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Naunyn-Schmiedeberg's Arch. exp. Path. u. Pharmak. 239, 54--67 (1960) Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Frankfurt am Main (Direktor: Prof. Dr. P. ttOLTZ) Über das bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes ~ ~~ Von P. HOLTZ, H. W. RAUDONAT und CHR. CONTZEN Mit 7 Textabbfldungen (Eingegangen am 1. Februar 1960) Neben kristallisiertemTrypsin sind es an Proteasen reiche Schlangen- gifte, z.B. das Gift von Bothrops- und Crotalusarten, die bei der Inku- bation mit Plasma oder Serum Bradykinin entstehen lassen, das am isolierten Darm eine langsam erfolgende Kontraktion verursacht (~Qa&J~ ~ langsam, ~tve~v----bewegen) und bhitdrucksenkend wirkt. Die Vorstufe -- ,Bradykininogen" -- gehört der ~-Globulinfraktion an. Die gleiche Proteinfraktion enth/~lt ,Hypertensinogen", aus dem durch .das ,Renin" der Nierenrinde darmerregendes, aber blutdrucksteigerndes ù Hypertensin" entsteht. Die Tatsache, daß ein und dieselbe Eiweiß- fraktion Muttersubstanz für 2 pharmakologisch verschiedene Wirkstoffe -- Bradykinin, Hypertensin -- ist, macht es schon unwahrscheinlich, daß die Bradykininbildung durch Sehlangengift auf dessen proteo- lyrischer Aktivität schlechthin beruht; wahrscheinlicher ist, das ein ùspezifischer" Faktor des Giftes den Wirkstoff aus Globulinen freisetzt. Vor einigen Jahren fanden wir, daß das bradykininbildende Prinzip des Bothropstoxins zusammen mit dem thrombinähnlichen, Fibrinogen koagulierenden Prinzip sich durch fraktionierte Fänung mit Ammon- sulfat von der ,Proteasenfraktion" trennen ließ: der durch 40°/sige Sättigung mit (NHt) 2 • S04 erhaltene Niederschlag war stark proteo- lytisch wirksam (Anson-Test), der anschließend bei 60s/tiger Sättigung entstehende Niederschlag enthielt bei nur sehwacher proteolytischer Aktivität fast die gesamte ,Koagulase" des Giftes und setzte bei einem p~-Optimum von 6,5 aus Globulinen ,Bradykinin" frei (HonTz u. RAU- DONAT). • Herrn Professor Dr. PAULWELSzum 70. Geburtstag gewidmet. • * Die Arbeit wurde mit finanzieller Unterstiitzung der U.S. Department of the Army, European R¢search Office, durchgeführt. Eine kurze Mitteilung erfolgte in den ,Naturwissenschaften" (CO~¢TZE~, HOLTZ U. I~AUDO~¢XT 1959).

Über das bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes

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Page 1: Über das bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes

Naunyn-Schmiedeberg's Arch. exp. Path. u. Pharmak. 239, 54--67 (1960)

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Frankfurt am Main (Direktor: Prof. Dr. P. ttOLTZ)

Über das bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes ~ ~ ~

Von P. HOLTZ, H. W. RAUDONAT und CHR. CONTZEN

Mit 7 Textabbfldungen

(Eingegangen am 1. Februar 1960)

Neben kristallisiertemTrypsin sind es an Proteasen reiche Schlangen- gifte, z.B. das Gift von Bothrops- und Crotalusarten, die bei der Inku- bation mit Plasma oder Serum Bradykinin entstehen lassen, das am isolierten Darm eine langsam erfolgende Kontraktion verursacht (~Qa&J~ ~ langsam, ~tve~v----bewegen) und bhitdrucksenkend wirkt. Die Vorstufe -- ,Bradykininogen" -- gehört der ~-Globulinfraktion an. Die gleiche Proteinfraktion enth/~lt ,Hypertensinogen", aus dem durch .das ,Renin" der Nierenrinde darmerregendes, aber blutdrucksteigerndes ù Hypertensin" entsteht. Die Tatsache, daß ein und dieselbe Eiweiß- fraktion Muttersubstanz für 2 pharmakologisch verschiedene Wirkstoffe -- Bradykinin, Hypertensin -- ist, macht es schon unwahrscheinlich, daß die Bradykininbildung durch Sehlangengift auf dessen proteo- lyrischer Aktivität schlechthin beruht; wahrscheinlicher ist, das ein ùspezifischer" Faktor des Giftes den Wirkstoff aus Globulinen freisetzt.

Vor einigen Jahren fanden wir, daß das bradykininbildende Prinzip des Bothropstoxins zusammen mit dem thrombinähnlichen, Fibrinogen koagulierenden Prinzip sich durch fraktionierte Fänung mit Ammon- sulfat von der ,Proteasenfraktion" trennen ließ: der durch 40°/sige Sättigung mit (NHt) 2 • S04 erhaltene Niederschlag war stark proteo- lytisch wirksam (Anson-Test), der anschließend bei 60s/tiger Sättigung entstehende Niederschlag enthielt bei nur sehwacher proteolytischer Aktivität fast die gesamte ,Koagulase" des Giftes und setzte bei einem p~-Optimum von 6,5 aus Globulinen ,Bradykinin" frei (HonTz u. RAU- DONAT).

• Herrn Professor Dr. PAUL WELS zum 70. Geburtstag gewidmet. • * Die Arbeit wurde mit finanzieller Unterstiitzung der U.S. Department of the

Army, European R¢search Office, durchgeführt. Eine kurze Mitteilung erfolgte in den ,Naturwissenschaften" (CO~¢TZE~, HOLTZ

U. I~AUDO~¢XT 1959).

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Das bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes 55

Mit diesen Ergebnissen im Einklang steht der inzwischen von anderen Autoren veröffentlichte Befund, daß kurzes Erhitzen des Bothrops- toxins zu einem Verlust der proteolytisehen Aktivität führt, während die koagulierende und bradykininbildende Wirksamkeit erhalten bleibt (HAMBERG u. ROCHA w SILVA). -- Im folgenden wird über Versuche berichtet, das bradykininbildende Prinzip gegen andere ,Akt ivi tä ten" des Schlangengiftes weiter abzugrenzen und Aufschluß über seine Natur zu erhalten.

Versuche 1. Bradykininbildung und -zerstörung

Die in der ,Proteasenfraktion" des Giftes enthaltene, hitzelabfle, proteolytlsche, ehymotrypsinähnliche Aktivität dürfte die Ursache dafür sein, daß bei längerer Inkubation mit Globulinen das entstandene Bradykinin inaktiviert wird.

Methodik. Versuchsansatz. Eine l°/00ige Lösung von Bothropstoxin (Bothrops jaxaraca) in Aqua dest. oder NaC1 (0,9°/0ig) wird mit dem 4--10lachen Volumen 3°/oiger Globulinlösung (siehe unten) bei Zimmertemperatur inkubiert. In Parallel- versuchen wurde die Toxinlösung vor der Inkubation 5--10 min lang im siedenden Wasserbad erhitzt, nachdem sie mit HC1 auf p~ 5,5 gebracht worden war. Der beim Erhitzen entstehende Niederschlag wurde abzentrifugiert, die überstehende Lösung mit Globulinen inkubiert. Die Inkubate werden in bestimmten Zeitabständen am isolierten Meerschweinchendarm (Jejunum in 20 ml Tyrode, 37 ° C) getestet.

Globuline. 101 Rinderblut, mit Natriumcitrat ungerinnbar gemacht, werden 30 min bei 3000 Umdrchungen zentrifugiert. ])as Plasma (etwa 5 1) wird mit 25 g CaC12 versetzt, das ausfallende Fibrin durch Schlagen mit einem ttolzstab entfernt. Das' Serum wird mit Ammonsulfat (20°/0ige S~ttigung) versetzt. Nach Abzentri- fugieren des Niederschlages wird der Überstand mit Ammonsulfat bei 500/0 Sätti- gung gefällt, der abzentrifugierte Niederschlag in Cellophanschläuchen (KALLE) 48 Std lang gegen fließendes Wasser salzfrei dialysiert, anschließend lyophilisiert. Das Troekenpulver wird 3°/0ig in einem Gemisch von 4 Teilen NaC1 0,9°/0ig und 6 Teilen m/15 Natriumphosphatpuffer (pE 6,5) gelöst: ,Globulinlösung".

Nach Desensibilisierung des Darmes durch 2maliges Einwirken- lassen von je 0,2 ml 0,1°/ooiger Bothropstoxinlösung (Abb. 1, T) lösen 0,2 ml der nach 5 min langer Inkubation zugesetzten Inkubate eine Darmkontraktion aus, die etwas stärker ist als die durch 0,3/~g Histamin (Hi) verursachte. Das mit dem 5 min lang erhitzten Gift angesetzte Inkubat (Abb. 1, I I ) ist etwas schwächer wirksam als das mit dem nicht erhitzten Gift angesetzte (Abb. 1, I). Mit fortschreitender Inkubation nimmt die Wirksamkeit von I I (erhitztes Gift) noch zu, die Wirksamkeit von I ab: nach 55--65 min langer Inkubation hat die darmerregende Wirkung von I (nicht erhitzt) um mehr als 500/0 abgenommen, die von I I (erhitzt) ist praktisch unverändert geblieben.

5 min langes Erhitzen auf 100°C, das nach der schon erwähnten Beobachtung von HAMB]~~G u. ROCKA ~ SILVA die proteolytische Akti- vitgt des Bothropsgiftes zerstört, hebt auch die bradykinin-inaktivierende

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56 P . HOLTZ, H . W . :RAuDONAT u n d CHR. C O ~ T Z E ~ :

Wirkung des Giftes auf, w~hrend das bradykininbildende Prinzip weit- gehend intakt bleibt. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß den hitzelabilen ù Pro teasen" des Giftes die bradykinin-inaktivierende Wirkung zukommt.

Durch längeres Erhitzen der Toxinlösung wird auch das bradykinin- bildende Prinzip gesch/tdigt. Das mit 10 min lang erhitztem Gift angesetzte Inkuba t ist nach einer Inkubationszeit von 5 min deutlich schwächer

Abb. 1. Bradykininbildung und -zerstörung. ]~eerschweinchendarm in 20 ml ly rode . Zusatz von 0,2 m 1 ù I n k u b a t " : 1 ml Bothropstoxin (l°]o«ig) und 9 ml Globulinlösung ( 3 ° / o l g ) . - I Toxinlösung nicht erhitzt . I 1 Toxinlösung vor der Inkuba t ion 5 min lang au f 100 ° C erhitzt. - - Hi 0,3 gg Histamin. - - T 0,2 ml Toxinlösung (l°/0oig) zur Desensibilisierung. Die Zahlen bedeuten Inkubat ionsdauer in

Minuten

wirksam als das mit dem Nativgift angesetzte (Abb.2a). Nach 15 min langer Inkubat ion sind beide Ansetze gleichwirksam, und nach 25 min, noch deutlicher nach 35 min, hat sich das Wirksamkeitsverh~ltnis umgekehrt : I I (erhitztes Gift) ist jetzt viel wirksamer als I (nicht erhitztes Gift).

2. Bradykininbildung durch andere Crotalidengi/te Das Gift von Crotalus atrox (Texas-Klappersehlange) ist in bezug auf

bradykininbildende Aktivi tä t wirksamer als Bothropsgift. In dem in Abb. 2 a u. b dargestellten Versuch wurde ein Bothropstoxin enthaltender Ansatz mit einem Crotalustoxin enthaltenden am gleichen Testdarm verglichen. Die Inkubate mit Crotalusgift sind wirksamer, obwohl die Konzentrat ion der benutzten Giftlösung (0,1 °/0o) 10mal geringer war als die Konzentrat ion der benutzten Bothropsgiftlösung (1 °/0o). Der Unter- schied könnte allerdings, wenigstens zum Teil, auch dadurch zustande kommen, daß in den Inkubaten mit Crotalustoxin die Inaktivierung des entstandenen Bradykinins nicht so schnell erfolgt wie in den Inkubaten mit Bothropstoxin: im ersten Fall (Crotalus) hat die darmerregende

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])as brudykininbildende Prinzip des Schlangengiftes 57

Wirkung selbst nach 50 min kaum abgenommen, im zweiten Fall (Bothrops) ist sie schon nach 35 rain langer Inkuba t ion nur noch unge- i~hr halb so s tark wie naeh 5 rain langer Inkubat ion.

Auch bei der Inkuba t ion yon Globulinen mit dem Toxin yon Ayk~stro. don blomko/fii bi ldets ich, ,Bradykinin" (Abb. 2 c). Die Versuchsans~tze sind nach 45 rain langer Inkuba t ion noeh ebenso wirksam wie nach n u t 5 rain

Abb. 2 a--c, B~h~rps-, Crotalus- und Aaki~trodo~oxin. Meerschweinchendarm in 20 ml Tyrode. Zusatz yon je 0,2 ml folgender Inkubate: a Inkub~t: 0,5 ml Bothrops :a~'araca-Toxin (l°/~ig) ~- 2,0 ml Gto- bttlinltisung (~],ig). I ToxinlOsung nicht erhitzt; H ToxialSsung vor der tnkubation l0 rain lung auf 100~C erhitz$, b Inkubat: 0~5 ml Crotatus atrox-Toxin (0,1~/o~ig) ~ 2,0 ml GlobulinlOsung (3*/aig). c Inkubat: 0,5 ral Agkis~redon-Toxin (l~/a0ig)-~- 2 ,0ml GlobulinlOsung (3°]oig). I Toxin- lOsung rdcht e~]~tzt; I I ToxinlOsung vor der Inkuba~ion 5 rain t~ng auf tOO~C erhi%~. Die Z~hle*t

b~deu~en tnkubation~dauer in ~2nuteu

langer; die Ansi~tze mit, vorher au f 100 ° C erhitzter Gfftl6sung sind gleich- wirksam wie diejenigen mi t Nativgift,. Auch das sprieh~ dafiir, dab Agkistrodontoxin - - wenn i iberhaupt - - nur wenig bradykinin. inakt i . vierendes Prinzip enth~lt.

3. Abtrennung des bradykininbildenden Prinzips a) F~llung mit Alkohol und Aether. t0 ml einer 2°/oigen LOsung yon Bothrops-

~oxin werden 5 min lung auf 100°C erhitzt; die entstandene Ausflockung wird abzen~rifugiert. -- Die iiberstehende waSrige LSsuvg wird mit 40 ml ~thanol (96o/~ig) gefallt,; der weiBflockige Niederschlag nach 30 rain tangem Stehen im Eis- sehrank abzentrifugiert und in 5 ml Aqua dest. getSst (N t). -- Zu der tiberstehenden

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58 P. HOLTZ, H. W. RAUDONAT und C~R. CONTZE~:

alkoholischen Lösung wird das 4fache Volumen Äther gegeben; die beim Stehen im Eisschrank sich verstärkende Fällung wird abzentrifugiert und ebenfalls in 5 ml Aqua dest. gelöst (N 2).

Durch Erhitzen von Bothropsg i f t h a t t e sich die proteolytische -- b radyk in in inak t i v i e r ende - - W i r k u n g besei t igen lassen. Bradykinin. bildende und koagulierende A k t i v i t ä t b l ieben e rha l ten : der durch Zentr i - fugieren der e rh i tz ten Lösung gewonnene Ü b e r s t a n d setzte aus Globu- l inen einen da rmer regenden Stoff (Bradykin in) frei und b rach te eine F ib r inogen lösung zur Koagu la t ion .

Durch f rak t ion ie r t e F~l lung der Toxinlösung mi t Alkohol und Äthe r gel ingt es, auch diese beiden, r e la t iv h i tzes tab i len A k t i v i t ä t e n vonein- ande r zu t r ennen : der mi t Alkohol en t s tehende Niederschlag (N1) en thä l t die gesamte koagul ie rende Ak t iv i t ä t , daneben e twa 2/a der b radyk in in - b i ldenden. Der anschl ießend mi t Äther en ts tehende Niederschlag (N2) bes i tz t keine koagul ie rende Wi rksamke i t , wohl aber e twa 1/a der b rady- k in inb i ldenden Akt iv i t / i t .

Versuchsbeispiel. ,NI" , 1:10 mit Aqua dest. verdünnt, und ,N2", 1:5 mit Aqua dest. verdünnt, ließen bei der Inkubation mit 3°/0iger Globulinlösung gleich- viel darmerregende Substanz (Bradykinin) entstehen; im ,Koagulasetest" (für Einzelheiten der Methodik siehe HOLTZ U. I~AUDO~rAT) - - 0 ,1 ml N 1 bzw: N~ ~ 0,1 ml Fibrinogenlösung, 0,60/0ig -- war N~ (unverdünnt) selbst bei einer Einwirkungszeit von mehreren Minuten vollständig unwirksam, N 1 (1:100 verdünnt) wirkte nach 45 sec, in einem zweiten Ansatz in 48 see koagulierend.

Mit Alkohol l äß t sich somi t die gesamte koagul ie rende und ein Teil der b r adyk in inb i l denden A k t i v i t ä t des Bothropsgi f tes fäl len; anschlies- send mi t Ä the r der koagulasefreie Res t de r b radyk in inb i ldenden Akt i - v i t ä t .

D a ß die , K o a g u l a s e " des Bo th rops tox ins n ich t mi t dem b radyk in in - b i ldenden Pr inz ip ident isch ist, dür f t e schon deshalb wahrscheinl ich sein, weil auch solche Schlangengif te , z .B. das Gift von Crotalus a t rox, die keine Koagu lase besitzen, aus Globul inen Bra dyk in in en t s tehen lassen.

b) Dialyse. 5 ml Crotalustoxin (l°/oige Lösung in Aqua dest.) werden 48 Std lang bei 2°C gegen 50 ml Aqua dest. in einem Cellophanschlauch (Kalle)dialysiert. 0,5 ml des Dialysates (ù10/oo '') und 0,5 ml des 1 : 100 verdünnten Dialyserückstandes (ù0,1°/oo '') werden mit 2 ml Globulinlösung inkubiert; die Inkubate werden am Meerschweinchendarm getestet.

Bei längerer I n k u b a t i o n mi t Globul inen zeigt sich, daß auch Crotalus- t ox in e twas bradykininzerstörendes Pr inz ip en thä l t : das I n k u b a t mi t Dialyserüc]cstand h a t nach 45 min das Max imum an D a r m w i r k s a m k e i t er re icht und n i m m t mi t fo r t schre i tender I n k u b a t i o n - - nach 55 und 65 min - - an W i r k s a m k e i t ab (Abb. 3, R). - - Das wicht igs te Ergebnis des Versuches is t aber, daß auch das Dialysat bradyk in inb i ldend wi rk t : das I n k u b a t mi t D ia ly sa t (Abb. 3, D) n i m m t kont inuier l ich an Darm- wi rksamke i t zu; bei Versuchsende - - nach 65 min - - is t es wi rksamer als

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D a s b r a d y k i n i n b f l d e n d e P r i n z i p d e s S c h l a n g e n g i f t e s 59

das Inkubat mit Dialyserückstand (R), weil es offenbar kein bradykinin- zerstörendes Prinzip enthält. Das Dialysat ist zwar, obwohl es einer 10fach höheren Gfftkonzentration entspricht (l°/oo) als der Dialyse- rückstand (0,1°/0o), weit schwächer wirksam als dieser; dem Ergebnis des Versuches kommt jedoch prinzipielle Bedeutung zu, da aus ihm hervorgeht, daß wenigstens ein Teil des im Crotalusgift enthaltenen bradykininbildenden Faktors dialysabel, also kleinmolekular ist.

Abb.3. Bradyl~ninbildung durch das Dialysat von Grotalu$-Toxin: Meerschweinchendarm in 20 ml Tyrode. Zusatz von je 0,2 ml folgender Inkubate : D 0,5 ml Dialysat, , l° /0 , ' ' (siehe Text) q- 2,0 ml Blobulinlösung (3°/tig); /~ 0,5 ml 1)ialyserückstand, ,O,le/oo "" (siehe Text) q- 2,0 ml Globulinlösmlg

(3*[0lg); Hi 0,2 ~g His~amin. - - T Zur Desensibilisierung 0,1 ml Dialyserflekstand (:[*[~)

In der gleichen Versuchsanordnung waren Dialysate 1 °/0iger Lösungen von Bothropsgi]t unwirksam. Aber auch das Nativgift von Bothrops jararaca war in bezug auf bradykininbfldende Aktivität ungefähr 10mal schwächer wirksam als das von Crotalus atrox (siehe Kapitel 2). Untersuchungen mit Dialysaten von Bothropstoxin wären andererseits von besonderem Interesse gewesen, da sie vielleicht zu entscheiden vermocht hätten, ob sich das -- im Crotalustoxin nicht vorkommende -- koagulierende Prinzip von dem bradykininbildenden durch einfache Dialyse trennen läßt. Wir haben deshalb in 4 Versuchen die aus 1 °/0igen Lösungen von Bothropstoxin (in 0,450/0 NaC1 gelöst) gewonnenen Dialysate lyophilisiert und die Lyophilisate nur in 1/10 des ursprünglichen Volumens Aqua dest. aufgenommen. 0,5 ml dieses ,Dialysates", mit 2 ml Globulinlösung inkubiert, ließen in 2 Versuchen mit zunehmender Inkubationszeit zunehmend darmerregenden Stoff entstehen. -- Die bradykininbildenden Dialysate des Bothropstoxins waren im Koagulase- test vollkommen wirkungslos. Die koagulierende Aktivität des Bothrops-

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60 P. H O L T Z , H. W. RAUDONAT und CHR. COI~TZEN:

giftes k o m m t demnach , im Gegensatz zur b radyk in inb i ldenden , aus- schließlich größermolekularen , n ich t d ia lysab len Bes tand te i l en zu.

Ultra/iltration des Toxins ermögl icht au f einfachere Weise eine Trennung der be iden Ak t iv i t ä t en .

e) UltraIiltration. 10 ml einer l°/0igen Lösung von Bothropstoxin in NaC1 (0,9°/0ig) werden unter einem Druck von 10Atm. N~ ultrafiltriert (Göttinger Membranfilter Lsg. 60). 0,5 ml des Ultrafiltrats und 0,5 ml des in 10 ml NaC1- Lösung aufgenommen, anschließend mit NaC1-Lösung 1 : 10 und 1 : 100 verdünnten Filterrückstandes werden mit 2,0 ml Globulinlösung (3°/0ig) inkubiert; die Inkubate werden am Darm getestet.

Dar in A b b . 4 darges te l l te Versuch mi t U l t r a f i l t r a t be s t ä t i g t das Ergebnis der Versuche mi t Tox in -D ia ly sa t en : daß näml ich die b rady- k in inb i ldende A k t i v i t ä t wenigstens zum Teil k le inmolekularen Bes tand-

te i len der Toxine zukommt . Das eiweißfreie Ul t ra f i l t r a t (U), in dem Suffosal icyls~ure keine Spur einer T rübung hervor ruf t , ent- hä l t ungefähr 1/10 der b radyk in in - b i ldenden A k t i v i t ä t des Giftes. Nach 10 min langer I n k u b a t i o n s - zei t is t das I n k u b a t mi t Ul t ra - f l l t ra t (U) so d a r m w i r k s a m wie das I n k u b a t mi t de r 10fach v e r d ü n n t e n Lösung des F i l t r i e r - rücks tandes (RII). I m K o a g u l a s e - t es t i s t U im Gegensatz zu RII

~ • vo l lkommen unwirksam. F ü r die ~) "~ Eiweißfre ihe i t des Ul t r a f i l t r a t s

spr ich t auch, daß es, im Gegen- Abb.41 Bradykininbildun¢ durch das Ul~ra]iltrat von Bothrops-Toxin. Meerschweinchendarm in s a t z z u m Filterrückstand, keine 20 ml Tyrode. Zusa tz von je 0,4 ml folgender proteolytische Aktivität und I n k u b a t e : R z 0,5 ml F i l t r i e r rücks tand 1:100 (sieheText);Rlldasselbe,]edochl:lO(sieheText); wohl deshalb auch keine b rady- U 0,5 ml Ult raf l l t ra t u n v e r d ü n n t ~ 2,0 ml Globu- kin in - inak t iv ie rende Wi rkung l inlösung (3 «/~ ig). Die Zahlen geben die Inkuba t ions -

zeit in Minuten an bes i tz t : das I n k u b a t mi t U n i m m t mi t for t schre i tender In-

k u b a t i o n s d a u e r an D a r m w i r k s a m k e i t zu, die I n k u b a t e mi t RII u n d R I nehmen an D a r m w i r k s a m k e i t ab (Abb. 4).

So spr icht auch das R e s u l t a t dieser Versuche mi t Ul t ra f i l t r a t ion von Bo th rops tox in dafür , daß ein Teil der b radyk in inb i ldenden A k t i v i t ä t k le inmoleku la ren Stoffen zukommt , die deshalb d ia lysabe l und u l t ra - f i l t r ie rbar sind, - - während das koagul ie rende , sowie d a s , , p r o t e o l y t i s c h e " und b radyk in inze r s tö rende Pr inz ip g roßmoleku la r und deshalb weder d ia lys ierbar , noch u l t r a f i l t r i e rba r ist.

Page 8: Über das bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes

Das bradykininbfldende Prinzip des Schlangengiftes 61

Das Ergebn i s m i t den U l t r a f i l t r a t en von Bo th rops tox in , das wir in 7 wei te ren Versuchen bes t ä t igen konnten , l ieß sieh aus b isher n ich t gek lä r t en Gründen mi t den U l t r a f i l t r a t en einer neubezogenen Gif tcharge auch u n t e r Verwendung neuer Membranf i l t e r nur in 2 von 9 Versuchen reproduzieren .

4.Bradykininbildendes und esterspaltendes Prinzip Bei de r par t i e l l en H i t ze inak t i v i e rung des Bo th rops tox ins geh t die

proteolytische u n d bradykinin-inalctivierende W i r k s a m k e i t ver loren, die koagulierende u n d bradykinin-bildende ble ib t erhal ten. Aber auch die es te ra t i sche W i r k s a m k e i t des Giftes, d .h . seine F~higkei t , z .B. den Methy les t e r des Benzoylarg in ins zu spal ten , is t nach den schon e rwähn ten Un te r suchungen von HAMBE~G U. ROCHA E SILVA ùhi tzes tab i l " .

Der Methy les t e r des Benzoylarg in ins wird auch durch Tryps in (B~,RGMA~N, FgVTO~ U. POLLOK) u n d T h r o m b i n (SHERRY U. TROLL) gespal ten . Daß die , e s t e r a t i s e h e " W i r k s a m k e i t des Schlangengi]tes n ich t m i t de r th rombinähn l i chen , koagu l ie renden K o m p o n e n t e ident i sch ist, wurde schon dadu rch wahrscheinl ich , daß wir auch mi t Crota lus toxin , das keine koagul ie rende W i r k u n g bes i tz t , eine Spa l tung des Benzoyl- a rg in in -methy les te r s erhiel ten. Daß die Spa l tung des Es te r s durch Crota lusgi f t aber auch n ich t s e i n e r , , t r y p t i s c h e n " W i r k s a m k e i t z u k o m m t , sondern einer im Gift en tha l t enen Es te rase , zeigen Versuche m i t Gift- Dialysaten, in denen der Ester als S u b s t r a t der , e s t e r a t i s c h e n " Wi rkung , Benzoylargininamid als S u b s t r a t der , t r y p t i s c h e n " W i r k u n g diente.

Methodik. 5 ml einer l°/0igen Lösung von Crotalusgift in 0,45°/0iger 1YaC1- Lösung werden 48 Std lang gegen die 10fache Menge Aqua dest. dialysiert. Das Lyophilisat des Dialysates wurde in 2,5 ml Aqua dest. aufgenommen. 1 ml dieser Lösung (,Dialysat") bzw. 1 ml des Dialyserückstandes wurden mit je 1 ml Benzoyl- argininmethylester (30 mg in m/100 Natriumphosphatpuffer vom PH 7,8) inkubiert und die Esterspaltung titrimetrisch verfolgt. ])er Kontrollansatz enthielt anstatt Dialyserüekstand bzw. ,Dialysat" 1 ml 0,9°/0ige NaC1-Lösung. Der in diesem er- mittelte Wert für die Spontanspaltung wurde in Abzug gebracht.

Die Esterspaltung wurde titrimetrisch mit n/100 alkohol. KOH bestimmt. - - Zu 0,2 ml des Inkubates wird nach Zusatz von 2 Tropfen 0,1°/0iger alkohol. Thymol- phthaleinlösung n/100 KOH bis zu deutlicher Blauf/~rbung zufiießen gelassen. Hierauf werden 1,8 ml absol. Alkohol zugefügt. Die jetzt entfärbte Lösung wird schließlich mit KOH bis zum Auftreten einer hellblauen Farbe titriert. -- Die Titrationen er~blgten in einem gegen Tageslicht abgedeckten, mit einer 100 Watt Tageslichtlampe erleuchteten Kasten.

Die Amidspaltung wurde nach der Methode von CONWAY durch Titration des aus dem Benzoylargininamid freigesetzten Ammoniaks mit n/100 HC1 bestimmt.

Benz.oylargininmethylester wurde nach der von D~RR U. Se:äTH angegebenen Vorschrift aus Arginin, Benzoylchlorid und Methanol selbst hergestellt oder von der Firma Arcochemie, Berlin, bezogen.

Benzoylargininamid wurde aus dem Ester nach DI~R u. SPXT~ durch S/~ttigung der methanolischen Lösung mit trockenem Ammoniak gewonnen. Die ausfallenden Kristalle wurden aus heißem Wasser umkristallisiert.

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62 ~P. HOLTZ, H . U . RAUDONAT u n d CHR. CONTZEN."

J i

80

80

yo

Die Abb. 5 zeigt den zeitlichen Verlauf der Spaltung des Benzoyl- argininmethylesters durch Dialysat und Dialyserückstand aus Crotalus- toxin. Auch das Dialysat ist wirksam. Wie das bradykininbildende Prinzip des Giftes, so ist also auch die Esterase kleinmolckular und deshalb dialysabel.

Demgegenüber war das Dialysat nicht in der Lage, das Amid des Benzoylarginins zu spalten. In Versuchsansätzen, in denen nach 12 und 24stündiger Inkubation bei 37°C durch den Dialyserückstand und das.

/ , ù¢> 28

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\P~Tdul/n

6# 90 min z~g

Abb. 5. Spaltung des Benzoylargininmethyl- esters in Prozent des angebotenen Substrates durch Dialysat und Dialyserücksta~~ aus Crotalus-Toxin sowie durch Padutin.

Versuchsansätze: siehe Text

nicht dialysierte Crotalustoxin (l°/oig) 35 und 50o/0 des angebotenen Substrates desamidicrt wurden, erwies sich das Dialysat als unwirksam.

Im Gegensatz zu dem brady- kininbildenden und esterspaltendert Faktor des Giftes ist somit die ùtryptische", amidspaltendc Aktivi- tä t an großmolekulare, nicht dialy- sable Bestandteilc geknüpft.

Diese Ergebnisse finden eine Stütze und Ergänzung in Versuchen mit Padutin (Kallikrein).

5. Padutin Die Entstehung eines darm-

erregenden und blutdruckseifl~enden Stoffes aus Plasmaglobulinen durch Einwirkung von Verdauungs- fermenten -- des Trypsins der Bauchspeicheldrüse und des bradykinin- bildenden Faktors des Speieheldrfisensekretes von Schlangen (Bothrops, Crotalus) -- macht verständlich, daß auch Extrakte aus Speichel- und Bauehspeicheldrüsen von Rindern, Schweinen und Hunden bei der Inkubation mit Globulinen einen Wirkstoff entstehen lassen, der sieh weder chemisch, noch pharmakologisch von Bradykinin unterscheidet. Der ,Kall idin" genannte Stoff (WERLE, KEHL U. KOEBKE) entsteht aus einer der «2-Fraktion der Blutglobuline angehörenden Vorstufe ,Kallid- inogen" unter der Einwirkung eines zuerst aus Harn dargestellten Faktors, der den Namen ,Kall ikrein" erhielt, da er besonders reichlich im Pan- kreas (na~~tn~éa¢) vorkommt (FRE¥, KRAUT U. WERL]~). ,Brady- kininogen" und ,Kallidinogen", bradykininbildender Faktor und ,Kalli- krein", ,Bradykinin" und ,Kall idin" dürften deshalb jeweils Synonyma sein.

Bradykininogen + bradykininbildcnder Faktor Bradykinin

Kallidinogen +f- Kallikrein Kallidin

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Das bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes 63

Das aus Harn gewonnene Kallikrein findet als Handelspräparat unter dem Namen , P a d u t i n " therapeutische Anwendung. Wie wir schon früher mitgeteilt haben (Co~TZ]~N, HOLTZ u. RAUnOZeAT), ist Padut in - - wie die Dialysate und Ultrafiltrate der untersuchten Schlangengifte - - frei von Fibrinogen koagulierender und amidspaltender (Benzoylargininamid) Wirkung, besitzt aber neben seiner bradykinin- (kallidin-) bildenden eine esterspaltende (Benzoylargininmethylester) Aktivi tä t (siehe Abb.5). Diese wurde gleichzeitig und unabhängig von uns auch von HABV, RMAZqN nachgewiesen.

Abb. 6~~--e. Darmwfrksam~elt verseh«eäener Braäykinlnprd~ara~. Vergleich mit Histamin undHyper- ten#/n. Meersehweinchendarm in 20 ml Tyrode. I , H siehe Text. Hy Hypertensin. Hi Histamin

Versuchsansätze. Zur Prüfung auf bradykininbildende Wirkung: 1 ml (10E) Padutin + 9 ml Globulinlösung (30/oig); zur Prüfung auf esteratische bzw. a/mid- ~pa/tende Wirkung: 1 ml Padutin + 1 ml (30 mg) Benzoylargininmethylester bzw. 1 ml (28 mg) Benzoylargininamid; zur Prüfung auf koagulierende Wirkung: 0,1 ml (1 E) Padutin + 0,1 ml Fibrinogenlösung (0,6°/oig). (Methodische Angaben in den entsprechenden Abschnitten der vorliegenden Arbeit.)

6. Bradykinin : darmerregende und blutdrucksenlcende Wirkung

Rohe Bradykininpräparate wurden aus Inkubaten von Globulinen (100 ml 3°/0ig) mit Bothropstoxin (10 mg) gewonnen: 1. Die Inkubate wurden mit der 4fachen Menge siedendem Alkohol gefällt, der Über- stand im Vakuum eingeengt und lyophilisiert {Br I) ; 2. Br I wurde mit 10 ml Eisessig extrahiert, der Ex t rak t mit der 5lachen Menge Äther (50 tal) gefällt und die Fällung im Vakuumexsiccator getrocknct (Br II) .

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64 1 ). HOLTZ, H . W . RAUDONAT u n d CHR. CO~TZE~:

Am Meerschweinchendarm ist Br I I ungefähr 5mal wirksamer als Br I (Abb.6): erst 200--250Bg Br I sind so wirksam wie 50#g Br I I (Abb. 6a); an einem weniger empfindlich reagierenden Darm waren 100 #g Br I I mit 500 #g Br I bzw. 150--200 #g Br I I mit 750 #g Br I wirkungsgleich (Abb. 6b).

Ein Vergleich mit reinem, synthetischem Hypertensin 1 (CIBA) ergibt, daß das Rohbradykinin ( B r I) 3000mal weniger darmwirksam ist als Hypertensin; es ist in diesem Versuch 1000mal schwächer wirksam als Histamin (Abb. 6 c).

Abb. 7. Blutdruckwirksara»eit verschiedener Bradykininpr~parate. a Kaninchen: 2,7 kg Urethan- narkose. Blutdruck in der Art. carotis. Injektionen in die V. j ugul. b Katze: 3,1 kg Pernoctonnarkose. Blutdruck in der Art. femoralis. Injektionen in die V. Jugul. I , I I wie in Abb.6, siehe Text.

Zeitschreibung: 1 min

Am Blutdruck ergibt sich eine ähnliche Relation zwischen Br I und Br I I wie am Darm. Das Kaninchen reagiert ungefähr 8mal empfind- licher als die Katze: am Kaninchen wirken 1 mg Br I I etwas stärker blutdrucksenkend als 5 mg Br I (Abb.7a); an der Katze 8 mg Br I I etwas stärker als 40 mg Br I (Abb. 7 b).

Diskussion und Zusammenfassung Das wichtigste Ergebnis der Untersuchungen scheint uns zu sein:

1. daß das weitgehend hitzestabile bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes (Bothrops jararaca, Crotalus atrox) zum Teil dialysierbar und ultrafiltrierbar ist, also ein kleinmolekularer Stoff sein muß;

1 Für die Überlassung von Hypertensin danken wir der Ciba A.G., Basel.

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Das bradykininbildende Prinzip des Schlangengiftes 65

2. daß der hitzestabile und kleinmolekulare bradykininbildende Faktor des Schlangengiftes sich durch diese Eigenschaften von denjenigen Faktoren unterscheidet, denen die proteolytische und tryptisehe (Spal- tung des Benzoylargininamids), sowie die im Bothropstoxin vorkommende thrombinähnliche, koagulierende Aktivität zukommt; denn diese sind entweder hitzelabil oder so großmolekular, daß sie nicht ins Dialysat und Ultrafiltrat übergehen; 3. dal3 die esterspaltende Aktivität des Schlangengiftes (Spaltung des Benzoylargininmethylesters) die einzige von allen untersuchten Aktivitäten ist, die seiner bradykininbildenden insofern parallel geht, als auch sie -- weitgehend hitzestabil -- so kleinmolekular ist, daß sie sich im Dialysat und Ultrafiltrat nach- weisen läßt.

Damit ergibt sieh die Frage nach der Natur des bradykininbildenden Prinzips des Schlangengiftes. Der kleinmolekulare bradykininbfldende Faktor ist sicher nicht identisch mit den Proteasen~ ebensowenig mit dem Wirkstoff der tryptischen Aktivität und der thrombinähnlichen Koagulase des Giftes; er könnte mit der Esterase identisch sein, die im Modellversuch den Methylester des Benzoylarginins spaltet. Eine andere Möglichkeit wäre, daß er ein relativ kleinmolekularer ,Kontakts tof f" ist, der, wenn er mit Serum bzw. Globulinen in Kontakt gebracht wird, in ähnlicher Weise Bradykinin entstehen läßt, wie z.B. Agar, Stärke, Inulin und Dextran bei der Inkubation mit Serum ,Anaphylatoxin" entstehen lassen, das auch glattmuskelige Organe erregt.

Nur ein kleiner Teil der bradykininbildenden Aktivität des Schlangen- giftes geht ins Ultrafiltrat und Dialysaßüber; der größte Teil bleibt im Rückstand. Das könnte daran liegen, daß die großmolekularcn Proteine des Giftes den überwiegenden Anteil des an sich kleinmolekularen bradykininbfldenden Faktors adsorptiv binden und dadurch seinen Übertr i t t ins Dialysat und Ultrafiltrat verhindern. Es könnte aber auch sein, daß es nicht nur einen, sondern mehrere bradykininbildende Faktoren gibt: klein- und großmolekulare. In der schon erwähnten, früheren Arbeit (HOLTZ U. RAUDO~AT) hatten wir gefunden, daß die bei 400/0iger Ammonsulfatsättigung fallende Fraktion des Bothropsgiftes, die proteolytisch sehr aktiv war, auch eine, wenn auch nur schwache, bradykininbildende Wirkung besaß, deren pE-0pt imum bei 8,0 lag, -- und daß die anschließend bei 60°/0iger Sättigung fallende Fraktion neben einer hohen ,Koagulaseakt ivi tät" auch eine hohe bradykininbildende Wirksamkeit besaß, deren pg-Optimum bei 6,5 lag. Besteht somit zumindest die Möglichkeit, daß an der Bradykininbildung durch Schlan- gengifte neben einem kleinmolekularen, dialysablen und ultrafiltrier- baren Faktor auch großmolekulare Proteinasen und Koagulase beteiligt sind, so scheint die Mitbeteiligung dieser großmolekularen Stoffe am Zustandekommen der Gesamtwirkung keine sehr erhebliche zu sein; denn

Naunyn-Schmiedeberg's Arch. exp, Path. Pharmak., Bd. 239 5

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66 P. HOLTZ, H. W. RAUDONAT und CRm CO~TZEN:

kurzes Erhitzen des Gfftes inaktiviert die proteolytische Wirkung, ohne dab die bradykininbildende Aktivit/it nennenswert abzunchmen braucht, - - und das bradykininbildende Crotalusgift besitzt iiberhaupt keine Koagulase.

Die Dialysier- und Ultrafiltrierbarkeit des bradykininbildenden Faktors des Bothrops- und Crotalustoxins er6ffnet vielleicht die M6g- lichkeit erfolgreicher Untersuchungen fiber seine ehemische Natur. Sic finder eine Parallele darin, dab auch die h/imolytische (RAUDONAT) und ,,cardiotoxische" Wirkung des Cobragi/tes zu einem erheblichen Anteil kleinmolekularen, dialysablen Bestandteilen zukommt (RAUDONAT U. HOLLER) und daB, wie in der folgenden Arbeit yon WESTERMANN U. KLAP1)ER gezeigt wird, auch an den Kreislaufwirkungcn des Cobra- toxins kleinmolekulare Stoffe wesentlich beteiligt sind, deren zum Tell fiber eine Freisetzung yon Histamin zustande kommende Wirkung sich dem Mechanismus naeh yon derjenigen der grogmolekularen Bestandteile des Giftes unterscheidet.

Summary

1. The bradykinin releasing principle of the venom of Bothrops jararaca and of Crotalus atrox is part ly dialysable through cellophane. With Crotalus venom about 10°/0 of the total activity are found in the dialysate.

2. The dialysates are free of the proteolytic and coagulating (Bothrops) as well as of the " t rypt ic" principle of the venoms as measured by the hydrolysis of benzoyLargininamid. Beside the bradykinin releasing principle they contain an "esteratic" activity, which splits the methyl- ester of benzoylarginin.

3. I t is concluded from the results that the bradykinin releasing principle may be identical with the esteratic principle but not with the proteolytic and tryptic nor with the fibrinogen coagulating principle. On the other hand it may belong to the group of "Kontaktstoffe" which like agar, inulin, starch and the dextranes, release "anaphyla- toxin" when they get into contact with serumproteins.

4. l~abbit~s are about 8 times more sensitive than cats against, the bloodpressure lowering action of bradykinin.

5. The question is discussed whether the snake venoms contain only one bradykinin releasing factor which is dialysable and of low molecular weight, or whether there are different factors, some of which have a high molecular weight and are therefore not diatysable.

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