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520 verbinden, sondern wfirde in diesem Falle entweder mit Safranin gegen- f~rben (wie sehon in meiner ersten Mitteilung kurz erwiihnt) oder die Hiima- toxylin-Safranelinfi~rb ung anwenden. 3. Uber das Wort ,,Influenza" nnd seine medizinische Bedeutung. Von Wilhelm Ebstein (GSttingen). Das Wort: ,,Influenza", welches wir heut neben dem Worte: ,,Grippe ~', einem dem FranzSsisehen entlehnteu Weft (gripper ~ fassen, angreifcn) ats Nomen morbi gebrauchen, ist ebenso wie letzteres in der allgemeinen medicinisehen Nomenklatur jedenfalls noeh nicht seit einem Jahrhundert eingebfirgert. Wir ~ermissen beide nicht nut in dem Lexicon medicum renovatum yon Steph. Blancard (Editio novissima. Lugdun. Batavorum 1717), sondern sic fehlen auch in der zweiten Auflage des kritiseh-etymo- logisehen medizinischen WSrterbuehes yon Ludwig August Kraus (GSttingen und Wien 1826). Uberblicken wir die Titel der yon G. G lu g e (Die Influenza, Minden 1837) angeffihrten zahlreichen Schriften, so finden wir ,,Influenza" als Krankheits- terminus seit dem Ende des 18. Jabrhunderts in der einschl~gigen Lite- ratur Englands 1), aul~erhalb Englands dagegen -- wenn wir yon Grainingers Schriff "~) absehen -- erst seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts h~ufiger ~rwendet (vorher regelmfil~ig febris catarrh., catarrhus epid. u. L)~). ~) Observations on the late Influenza, the febris cat. epid. of Hippocrates, as it appeared at London 1777 ct 178"2, London 1782, 8. -- R. Hamilton, Description of the influenza etc., London 178'2, 8. H. Broughton, Observ. on the late influenza as it appeared at Bristol .... ]~Iay and June 178'2, 8. -- J. Clarkon, The influenze... at New castle upon Tyne, 1783. -- Chisholm, C., Observ. on the influenza .... in the West Indies in A. Duncan, ]~Iedical Com- mentaries Deeas II, Vol. V. -') Graininge r, Bemerk. fiber kaltes Fieberu.s.w. Nebst einer Sammlung der vorzfiglichs.ten Sehriften fiber die Influenza, Leipzig 1785, 8. 3) Bid der, Die Influenza in Knrland, in Gerson und Julius Magaz: d. ausl. Litter. f. d. ges. Heilkunde, Bd. '26, Seite 51. (Epidemic yon 1831). -- Die Influenza in Nord-Amerika, geckers Annalen d. ges. Heilk., Bd. '2'2, 8. 365 (die gleiche Epidemie ~on i831), Berlin 183'2, ferner in einer Reibe yon Schriften fiber die Epidemic ~on 1833, welehe in dem oben zitierten Werkehen fiber die Influenza yon G. Gluge S. 137--139 angeffihrt sind,

Über das Wort “Influenza” und seine medizinische Bedeutung

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verbinden, sondern wfirde in diesem Falle entweder mit Safranin gegen- f~rben (wie sehon in meiner ersten Mitteilung kurz erwiihnt) oder die Hiima- toxylin-Safranelinfi~rb ung anwenden.

3.

Uber das Wort ,,Influenza" nnd seine medizinische Bedeutung.

Von W i l h e l m E b s t e i n (GSttingen).

Das Wort: ,,Influenza", welches wir heut neben dem Worte: ,,Grippe ~', einem dem FranzSsisehen entlehnteu Weft (gripper ~ fassen, angreifcn) ats Nomen morbi gebrauchen, ist ebenso wie letzteres in der allgemeinen medicinisehen Nomenklatur jedenfalls noeh nicht seit einem Jahrhundert eingebfirgert. Wir ~ermissen beide nicht nut in dem Lexicon medicum renovatum yon Steph . B l a n c a r d (Editio novissima. Lugdun. Batavorum 1717), sondern sic fehlen auch in der zweiten Auflage des kritiseh-etymo- logisehen medizinischen WSrterbuehes yon L u d w i g A u g u s t K r a u s (GSttingen und Wien 1826).

Uberblicken wir die Titel der yon G. G lu g e (Die Influenza, Minden 1837) angeffihrten zahlreichen Schriften, so finden wir ,,Influenza" als Krankheits- terminus seit dem Ende des 18. Jabrhunderts in der einschl~gigen Lite- ratur Englands 1), aul~erhalb Englands dagegen -- wenn wir yon G r a i n i n g e r s Schriff "~) absehen - - erst seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts h~ufiger ~rwendet (vorher regelmfil~ig febris catarrh., catarrhus epid. u. L)~).

~) Observations on the late Influenza, the febris cat. epid. of Hippocrates, as it appeared at London 1777 ct 178"2, London 1782, 8. - - R. H a m i l t o n , Description of the influenza etc., London 178'2, 8. H. B r o u g h t o n , Observ. on the late influenza as it appeared at Bristol . . . . ]~Iay and June 178'2, 8. - - J. C l a r k o n , The influenze. . . at New castle upon Tyne, 1783. - - C h i s h o l m , C., Observ. on the influenza . . . . in the West Indies in A. D u n c a n , ]~Iedical Com- mentaries Deeas II, Vol. V.

-') G r a i n i n g e r, Bemerk. fiber kaltes Fieberu.s.w. Nebst einer Sammlung der vorzfiglichs.ten Sehriften fiber die Influenza, Leipzig 1785, 8.

3) Bid der , Die Influenza in Knrland, in G e r s o n und J u l i u s Magaz: d. ausl. Litter. f. d. ges. Heilkunde, Bd. '26, Seite 51. (Epidemic yon 1831). - - Die Influenza in Nord-Amerika, g e c k e r s Annalen d. ges. Heilk., Bd. '2'2, 8. 365 (die gleiche Epidemie ~on i831), Berlin 183'2, ferner in einer Reibe yon Schriften fiber die Epidemic ~on 1833, welehe in dem oben zitierten Werkehen fiber die Influenza yon G. G l u g e S. 137--139 angeffihrt sind,

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Aui~erhalb der medizinischen Grenzpfahle begegnen wit dem Weft, nnd zwar im Pluralis, bei keinem Geringeren als G6the.

Uier heil~t es n~mlich ira elfteli seiner Sonette: ,Wenn dutch alas Volk die grimme Seuche w~itet, I Sell man ~,orsichtig die Gesellschaft lassen, I Auch hab ich oft mit Zaudern und Verpassen I Vor maneben In- iquenzen reich gehfite~2 I Die Diehtung der GStheschen Soliette I - -XVtI f~llt in das Ende des Jahres 1807 und den Anfang des Jahres 1808. Be- treffs des elften dieser Sonette bemerkt der Iterausgeberl), dab GSthe darin, launig fibertreibelid, gesehildert habe, wie ihn zur Strafe ffir die Verachtung dieser Diehtungsform Sonettenwut u n d Raserei der Liebe ergriffen. ,DaB GSthe mit den ,,[nfluenzeli" die Influenza als Krankheit gemeint habe, ist sicherlieh mit stichhaltigeli Grfiliden nicht zu be!egeli. Jedenfalls finde ich in dieser Zeit keine derartige Epidemie in Deutschland verzeichnet I welche GSthe eine besolidere Beachtung hgtte nahelegen kSnlien, worali man bei der Erw~hnung der ,grimmen Seuche" in der ersteli Zeile seines Sonettes zun~chst zu denken versucht seili mSchte. Immerhin wg.re danli aueh der Pluralis ,Influenzen" recht auffiillig. Es ist mir daher am wahrscheiil- lichsten, dab GSthe sich die Influenzeli als Einflfisse, l~bertragungen und zwar unerwfinsehte, irgend welcher Art ohne Bezugnahme auf irgend eine bestimmte Krankheit gedacht hat. Ahnlich Annalen 1793: ,,wenn es ihn verdriel]t dab dergleichen (revolutioni~re) Influenzen sich nach Deutschland erstreeken". So wi~hlte auch W i l h e l m ~on K f i g e l g e n (gestorben 1867) in seinen bekannten ,Jugelide~:inlieruligen eines alten ~Iannes% Tell I[, Kap. 5, we er die reIigiSsen , speziell herrn: huterischeli Einfl~isse im Leben seines Elterlihauses sehildert, die Uber- schrift: ,,Christliche Influenzen", welche er selber weiterhin drastiseh mit den Worten erlgutert- ,,Sie (die ]gutter) wurde angesteekt dutch das C o n t a g i u m einer ewigen Heilung "~' and: , da kam es anch fiber ihn (den Vater) und allgemach wurde a u c h e r yon jener wunderbaren A n s t e c k u n g ergriffen~ die aus tugendhaften Lenten arme Sfinder macht."

Aueh die modernen italienischen Wgrterbficher verstehen nnter Influenza keilieswegs einen bestimmten Krankheitsnamen. In dem vielgebrauchten W5rterbuche yon It. ~I ichae l i s (6. Anfl. 1889) finder sieh in dem italienisch- dentscheli Tell wohl ,,Grippe" - - Schnnpfenfieber - - angegeben, dagegen ist das Wort: Influenza - - Influenzia - - lediglich als EinfluB, Einw!rkung~ Gang (einer Krankheit) verdeutscht. In dem dentse h-italienischen Teile fehlt bei Michaelis das Wort: ,influenza" und nnr das Wort: ,Grippe." findet sich als italienische Bezeichnung der betr. Krsnkheit. Auch in dem no'co dizionario universale della lingua Italiana yon P. Petracehi (]~filano 188r ist das Wort: ,,Influenza" im Siline einer bestimmten Krankheit nnter den dem allgemein modernen, lebenden Sprachgebrauebe aligebgrenden Worten nicht aufgeffihrt; dagegenoist - - unter dem Strich - - ~ngegeben,

i) Prof. Dr. Kar l g e i n e m a l i n , GSthes Werke, I. Band, Leipzig und Wien, S. 256 Ulid 391/92.

Virchows Archiv s l~athol. Anat. Bd. 172. Hft. 3. 36

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dalI es yon G a l i l e o G a l i l i e i im Sinne yon ,,malaugurio~ jettatura" ge- braucht worden sei, d, h. also Unglfick, welches auf VerwSnschung oder auf einen mystischen, Sachen und Personen anhaftenden unheih, ollen Ein- flul3 zurfickgeffihrt wird. gs handelt sich hier um physikalisehe oder astro- logische Vorstelhngen. In diesem~Sinne ist, win T o m m a s e o - B e l l i n i (Dizion. della ling. Ital. 1861--79) angibt~ das Weft influenza b~ufig f/it ,Einflug der Gestirne" auf Erde Uad Nenschen helegt.

t t S f l e r giebt in seinem deutschen Krankheitsnamen:Bueh (M/inchen 1899, S. 250), in welehem e r nine grol3 e Reihe yon Bezeichnungen and Synonymen ffir die Influenza-Seuehen aufz~hlt, an, daft das Weft: influenza ursprfinglich in Italien als nomen morbi ffir alle mSgliehen, durch Ge- stirne und ~ul3ere Witterungs-,Einfl/isse" angeblich verursachten Krank- heiten gebraueht werde; italienische Historiker ffihren speziell die Er- k~ltungs-Epidemie 5fret mit den Worten an: ,,fu Una influenza di'freddo". t IS f l e r zitiert Ze v i a n i und bemerkt i daft nach dessen hnsicht daraus die Spezialisierung des Namens ffir unsere Influenza entsland~ ~,elche erst suit der i743-Epidemie dutch ttuxham eingeffihrt wurde and yon d a a b ffir die sp~tei'en Epidemien verblieb. Diese Darstellung yon t tS f l e r erheiseht meines Eraehtens einige zu einem etwas anderen Ergebnis ffihrende Er- l~uterungen. Der yon t tS f le r angeffihrte Veroneser Arzt Z e v i a n i n~mlich ffihrt in seiner Abhandlung: ,,Sul eatarro epidemico" (Memorie di mate- matica e fisica Tom. XI, 1804) aus, dab der Name Influenza yon den Eng- l~ndern f/Jr diese Krankheit, aber unriehtigerweise aufgebraeht worden sei, denn bei uns (sail. in Italien ) heil]t: ,,Influenza" einfach: ,,Epidemie im a l l g e m e i n e n " und bezeiehnet nieht eine s p e z i e I l e Krankheit. Der Irrtum ist naeh Z e v i a n i dadurch entstanden, dab bei einigen italienisehen ttistorikern - - wie oben erwShnt w u r d e - steht: ,Comminci6 a n influenza dffreddo (us begann eine ErkSltungs-Epidemie). Bei T o m a s e o - B e l l i n i werden eine Reihe die vorgetragenen Ansichten Z e v i a n i s best~tigender Belege mitgeteilt: 1) Targioni, relazioni delle febbri 140 (a. 1767): aviamo fine de l febbraio in qua un i n f l u e n z a di febbri scarlattine; 2 ) A n n i - b a l e C a r e , lettere 2, 191 (a. 1581): l ' i n f l u e n z a de l Oa t a r ro ehe di qui e corsa universalmente; 3. Va rch i , Storia Fiorentina 7, 183 (a. 1721): Ebbesi per eosa certa the coiai influenza sarebbe due vo]te in Firenze

eessata. Diesen Belegen ist hiazuzuffigen: Carli, istoria della eitt~ di Verona (1796) tom. VI, pg. 287 un di quei mortali malori . . . cui Ia memoria delle passate stragi eonfondea di leggieri colla pes t i lenza . . , dove non era aneor penetrata la maligna influenza; sowie ferner die yon G l u g e beigebrachten Zeugnisse aus Buoninseghi~ istoria Fiorentina (Firenze 1580), ni~mlich pg. 456 (ira Jahre 1357) ,grande influenze di lunghe e mortali infermit'h in Firenze" und nine ander6 Stelle aus demselben Werk, welehe yon GIuge (1. c. Suite 47) erwiihnt wird.

Wenn man nun sp~terhin wie aueh heutzutage den Begriff: ,Influenza" nieht mehr als einen Kollektivnamen im Sinne Z e v i a n i s , als Epidemic

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im allgemeinen aufgefal~t, sondern ihn auf eine s p e z i e l l e Krankbeit be- zogen hat, so ist es, soweit ieh die Saehe ~ibersehe, nicht auszumaehen, wer dies zuerst getan hat. Jedonfalls bat dies nicht, wie Z e v i a n i irr- tfimlich meint, H u x h a m getan. Es ist riehtig, dal~ J. I t u x h a m in seiner Beschreibung der im April 1743 in London wfitenden Epidemie sieh damn aussprieM, dab dieses F i e b e r dasselbe zu sein sehein% welches in diesem Frfihjahr unter dem l~amen , , In f luenza in ganz Europa grassiert babe. 1) Hieraus ergibt sieh iades mit positiver Sicherheit, dal~ zun~ehst der Name Infuenza ~on H u x h a m f/Jr eine solche Epidemic nieht zuerst gebraucht und dab er denselben niebt einmal adoptiert hat. Man wird sich also wohl im allgemeinen die Saehe so zu denken haben~ dal~ die zun'~ehst g e n e - r e l l e Bezeichnung des Wortes: ,,Influenza" f~ir E p i d e m i e , weiterhin ffir eine besonders heftige und bbse Seuche angewendet worden ist und da~, nachdem einmal das Wort: ~Influenza" f~ir eine spezielle Krankheit ge- w~hlt worden war~ es sehliel~lieh aueh bei derselben verblieben ist und seine generelle Bedeutung eingebfii~t hat. Wenn aber H b f l e r meint, daI~ seit dem Jabre 1743 das Wort: ,Influenza" die gang und g~be~ al]gemeiu gebr~iucbliehe Bezeichnung ffir die Krankheit geblieben ist, welche wir jetzt nicbt nur in Deutschland, sondern auch aaderw~irts ziemlieh a]lgemein mit dem Namen Influenza belegen~ so ist dies deshalb nieht zutreffend, weil wir z.B., wJe bereits eingangs erw'~hnt wurde, in dem im Jabre 1825 er- schienenen kritiseh-etymologiseben Wbrterbueh und in den gebr~uchllehen italienisehen Handwbrterbfiehern alas Wort ,Influenza", in ersterem g~nzlieh und in den zu zweit erw~hnten als bestimmten speziellen Krankheitsnamen niebt erw~hnt finden. Zum Schlusse sei bemerkt~ daI~ das lateinisehe Wort ,influentia" sich weder bei F o r e e l l i n i , noeh bei du Cange in den be- sprochenen Bedeutungen belegt findet - - bei ersterem fiberhaupt nieht~ bei letzterem nur in der Bedeutung: ,~bersehwemmung" - - : wobl abet influxus aus (einer Interpolation der Aldina bei) Firmieus Maternus 1. 1 (si ex solis stellarum influxibus pendeamus), dem wir hinzuf~igen A 1 e x. B e n e d i e tu s, de observ, in pestil, lib. IV, cap. 18 (a. 1493): hujusmodi destillationes graves periculosaeque cure aeuta febri omnem Italiae oram infestaverunf, ex quodam coelesti iufluxu. Das entsprechende italienisehe ,influsso" finder sich in denselben Anwendungen wie influenza, ist jedoeh naeh T o m a s e o - B e l l i n i seltner. Auch das deutsche ,Einflul]" bat die spezifiseh astro- logisehe Bedeutung gehabt (,sideratio", Grimm), z. B. ,zukfinftige Dinge weissagend aus Einflul~ des Himmels."

~) J. H n x h a m , Observationes de aere et morbis epidemicis~ u alterum, S. 104, Londini 1752. Es ist ohne Zweifel dieselbe Epidemie, yon welcher 3. P r i n g e l (Beob. fiber die Krankbeiten der Armee. Deutseh yon Brand z Altenburg 1772, Seite 18 sagt" ,Bald darauf ging die Influenza - - eiu kurzes mit einem heftigen Katarrh ver- knfipftes Fieber - - dureh ellen grol~en Tell yon Europa."