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Aus dem Pharmakologisehen Institut der lJniversitgt Miinchen. L'ber den Einflul~ der Vagusreizung auf die Peristaltik des Meerschweinchendiinndarms. Von W. Straub nnd Kristinn StefAnsson. Mit 4 Textabbiidungen. (Ei,ngegange~'~ am 1. Marz 1937.) Die Kenntnisse iiber den Einflul~ der Vagusreizung auf die Motorik des Dannes sind noch recht spgrlich und nicht ohne Widerspriiehe (W. C a- teP), im Gegensatz zu dent, was fiber die l~eizung an anderen Erfolgs- organen feststeht. Es scheint, als ob methodische Schwierigkeiten, die speziell fiir das Arbeiten am Darm bestehen, noeh zu iiberwinden sind. Sehon aus den friihen Versuchen yon Bayliss und Starling 2 mit der Ballonmethode kann man entnehmen, dal~ eine gewisse Fiillung des Darmes fiir die Erzielung yon Reizeffekten nStig ist. Die Bedeutung der Fiillung ftir das Arbeiten des ausgeschnittenen Warmbliiterdarmes stelite zuerst P, Trendelenburg lest; Nervenreizungen sind aber an diesem Priiparat nicht zu machen, dagegen ist fiir das Studium yon Nervenreizen vSltig geeignet die Anordrmng nach Straub und Viaud a, in der der fiir die peristaltische Tgtigkeit maggebende Fiillungsgrad beherrscht wird. An diesem Prgparat haben wit den Einflul~ der Vagusreizung und die Peri- staltik studiert. Diese Untersuchung schliel~t sieh an die yon Hukuhara ~ an, der am Bauchfenstertier mit kinematographischer Registrierung arbeitet. Die wertvollen Untersuchungen Hukuharas bediirfen einer Erggnzung, well dort tier Fiillungsgrad des Darmstiicks nicht beherrseht ist und weiter die graphisehe l~egistriemng der Bewegungserseheinungen natiirlieh wegfallen mul3te. Eine weitere methodisehe Verbesserung mtissen die bisherigen Unter- suchungen nach der Seite der Reizungsart erfahren. Es wurde bisher zu- allermeist mit den faradischen InduktionsstrSmen gearbeitet, die fiir die Reizung vegetativer Nerven bekanntlich besser dutch Sinus-Sehwin- gungen optimaler Frequenz ersetzt werden s. I C atel, W.: Normale u. pathologische Physiologic der Bewegungsvorggnge im gesamten Darmkanal. Leipzig 1936 (Literatur).- 2 Zitiert nach P. Trendelen- bur g : Ilandb. d. norm. u. pathol. Physiol. 3 (1927). -- 3 S t r a u b u. Via u d : Naunyn- Schmiedebergs Arch. 169 (1933). -- 4 Hukuhara: Pfliigers Arch. 239 (1932) (Literatur). - - ~ Vgl. Greta els, I-I. : Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 177 (1935), dort auch Kritik und Literatur der 1Reiztedmik.

Über den Einfluß der Vagusreizung auf die Peristaltik des Meerschweinchendünndarms

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Aus dem Pharmakologisehen Institut der lJniversitgt Miinchen.

L'ber den Einflul~ der Vagusreizung auf die Peristaltik des Meerschweinchendiinndarms.

Von W. Straub nnd Kristinn StefAnsson.

Mit 4 Textabbiidungen.

(Ei, ngegange~'~ am 1. Marz 1937.)

Die Kenntnisse iiber den Einflul~ der Vagusreizung auf die Motorik des Dannes sind noch recht spgrlich und nicht ohne Widerspriiehe (W. C a- teP), im Gegensatz zu dent, was fiber die l~eizung an anderen Erfolgs- organen feststeht. Es scheint, als ob methodische Schwierigkeiten, die speziell fiir das Arbeiten am Darm bestehen, noeh zu iiberwinden sind.

Sehon aus den friihen Versuchen yon Bay l i s s und S t a r l i ng 2 mit der Ballonmethode kann man entnehmen, dal~ eine gewisse Fiillung des Darmes fiir die Erzielung yon Reizeffekten nStig ist. Die Bedeutung der Fiillung ftir das Arbeiten des ausgeschnittenen Warmbliiterdarmes stelite zuerst P, T r e n d e l e n b u r g lest; Nervenreizungen sind aber an diesem Priiparat nicht zu machen, dagegen ist fiir das Studium yon Nervenreizen vSltig geeignet die Anordrmng nach S t r a u b und Viaud a, in der der fiir die peristaltische Tgtigkeit maggebende Fiillungsgrad beherrscht wird. An diesem Prgparat haben wit den Einflul~ der Vagusreizung und die Peri- staltik studiert. Diese Untersuchung schliel~t sieh an die yon H u k u h a r a ~ an, der am Bauchfenstertier mit kinematographischer Registrierung arbeitet. Die wertvollen Untersuchungen H u k u h a r a s bediirfen einer Erggnzung, well dort tier Fiillungsgrad des Darmstiicks nicht beherrseht ist und weiter die graphisehe l~egistriemng der Bewegungserseheinungen natiirlieh wegfallen mul3te.

Eine weitere methodisehe Verbesserung mtissen die bisherigen Unter- suchungen nach der Seite der Reizungsart erfahren. Es wurde bisher zu- allermeist mit den faradischen InduktionsstrSmen gearbeitet, die fiir die Reizung vegetativer Nerven bekanntlich besser dutch Sinus-Sehwin- gungen optimaler Frequenz ersetzt werden s.

I C atel, W.: Normale u. pathologische Physiologic der Bewegungsvorggnge im gesamten Darmkanal. Leipzig 1936 (Literatur).- 2 Zitiert nach P. Trendelen- bur g : Ilandb. d. norm. u. pathol. Physiol. 3 (1927). -- 3 S t r a u b u. Via u d : Naunyn- Schmiedebergs Arch. 169 (1933). -- 4 Hukuhara: Pfliigers Arch. 239 (1932) (Literatur). - - ~ Vgl. Greta els, I-I. : Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 177 (1935), dort auch Kritik und Literatur der 1Reiztedmik.

Einflu/3 der u auf die Peristaltik des Meerschweinehendiinndarms. 451

Methodik.

DieMeerschweinchen wurden mit L~rethan (1,2 g pro kg) narkotisiert. Tracheo- tomie und kfinstliehe Atmung. Darauf wird der linke Thoraxraum dutch Rippen- resektion zug~nglich gemaeht und der Oesophagus aufgesueht; die beiden Vagi laufen mit und an ihm his zum Durehtritt dureh das ZwereMe]l. Die Vagi werden yore Oesophagus nieht frei pr~pariert, vielmehr mitsamt demselben in versenkte Elektroden gefaBt. Vagi und 0sophus oberhalb abgebunden. Von der yon anderen Autoren ( H u k u h a r a , 1. e.) angewandten Reizung der Vagi am Halse mut3ten wit naeh einigen Vorversuehen ganz absehen, da dabei - - abgesehen yon der Mit- innervation des Herzens - - asthmatisehe Zust~nde auftraten, ZwerehfellstSrungen, die zu Druekst6rungen im Abdominalraum fiihrten.

Die Herrichtung der Darmsehlinge, immer aus der MiRe des Dfinndarms, gesehah in der fiblichen Weise.

Die zur Reizung dienenden unged~mpRen Sinussehwingungen wurden mit demselben Sehwingungskreis erzeugt, den Gremels (1. c.) zu seinen Unter- suehungen fiber den Vat, as benutzte. Auf Grund der Untersuehungen yon Gremels und M. Vogt (1. e.) verwandten wir als Frequenz stets 40 Hertz und eine Reiz- intensits yon 1 bis 3 Milliamp., die sich aueh fiir den Meersehweinehenvagus als optimal bew~hrge.

Versnche.

Es wurde zungchst durch stufenweise Fiillung des Darmsti icks in Interval len yon je 1 cm Wasserdruck die Schwelle der beginnenden Peri-

Abb. l. Einzelne Vagusreizungen verschiedener Intensitat. DerL~ngenmal~stab 5 cm gilt ffir alle Abbildungen.

stalt ik festgestellt (in Abb. 1 z. B. bei 12 cm Wasserdruck). Da der frisch pr~parierte D a r m tonisch ist und anfangs noch Tonus verliert, unter Zu- nahme seiner Fiillung, mug man mit dem Fiil lungsdruck so welt herunter- gehen, bis sicher keine spontane Peristalt ik mehr auf t r i t t ; dies ist in Abb. 1 z . B . bei 6 cm Wasserdruck erreicht. Man ha t nun ein Darmsti ick, das

452 W. ST~AUB und K. STEFiNSSO~:

unter seiner Reizschwelle gefiillt ist und dessen Bewegungen sicher auf den Eingriff des Experiments zuriickgehen.

Reizt man nach derartig definiertem Darm den Vagus mit wirksamen Reizen, so erfolgt auf jeden Reiz eine Gruppe yon peristaltischen Wellen. Diese We]lenschar ist stets yon gleicher Amplitude und Frequenz, wie wenn sie dutch einen wirksamen Fiillungssatz erzeugt worden w~re. Wit haben niemals einen Versager gehabt und nehmen nun an, dab die yon anderen Aatoren behauptete Unsieherheit, die sie dutch tteranziehung etwaiger Sympathieuseingriffe zu erkl~ren geneigt sind, nur auf die noch nicht optimale Methodik zuriiekgeht.

Ohne znn~iehst weitere Schliisse ziehen zu wollen, weisen wit darauf hin, dal] diese Effekte einmaliger Vagusreizung als Ph~nomene identisch sind mit dem Erfolg einmaliger intraarterieller Injektionen yon Acetyl- cholin (vgl. die vorhergehende Arbeit, Abb. 4, 5, 6).

Reizsehwelle.

Der Sehwellenwert der elektrisehen Vagusreizung liegt bei unserer Anordnung bei 2 Milliamp. Dieser Weft ist kaum der absolute Wert fiir den Nerven, denn in unserer Anordnung waren die beiden Vagis und der Oesophagus auf den Elektroden, wodureh viel Kurzschlul~ mSglich ist, der wahre Schwellenwert wird wohl viel tiefer liegen. Wiehtig ist jedoeh, dal~ unser Sehwellenwert fiir das jeweilige P]:~parat konstant blieb. Uber- sehwelligkeit des Reizes ~ndert nichts am Erfolg; vgl. Abb. 1, die Reizungen mit 2, 3 und 5 Milliamp., deren Intensit~it auf nicht mitgeteilten Kurven- teilen his 8 Milliamp. getrieben wurden.

Es b e s t e h t also fiir die vaga le D a r m i n n e r v a t i o n eine ,Al les - oder N i c h t s b e z i e h u n g " .

Reizdauer.

Die Reizdauer ist ohne Bedeutung ffir den Reizerfolg, ein wirksamer Reiz maeht lediglieh eine peristaltische Wellenschar, wie ein Dehnungsreiz.

Abb, 2. V~gusreizungen verschiedener Dauer and Intensitt~t. Dauerre izung.

Einflug der u ~uf die Peristaltik des Meerschweinchendiinndarms. 453

In der Abb. 2, die einem Versueh entstammt, in dem naeh einiger Zeit dureh Tonusverlust Spontanrhythmus sieh eingestellt hatte, sind Reize yon 45 bis 1980 Sekunden gleieh wirksam, sie maehen, wenn iiberhaupt wirksam, blot eine einzige Peristaltik. Weder eine Versehmelzung noeh eine Summation finder start; der Darm ist bestrebt, seinen Eigenrhythmus zu erhalten, bei der Dauerreizung yon 1980 Sekunden ist dieser Spontanrhythmus von grofter Gleiehm~Ngkeit. ~

Dieses Verhalten erweekt den Eindruck, als ob iiber- haupt nur der erste Reiz- einbrueh wirksam wgre. Er seheint dabei alles chemisehe Material zu verpuffen, das zur motorisehen Ziindung dutch Vaguseinflug vorhanden ist.

g

N

Latenz der Reizung.

Die oben zitierten Ver- suche lassen es wahrscheinlich erseheinen, dab fib die Vagus- reizung am Darm eine Art Refrakt~rstadium oder ein Pausengesetz giiltig ist, das einen vagalen Dauerspasrnus unm6glieh macht. Wir haben deshalb die Latenz der Vagus- reizung bei gleichbleibendem Schwellenreiz gemessen. Es ergab sich, Abb. 3 a, b, c, dab diese um so kiirzer ist, je gr6Ber der zeitliche Abstand der Vagusreizung vor der letzten Wel]e der vorhergehen- den peristaltisehen Periode ist, gleiehgiiltig, ob diese Periode vagal bedingt oder spontan war. Die Abbildung gibt drei solcher Messungen, die Tabelle mehrere.

454 W. ST~AU]3 und K. STEFiNSSON:

Tabelle 1.

Ruhezelt Daner t~uhezeit Daaer in Sek~nden der Latenz in Sekunden der Latenz

80 178 240 18 106 50 540 6 180 40 580 4

Man sieht, dal~ der Darm einc Einrichtung gegen StSrung seiner Peristaltik dureh vagale Eingriffe hat, es mu~ eine l~ingere Zeit nach jeder T~tigkeitsperiode verfliegen, ehe eine u eJne peristaltische Extrasystole auslSsen kann, wobei maa wiederum a,n die bekannten ehemischen Prozesse im Darm denken muir!

Abb. 4. Wirkung yon Atropin und Physostigmin.

Pharmakologisehes. Atropin liihmt, wie zu erwarten, auch in unserer Anordnung gegen jeden

Vagusreiz (Abb. 4). Die Dosis yon 0,6 mg ist iibermaximal, aber auch Dosen yon 10 V pro kg sind noch wirksam.

Einflul3 der Vagusreizung auf die Peristaltik des Meerschweinchendiinndarms. 455

Physostigmin nach Atropin durchbricht den Atropinblock in merk- wtirdiger Weise, es maeht eine Reihe yon Einzelwellen, aber keine Perioden. Pilokarpin (nicht abgebildet) maeht in Dosen yon 50 ~/kg intraven6s regulate peristaltisehe Perioden, auf jede Dosis aber nur eine.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Am ruhenden gefiillten D arm in situ in der Anordnung naeh S t r a u b maeht Yagusreizung Per~staltik, auf jede Reizung eine Periode.

2. Fiir die Yagusreizung besteht ein ,,Alles- oder Nichtsgesetz".

3. Eine Summation yon lteizung finder nieht start. 4. Es besteht eine Latenz der Reizung, deren Dauer umgekehrt pro-

portional der vorhergehenden Ruheperiode ist.