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Heft I9. ] 7- 5- I926j WAI~BURGund I~EGELEIN: ~)ber Abt6tung yon Tumorzellen im K6rper. 439 Pflanzen Methylglyoxal in typischer Weise zu Milch- ~ure dismutieren. Ats geeignete Objekte ermittel- ten wir die Erbsensamen, die zugleich den Vorzug leichter Zug~nglichkeit besitzen. Wie wit gefunden haben, enthalten diese das Methylglyoxat angrei- iende Ferment in so reichem MaBe, dab man die ruhenden Samen verwenden und nicht durch voran- gehende Keimung ihren verlangsamten Stoffwechsel anzufachen braucht. Da man mit starken anti- septischen Mitteln arbeiteu kann, so kommt eine Beteiligung yon Mikroben nicht in Betracht. Man kann die vorher mit o, Iproz. Sublimatl6sung keim- arm gemachten Erbsen, sodann die nicht vor- behandelten Erbsen in Gegenwart yon viel ToIuol, weiterhin Aceton-Trocken-Erbsen, ferner w~sserige Auszfige gemahlener Erbsen, sowie die dutch F~llung mit Alkohoi-)kther aus solehen Wasser- extrakten yon Erbsen erzeugten Niederschl~ge (nach ihrer Wiederaufl6sung) unter Beigabe yon ToIuol benutzen, l)berall ist das Ferment vor-" handen, das unter LuftabschluB l~ngstens in einem Tage I--2prom. L6sungen des Methyl- glyoxalhydrates quantitativ umwandelt. Dabei sind 7o--8o% der theorefisch m6glichen Menge Milchs~ure nachgewiesen worden. An der als Zinklacta$ abgeschiedenen Substanz wurde kon- statiert, dab die racemische S~ure vorlag. Dieser Befund deckt sich mit den Erfahrungen yon J. GADA~ER, J. N. CURRtn sowie A. W. Dox und R. tC. NEIDm, dab die Bildung yon in- aktiver S~ure such bei Bakterien vielfach bevor- zugt ist; FRANZEN hat in den Bl~ttern und Frfichten grfiner Pflanzen jedenfalts nur d,l-Lac- tat beobachtet. Wit haben den ruhenden Erbsensamen stets frei yon prMormierter Milchs~ure befunden, so dag dieses in so vielfachen Zubereitungen taugliche Erzeugnis ein gfinstiges Material flit das Studium der Ketonaldehydmutase bei h6heren Pflanzen abgibt. Es hat sich bereits herausgestellt, dab solche Fermentpr~parate such auf analoge Glyoxale ein- wirken. Nach Versuchen, die Herr BINDER-KOTRBA ausgeffihrt hat, erzeugt das Erbsenenzym z. B. aus Phenylglyoxal in praktisch quantitativer Ausbeute rechtsdrehende Mandels~ure. Am gleichen Objekte, am Erbsensamen, haben unl~ngst C. NEUBERG und A. GOTTSCHALK gezeigt, dab die yon ibm ausgelSste alkoholische G~rung der Zuckerspaltung dutch Here analog verl~uft, indem sie hier ebenfalls fiber die Zwischenstufe des Acetaldehyds fortschreitet. In der reichlichen und leichten Bildung yon Milchs~ure erblieken wir einen Anhalt daffir, dab die im Effekt der alkoholi- schen GXrung sich schon verratende F~higkeit der grfinen Pflanzen zur Glykolyse unter bestimmten Bedingungen such mit einer Ansammlung yon Milchs~ure zutage tritt, d. h. mit der Stabilisierung des Intermedi~rproduktes Methylglyoxalhydrat, das sich in der Norm -- im Sinne der yon C.NEu- ]B:SRG und M. KOBEL gemaehten Ausffihrungen -- nicht anh~tuft oder umlagert, sondern der Restitu- tion unterliegt. Jedenfalls verffigen Phanerogamen fiber ein vom lebenden Gewebe abtrennbares Stoffwechsel- ferment, das die bedeutsame Verschiebung in der 3-Kohlenstoffreihe besorgt. Damit ergibt sich eine w.esentliche ~bereinstimmung im Grundtypus der Kohlenhydratumwandlung ffir die Zellen der grfinen Pflanzen, der Tiere sowie der Mikro- organismen. Im Sonderfalle der Erbsensamen wird als Eigentfimlichkeit die Tatsache offenkundig, dab die beiden glykolytischen Fermentsysteme, das der Mkoholischen Zuckerspaltung und das der Milchs~turebildung, wohl ausgebildet nebeneinander bestehen. 0ber Abtgtung yon Tumorzellen im K6rper. Von OTTO WARBURG und ERWIN NEGELEIN, Berlin-Dahlem. Eine Tumorzelle gewinnt die zum Leben not- wendige Energie auf zweierlei Art: durch Atmung und durch GArang. Unterbreehen wir eine der beiden energieliefernden Reaktionen, so bleib~ die Tumorzelle am Leben, unterbrechen wir beide, so stirbt sie bei K6rpertemperatur im Laufe einiger Stunden ab. Obwohl nicht nur Tumorzellen sondern alle K6rperzellen bei Unterbrechung der energie- Iiefernden Reaktionen zugrunde gehen, ist es, wie wir gefunden haben, m6glic5, Tumorzellen im lebenden Tier dutch Mangel an Energie zu tGten. Nach Versuchen yon F. WIND und den Verfassern beruht dies darauf, dab die Ver- sorgung des Tumors mit Sauerstoff und Glucose dutch den Blutstrom schleehter ist als die Ver- sorgung der normalen Organe. Senken wir bei- spielsweise den Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes, so entsteht zun~ichst nur in dem Tumor und erst bei st~rkeren Senkungen in den nor- malen Organen Mangel an Sauerstoff. Um die beiden energieliefernden Reaktionen des Tumors gleichzeitig zu hemmen, mfiBte gleich- zeitig die Glucose- und Sauerstoffkonzentration ira arteriellen Blut gesenkt werden, was aus tech- nischen Grfinden nicht gut m6glich ist. Hier kommt uns die Natur zu Hilfe. Denken wir uns den Tumor in eine ,,arterietle" und eine ,,ven6se" H~lfte zerlegt, so g~rt im K6rper nur die arterielle H~lfte betr/ichtlich. Die ven6se H~lfte g~rt kaum, weii die Glncosekonzentration auf dem \Vege dutch die arterielle H~lfte zu fief sinkt. Andererseits reicht die Versorgung des Tumors nit Sauerstoff gerade aus, um die Atmung in dem Tumor zu er- halten. Gehen wir also mit dem Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes auf die H/ilfte herunter, so ge-

Über Abtötung von Tumorzellen im Körper

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Page 1: Über Abtötung von Tumorzellen im Körper

Heft I9. ] 7- 5- I926j

WAI~BURG und I~EGELEIN: ~)ber Abt6tung yon Tumorzellen im K6rper. 439

Pflanzen Methylglyoxal in typischer Weise zu Milch- ~ u r e dismutieren. Ats geeignete Objekte ermittel- ten wir die Erbsensamen, die zugleich den Vorzug leichter Zug~nglichkeit besitzen. Wie wit gefunden haben, enthalten diese das Methylglyoxat angrei- iende Ferment in so reichem MaBe, dab man die ruhenden Samen verwenden und nicht durch voran- gehende Keimung ihren verlangsamten Stoffwechsel anzufachen braucht. Da man mit starken anti- septischen Mitteln arbeiteu kann, so kommt eine Beteiligung yon Mikroben nicht in Betracht. Man kann die vorher mit o, Iproz. Sublimatl6sung keim- arm gemachten Erbsen, sodann die nicht vor- behandelten Erbsen in Gegenwart yon viel ToIuol, weiterhin Aceton-Trocken-Erbsen, ferner w~sserige Auszfige gemahlener Erbsen, sowie die dutch F~llung mit Alkohoi-)kther aus solehen Wasser- extrakten yon Erbsen erzeugten Niederschl~ge (nach ihrer Wiederaufl6sung) unter Beigabe yon ToIuol benutzen, l)berall ist das Ferment vor-" handen, das unter LuftabschluB l~ngstens in einem Tage I--2prom. L6sungen des Methyl- glyoxalhydrates quant i ta t iv umwandelt. Dabei sind 7o--8o% der theorefisch m6glichen Menge Milchs~ure nachgewiesen worden. An der als Zinklacta$ abgeschiedenen Substanz wurde kon- statiert, dab die racemische S~ure vorlag. Dieser Befund deckt sich mit den Erfahrungen yon J. GADA~ER, J. N. CURRtn sowie A. W. Dox und R. tC. NEIDm, dab die Bildung yon in- aktiver S~ure such bei Bakterien vielfach bevor- zug t ist; FRANZEN hat in den Bl~ttern und Frfichten grfiner Pflanzen jedenfalts nur d,l-Lac- ta t beobachtet.

Wit haben den ruhenden Erbsensamen stets frei yon prMormierter Milchs~ure befunden, so dag dieses in so vielfachen Zubereitungen taugliche Erzeugnis ein gfinstiges Material flit das Studium

der Ketonaldehydmutase bei h6heren Pflanzen abgibt.

Es hat sich bereits herausgestellt, dab solche Fermentpr~parate such auf analoge Glyoxale ein- wirken. Nach Versuchen, die Herr BINDER-KOTRBA ausgeffihrt hat, erzeugt das Erbsenenzym z. B. aus Phenylglyoxal in praktisch quant i ta t iver Ausbeute rechtsdrehende Mandels~ure.

Am gleichen Objekte, am Erbsensamen, haben unl~ngst C. NEUBERG und A. GOTTSCHALK gezeigt, dab die yon ibm ausgelSste alkoholische G~rung der Zuckerspaltung dutch Here analog verl~uft, indem sie hier ebenfalls fiber die Zwischenstufe des Acetaldehyds fortschreitet. In der reichlichen und leichten Bildung yon Milchs~ure erblieken wir einen Anhalt daffir, dab die im Effekt der alkoholi- schen GXrung sich schon verratende F~higkeit der grfinen Pflanzen zur Glykolyse unter best immten Bedingungen such mit einer Ansammlung yon Milchs~ure zutage tritt , d. h. mit der Stabilisierung des Intermedi~rproduktes Methylglyoxalhydrat, das sich in der Norm - - im Sinne der yon C.NEu- ]B:SRG und M. KOBEL gemaehten Ausffihrungen - - nicht anh~tuft oder umlagert, sondern der Restitu- tion unterliegt.

Jedenfalls verffigen Phanerogamen fiber ein vom lebenden Gewebe abtrennbares Stoffwechsel- ferment, das die bedeutsame Verschiebung in der 3-Kohlenstoffreihe besorgt. Damit ergibt sich eine w.esentliche ~bereins t immung im Grundtypus der Kohlenhydratumwandlung ffir die Zellen der grfinen Pflanzen, der Tiere sowie der Mikro- organismen. Im Sonderfalle der Erbsensamen wird als Eigentfimlichkeit die Tatsache offenkundig, dab die beiden glykolytischen Fermentsysteme, das der Mkoholischen Zuckerspaltung und das der Milchs~turebildung, wohl ausgebildet nebeneinander bestehen.

0ber Abtgtung yon Tumorzellen im K6rper. Von OTTO WARBURG u n d ERWIN NEGELEIN, Be r l i n -Dah lem.

Eine Tumorzelle gewinnt die zum Leben not- wendige Energie auf zweierlei Art: durch Atmung und durch GArang. Unterbreehen wir eine der beiden energieliefernden Reaktionen, so bleib~ die Tumorzelle am Leben, unterbrechen wir beide, so stirbt sie bei K6rpertemperatur im Laufe einiger Stunden ab.

Obwohl nicht nur Tumorzellen sondern alle K6rperzellen bei Unterbrechung der energie- Iiefernden Reaktionen zugrunde gehen, ist es, wie wir gefunden haben, m6glic5, Tumorzellen im lebenden Tier dutch Mangel an Energie zu tGten. Nach Versuchen yon F. WIND und den Verfassern beruht dies darauf, dab die Ver- sorgung des Tumors mit Sauerstoff und Glucose dutch den Blutstrom schleehter ist als die Ver- sorgung der normalen Organe. Senken wir bei- spielsweise den Sauerstoffgehalt des arteriellen

Blutes, so entsteht zun~ichst nur in dem Tumor und erst bei st~rkeren Senkungen in den nor- malen Organen Mangel an Sauerstoff.

Um die beiden energieliefernden Reaktionen des Tumors gleichzeitig zu hemmen, mfiBte gleich- zeitig die Glucose- und Sauerstoffkonzentration ira arteriellen Blut gesenkt werden, was aus tech- nischen Grfinden nicht gut m6glich ist. Hier kommt uns die Natur zu Hilfe. Denken wir uns den Tumor in eine ,,arterietle" und eine ,,ven6se" H~lfte zerlegt, so g~rt im K6rper nur die arterielle H~lfte betr/ichtlich. Die ven6se H~lfte g~rt kaum, weii die Glncosekonzentration auf dem \Vege dutch die arterielle H~lfte zu fief sinkt. Andererseits reicht die Versorgung des Tumors n i t Sauerstoff gerade aus, um die Atmung in dem Tumor zu er- halten. Gehen wir also mit dem Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes auf die H/ilfte herunter, so ge-

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44 ° WARBURG und NEGELEIN: tiber Abt6tung yon Tumorzellen im K6rper. [ Die Natur- Lwissenschaften

r~it der ven6se Teil des Tumors unter Sauerstoff- mangel und mul3, da in ihm auch die Ggrung klein ist, aus MangeI an Energie sterben.

Urn die Versuche auszufiihren, brachten wir Ratten, die im Abdomen kirschgroBe JB•SEX- sarkome trugen, 4 ° Stunden in Gasgemische, die 5 Vol.% Sauerstoff enthielten (statt 21 Vol.%, wie die Luft). Eine kleine Menge Ammoniak, zur Verminderung der Acidosis, war den Gasge- mischen zugefiigt. Die Tiere wurden dalm get6tet, die Tumoren herausgenommen und ihr Stoff- wechseI gemessen. Es zeig~e sich, dab der Haupt- teil der Tumoren abgestorben war, nur ein diinner ~uBerer Rand hatte die Dehandlung tiberlebt. Der Stoffwechsel der Randzellen war normal, der Stoff- weehsel der fibrigen Zellen, sowohl ihre Atmung als aueh ihre G~rung, war Null.

Die erwartete Wirknng war also vorhandeli, aber viel gr613er, als wit vorausberechnet batten. Offenbar bewirkte die Erstiekung der ven6sen

Tumorh~lfte, dab auch der gr613te Tell der arteriel- len H~ilfte abstarb. }4 Wir erkl~reli dies dureh die Annahme, dab der Sauerstoflmangel in dem ven6sen Tell des Tumors nicht nur die Tumorzellen, sondern auch die Zellen der Tumorcapillareli t6tet. Die Folge muB seii1, dab die Tumorcapillareli unwegsam werden, wodurch auch die arterielle Tumorh~lfte gesch~digt wird.

Zun~ichst erscheint es paradox, dab Tumorzelien, bei deren Entstehung nach unserer Auffassung MangeI an Sauerstoff mitwirkt, durch Mangel an der gleichen Substanz getStet werden k6nnen. In Wirklichkeit liegt bier ein Widerspruch nicht vor. Auch bei der Entstehung der Kulturhefe aus wilder Here spielt wahrseheinlich der Sauer- stoffmangel in den G~rgef~iBen eine Rotte, und doch kann man Kutturheic, wie Tumorzellen, durch Sauerstoffmangel abt6ten: in beiden F~Ilen, wenn der zur G~rung notwendige Zucker fehlt.

Herausgeber und verantwortlicher Schriftleiter: ~r .~l t f l . e. ~). DR. ARNOLD B E R L I N E R , Berlin W 9. Verlag yon Julius Springer in Berlin W 9. - - Druek dex Spamerscheu Buchdruckerei in Leipzig.