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Uber das ,,Zwisehenmandelgewebe" und seine Bedeutung fiir die Gaumenmandelaussch[tlung~. Von Prof. Hermann Frenzel, Dortmund, z. Zt. Oberstabsarzt der Luftwaffe. ]Hit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 7. Oktober 1940.) Nach Gaumenmandelausschalung macht man zuweflen die fiber- raschende Beobachtung, dab sich am Tage nach der Operation geschwol- lenes lymphatisches Gewebe in dem unteren Tell der Mandelbucht zeigt, obwohl an den entfernten Mandeln die volls~andige Enlfernung erkennbar und keineswegs etwa der untere Pol stehengeblieben ist! Im Laufe der I-Ieflung sehwfllt das lymphatische Gewebe wieder ab, aber die l~andelbuchten enthalten dann schlieSlich mehr oder weniger lymphatisches Gewebe, oft durch die mit der Wundheflung verbundene Schrumpfung noch in die H6he geholt, so dai~ es erscheint, Ms ware eine unvollstandige Ansschalung vorgenommen worden. Dieser Endzustand ist bekannt und als die Folge eines Hineinwachsens yon Zungenmandelgewebe gedeutet worden. Wenn man jedoch durch tiefes Verdrangen des Zungengrundes eine genauere Lokalisation des in 17rage stehenden lymphatischen Gewebes vornimmt, so bemerkt man, dal~ das Gewebe wohl in engster naehbarsehaftlieher Beziehung zur Zungenmandel stehL dag es abet kein eigentliehes Zungenmandelgewebe ist. Es handelt sich vielmehr um lymphatisches Gewebe, das auf den unteren Bezirken der Pliea ~riangularis gelegen ist und hier in mehr oder weniger starker Ausdehnung den l~aum zwisehen Gaumen- und Zungenmandel ausfiillt. In einzelnen Fallen is~ es so umfangreich vorhanden, da/~ man geradezu yon einer ,,Zwischenmandel" Sprechen m6ehge. Um sieh die geschilderten Verhaltnisse anschaulich zu machen, ist es notwendig, dureh kraf~igen Druek auf den seitlichen Tell des Zungen- grundes diesen so tier zu verdrangen, dag sieh der vordere Gaumenbogen straff anspannt und somit eine gute Abgrenzung der Plica triangularis gegenfiber dem vorderen Gaumenbogen erfolgt, und daft gieichzeitig das Zungenmandelgewebe der direkten Besiehtigung zugangig wird (Abb. 1). Es erhebt sieh die Frage, wie man sich bei der Gaumenmandelaus- sehalung gegeniiber diesem ,,Zwisehenmandelgewebe" verhalten soll. Fiir die Beangwortung dieser Frage mug man folgendes beriick- sichtigen: 1 Herrn Professor Zange zum 60. Gebur~stag.

Über das „Zwischenmandelgewebe“ und seine Bedeutung für die Gaumenmandelausschälung

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Page 1: Über das „Zwischenmandelgewebe“ und seine Bedeutung für die Gaumenmandelausschälung

Uber das ,,Zwisehenmandelgewebe" und seine Bedeutung fiir die Gaumenmandelaussch[tlung~.

Von Prof. Hermann Frenzel, Dortmund,

z. Z t . O b e r s t a b s a r z t de r L u f t w a f f e .

]Hit 4 Textabbildungen.

(Eingegangen am 7. Oktober 1940.)

Nach Gaumenmandelausschalung macht man zuweflen die fiber- raschende Beobachtung, dab sich am Tage nach der Operation geschwol- lenes lymphatisches Gewebe in dem unteren Tell der Mandelbucht zeigt, obwohl an den entfernten Mandeln die volls~andige Enlfernung erkennbar und keineswegs etwa der untere Pol stehengeblieben ist! Im Laufe der I-Ieflung sehwfllt das lymphatische Gewebe wieder ab, aber die l~andelbuchten enthalten dann schlieSlich mehr oder weniger lymphatisches Gewebe, oft durch die mit der Wundheflung verbundene Schrumpfung noch in die H6he geholt, so dai~ es erscheint, Ms ware eine unvollstandige Ansschalung vorgenommen worden. Dieser Endzustand ist bekannt und als die Folge eines Hineinwachsens yon Zungenmandelgewebe gedeutet worden. Wenn man jedoch durch tiefes Verdrangen des Zungengrundes eine genauere Lokalisation des in 17rage stehenden lymphatischen Gewebes vornimmt, so bemerkt man, dal~ das Gewebe wohl in engster naehbarsehaftlieher Beziehung zur Zungenmandel stehL dag es abet kein eigentliehes Zungenmandelgewebe ist. Es handelt sich vielmehr um lymphatisches Gewebe, das auf den unteren Bezirken der Pliea ~riangularis gelegen ist und hier in mehr oder weniger starker Ausdehnung den l~aum zwisehen Gaumen- und Zungenmandel ausfiillt. In einzelnen Fallen is~ es so umfangreich vorhanden, da/~ man geradezu yon einer ,,Zwischenmandel" Sprechen m6ehge.

Um sieh die geschilderten Verhaltnisse anschaulich zu machen, ist es notwendig, dureh kraf~igen Druek auf den seitlichen Tell des Zungen- grundes diesen so tier zu verdrangen, dag sieh der vordere Gaumenbogen straff anspannt und somit eine gute Abgrenzung der Plica triangularis gegenfiber dem vorderen Gaumenbogen erfolgt, und daft gieichzeitig das Zungenmandelgewebe der direkten Besiehtigung zugangig wird (Abb. 1).

Es erhebt sieh die Frage, wie man sich bei der Gaumenmandelaus- sehalung gegeniiber diesem ,,Zwisehenmandelgewebe" verhalten soll.

Fiir die Beangwortung dieser Frage mug man folgendes beriick- sichtigen:

1 Herrn Professor Zange zum 60. Gebur~stag.

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tJ~ber das ,,Zwischenmandelgewebe". 391

1. In zahlreichen F~llen yon Gaumenmandelausschs in denen das Zwisehenmandelgewebe nich~ en~fernt wurde, ist trotzdem ein yeller Hefleffolg der Gaumenmandelausschs vorhanden.

2. Das nach der Gaumenmandelausseh~lung in den Mandelbuchten noeh vorhandene lymphatisehe Gewebe - - wobei natfirlich yon ~andel- resten bei unvoUsts Ausseh~lung abgesehen wird - - ist in der Regel ein flasehes ]ymphatisches Polster ohne Lakunen und demnaeh ohne Pfropfbildung oder Detritus und Bakteriendepots in den Lakunen.

3. In einzelnen Fs hat jedoch das Zwisehenmandelgewebe aueh die makroskopi- sche Struktur der Gaumenmandeln, d.h. es e n t h ~ Lakunen.

4. Die Aussch~lung der Gaumenmandeln zielt im Grunde nicht dar~uf ab, das lym- phatische Gewebe dieser Organteile zu besei- tigen, sondern sie bezweck~ die Beseitigung der Lakunen, in denen sieh Detritusmassen nnd Bakteriendepots als Ursaehe rezidivierender Entzfindungen des M~ndelgewebes oder seiner Nachbarschaft bzw. als Ursache yon Bakte- rien- oder Toxineinsehwemmung in den K6rper finden, oder abet sie bezweck~ die Freilegung des peritonsill~ren Gebietes, falls sich dort Entzfindungsherde befinden, deren Ausheilung durch die Anwesenheit der Gaumenmandeln verhindert wird. Stets aber ist die Entfer-

. . . . "4

2~bb. 1. P u n k t i e r t : Z u n g e n - m a n d e l , schra:[ :~ier t : Z w i s c h e n - m a n d e l , * P l i c a t r i a n g u l a r i s .

nung des lymphatischen Gewebes der Ganmenmandeln nur ein Mittel zum Zweck und nicht das grundsgtzlich Wichtige dieser Behandlung.

Unter diesen Gesichtspunkten l~13t sich die angeschnittene Frage damn beantwor~en, dab in den]enigen •gllen, in denen das Zwischen- mandelgewebe Lakunenbildung zeigt, au/ die Mitent/ernung dieses Gewebes bei der GaumenmandelausseMilung Weft gelegt werden muff.

Kurz eingegangen sei noch auf die technisehe Seite. Im allgemeinen verbirgt sich das Zwischenmandelgewebe gem den Blicken des Unter- suehers wie des Operateurs im Winkel hinter vorderen Gaumenbogen und Zfingengrund, und zwar besonders dem Operateur] weft die Zunge des Patienten sich auch bei einwandfreier An~sthesie in unwillkiirlicher Abwehrspannung w~hrend des Eingriffs meist st/~rker hoehw61bt als bei der Untersuchung. Mug man sehon zu Untersuchungszwecken einen kr/~ftigen Druck auf den Zungengrund ausfiben, um die in Frage stehende Gegend grfindlieh zu besichtigen, so ist das w~hrend der Operation noch notwendiger.

Ein geeignetes Instrument ist der yon mir angegebene Drahtzungen- spatel mit Fischhautrauhung, der zur Ausfibung eines kr~ftigen Druekes

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392 ~ermann Frenzel: Uber das ,,Zwischenmaadelgewebe"

unter Verwendung geringster Fliiche und bei guter Sicherung gegen das sei~liehe Abrutsehen bier ebenso gute Dienste leistet wie zur Ausfibung eines zweckmal3igen Zungendruekes und -zuges bei der Postrhinoskopie.

Wenn die Untersuchung ergeben hat, da~ das Zwischenmandel- gewebe lakunenhaltig ist und bei der Ansseh~lung mit entfernt werden

Abb. 2, Schnit t f i ihrung bei M2tentfernung des Zwischen-

mandelgewebes.

muff, so ist die Schnittfiihrung yon vornherein auf diesen Tell der Operation abzusteUen. Zu diesem Zwecke wird die Gaumenmandel gleieh zu Beginn des Eingriffes mit einer Fa~pinzette oder -zange mSglichst tier am unteren Pol ge- faBt, naeh medial und oben gezogen und unter gleiehzeitigem Druck auf die seitliche Zungen- grundgegend das Zwisehenmandelgewebe ein- gestellt. Die Schnittffihrung verlauit dann so, wie in Abb. 2 die punktierte Linie andeutet. Im weiteren VerlauIe des Eingriffs ist darauf zu achten, dal3 die Freflegung der sogenannten Tonsillenkapsel nach unten hin besonders grfindlieh erfolgt, so dab die Schlinge im letzten

Operationsakt der Mandelausschalung den unteren P o l d e r Gaumen- mandel einsehlieBlich Zwischenmandelgewebe umfaflt und abschniirt (Abb. 3). Diese Art des Vorgehens effordert - - sofern man die uneffreu- liche 1VIitentfernung yon Teflen des vorderen Gaumenbogens vermeiden

will - - die Beherrschung des tief- gelegenen und schwer zugi~ngigen Winkels hinter dem Ansatz des vorderen Gaumenbogens. Es ist zuzugeben, dab hier fiir die Blut- stillung gr6Bere technisehe Sehwie- rigkeiten auftreten k6nnen als im fibrigen Wundgebiet. Fiir den- jenigen aber, der gewohnt ist, grund- siitzlich die blutenden GefaI~e wiih-

Abb. 3. Ausgeschalte rechte Gaumenmandel mit lakunenhaltigem Zwischenmandel- rend des Eingriffs zu fassen und

gewebe (Pl icatr iangular is dutch Haltefaden Zll unterbinden bzw. in der Tiefe nach rechts , durch l~adelanspieBnng nach

/inks ausgespannt.) Zll umstechen, sind diese Schwie- rigkeiten niemals uniiberwindlich.

Man ben6tigt allerdings einen stumpfen Haken, mit dem man sich den Gaumenbogen beiseite zieht, um eine ~bersicht fiber das Wundgebiet zu erreichen. Ieh habe mir, da neben dem Hakenzug gleichzeitig ja das Herunterdriieken des Zungengrundes notwendig ist, ein Instrument her- stellen lassen, in dem am oben erwi~hnten Mundspatel an geeigneter Stelle Haken angebraeht sind (Abb. 4). Es ermSglicht die Ausffihrung des Zungendruekes und das Beiseiteziehen des vorderen Gaumenbogens mit

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u n d seine B e d e u t t m g fiir die G a u m e n m a n d e l a u s s e h ~ l u n g . 393

einer Hand, so dab die andere Hand zur Beti~tigung des Saugapparates, zum Tupfen und zum Fassen yon Gef/~Ben freibleibt. Es hat sich bei dem Absuchen des Wundgebietes nach Blutungen und beim Fassen

2kbb. 4. Hakenspatel (rechts trod links) zur Entsfaltung des Wundgebietes nach G aumenmanclelaussch~lung.

yon Gef/iBen auch dann bew/~hrt, wenn bei der Gaumenmandelaus- schi~lung eine Entfernung des Zwischenmandelgewebes nicht not- wendig ist.

Aus /s Griinden war es mir nicht m6glich, die anatomischen Grundlagen zu dem oben Gesagten serienm/~ltig an der Leiche zu kon- trollieren und die einschl/igige Literatur zu verarbeiten. Trotzdem sei es mir gestattet , meine Ausffihrungen als kleinen Bei~rag aus der Praxis der Festschrift beis~euern zu diirfen, um im Kreise der Gliickwiinschenden nich~ fehlen zu miissen.