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W. Wessel. ober den Eirtflup &s Verschiiebungsstrornes usw. 59 Uber den Einflub des Verschiebulzgestromes auf delz Wechselstromwiderstand einfacher SchwCn gun gshreise Von W. Wessel (Mit 1 Figur) Die bekannten Ausdriicke fur Kapazitat, Widerstand und Selbst- induktion von Leitern sind im allgemeinen nur giiltig unter quasi- stationaren Verhaltnissen. Bei hoheren Frequenzen werden alle drei durch den Verschiebungss trom verandert. Fur das Lecher- system und einige andere Palle von ahnlicher Symmetrie ist diese Einwirkung schon in Betracht gezogen worden I), und noch langer bekannt ist der Unterschied der ,,dynamischen" gegen die statische Kapazifat beim Plattenkondensator ". Pagegen sind uns fur Spulen, Prahtkreise und ahnliche Gebilde keine Formeln bekannt, aus denen sich der EinfluB des Verschiebungsstromes auf die Selbstinduktion und den Widerstand entnehmen lieBe. Gerade bei ihnen sollte sich aber bei einem gegebenen Schwingungskreise die Abweichung vom quasistationken Verhalten zuerst bemerkbar machen; denn maB- gebend fur den EinfliiB des Verschiebungsstromes ist immer das Verhiiltnis einer typischen Linearabmessung des Systems zur Wellen- lange der aufgepragten Schwingung, und gerade, wenn man kurze, mit der GroBe des Systems vergleichbare W ellen herstellen will, ubertreffen die Abmessungen der Selbstinduktion die der Kapazitat meist um ein Vielfaches. Eine vollstandige Berucksichtigung des Verschiebungsstromes ist noch inoglich bei den elektromagnetischen Eigenschwingungen einiger Rotationskorper, fiir die sich die Schwingungsgleichung in geeigneten Koordinaten separieren la&. Deren Zahl igt aber sehr beschrankt 3). Bei Untersuchungen im Jenaer Institut ergab sich nun das Bediirfnis, den EinfluS des Verschiebungs- und Verlust- stromes auf Widerstand und Selbstinduktion einiger weniger ein- 1) Vgl. den Artikel von E. Alberti in Handb. d. Phys. Bd. SV B, Kap. 3, Ziff. 36. 2) P. Drude, Physik des Athers, Kap. IX, Ziff. 31. Die Theorie geht auf Cohn und Heerwsgen, Wied. Ann. 43. S. 343. 1891, zuruck. 3) G.Mie, Ann. d.Pbys.2b. S. 377. 1908; P. Debye, ebenda 30. S 57. 1909 (Kugel); M.Abraham, Wied.Ann. 66.5.435.1898(Ellipsoid); A.Sommer- feld, Ann. d. Phys. 67. S. 233. 1899 (eylindrischer Drsht).

Über den Einfluß des Verschiebungsstromes auf den Wechselstromwiderstand einfacher Schwingungskreise

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W. Wessel. ober den Eirtflup &s Verschiiebungsstrornes usw. 59

Uber den Einflub des Verschiebulzgestromes auf delz Wechselstromwiderstand

einfacher SchwCn gun gshreise Von W. Wesse l

(Mit 1 Figur)

Die bekannten Ausdriicke fur Kapazitat, Widerstand und Selbst- induktion von Leitern sind im allgemeinen nur giiltig unter quasi- stationaren Verhaltnissen. Bei hoheren Frequenzen werden alle drei durch den Verschiebungss trom verandert. Fur das Lecher- system und einige andere Palle von ahnlicher Symmetrie ist diese Einwirkung schon in Betracht gezogen worden I), und noch langer bekannt ist der Unterschied der ,,dynamischen" gegen die statische Kapazifat beim Plattenkondensator ". Pagegen sind uns fur Spulen, Prahtkreise und ahnliche Gebilde keine Formeln bekannt, aus denen sich der EinfluB des Verschiebungsstromes auf die Selbstinduktion und den Widerstand entnehmen lieBe. Gerade bei ihnen sollte sich aber bei einem gegebenen Schwingungskreise die Abweichung vom quasistationken Verhalten zuerst bemerkbar machen; denn maB- gebend fur den EinfliiB des Verschiebungsstromes ist immer das Verhiiltnis einer typischen Linearabmessung des Systems zur Wellen- lange der aufgepragten Schwingung, und gerade, wenn man kurze, mit der GroBe des Systems vergleichbare W ellen herstellen will, ubertreffen die Abmessungen der Selbstinduktion die der Kapazitat meist um ein Vielfaches.

Eine vollstandige Berucksichtigung des Verschiebungsstromes ist noch inoglich bei den elektromagnetischen Eigenschwingungen einiger Rotationskorper, fiir die sich die Schwingungsgleichung in geeigneten Koordinaten separieren la&. Deren Zahl igt aber sehr beschrankt 3). Bei Untersuchungen im Jenaer Institut ergab sich nun das Bediirfnis, den EinfluS des Verschiebungs- und Verlust- stromes auf Widerstand und Selbstinduktion einiger weniger ein-

1) Vgl. den Artikel von E. Albert i in Handb. d. Phys. Bd. S V B, Kap. 3, Ziff. 36.

2) P. D r u d e , Physik des Athers, Kap. IX, Ziff. 31. Die Theorie geht auf C o h n und H e e r w s g e n , Wied. Ann. 43. S. 343. 1891, zuruck.

3) G.Mie , Ann. d.Pbys.2b. S. 377. 1908; P. D e b y e , ebenda 30. S 57. 1909 (Kugel); M.Abraham, Wied.Ann. 66.5.435.1898(Ellipsoid); A.Sommer- f e l d , Ann. d. Phys. 67. S. 233. 1899 (eylindrischer Drsht).

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facher Leitergebilde abzuschatzen. Wir haben uns dabei zunachst mit Naherungsverfahren beholfen; es zeigte sich aber bald, daB man fur verschiedene wichtige Leiterformen so gut wie geschlossene Losungen angeben kann, wenn man von der Integralgleichung fur die Stromdichte ausgeht. DaB die Formulierung durch Integral- gleichungen dem Problem sehr angemessen ist, wurde vom mathe- matischen Standpunkt schon mehrfach bemerkt und ausgeniitzt, so besonders von Hal lhnl ) , der damit sehr eingehend die Eigen- schwingungen verschiedener sonst schwer zu behandelnder Leiter- formen mit verteilter Kapazitat untersucht hat. Ein Hauptvorzug der Integralgleichungsmethode scheint uns aber noch nicht gebiihrend ins Licht gesetzt zu sein. Man rechnet dabei von vornherein und ausschliel3lich mit dem Strome, nicht mit den Feldern. Infolgedessen kann man vie1 weitergehend als bei der Differentialgleichungsmethode, bei der sie sich erst am Ende einfuhren lassen, rnit den Begriffen Kapazitat und Selbstinduktion, Blind- und Wirkungsleistung usw. arbeiten. Insbesondere kann man damit immer genau ubersehen, welche Teile der Blindspannung induktiven und welche kapazitiven Ursprungs sind und wieviel zu beiden wieder der Verluststrom bei- tragt; ferner wie sich entsprechend der Strahlungswiderstand zu- sammensetzt, wie die einzelnen GroBen von der Frequenz abhangen und anderes rnehr.

Wir haben im folgenden vor allem draht- und plattenformige Leiter rnit einigermaBen lokalisierter Kapazitit im Auge, wie etwa

einen Drahtkreis mit eingebautem Plattenkonden- sator (Fig. 1). Es kommt dabei nicht so sehr darauf an, daB der Querschnittsdurchmesser des Drahtes auBerst klein gegen seine Langenerstreckung sei, sondern hauptsachlich darauf, daB moglichst keine Stromlinien auBerhalb der Kapazitat endigen, daB

Fig. 1 also im ganzen ubrigen Leiter die Stromstarke dieselbe ist. Dann werden namlich die Verstimmung

der Selbstinduktion und dar induktive Anteil des Strahlungs- widerstandes rein geometrische GrOBen, wie die Selbstinduktion im quasistationaren Falle, und angenahert berechenbar, ohne daB man zuvor die Integralgleichung zu losen braucht. Wir interessieren un6 vor allem fur die Abhangigkeit dieser GroBen von der Frequenz (01)

und werden deshalb mit erzwungenen. ungedampften Schwingungen rechnen. Unter Umstanden, d. h. wenn unsere Formeln in dem betreffenden Wellenlangenbereich noch giiltig sind, konnen wir auch

13 1) Erik HallBn, Uber die elektriecben Schwingungen in drahtf6rmigen

Leitern, Uppsala Universitets h s k r i f t 1930.

W . Wessel. fiber d e n Einjluj des Verschiebulagsstrornes USMI. 61

aus der gewohnlichen Widerstandsformel die Resonanzfrequenx be- stimmen, indem wir L und gegebenenfalls R und C als Funktionen von GI einsetzen. Sehr vie1 miihsamer ware die Bestimmung der Eigenfrequenz, weil man sie nur xusammen mit dem Dekrement aus zwei transzendenten Gleichungen berechnen kann. Es trifft sich gut, da8 man experimentell eigentlich nur Interesse an der Resonanz- frequenz hat. Ausgeschlossen von uneerm einfachen Verfahren sind Oberschwingungen, weil sie immer mit ausgesprochen verteilter Kapazitat verbunden sind.

Im folgenden ist immer nur vom Verschiebungsstrom die Rede. Durch Einfiihrung einer komplexen Dielektrizitatskonstanten kann man auch einen Verluststrom beriicksichtigen. Wir beabsichtigen, darauf in einer Fortsetzung dieser Arbeit einzugehen, die auch die numerischen Ausfiihrungen bringen sol1 I).

1. Die retsrdierten Potentiale Die Maxw ellschen Gleichungen mit Verschiebungsstrom -

wir beschranken uns auf unmagnetische Leiter, p = 1 - lijst man bekanntlich durch den Ansatx a)

Fur das skalare und Vektorpotential V und 3 ergeben sich die Gleichungen

ist die Stromdichte; die Raumladungsdichte ist uberall gleich Null. Eine Nebenbedingung, die noch zu (2) hinzutritt, ist immer durch die Konstanz der gesamten Elektrizitatsmenge erfiillt 3). . In unserm Falle bedeutet das einfach (3) div i = 0. Wenn der Strom im freien Raume fliefit (Kathodenstrahlen, Gliih- elektronen) lautet die Losung der ersten G1. (21 bekanntlich

(4)

1) Vgl. auch den Vortrag dee Verf.s auf der Physikertagung in Bad SJz- brunn 1936 (Tagungshefte der Ztschr. f. techn. Phys. und der Phys. Ztschr.).

2) Vgl. etwa M. Abraham-R.Becker , Theorie der Elektrizitat. 1. 571 . 3) M. Abraham, Theorie der Elektrizitiit. (3. Aufl.) 5. 0 8.

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(iiber den Raum integriert). Sie sagt aus, daB die Stromdichte im Quellpunkt Q ieitlich soweit zuriickzudatieren ist, wie ein Licht- signal braucht, urn den Weg vom Quellpunkt zum Aufpunkt P zuriickzulegen. Wir konnen diese Losung unter Einsetzung der ~hasengeschwindigkeit c/VE an Stelle von c unbedenklich auch dann verwenden, wenn der Strom in einem metallisclien Leiter AieBt und der AuBenraum mit einem Medium der Dielektrizitatskonstanten E

erfiillt ist, vorausgesetzt, dap der Leiter (in dem wir E = 1 annehmen) nicht allzu voluminos (z. B. keine Kugel) ist. Bei groBeren Abstanden ItP - rQ 1 verlauft dann der Lichtimpuls immer noch praktisch allein im Dielektrikum, und fur die kleinen Abstande, bei denen das nicht mehr der Fall ware, spielt bei den erreichbaren Frequenzen die Retardierung keine Rolle.

Wir gehen nun, gemaiB dem in der Einleitung Gesagten, zu ungedampften Schwingungen der Frequenz w uber. Die Stromdichte und alle FeldgroBen sollen a180 von der Zeit nur durch einen Faktor eiw abhangen, den wir wegen der Homogeneitat aller Glei- chungen nach Ausfuhrung der darauf beziiglichen Operationen auch gleich weglassen konnen. So haben wir

(5) ir, = - iQ d tQ c mit

w - 2 R k = - V E = - (6) R ’ wobei 1 die Wellenlange im Dielektrikurn bedeutet.

Fur das skalare Potential gilt im elektrostatischen Falle

uber die iiiu8ere und innere Oberflache des Leiters integriert. haben in unserm Fall trotz C1. (1) T V mit G gleichzusetzen,

Wir weil

‘$I an der Oberflache stetig ist. Mit D ivB = 4n s (s = Oberflachen- dichte der wahren Ladung) erhalten wir

wobei Gi die Feldstarke im Innern des Leiters bedeutet und die auBere Normale des Leiters positiv gerechnet ist. s und B sind wieder retardiert zu denken. Wir wollen beide durch die Strom- ciichte i ausdruckeu. Fur 6 gilt nach dem Ohmschen Gesetze:

(9)

W . Wessel. Uber den Einjllup des Verschiebungsstromes usw. 63

(6 = Leitvermogen des Leiters), und s ergibt sich als Zeitintegral der Normalkomponente des Stromes:

sdf = d t t i d f ) . s Durch Festlegung der unteren Grenze des Integrals konnte man depl Einsehwingvorgang behandeln; bei unseren reinperiodischen Schwingungen geniigt es, unbestimmt zu integrieren. Nimmt man wieder i - eiot an, so ergibt sich schlieBlich

2. Eine Zwischenbetrachtung

Es ist vielleicht angebracht, darauf aufmerksam zu machen, daB durch die Retardierung der EinfluB des Verschiebungsstromes im ganzen Raume erfal3t wird, obwohl zu den Integralen nur die strom- fiihrenden Leiter einen Beitrag liefern. Man erkennt das deutlich durch die folgende unstrenge, aber recht anschauliche Naherungs- betrachtung. Der Verschiebungsstrom ist in (2), wie schon der Faktor E zu erkennen gibt, in dem Gliede mit enthalten. Setzen wir dies Glied einmal auf die rechte Seite, so lautet die Gleichung im Periodizitatsfalle

A % = - - - . - - - 4ni k 2 ( 2 r . (12) C

Bei Weglassung des Gliedes mit k2 wiirde

sein. M/ ir versuchen nun, den Verschiebungsstrom dadurch zu be- riicksichtigen, da8 wir diesen Wert rechterhand in (12) einsetzen. Es ergibt sich durch abermalige Anwendung der Formel (13)

Hier hat man das zu erwartende Integral iiber den ganzen Raum (Q’) vor sich. Man erkennt, wie der Strom im Leiter (0) zunachst an einem Zwischenpunkte Q‘ des Dielektrikums einen InduktionsstoB des Verschiebungsstromes auslost, der dann wieder in P induziert. Dadurch, daB beide Wirkungen w proportional sind, erklart sich der Faktor k2. Man kann nun das Raumintegral ausfiihren’). Es ergibt sich

1) In elliptischen Koordinaten mit P und Q als Brennpunkten. Damit es konvergiert, mu8 i d z = 0 sein; man ist deahalb im Rahmen dieser Neben- betracbtung auf geschlossene Strome angewiesen. Auch dann kann mah das Ngherungsverfabren nicht fortsetzen, doch hat das dles offenbar nur mathe- matische Grunde.

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und das ist genau der Realteil von (5), wenn man dort die Exponen- tialfunktion bis zu dem Gliede mit k2 entwickelt. So einfach sind die Dinge nur, weiin der Raum leer oder homogen erfullt ist. GroBere Bereiche mit abweichender Phasengeschwindigkeit wurden sich bemerkbar machen; wir betonten ja auch schon oben, daB die Leiter selbst, wenn sie sich im Dielektrikum befinden, nicht voluminos sein diirfen.

3. Integralgleichung fur die Btromdichte

Mit Hilfe der retardierten Potentiale konnen wir bei Kenntnis der Stromverteilung aus (1) an jedem Punkte des Raumes die Feld- starke berechnen. Nun hangt aber die elektrische Feldstarke wieder durch das 0 h m sche Gesetz (9) mit der Stromdichte zusammen. Wir erhalten so aus der ersten G1. (1) eine lntegralgbichung fur i:

iP 1 . -- = - gradp Vvp - - 9Ip + .

und V, sind die retardierten Potentiale und a,, eine ,,8n8ere'b, als vorgegeben zu betrachtende Feldstarke, die den Schwingungs- vorgang anfacht und unterhalt. Wir setzen V P und aus (11) und (5) ein. In (11) konnen wir das zweite Glied der Klammer weglassen, denn das Verhiiltnis E w / 4 n IJ kommt neben der Einheit. bei den normalen Metall-Leitfahigkeiten erst fiir Lichtfrequenzen in Betracht. Wir ordnen die Glieder noch etwas um und schreiben die Integralgleichung

Wenn man unsere Ableitung betrachtet - das Glied mit i w ent- steht durch Differentiation, das Glied mit l/i o aus dem Zeitintegra! des Stromes - erkennt man deutlich, dab die kompliziert aussehende Integralgleichung einen einfachen Sinn hat: sie entspricht genau der G leichun g

1 i co L J + R J + ioc J = V

fur d e n Gesamtstrom, in der L, R und C Selbstinduktion, Ohmschen Widerstand und ,Kapazitit bedeuten, und bildet d i e Verfeinerung dieser Gleichung fur d ie Xtromdichte. Im quasistationaren Falle, d. h. wenn man e - i k r = 1 setzen kann, la& sicli (18) aus (17) sofort durch eine Integration iiber den Leiter gewinnen. Wir brauchen das wohl nicht auszufiihren, werden vielmehr gleich zeigen, daB man

W . Wessel. Ober den Einflua des Verschiebungsstromes usw. 65

auch fur nicht-quasistationare Verhaltnisse ubersichtliche Ausdriicke fiir L, R und C aus (17) ableiten kann.

Die Integralgleichung fur die Stromdichte wurde fur freie Schwingungen nach einer etwas andern Methode schon von Ha l l en 1) aufgestellt. I n seiner GI. (1 5) a. a. 0. wird auch Magnetisierbarkeit des Leiters beriicksichtigt und das zweite Glied von (1 1) mitgefiihrt; sonst unterscheidet sie sich von der unsern nur dadurch, daB das Dielektrikum im Innern des Leiters angenommen wird.

4. Ausdriicke fiir den Wechselstromwidemtand

Die vorhin angedeutete SchluBweise von (17) auf (18) 1aSt sich folgendermaBen verallgemeinern. Wir multiplizieren mit dem kon- jugiert komplexen Werte i* von i (die Phase kann jetzt wie lil vom Orte abhangen) und integrieren iiber den Innenraum des Leiters. Der Gebrauch der konjugierten GroBe hat hier keine Bedenken; man konnte auch, nach Multiplikation mit e W t , mit dem Realteil von (17) rechnen. Das dritte Glied kann wegen (3) nach dem Gauss- schen Satze

J i v r p d t = J d i v i q a r = S i r p d f

umgeformt werden. Es folgt

I n dern Integrale rechter Hand denken wir uns den Strom in infini- tesimale Rohren konstanter Stromstarke d 1 Jpj und Phase r p p auf- gelost, was wegen der Divergenzfreiheit der Stromdichte immer mog- lich sein muB. Langs einer solchen Rohre P sei

wobei d S p ein infinitesimales Langenstuck in der Stromrichtung dar- stellt. Wir konnen dann auch, da sich y p langs der Stromlinie P nicht aindert,

(20) i p d T p = d 1 Jpi d S p e i w ,

schreiben. Das Integral V p lauft von dem Punkte der Leiterober- flache, an dem der Stromfaden entspringt, zu dernjenigen, wo er endet, und stellt die Arbeit dar, die das auBere Feld an einer Einheitsladung auf diesem Wege leistet; daher ist d 1 J p ] Vpe-”p die Leistung des auBeren Feldes langs des Stromfadens P und

Wir wollen diese Leistung d I J p I V , e -i WJ die Gesamtleistung.

1) E. Hallbn, a. a. 0. Annalen der Physik. 5. Folge. 28. 5

66 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 28. 1937

durch den Gesamtstro,m I J j = ! J d J p 1, d. h. bei verteilter Kapazitat durch die Amplitude im Strombauch ausdrucken, indem wir setzen

Hiermit sind auch fur ein nicht wirbelfreies Feld Spannung und Phase als Mittelwerte ( V k r = I d I J p l V p e i q p : I J d J p ! ) in offen-

bar sinnvoller Weise definiert und wir konnen auch von dem kom- plexen Gesamtstrom J = I J ! e iq sprechen.

Wir bringen nun den Faktor I J 1 e- i v auf die linke Seite von (1 9) oder multiplizieren dort mit J : J J". Ferner zerlegen wir e - i k r in Real- und Imaginarteil und schreiben fur cos kr gleich 1-2 sin2 kr /2 . Dann erhalten wir GI. (18) mit folgenden Werten fur L, R und C:

Fur $iQ kann man auch [Gig I cos (qp - y,) schreiben; denn neben der Kombination P Q kommt auch Q P mit gleichem Vorzeichen vor, daher verschwindet das Glied mit sin (yp - yu). Die Integral;? sind also reell.

Um L, R und C auszurechnen, mu6 man naturlich i kennen, d. h. eigentlich erst die Integralgleichung losen; indessen lassen sich viele angenaherte Schlusse auch ohne das ziehen. Zunachst sieht man gut, wie die einzelnen GroBen sich zusammensetzen. Die vordersten Glieder in allen Klammern sind die gewbhnlichea, quasi- stationilren Ausdrucke fiir L, R und IjC. Sie hangen nur insofern vom Verschiebungsstrom ab, als dieser eine von der qnasistationaren abweichende Stromverteilung i uber den Leiterquerschnitt bedingt. Wir kommen gleich darauf zuriick. Die andern Glieder stellen den unmittelbaren EinfluB des Verschiebungsstromes dar. I n R be- deuten sie offenbar den Xtrahlungswiderstand. Er zerfallt in einen induktiven und kapazitiven Anteil; diese sind einfach die Realteile von i w L und 1 / i M C. Alle diese Glieder sind in erster Naherung proportional w2. Man erkennt das, wenn man die Sinus entwickelt - was erlaubt ist, solange die Leiter ganz im Endlichen liegen -

W. Wessel. Uber den EiRflufi des V'srschiebzllzgsstromes usw. 67

und in den Flachenintegralen f i d f = 0 berucksichtigt. Was den Strahlungswiderstand betrifft, so ist diese Frequenzabhangigkeit von der Dipolstrahlung her bekannt. Fur L und l /C erklart sie sich aus dem unter 2. Gesagten. Unter besonderen Symmetrieverhalt- nissen kann natiirlich auch der Dipolwiderstand noch verschwindm und die Strahlung mit einem Quadrupolwiderstand ( - ro4) einsetzen. - Die Veranderung der Selbstinduktion durch den Verschiebungs- strom und der induktive Teil des Strahlungswiderstandes wurden schon von B r a i n e r d l) angegeben.

Die Frage ist nun, ob diese Aufspaltung von L, R und C nicht hinfallig wird durch den EinfluB des Qerschiebungsstromes auf die Verteilung der Leitungsstromdichte. Hier kommt uns der Skineffekt zu Hilfe. Dieser ist bekanntlich schon eine Folge des Induktionsgesetzes und seinem Betrage nach fast vollsyandig be- stimmt durch das Leitvermogen. Der Verschiebungsstrom tritt da- neben, wie man aus Sommerfe lds strengen Losungen entnehmen kann2), nur im Verhaltnis E w i n , bzw. in unsern Einheiten E 014 n ts auf, was wir schon bei der Begriindung von (1 7) vernachlassigt haben. Aus dem Grunde kann man jedenfalls in den Rauminte- gralen mit der quasistationaren Stromverteilung rechnen, insbeson- dere fur das erste Glied in L die bekannten 'Formeln3) benutzen. Wenn der Verschiebungsstrom eine Rolle spielt, werden im all- gemeinen die rnit reinem Oberflachenstrom ,,fur hoke Frequenzi' (a. a. O., Ziff. 10) berechneten in Frage kommen4). - Anders ist es mit den Flachenintegralen kapazitiven Charakters. Da die Kapazitat ohnedies an die Oberflache gebunden ist, wird sie vom Skineffekt unmittelbar nicht betroffen; hier wird vielmehr in erster Linie der Verschiebungsstrom wirksam sein. Nun weiB man, da8 fur einen Kreisplattenkondensator der Verschiebungsstrom ins Spiel tritt, sobald das Quadrat des halben Plattenumfangs nicht mehr klein gegen das Qpadrat der Wellenlange im Dielektrikum ist (Drude , a. a. 0.; dort ist E gleich Eins gesetzt). Ein ganz ahnliches Kri- terium ergibt sich aber, wenn man das zweite Glied in 1/C, G1.(23),

1) J. G. B r a i n e r d , Proc. 1nst.Rad.Ing. 22. S. 395. 1934. 2) Vgl. F r a n k - M i s e s, Die Differential- und Integralgleichungen der

3) E.B. R o s a u. F. W. Grover , Bull. Bur. of Stand. 8. Nr. 1. 1912. 4) Will man auch solche Feinheiten wie die Beeinflussung der azimutalen

Verteilung des Oberflachenstroms durch den Verschiebungsstrom berucksich- tigen, so mu8 man natiirlich versuchen, die Integralgleichung zu losen. Neben den hier betrachteten Veranderungen , die sehr erheblich sein kannen (vgl. den zitierten Vortragsbericht des Verf.s), diirften diese Einfliisse aber ver- schwindend klein sein.

Mechanik und Physik, 2. Bd., 14. Kap.

5 *

68 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 28. 1937

gegen das erste abschatzt. Hier ist also die Zerlegung rein formal. Glucklicherweise hat hier auch der Effekt das geringste Interesse, weil die Kondensatordimensionen notwendig immer klein gegen die Wellenlange bleiben. Praktisch wird man im allgemeinen mit der statischen Kapazitut rechnen konnen.

In L 1af.h sich nun fur drahtformige Leiter auch das Ver- schiebungsglied berechnen , wenn entweder der Leiter in seiner ganzen Lange vom Strome durchflossen, also die Kapazitat lokali- siert, oder die Stromverteilung, wie bei vielen Antennen (vgl. unten), anderweit bekannt ist. Man beachte namlich, daB fur zusammen- fallende P und Q der Integrand, verschwindet. Kahrend zu der gewohnlichen Selbstinduktion einander benachbarte Stromf aden am meisten beitragen (rpQ im Nenner), geben bier, weil der Verschie- bungsstrom im ganzen Raume sitzt, erst groBere Abstande einen Beitrag (Potenzen von r p Q im Ztihler). Wir konnen daher bei draht- formigen Leitern die Integration der schnell veranderlichen Strom- dichte iiber den Drahtquerschnitt gleichsam bei konstantem rp k!

ausfuhren. Drucken wir wieder i d t wie unter (20) aus, so diirfen wir bei lokalisierter Kapazitat uberdies Jd I Jpj dvPp = J und den konjugierten Faktor heben. Der Beitrag des Verschiebungsstromes zur Selbstinduktion - er moge L,., raumliche Induktion, heiBen - berechnet sich dann aus

rein geometrisch. Sein Wert ist nicht notwendig negativ, sondern z. B. fur einen Drahtkreis oder eine Spule bei langeren W7ellen [kleineren k , vgl. (S)] zunachst positiv, weil der Integrand die groBeren Beitrage bei entgegengesetzt gerichteten dBp, dGQ liefert. Bei kiirzeren Wellen kann das Integral positiv und negativ werden.

Der Strahlungswiderstand in R, Formeln (23), nimmt e k e Mittel- stellung ein. In dem induktiven Gliede wird man mit praktisch ausreichender Genauigkeit wie beim Obergange xu (24) geometrisch rechnen diirfen, da bei P = Q der Integrand’ noch endlich bleibt. Im kapazitiven Gliede liefert die stationare Stromverteilung, d. h. die statische Ladungsverteilung jedenfalls die erste Naherung richtig, da der Ausdruck mit keinem andern l3’lachenintegrale konkurriert.

Bei Antennen kann man vielfach die Stromstarke und damit auch die Oberflachenladung entlang dem Leiter auch bei stark ver- teilter Eapazitat mit geniigender Genauigkeit angeben; auf die Stromverteilung uber den Leiterquerschnitt kommt es dabei nicht an. I n solchen Fallen ist die Anwendung der Formel (23) fur R

W. Wesseb. Uber den Einjlup des Verschiebungsstromes USW. 69

gleichwertig mit der bekannten Superposition von H e r t zschen Os- zillatoren. Unsere Methode geht hier nur insofern etwas weiter, als sie die Aufspaltung des S trahlungswiderstandes in induktiven und kapazitiven Anteil ermoglicht. Die Rechnung wird fur eine stabformige Antenne an anderer Stelle gegeben I); sie zeigt, da6 der kapazitive Anteil negativ ist.

5. Reeonanafrequenz und Eigenschwingungen

Der Zusammenhang sei nur der fjbersicht halber ganz kurz dargetan. Bei ungedampften Schwingungen kann man wie ublich aus (18) auf den Scheinwiderstand

(251 RB = i w schlieBen, wobei eben nur R, L und C die Funktionen (23) von w sind.. An Stellen geringer Veranderlichkeit von R gilt auch fur die Resonanxfrequenz die T h oms on sche Formel

als transzendente Oleichung in w ; im ubrigen Bereich findet noch eine Verschiebung durch den Frequenzgang des Widerstandes statt. - AlZgemein hangt R., wie man unmittelbar aus (19) schlieBen kann, von o nur in der Verbindung w v & , d. h. nur von der Wellenlange im Dielektrikum ab. Bei zwei Dielektrizitatskonstanten e l , E, stehen also die Resonanzfrequenzen w, und ro2 auch bei beliebiger Frequenz- abhangigkeit von L, R und C exakt im Verhaltnis

(27) - -

W ] : w2 = Y E , : Y E l .

Man kann hiermit bei verlustfreien Korpern auch bei hohen Frequenzen die Dielektrizitatskonstante durch Vergleichsmessungen bestimmen 3.

Will man freie , gediimpfte Schwingungen behandeln, so mu8 man an Stelle des reellen w ein komplexes p = w + i 01 einfiihren, wo dann cz die Konstante der zeitlichen Abklingung darstellt. Die Doppelintegrale in L, R und C nehmen dann einen Faktor

an (mit positivem Exponenten, weil die Retardierung den Stromwert erhoht!) und werden so Funktionen von a! und w. Zur Bestimmung beider Konstanten hat man Realteil und Imaginarteil von

,.V% 0 / c

(28) P L + R + l / p C = 0

1) In dem oben zitierten Vortragsbericht des Verf.s. 2) J. Wyman jr., Phys. Rev. 35. S. 623. 1930.

70 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 28. 1937

als simultane, transzendente Gleichungen. Auf diese Weise wiirden sich bei lokalisierter Kapazitat Frequenz und Dekrement der Grund- schwingung ahnlich wie oben berechnen lassen. Bei den Ober- schwingungen hat man es aber immer mit verteilter Kapazitat zu tun (Mie's, ,,Oszillatoren 2. Klasse"1)). Hier kann man die p nur direkt als komplexe Eigenwerte der (homogenen) Integralgl. (17) er- mitteln, etwa in der Form, wie es H a l l e n a. a. 0. getan hat. Im ubrigen behalten, mit Ausnahme von (24), alle unsere Formeln auch fur Oberscliwingungen ihre Bedeutung; Kapazitat und Selbstinduk- tion verlieren dafiir nicht ihren Sinn, und sie stehen mit Frequenz und Dekrement immer in der Beziehung (28); es gelten daher auch stets die daraus folgenden Wechselstrombeziehungen als transzen- dente Gleichungen in cc und Q). Diese Bemerkung scheint uns in systematischer Hinsicht interessant, denn man sieht den transzen- denten Gleichungen fur cc und co - in der feldma5igen Behand- lung folgen sie aus den Randbedingungen - ihren Zusammenhang mit (28) gewohnlich nicht an.

2 ueammenfassung

Fur einfache Leitersysteme aus Urahten, Platten und dergl., ohne voluminijse Teile, die sich im leeren Raume oder in einem homogenen Dielektrikum befinden, kann man die Elemente des Wechselstromwiderstandes (L, R und C) auch bei nicht-quasistatio- n k e n Schwingungen allgemein definieren. Zu ihrer Berechnung ist im Prinzip die Buflosung einer Integralgleichung fiir die Strom- dichte erforderlich, die der Gleichung (i w L + R + lji o C ) J = V fiir den Qesamtstrom entspricht. Man kann aber die vom Verschiebungs- strom hervorgebrachten Veranderungen ziemlich vollstandig absondern und unter geeigneten Bedingungen, insbesondere bei lokalisierber Kapazitat, auch ohne Losung der Integralgleichung berechnen.

Die Fragestellung der Arbeit geht auf den Gefeierten dieses Heftes selbst zuriick. Der Verf. hat ihm nicht nur fur diese An- regung und das daran gekniipfte Interesse, sondern auch fur jahre- lange Anteilnahme und Forderung warmstens zu danken!

1) G. M i e , Handb. d. Expeiimentalphysik Bd. XI, 1. Teil.

J e n a, Theoretisch-Physikalische Anstalt der Universitat.

(Eingegangen 30. September 1936)