6
114 R. H~: t)ber das Wasserbindungsverm~gen des S~iugetiermuskels VI. Mitteilung Einflu~ yon Adenosintriphosphat und 6uanosintriphosphat auI Wasserbindungsvermiigen und Rigidit~it des postmortalen Rindermuskels* Von R. Hn~ Mitteilung aus dem Institut ]i~r Chemie und Physik der Bundesanstalt /iir ~leisch/orschung, Kulmbach** Mit 6 Textabbildungen (Eingegangen am 9. Juli 1961) Wie wir frfiher gezeigt haben 1, wirkt ATP in physiologischen Konzentrationen (1,5 • 10 -S tool) auf Rindermuskelhomogenat kurz nach dem Tode des Tieres quellend und weichmachend, nach Eintreten des Rigor morris jedoch bei gleichem p~-Wert entquellend und kontrahierend. Erst bei relativ hohen ATP-Konzentrationen ist auch beim Rigor- und Post rigor-Muskel eine permanente Zunahme des Wasserbindungs- vermdgens und Abnahme der Rigidit~t festzustellen ~. Nun haben wir abet beobachtet, daI3 der Muskel (M. longissimus dorsi) mancher Rinder auch nach Eintreten der Totenstarre und selbst nach Ldsen des Rigor mortis auf ATP-Zusatz in niedriger Kon- zentration keine Abnahme des Wasserbindungsvermdgens eff~hrt; die Fliiche des geprel~ten Muskelfilms liel3 erkennen, dal3 in diesen Fi~llen keine Kontraktion eintritt. Dies ist insofern fiberraschend, als eine Hemmung der kontrahierenden und dehydrati- sierenden Wirkung yon ATP nur im schlachtwarmen Muskel bek~nnt ist. Diese Hem- mung beruht auf der Gegenw~rt eines Ersch]affungsfaktors (,,Marsh-Bendall-Faktor"), dessen Aktivitiit aber schon wenige Stunden nach dem Schl~chten aufgehoben ist ~. Es finden sich aber in der Literatur keine Hinweise auf die Tatsache, dab Muskel- gewebe 7--10 Tage post mortem auf ATP-Zusatz nicht reagiert. Es ist im Gegenteil bekannt, daI3 Muskel bei Kaltlagerung fiber viele Wochen seine ATP-induzierbare Kontraktiliti~t beh£1t S. Da nach unseren bisherigen Beobachtungen offenbar Zusam- menh~nge zwisehen der Reaktionsf~higkeit des Rigor- und Post rigor-Muskels gegen- fiber ATP und der Fleischqualit~t (Wasserbindungsvermdgen, Zartheit, Farbhaltung) bestehen, halten wir es ffir sehr aussiehtsreich, der Frage nach der Ursache des unter- schiedlichen Verhaltens yon Fleisch auf ATP-Zusatz nachzugehen, ttier war es zu- n&chst notwendig, in einer einleitenden Untersuehung die Wirkung verscbiedener Konzentrationen an ATP ~uf kontrahierende und nieht-kontrahierende Muskeln zu prfifen, wobei das Gewebe 7--10 Tage nach dem Schlachten zur Untersuchung kam. Gleichzeitig wurde aueh der Einflul~ yon Guanosintriphosphat auf Hydratation und Rigidit~t yon Muskelhomogenaten studiert. Methodik Als Untersuchungsmaterial diente der M. longissimu~ dorsi des Rindes, der 7 bis 10 T~ge nach dem Schlachten dem Tierkdrper entnommen wurde (10 Tiere). * Abkiirzungen: ATP = Adenosintriphosphat; GTP = Guanosintriphosphat. ** Fraulein tIEDWIGB~E]~ danke ich fiir ihre geschickte und fleil~ige ~itarbeit. 1 H A ~ , R.: Biochem. Z. 328, 309 (1955); Advanc. Food Res. 10, 356 (1960). tIier sind auch die Definitionen ffir die Begriffe ,,Wasserbindungsvermdgen" und ,,ttydratation" angegeben. Literatur bei 1%. H A ~ : Fleischwirtsch. 9, 692 (1957); 10, 80 (1958); Advanc. Food Res. 1O, 355 (1960) und bei J. R. W~KE~: Advent. Food t~es. 9, 1 (1959). PA~T~A~N, W. : Naturwiss. 42, 161 (1955).

Über das Wasserbindungsvermögen des Säugetiermuskels

  • Upload
    r-hamm

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Über das Wasserbindungsvermögen des Säugetiermuskels

114 R. H ~ :

t)ber das Wasserbindungsverm~gen des S~iugetiermuskels VI. Mitteilung

Einflu~ yon Adenosintriphosphat und 6uanosintriphosphat auI Wasserbindungsvermiigen und Rigidit~it des pos tmor ta len Rindermuskels*

Von

R. H n ~ Mitteilung aus dem Institut ]i~r Chemie und Physik der Bundesanstalt /iir ~leisch/orschung,

Kulmbach** Mit 6 Textabbildungen

(Eingegangen am 9. Juli 1961)

Wie wir frfiher gezeigt haben 1, wirkt ATP in physiologischen Konzentrationen (1,5 • 10 -S tool) auf Rindermuskelhomogenat kurz nach dem Tode des Tieres quellend und weichmachend, nach Eintreten des Rigor morris jedoch bei gleichem p~-Wert entquellend und kontrahierend. Erst bei relativ hohen ATP-Konzentrationen ist auch beim Rigor- und Post rigor-Muskel eine permanente Zunahme des Wasserbindungs- vermdgens und Abnahme der Rigidit~t festzustellen ~. Nun haben wir abet beobachtet, daI3 der Muskel (M. longissimus dorsi) mancher Rinder auch nach Eintreten der Totenstarre und selbst nach Ldsen des Rigor mortis auf ATP-Zusatz in niedriger Kon- zentration keine Abnahme des Wasserbindungsvermdgens eff~hrt; die Fliiche des geprel~ten Muskelfilms liel3 erkennen, dal3 in diesen Fi~llen keine Kontrakt ion eintritt. Dies ist insofern fiberraschend, als eine Hemmung der kontrahierenden und dehydrati- sierenden Wirkung yon ATP nur im schlachtwarmen Muskel bek~nnt ist. Diese Hem- mung beruht auf der Gegenw~rt eines Ersch]affungsfaktors (,,Marsh-Bendall-Faktor"), dessen Aktivitiit aber schon wenige Stunden nach dem Schl~chten aufgehoben ist ~. Es finden sich aber in der Literatur keine Hinweise auf die Tatsache, dab Muskel- gewebe 7--10 Tage post mortem auf ATP-Zusatz nicht reagiert. Es ist im Gegenteil bekannt, daI3 Muskel bei Kaltlagerung fiber viele Wochen seine ATP-induzierbare Kontraktiliti~t beh£1t S. Da nach unseren bisherigen Beobachtungen offenbar Zusam- menh~nge zwisehen der Reaktionsf~higkeit des Rigor- und Post rigor-Muskels gegen- fiber ATP und der Fleischqualit~t (Wasserbindungsvermdgen, Zartheit, Farbhaltung) bestehen, halten wir es ffir sehr aussiehtsreich, der Frage nach der Ursache des unter- schiedlichen Verhaltens yon Fleisch auf ATP-Zusatz nachzugehen, t t ier war es zu- n&chst notwendig, in einer einleitenden Untersuehung die Wirkung verscbiedener Konzentrat ionen an ATP ~uf kontrahierende und nieht-kontrahierende Muskeln zu prfifen, wobei das Gewebe 7--10 Tage nach dem Schlachten zur Untersuchung kam. Gleichzeitig wurde aueh der Einflul~ yon Guanosintriphosphat auf Hydrata t ion und Rigidit~t yon Muskelhomogenaten studiert.

Methodik Als Untersuchungsmaterial diente der M. longissimu~ dorsi des Rindes, der 7 bis 10 T~ge nach

dem Schlachten dem Tierkdrper entnommen wurde (10 Tiere). * Abkiirzungen: ATP = Adenosintriphosphat; GTP = Guanosintriphosphat.

** Fraulein tIEDWIG B~E]~ danke ich fiir ihre geschickte und fleil~ige ~itarbeit. 1 H A ~ , R.: Biochem. Z. 328, 309 (1955); Advanc. Food Res. 10, 356 (1960). tIier sind auch

die Definitionen ffir die Begriffe ,,Wasserbindungsvermdgen" und ,,ttydratation" angegeben. Literatur bei 1%. H A ~ : Fleischwirtsch. 9, 692 (1957); 10, 80 (1958); Advanc. Food Res.

1O, 355 (1960) und bei J. R. W ~ K E ~ : Advent. Food t~es. 9, 1 (1959). PA~T~A~N, W. : Naturwiss. 42, 161 (1955).

Page 2: Über das Wasserbindungsvermögen des Säugetiermuskels

~ber das WasserbindungsvermSgen des Si~ugetiermuskels. VI 115

Nueleotid-Pr/~parate: Na~ATP • 2 H20 und Na~I-I~GTP • 2 H~O ~. Die Bestimmung des ,,s~ure- labilen Phospha~s" ergab einen ATP-Gehalt yon 96~o und einen GTP-Gehalt yon 880/o .

Herstellung des Gewebehomogenates, p~-Einstellung, Bes~immung des Wasserbindungs- vermSgens mittels der Filterpapier-Prel3methode und der l%igiditS, t auf Grund der Fl~ehe des gepregten IViuskelfilms sind schon frfiher beschrieben worden 2. Die Nucleotide wurden in gel6ster Form zugese~z~, wo- bei die GTP-LSsung mi~ NaOI-I auf foe 6,0 eingestellg war. Der p~-Wert der Muskelproben wurde so eingestellt (Zusatz yon NaOH), dab er unmittelbar nach Zusatz des Nueleotids 6,86 bis 6,90 betrug. Zum Vergleich wurden Wasser- bindungsverm6gen und l~igidi~t dos Gewebehomogenags bei gleichem p~- Wer~ ohne Nueleotidzusatz gemess.en. Die Ergebnisse sind ausgedrfiek~ in An- derung des WasserbindungsvermSgens und der t~igid~/~t bei Nueleo~idzusatz in Prozen~en des Vergleichswertes.

% !'~... . . . . ~ . . . . . . . . . +

]20

80

c,.)

"~ ~ . . . . x . . . . . . . . . . x

Ergebnisse

Abb i ldung i g ib t in e inem Bei- - - spiel die Verh/i l tnisse wieder, wie 80 sie ffir kon t rah ie rende Muskeln gel- % ten. Bei 1,5 • 10 -3 moI A T P ~ t r i te sofor t naeh Nuc leo t idzusa tz Kon- ~ ~0 t r a k t i o n (Abnahme der Muskel- fl/iehe) und A b n a h m e des Wasser - ~ 20

bindungsverm6gens ein. Bei einer A T P - K o n z e n t r a t i o n yon 3,0 • 10 -a "~ mol erfolgte im Beispiel yon Abb. 1 ~ 0 ebenfal ls sofort ige K o n t r a k t i o n und

%

D e h y d r a t a t i o n , bei anderen Vet- :,~ - - -20

suehen wurde bisweilert aueh eine geringe , ,Ersehlaffung" und H y - ~ o d ra ta~ ionszunahme beobach te t , denen sieh aber innerha lb yon 5 rain K o n t r a k t i o n und t I y d r a t a t i o n s a b - nahme ansehlossen. Bei E r h 6 h u n g der A T P - K o n z e n t r a t i o n auf 7,5" • 10-3mol wird das Ausmal3 der an- f~nglichen R ig id i t g t s abnahme und H y d r a t a t i o n s z u n a h m e erh6ht , doch k o m m t es auch hier schon innerha lb

I I

~.2 - - - ~ . . . . . . . . . . -2,

o m 20 s o m i n

Ze/! nach ATP-ZusaZz

Abb. 1. EinIluB yon A T P au] Wasserbindungsverm6gen und Rigl- dit~t egnes kontrahierenden Rindermuskels. 8 Tage post mortem.

A T P - K o n z e n t r a t i o n : . : 1,5 • 10 -8 tool; o : 3,0 • 10 -~ tool; × : 7 , 5 ' 1 0 -3:nml; • : 1 , 5 . 1 0 _2 raol; + : 2 , 2 . 1 0 -~mol ; 60 %

KaO-Zusatz; Anfangs -p~ : 6,9

weniger ~I inuten zur K o n t r a k t i o n . Bei 1,5.10 -2 mol wi rk t A T P innerha lb der e rs ten Minuten nach Zusatz sehr s t a rk hydra t i s i e r end und weiehmaehend. Dieser Effekt n i m m t zwar bei wei terer E inwi rkungsdaue r ab, aber es is t naeh 20 min bzw. 40 min noeh keine K o n t r a k t i o n oder D e h y d r a t a t i o n festzustel len. Eine K o n z e n t r a t i o n yon

1 Wir danken der Zellstoff-Fabrik Waldhof/3Iannheim fiir die freundliehe ~berlassung der Pr~parate.

2 HiM•, 1~.. Zi~. S. 114, Anm. 1. 3 Die Nolariti~tsangabe ,,mol" bezieh~ sich sge~s auf 1000 g Nuskelhomogenag.

Page 3: Über das Wasserbindungsvermögen des Säugetiermuskels

116 I~. H ~ :

780

%

120 %

" qO

o .,~

- - - ~ 0

60

%

-20

o

o

..~_--_ . . . . i

\ o

. . . . . . . .

10 20 30 rain

Zeil noch 6TP-Zusolz

00

_~ o . . ~ / ' - " ° / o ~

-0,~ k ' ~ - = ~ ~0:~ ' ~ ] ; I I I I

• Q

15 3,0 7,5 15,0 22,5.10-Smoi Konzenlrat/on an zu~eselzlem Nucleoh'd

Abb. 2. Ein]lu/3 yon GTP au] Wasserbin- dungsverm6gen und l~igiditdt eines kontra- hierenden Muskels. 8 Tage post mortem. GTP-Konzen t r a t i on : • : 1,5 • 10 -3 mo];

O : 3 , 0 " 1 0 -~mol ; × : 7 , 5 " 1 0 -3tool ; • : 1 , 5 - 1 0 -2 tool ; + : 2 , 2 . 1 0 -~mol

- - 60% H~O-Zusatz; Anfangs-p~: 6,9

2,2 • 10 -2 tool ATP schliel~lich lfihrt zu einer stark weich- machenden und hydratisieren- den Wirkung, die fiber min- destens 30 rain erhalten bleibt.

GTP bewirkt vorfiberge- hende Abnahme der Rigidit£t und Zunahme der Hydratation erst in relativ hohen Konzen- trationen (1,5.10 -2 tool) (Abb. 2). Auch bei 1,5 • 10 -2 tool wirkt GTP jedoch noch kon- trahierend, wenn auch night mehr so stark wie bei niGdrigen Molarit~ten. In einer Konzen- tration yon 2,2.10 -2 tool zeigt GTP einen starken tIydrata- tions- und Weichmaehungs- Effekt, der fibGr mindestens 30 rain Grhalten bleibt.

WiG sich aus der verh~ltnis- m ~ i g starken p~-Abnahme schlie~en l~Bt, werden sowohl ATP als auch GTP im Muskel- homogenat zumindest partiell enzymatisch gespaltGn.

Im Konzentrationsbereich 7,5 • 10 -3 -- 2,2 • 10 -2 tool be- steht keia signifikanter EinfluB des Nueleotidzusatzes auf den pE-WGrt des Muskelhomo- genates.

Im Bereich 1,5 -- 3,0.10 -a mol wirkt ATP etwas starker kontrahierend, aber weniger stark dehydratisierend als GTP. Zwischen 7,5 • 10 -a mol und 2,2 • 10 -2 tool nimmt die

Abb. 3. Vergleich des ~in]lusses yon A T P und GTP au] Wasserbi~lungsverm6gen und Rigidit~it desselben kontrahierenden Mus- kels.STagepost, mortem. • : ATP; O : GTP;

- - : ~nderung der ~Iuskelfl~iche; . . . . . : ~nderung des Wasserbindungs- vermSgens, l~essung 20 rain nach Hucleo-

t idzusatz. 60% H20-Zusatz. Anfangs-D~: 6,9

Page 4: Über das Wasserbindungsvermögen des Säugetiermuskels

(Yber das W~sserbindungsverm6gen des Saugetiermuskels. VI 117

weichmachende und hydratisierende im Falle des ATP wesentlich starker zu als im Falle des GTP (Abb. 3).

Wirkung mit steigender Nueleotidkonzentration

Das Verhalten yon nicht-kon- trahierendem Muskel gegenfiber ATP und GTP ist aus Abb. 4 zu

ATP wirkt hier bereits in ~ ersehen. einer Konzentr~tion yon 1,5.10 -~ tool schw~eh hydr~tisierend und

O

weichm~ehend. Dieser Effekt wird fiber l~ngere Zeit aufreehterhal- ten. 1,5 • 10 -~ mol ATP ~uBern ~= fiber mindestens 30rain stark hy- '< ~ dratisierenden und weiehm~chen- - - -20 den Einflug. Soweit der pmWert ~0

fiberhaupt absinkt, ist die Ab- nahme wesentlieh geringer als .~ % beim kontrahierenden Muskel. GTP zeigt in einer Konzentration, in weleher es die Rigiditiit des ~ 20 kontrahierenden Muskels erh6ht und sein Wasserbindungsverm6- gen senkt (1,5.10 -~ mol), bei die- ~ o sem Gewebe keinen kontrahieren- :< den Effekt (Abb. 4).

Die Untersehiede im Verhalten nieht-kontra.hierender und kon trahierender Muskeln gegenfiber verschiedenen Konzentrationen an ATP sind in Abb. 5 anhandvon zwei Beispielen zusammengefaBt.

In Abb. 6 ist die l~eaktion yon Homogenaten des M. longissimus dorsi zweier versehiedener Bullen gegenfiber ATP wiedergegeben. Beide aus einer Mastprfifungsanstalt stammenden Tiere waren yon der gleiehen l~asse und aus gleieher Zueht. Alter, Ffitterung, Sehlachtgewieht, Behandlung vor dem Sehlaehten, Behandlung des Fleisches naeh dem Sehlaehten waren in beiden Fi~llen gleieh. Dennoch wirkte ATP aul den Muskel des einen Tieres kontra- hierend und dehydratisierend, auI den Muskel des anderen Tieres weichma- ehend und hydratisierend.

Ein Znsatz yon 1 mg Ca ++ (als Ca- Acetat) pro 100 g Gewebe vermoehte die Wirkung yon ATP (1,5 • l0 -a tool) auf den nicht-kontrahierenden Muskel nicht zu beeinfiussen (Abb. 6).

Z. Lebensmi t t . -Untersuch . , B a n d 116

x

+ 4. + .i. ............ .4-

o , _ . . . . . . . . . .

- 0 , 2 0 F ~ i I I I /0 2 0 30 rain

7,~ :/ n:'::'k ilhi/"/~oOlid- Zy,..q'~T/z

Abb. 4. Einflu~ yon A T P und G T P au/ WasserbindungsvermSgen und Rigidit~t eines nicht-kontrahierenden MusSels. 7 Tage post mortem. e : 1 , 5 . 1 0 3mol A T P ; x : 7 , 5 . 1 0 3tool A T P ; A : 1 , 5 ' 1 0 - ~ m o l A T P ; - - : 1 , 5 . t0 3tool GTP. 60% ]~20-Zusatz. Anfangs-pH: 6,9

:20 %

so

.~ -qO

~ f i , ~

~,, c: / , /

/,5 3,0 7,5 /Vonzenlralion on zugeselilem ATP

Abb. 5. Vergleich zv,~schen einem kontrahierenden und einem nicht-kontrahierenden Rindermuskel ira Verhalten gegenitber A T P . • : _~nderung der 3fuskelfl~che; O : ~ n d e r u n g des Wasse rb indungsvermSgens ; - - : n icht -kont rahierender 5fuskel; . . . . . : kont rahierender 3[uskel. Messung 20 rain

nuch ATP-Zusa tz . 60% IJ~O-Zusatz. Anfangs -p~ : 6,9

9

50

%

o ~

-2O .~

x

I /5,o./o-3mol

Page 5: Über das Wasserbindungsvermögen des Säugetiermuskels

118 R. H A ~ :

Wie die qualitative Beurteilung des Fleisches ergab, behalf nieht-kontrahierender Muskel nach Zerkleinern im Fleischwolf lfir einige Tage seine leuchtend-rote Oxymyo- globin-Farbe; naeh Zubereiten ergibt er ein zartes Fleiseh. Solehe Muskeln haben

Q

~ x . . . . . . . x

,~pH "',.

qO 20 m/n Zeit noch ATP-Zei!

Abb. 6. Einflu[3 von A T P au] kontrahierenden und nicItt-kqntrahierenden Muskel yon gleieh be- handelten Bullen derselben Zucht. • : nicht-kon- trahierender Muskel; O : nicht-kontrahieren- der i~uskel plus Ca ++ (1 rag/100 g Geweb~e);

x : kontrahierender ~¢[uskel. ATP-Zusatz 1,5'10 -a tool. 60 % t[~O-Zusatz. Anfangs-pg: 6,9

gewShnlieh einen hohen pH-Wert und sowohl beim natfirlichen pH-Wert als aueh bei pg 6,9 ein hSheres WasserbindungsvermSgen als kon- trahierender Muskel. Der kontrahierende Muskel n immt - n a c h Zerkleinern - rasch die braune Farbe des Metmyoglobins an; nach Zuberei tung ist er z~h. Diese Zusammenh~nge sind noch nieht durch ein grol~es Untersuchungsmater ia l sta- tistisch gesichert. Entsprechende Untersuehun- gen sind im Gange.

Diskussion Die Ergebnisse hinsichtlieh der Wirkung ver-

sehiedener Konzentra t ionen an ATP auf Wasser- bindungsvermSgen und Rigidit~t des kontra- hierenden Rindermuskels (7--10 Tage post mot- tern) best~tigen unsere frfiheren Resultate ~. Dies gilt fiir die kontrahierende Wirkung im Konzen- trationsbereieh 1,5 - 7,5 • 10 -~ mol ATP, ffir die voriibergehende weiehmaehende und hydra ta- tionssteigernde Wirkung mitt lerer ATP-Konzen- t ra t ionen (3,0" 10 - ~ - 1,5" 10 -e) und ffir den entsprechenden langdauernden Effekt ,,fiber-

optimaler" ATP-Konzen t r a t i onen (2,2. 10 -~ tool). Der vorfibergehende t tydra- rations- und Weichmaehereffekt mitt lerer ATP-Konzentra t ionen, der bei niedriger ATP-Molari t~t wahrscheintieh zu kurz andauert , um mit unserer Methodik er- faBt werden zu kSnnen, weist darauf hin, dab der ATP-Spa l tnng durch Aetomyosin, welche die Kont rak t ion induziert, eine Bindung des A T P an die fibrill~ren Muskel- proteine vorangeht . Bindung des AT P bewirkt Erschlaffung und Zunahme des Wasserbindungsverm5gens, da das Nucleotid wahrscheinlich uuter Spaltung yon vernetzend wirkenden Erdalkali-Brfickenbindungen vom Actomyosin gebunden wird 1. Viele Autoren nehmen an, dab der enzymatischen Dephosphoryl ierung des A T P und der Kont rak t ion eine.Bindung des ATP an Myosin vorangeht 2.

Es ist bekannt , dab L-Myosin und Aetomyosin Guanosintriphosphatase- (GTPase-) Aktivi t~t besitzen ~. Ebenso wie AT P kann auch GTP Kont rak t ion und Spannung hervorrufen. GTP ist in gcringen Mengen im Muskel naehgewiesen worden 3. Unsere Beobachtung, dal~ GTP weniger s tark kontrahierend wirkt als ATP, steht im Ein-

1 HAM~, R.: Zit. S. 114, Allm. 1. 2 MORALES, IV[. 1~., U. L. C~ce]t~i: J. Cellular Comp. Physiol. 37, 107 (1951); MORALES, M. F.,

K. LAKI, J. GERGELY U. L. C]~CCHI:NI: J. Cellular Comp. Physiol. 37, 477 (1951). - - W ~ , It. It., u. It. PORTZV.nT_~: Advane. Protein Chem. 7, 162 (1952). - - BozL~R, E. : Amer. J. Physiol. 168, 760 (1952); J. Gen. Physiol. 38, 149 (1954). - - S~LLMA~, 0.: Acta chem. Scand. 12, 503 (1958). --W]~B~,R, H. H. : Naturwiss. 42, 270 (1955). - - SZE~T GY51~GYI, A. : Advallc. Enzymol. 16, 313 (1955). - - MO~AE~TS, W. F. H. M., u. J. HA~SO~: J. Gen. Physiol. 39, 831 (1956). - - KAtiE- MAN, G. , H . l~/[UELLER U. A. SZENT-GYSI~GYI: P r o e . N a t . Acad. Sci. U.S.A. 43, 373 (1957). - - C~EESMA~, D. F., M. K~,~.L~,R U. O. S~E~-K~cDso~ : Biochem. J. 7~, 357 (1959) ; v. H~r~'~n, P. H., F. G~LLV.RT U. M. F. MORALES: J. Amer. chem. Soc. 81, 1393 (1959). - - G~LL~a~, F., P. H. v. H~pP~r,, It. X. SC~AC~A~ u. M. F. MoRm.~s: J. Amer. chem. Soe. 81, 1384 (1959); L~v~, ~-~. M., N . SHAROn, E . LINDEMANN 11. D. E . KOStlLA]'~D. jr.: J. biol. Chem. ~5, 2628 (1960).

I-IASS~LB~C~, W. : Biochim. biophys. Acta ~0, 355 (1956).

Page 6: Über das Wasserbindungsvermögen des Säugetiermuskels

Uber das WasserbindungsvermSgen des S~ugeticrmuskels. VI 119

klang mit dem Befund yon RA~N~Y 1, dal~ die Kontraktion yon glycerin-extrahiertem Muskel mit GTP geringer ist als mit ATP. Die yon uns gemessenen Unterschiede sind allerdings kleiner als man sic auf Grund der Resultate, die HASS~LBACH s, a mit Mg ++- aktiviertem Actomyosingel erhielt, erwarten soll~e.

Interessant ist es, dab die weichmachende (rigidit~ts-senkende) und hydratisie- rende Wirkung yon GTP erst bei hSherer molarer Konzentration eintritt als die ent- sprechende Wirkung yon ATP. Wir haben schon frfiher darauf hingewiesen, da6 die hydratisierende und weichmachende Wirkung yon ~ucleotiden (Inosin-monophos- phat, Adenosin-monophosphat, Adenosin-diphosphat, ATP) mit ihrem Komplex- bildungsvermSgen mit Erdalkalimetallen parallel geht 4. Nach WALAAS 5 ist das Kom- plexbildungsvermSgen yon GTP mit Calcium und Magnesium etwas geringer als das yon ATP. Es ist daher verst~ndlich, dal~ die Spaltung der Erdalkali-Brfickenbindung im Aetomyosin durch Bindung des Nucleotids an das proteingebundene Metall, die nach unserer Meinung Urs~che der Hydratations- und Weichmacherwirkung ist 4, im Falle des GTP erst bei hSherer Konzentration eintritt als bei ATP.

Wie unsere Ergebnisse zeigen, gibt es manche Tiere, deren Muskel 7--10 Tage naeh dem Schlachten bei ATP-Zusatz nicht kontrahiert. ATP iibt auf solchen Muskel ledig- lich hydratisierende und weiehmachende Wirkung aus. Worauf dies beruht, ist noch nieht gekl~rt. Dal~ es sich um mangelnde ATPase-Aktivit~t handelt, ergibt sieh aus der fehlenden oder geringffigigen pmSenkung bei Nucleotid-Zusatz. Gegen eine abnorm verl~ngerte Wirkung des Erschlaffungs-Faktors (,,Marsh-Bendall-Faktor") - etwa dnrch Mangel an freien Ca++-Ionen - sprechen zwei Tatsachen: (1) Zusatz yon Ca++-Ionen bewirkt in Gegenwart yon ATP keine Kontraktion und keine pg-Sen- kung; (2) auch GTP wirkt auf solche Muskeln nicht kontrahierend. Nach HASSEL- BAC~ 2 aber wirkt der Erschlaffungsfaktor bei Anwesenheit yon GTP nicht. Anch auf Unterschiede in Rasse, Zueht, Ffitterung, Vorbehandlung der Tiere vor dem Schlach- ten oder Behandlung des Fleisches liel~ sich bislang das unterschiedliche Verhalten der Muskeln gegenfiber ATP nicht zurfiekfiihren. Wir vermuten, dal~ diese Unterschiede, die in Beziehung zu FarbhaltevermSgen, WasserbindungsvermSgen und Zartheit des Fleisches zu stehen scheinen, mit der Weehselwirkung zwisehen Kationen und Eiweil~ bzw. mit den Ionenaktivit~ten im Gewebe in Zusammenhang stehen. M5glicherweise handelt es sich um genetische Einflfisse. Weitere Untersuchungen zur Kl~rung dieser Frage sind im Gange.

Zusammen/assung

Adenosintriphosphat (ATP) und Guanosintriphosphat (GTP) k5nnen auf Homo- genate des 6--7 Tage gelagerten M. longissimus dorsi des Rindes in niedriger Konzen- tration dehydratisierend und kontrahierend, in hoher Konzentration hydratisierend und weichmachend wirken. Es wird angegeben, unter welchen Bedingungen diese bei- den Effekte zu beobaehten sind. Es gibt jedoch auch Tiere, auf deren Muskel ATP und GTP in niedrigen Konzentrationen nicht kontrahierend und nicht dehydratisierend wirken. Dieses grunds/itzlich verschiedene Verhalten des Muskels gegenfiber energie- reichen Phosphaten, das in enger Beziehung zur Fleischqualit/~t (Wasserbindungs- vermSgen, Farbhaltung, Zartheit) zu stehen scheint, wurde auch an Tieren festgestellt, die sich in Rasse, Zueht und Vorbehandlung vor dem Schlachten nicht unterschieden.

GTP wirkt erst bei hSheren Konzentrationen hydratisierend und weichmachend als ATP.

1 RA~EY, 1~. E.: Science 122, 642 (1955). 2 I~IAss~L~C~. W.: Zit. S. 118, Anm. 3. 3 I~IASSELBAC~, W. : Biochim. biophys. Acta 2~, 365 (1957).

I - I ~ , 1~.: Zit. S. 114, Anm. 1. WAL~AS, E.: Acta chem. Scand. 12, 528 (1958).

9*