Ein Desaster für den 15.000-Einwohner-Ort, der vor allemvom Kupfer lebt. Wo schon vor Jahrhunderten die Buschmän-ner Kupfererze entdeckt hatten und das Volk der Ovambos dieKunst des Kupferschmelzens beherrschte. Wo die Mine gleicheiner guten Mutter alle ernährte. Die Firma stellte kostengüns-tige Unterkünfte, zahlte die Schulgebühren und den Transportzur Schule.24. Dezember 2008 Der Kupferpreis stürzt auf einen lang-jährigen Tiefstand von 2.000 Euro pro Tonne. Damit hat dasMetall in weniger als einem halben Jahr rund zwei Drittel sei-nes Wertes verloren.24. April 2009 Hermien Benjamin sitzt in ihrem gelb gestri-chenen Büro in der Opawa Junior Secondary School und schüt-telt den Kopf. Sie ist verantwortlich für 22 Lehrer und 744Schüler von der vierten bis zur zehnten Klasse. »Die Hälfte mei-ner Schüler hat nun Probleme, das Schulgeld zu bezahlen.«50 Euro pro Schuljahr sind das und eventuell noch 25 EuroExamensgebühr. »Da die Mittel vom Staat nicht ausreichen, be-nötigen wir das Geld, um die Schule am Laufen zu halten. Wirkaufen davon Papier, reparieren das undichte Schuldach, spa-ren auf einen Computer und ein Telefon, das richtig funktio-niert«, sagt die Rektorin. Einige der zehn Grund- undMittelschulen des Ortes hätten diejenigen Kinder, die die Ge-bühr nicht bezahlen konnten, bereits nach Hause geschickt undauch von ihren Schülern seien im Januar 14 weggeblieben – ausGeldmangel und aus Scham. Die Mehrzahl der Opawa-Schü-ler kommt aus den ärmeren Stadtvierteln, beispielsweise aus

Es war einmaleine Fabrik

Text und Fotos: Paul Hahn

Wie eine Geisterstadt liegt das Fabrikgelände in Tsumeb da, seit die australische Minengesellschaft Weatherly Miningdie sofortige Stilllegung verkündet hat. Lange Zeit hatte die Stadt gut von ihren Kupfervorräten leben können.

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48

menschenkinder

Lehrerin Eva Shilongo (o.li.) verabschiedet die Schüler der Opawa-Schule in die Ferien. Rektorin Hermien Benjamin (o.re.) hatentschieden, dass auch Schüler wie Rebecca Nuxas (u.), die das Schulgeld nicht zahlen können, vorerst weiter kommen dürfen.

49

Soweto, wo rund die Hälfte der Einwohner in schäbigen Well-blechhütten lebt. Und mit der Schließung der Minen ist die Ar-beitslosigkeit auf 38 Prozent hochgeschnellt, das Leben aberwurde gleichzeitig teurer: Öl, Brot, Maismehl kostete plötzlichdas Vielfache. »Wir haben uns deshalb entschieden, den säu-migen Schülern die Gebühren zu stunden. Vorerst können alleweitermachen«, erklärt Hermien Benjamin.

Mit knurrendem Magen fällt das Lernen schwerKonzentrierte Stille im Klassenzimmer der 9 B. Rebecca Nuxas,18, beugt sich über ein eng bedrucktes Aufgabenblatt. Sie undihre Mitschüler schreiben gerade die Abschlussarbeit des erstenTrimesters in Rechnungswesen. Eigentlich eines von RebeccasLieblingsfächern, aber in letzter Zeit fällt ihr das Lernen schwer,ganz egal, auf welchem Gebiet. Rebeccas Vater war Lkw-Fah-rer bei der Minengesellschaft. Jetzt reicht das Geld gerade sozumÜberleben. Meistens gibt es dünnenMaisbrei, bezahlt vondem Geld der älteren Schwester, die in einem Handyladen ar-beitet. Oder die Mutter erbettelt bei den Nachbarn etwas Brot.Ein Frühstück aber ist nicht mehr drin. »Ich komme fast jedenMorgen hungrig zur Schule«, sagt Rebecca. Seit Monaten kanndie Familie kein Schulgeld mehr bezahlen, nicht die Wasser-rechnung und nicht die Raten für die Sozialwohnung am Stadt-rand. In einer lang gestreckten Häuserzeile, dem OmoduliCompound, grenzt hier Tür an Tür, Wohnung an Wohnung.

Immerhin versucht sich das Elend hinter exotischen Topfpflan-zen zu verstecken – Rebecca kümmert sich sorgsam um sie, aberspätestens beim Eintritt in die dunkle Wohnung fliegt die Tar-nung auf. Rebecca teilt ein kahles Zimmer, drei mal zwei Meterklein, mit vier Geschwistern. Alle zusammen schlafen in zweiBetten mit durchgelegenen Matratzen und löchriger Decke.Als seien sie Botschafterinnen von einem anderen Stern, blickenknapp bekleidete Illustrierten-Schönheiten von der rohenWand.Aus ihren wenigen Besitztümern kramt Rebecca ein Foto her-vor, auf dem sie zum Ende des Schuljahres 2008 streng in dieKamera blickt. Bekleidet mit einem blauen Schuluniform-Pullover und gebundener Krawatte. »Alles geliehen«, sagt sie.Rebecca selbst hat nur die alte graue Schulkleidung, für dieneue reichte das Geld nicht mehr.

Kevin Watkins und Patrick Montjourides haben für dieUNESCO eine Studie über die Folgen der Finanzkrise in denärmsten Regionen geschrieben. Ihre Einschätzung: »Allein umdie von der UNESCO gesetzten Schlüsselziele wie ›Bildung füralle bis 2015‹ zu erreichen, sind 5,6 Milliarden Euro nötig.«Eine Summe, die angesichts der 310Milliarden Euro, die Steu-erzahler im letzten Quartal 2008 weltweit zur Stabilisierungdes Bankenwesens aufgebracht hätten, geradezu bescheidensei. »Wir können den reichen Ländern nicht erlauben, dieseKrise als Ausrede herzunehmen, um sich von den Armen der

Eines Tages willJoseph MakozoBuchhalter beieiner Bank werden.Um ungestört fürseinen Schulab-schluss lernen zukönnen, hat ermit seiner Familieeine Abmachunggetroffen: Um21 Uhr müssendie anderenschlafen gehen.

menschenkinder

Welt abzuwenden«, betont auch UNESCO-GeneraldirektorKoichiro Matsuura im Zusammenhang mit der Studie. Nebenden Problemen im Bildungssektor droht vor allem eine Hun-gerkrise. Dem Mangel an Nahrungsmitteln könnten laut demGlobal Monitor Report der Vereinten Nationen zwischen200.000 und 400.000 Kinder zum Opfer fallen. Sterben.

UNESCO fordert Aufstockung der EntwicklungshilfeInsgesamt rechnen die Forscher damit, dass die Einkommender 390 Millionen ärmsten Afrikaner um 20 Prozent sinkenwerden, eine Zahl, die alle Prognosen für die westliche Weltübertrifft. Hauptgrund ist neben den abstürzenden Rohstoff-preisen ein massiver Rückgang bei Investitionen in Entwick-lungs- und Schwellenländern. Eine Besserung ist laut der Studienicht in Sicht. Im Gegenteil: Es sei zu befürchten, dass die rei-chen Länder weniger Entwicklungshilfe leisten und dafür mehrin die eigene Wirtschaft zur Überwindung der Krise investier-ten. Im Schatten der Weltnachrichten formt die Krise so ausMillionen von Menschen eine neue globale Unterschicht.Daher fordert die UNESCO die Aufstockung der Entwick-lungshilfe für die 22 ärmsten Länder der Welt. »Kredite undSpenden könnten helfen, die Ärmsten der Welt vor denschlimmsten Folgen der Finanzkrise zu bewahren, die diereichsten Finanzmanager der Welt verursacht haben«, sagtKevin Watkins.

Auch Joseph Makozo, 17, ist Schüler der Opawa-Schule. Nurnoch drei Tage blieben dem jungen Mann, um die rund 25Euro Gebühr für seine Abschlussprüfung der zehnten Klasseim Rektorat abzuliefern. Josephs Vater Simanya Makozo trägtseinenMinenausweis mit der ID-Nummer 10286 und schwarz-weißem Passfoto noch in der Tasche, aber niemand will das Do-kument mehr sehen. Geblieben ist der Familie die Erinnerungan einen stolzen Verdienst von rund 450 Euro im Monat, einTV-Gerät unter kariertem Deckchen und ein großer, weißglänzender Kühlschrank, der irgendwann nur noch Luft kühlte,

bis Joseph endgültig den Stecker zog. Sorgenvoll spricht seinVater von der schrecklichen Slumsiedlung in Soweto. Allein dieVorstellung, dorthin umziehen zu müssen, lässt sein Gesichtnoch älter aussehen. Da klingt die Frage nach Geld für JosephsAbschlussprüfung fast wie ein Luxusproblem.

Doch Joseph will diesen Abschluss, unbedingt. Er will dieseChance. Also ist er zu seinem Onkel ins 200 Kilometer ent-fernte Otjiwarongo getrampt und hat um das Geld gebettelt.Onkel Johannes ist Kammerjäger, stellt Kakerlaken, Käfernund giftigen Spinnen nach und hat nie eine Schule besucht. Ergab Joseph das Geld, der wiederum gab ihm das Versprechen,wirklich sein Bestes in der Schule zu geben. Damit ihm das ge-lingt, hat Joseph mit seiner Familie eine Abmachung getroffen:Außer am Wochenende müssen alle um 21 Uhr im Bett sein.Nur dann hat Joseph Ruhe, um ungestört für seine Prüfungenzu lernen. Acht Fächer werden abgefragt, darunter Mathe,Geschichte, Wirtschaft, Englisch und Afrikaans.

Endlich, um 23 Uhr, legt sich auch Joseph in das Bett, in demschon sein Bruder schläft, und stellt sich den Wecker auf vierUhr früh. Bis fünf Uhr lernt er noch mal und macht sich dannauf den einstündigen Fußweg zur Schule. Joseph will im kom-menden Schuljahr unbedingt auf die weiterführende EtoshaHigh School gehen, die Ende Oktober beginnt. Aber zunächstsucht er einen Ferienjob. »Gartenarbeit, Autowaschen, vielleichtfinde ich was.« Optimismus klingt anders.

Eines Tages will er Buchhalter werden in einer großen Firmaoder noch besser bei einer Bank. Konten führen, Bilanzen be-rechnen, Geld zählen, das würde ihm Spaß machen. FinancialManager, das klingt für ihn nach einer richtigen Karriere mitgutem Verdienst.Weltweit sieht man das inzwischen etwas anders: Da ist einFinancial Manager jemand, der unter Umständen eine MengeSchaden anrichtet.

Lernen für die Abschlussprüfung: Joseph Makozo (u.) hat die25 Euro Prüfungsgebühr von einem Onkel bekommen – undist dafür 200 Kilometer weit getrampt.

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Mit einem Marktprojekt sollen neue Arbeitsplätze geschaffenwerden.