17
546.223 2 : 545.37 UEBER DIE EINWIRKUNG VON THIOSULFAT AUF VERDUNNTE CHROMALAUNLOSUNGEN VON E. STIASNY UND F. PRAKKE. In der vorstehenden Arbeit (s. S. 615) wurden die Vorgiinge bei der Einwirkung von Thiosulfat auf verdunnte Saurelosungen be- handelt. Bei der Einwirkung von Thiosulfat auf Chromalaun- losungen handelt es sich um einen ahnlichen Fall, denn Chromalaun- lesungen sind infolge Hydrolyse des Chromsulfats sauer (eine frisch bereitete 10 ykige Chromalaunlosung, 21° C, zeigte den pH-Wert 2,92), und diese Aziditat nimmt beim Altern der Chromalaunlosung infolge Verolung I ) der primar gebildeten Hydroxoverbindung und der dadurch verursachten Storung des Hydrolysengleichgewichtes noch etwas zu (nach 6 Wochen Altern zeigte die obige Chromalaun- losung den pH-Wert 2,23). Die Vorgange bei der Einwirkung von Thiosulfat auf Chro- malaunlosungen werden aber dadurch kompliziert, dass die bei der Thiosulfat-Saurereaktion gebildete schweflige Saure mit dem Chrom reagiert, indem sie Sulfito-Chromkomplexe liefert: dadurch wird sie dem Gleichgewicht der Thiosulfat-Saure-Zerlegungs- reaktion entzogen. Auch mit der Bildung von Sulfato- und Thio- sulfato-Chromkomplexen muss gerechnet werden, sodass die Unter- suchung der aus Thiosulfat und Chromalaun entstandenen Reaktions- gemische wesentlich komplizierter ist als die Untersuchung der Reaktionsgemische aus Thiosulfat und Saure. Die im folgenden zu beschreibenden Versuche, bei denen aus gerbereitechnischen Gesichtspunkten das Verhaltnis von Thiosulfat zu Chromalaun 1 : 1 oder > 1 : 1 (aber niemals < 1 : 1) gewahlt wurde, haben die Ergebnisse der vorstehenden Arbeit voll bestatigt; dariiber hinaus haben sie zu neuen Erkenntnissen gefuhrt. Es wurden 6 Reaktionsgemische (I-VI) gewahlt, bei denen der Ejnfluss des Verhaltnisses von Thiosulfat zu Chromalaun bei gleich- bleibender Chromalaunkonzentration (1-111 ) , der Einfluss der l) Eine nahere Beschreihung dieser Verolungserscheinungen und der 01-Verhin- /OH\‘’CrA, Ac4 hefindet sich in Werner-Pfeiffer. ,,Neuere dungcn vom Typus A,Cr., Anschauungen auf dem Gebiete der anorganischen Chemie” und in E. Stiasny. ,,Gerhereichemie”. Veriag Theodor Steinkopff, Dresden-Leipzig. ~ ~ ~- [ 1 ‘’\HO/

Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

546.223 2 : 545.37

UEBER DIE EINWIRKUNG VON THIOSULFAT AUF VERDUNNTE CHROMALAUNLOSUNGEN

VON

E. STIASNY U N D F. PRAKKE.

In der vorstehenden Arbeit ( s . S. 615) wurden die Vorgiinge bei der Einwirkung von Thiosulfat auf verdunnte Saurelosungen be- handelt. Bei der Einwirkung von Thiosulfat auf Chromalaun- losungen handelt es sich um einen ahnlichen Fall, denn Chromalaun- lesungen sind infolge Hydrolyse des Chromsulfats sauer (eine frisch bereitete 10 ykige Chromalaunlosung, 21° C, zeigte den pH-Wert 2,92) , und diese Aziditat nimmt beim Altern der Chromalaunlosung infolge Verolung I ) der primar gebildeten Hydroxoverbindung und der dadurch verursachten Storung des Hydrolysengleichgewichtes noch etwas zu (nach 6 Wochen Altern zeigte die obige Chromalaun- losung den pH-Wert 2 ,23) .

Die Vorgange bei der Einwirkung von Thiosulfat auf Chro- malaunlosungen werden aber dadurch kompliziert, dass die bei der Thiosulfat-Saurereaktion gebildete schweflige Saure mit dem Chrom reagiert, indem sie Sulfito-Chromkomplexe liefert: dadurch wird sie dem Gleichgewicht der Thiosulfat-Saure-Zerlegungs- reaktion entzogen. Auch mit der Bildung von Sulfato- und Thio- sulfato-Chromkomplexen muss gerechnet werden, sodass die Unter- suchung der aus Thiosulfat und Chromalaun entstandenen Reaktions- gemische wesentlich komplizierter ist als die Untersuchung der Reaktionsgemische aus Thiosulfat und Saure.

Die im folgenden zu beschreibenden Versuche, bei denen aus gerbereitechnischen Gesichtspunkten das Verhaltnis von Thiosulfat zu Chromalaun 1 : 1 oder > 1 : 1 (aber niemals < 1 : 1 ) gewahlt wurde, haben die Ergebnisse der vorstehenden Arbeit voll bestatigt; dariiber hinaus haben sie zu neuen Erkenntnissen gefuhrt.

Es wurden 6 Reaktionsgemische (I-VI) gewahlt, bei denen der Ejnfluss des Verhaltnisses von Thiosulfat zu Chromalaun bei gleich- bleibender Chromalaunkonzentration (1-111 ) , der Einfluss der

l) Eine nahere Beschreihung dieser Verolungserscheinungen und der 01-Verhin-

/OH\‘’CrA, Ac4 hefindet sich in Werner-Pfeiffer. ,,Neuere dungcn vom Typus A,Cr.,

Anschauungen auf dem Gebiete der anorganischen Chemie” und in E. Stiasny. ,,Gerhereichemie”. Veriag Theodor Steinkopff, Dresden-Leipzig.

~ ~ ~-

[ 1 ‘’\HO/

Page 2: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

64 1

1 ' J 7 5 ,, Chromalaun

V 5 '' ., Chrom'ilaun

20 O," ,, Thiosulf,it

1.25' ,, Thiosulf,lt

Chromalaun konzentration bei gleichbleibenden Verhaltnis von Thio- sulfat zu Chromalaun ( V u. VI) und der Einfluss eines grossen Thiosulfatiiberschusses (IV) gepriift wurde. In Tab. I ist die Zu- sammensetzung dieser Reaktionsgemische angegeben und auch jene Basizitat (in 5 ; ) 2 ) verzeichnet. die man errechnet, wenn man annimt. dass ein Mol. Thiosulfat wie zwei Mol, Natriumhydroxyd wirkt.

355OI1 ..

3 3 " , , ,,

T a b e l l e I.

Berechnete Hasizitat. wenn 1 Na,S,O, = 2NaOH

gesetzt wird

Bezeichnung Zusamrnensetzung dcr I,osu n g I der

Die Reaktionsgemische wurden in verschliessbaren Kolben, in denen sich ein Absorptionsgefass fur Schwefeldioxyd befand, zwei Monate im Dunkeln aufbewahrt und dann analysiert. Einzelheiten beziigl. Versuchsanordnung und Analysenmethoden souie kritische Besprechungen der letzteren finden sich im Versuchsteil. Tab. I1 enthalt die vollstandigen Analysenergebnisse.

Man sieht. dass der grosste Teil des bei der Thiosulfatzerlegung gebildeten Sulfits komplex an Cr gebunden w i d , und dass im Ver- such IV (grosser Thiosulfatiiberschuss) ein Verhaltnis von fast 1 SO:: - - pro 2 Cr erreicht wird. Beide Ergebnisse stimmen mit friiheren Beobachtungen bei der Einwirkung von Natriumsulfit auf basisches Chromsulfat gut iiberein 3 ) . Wesentlich geringer ist der Anteil komplex gebundenen Sulfats an dem Gesamtsulfat, wie die Zusammenstellung in Tab. I11 zeigt.

Bei Thiosulfat ist der komplex gebundene Anteil noch vie1 ge- ringer (siehe Tab. 11, horizontale Spalte 5 ) . Betrachtet man den Anteil,

*) Die Basizitstszahl in Prozenten gibt die an OH gebundenen Valenzen des Chroms in Prozent seiner Grsamtvalenzen an. Beispiele: CrOHSO, ist 33 % basisch: [Cr(Oil),],SOI 1st 67 '/,, basisch: C:r(OH):, ist 100 " (, basisch.

:!) E. Stiasny und L. Szego, Collegium 1926, 41.

Page 3: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

642

T a b e l l e 11.

mg Mol (Ion oder Atom) auf 100 cm3

~ ~~- ~

10.3 S,O,” vor der Zerlegung SO,/’ ., ,, 1 41.2 Chrom 20 6

I

nach 2 Monaten Reaktionsdauer

S,O, ionogen gebunden 1 1 2 5

SO, ionogen gebunden SO, komplex , Entwichenes SO, 0 7 Gefallter Schwefel ‘ 6 4

S,O, komplex ,, 0 55 ‘ :: Polythionat I 2 0 SO, ionogen gebunden 33 5 SO, komplex ,, 7 8 Gesamt SO, 41 3 Gebildetes SO, 0 1 DII (Chinhhdronelectrode) 2 9

I1 __ ~

~~

20.8 41.6 20.8

3.4 1 0

0.2 6.6 0 7

13 5 3.9

36.4 7.2

~ ~

42.0 1 82.4 42.0 30.9 21.0 , 15.5

15.3 1 52.2 1.6 1 4.2 0.6 1 1.6 7 2 1 7.0

* )

20.5 1 23.6 5 3 3.6

39.7 1 34 I 10 4 8.6

O 5 I

v 1 VI -~ - -

5.2 15.3 20.6 61.2 10.3 3 0 6

0.38 0.80 0.20 0.28 0.05 0.16 1.84 6.0 0.9 2.0 3.5 12 1 0.7 2. I

17.9 52.6 3 : 9.9

4 3 6 50 1 , 42.7 21 TI 6 2 5

3 2 3 1

2 0 8.1 0.6 , 1 3 1 1 s

p t i (Wulff’ Folienkolorimeter) ’ ’ 3.4 ’ 3.6 f 5 ’ 3.i 3 1

Qualitative Reaktion

duF Pentathionat pos. pos. pos. neg, pos. pos. duf Trithionat ~ neg. ~ neg. ’ neg. ncg. neg neg. Hasizitiit in Prozenten I 12 23 30 i f ~ 1 3 I !

* I I m versch!ossenen Masskolben. sodass SO, nicht entweichen k o n n t c :In<! n ~ c h t a!isorhiert wurde.

T a b e l l e 111. -.-

I 1 I1 1 111 iv V VI

I I I

100 96 97 92 81 97 9; Komplex geb SO, Gesammt SO, I

100 19 17 20 20 16 1 b Komplex geb SO,

Gesammt SO,

den die an Cr komplex gebundenen Reste (SO t , SO,,, S 2 0 : ; ) ,in den1 Gesamtgehalt an Saureresten (an Cr gebunden) aufweisen (siehc

Thiosulfat Tab. IV) so findet man rnit zunehmenden Quotienten ~

Chromalaun (Losungen I-IV) zunehmende Komplexbildung (47 c/;--lOO c; ) .

D a s Vorhandensein von komplex gebundenen Polythionatresten wird durch die Analyse der Thiosulfat-Chromalaun-Gemische wahr- scheinlich gemacht. M a n erhalt namlich mit der HgC1,-Methode hohere Polythionat-Werte als mit der KCN-Methode. Bei der ersteren Methode wird das Chrom gefallt und der Chromkomplex vollstandig

Page 4: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

643

T a b e l l e IV.

I I1 111 IV v VI

2.9 3.4 3.6 4.5 3.1 3.1 12 23 30 34 13 11

P H Basizitat in T/o

__ _ _ ~ _ _ ~___~-.-

In mg Aeq. pro 100 c d . 1. An Cr geb. mg Aeq. * ) 61.8 2. SO$ kompl. an C r geb. * + ) 15.6 3. so:< *, ,, ,, ,. ' * ) 8.6 4. S2O:r ,, I , I , I , * * I 1.2

25.4 5. Zusamrnen kompl. an C r geb. (2+3+4) \

6. O H an Cr, aus der Basizitat berechnet 7.4 7. Gesamt Aeq. kompl. an C r (5f6) 32.8 8. SO4 ionogen an Cr geb. (1-7) 29.0

Kompl. an Cr yeb. Saure (2f.3f4) in y o von ges. an C r geb. S a m e ( 2 A 3 1 4-18) * ) Aus dem Chromgehalt berechnet ( 3 Aeq.

47

") Durch Analyse yefunden.

62.4 63.0 14.4 20.8 13.2 14.4 2.0 3.2

29.6 38.4 14.4 18.9 44.0 57.3 18.4 5.7

62 87 pro 1 Cr).

46.5 30.9 91.8 17.2 6.6 19.8 14.0 3.6 12.0 8.4 0.4 0.6

39.6 10.6 32.4 15.6 4.0 10.1 55.4 14.6 42.5

-9.1 16.3 49.3

100 39 40

zerlegt; bei der letzteren Methode ist dies nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Masse der Fall; es konnen also komplex gebundene Poly- thionatmengen der Bestimmung entzogen bleiben. In der folgenden Zusarnrnenstellung geben die Differenzen zwischen HgCI,-Methode und KCN-Methode ein relatives Mass fur die vorhandenen Mengen komples gebundenen Polythionats.

Polythionatmengen in mg Mol 100 cmJ

I I1 111 ~ - - _ - ~ _ ~ _ - ~ ~ - -~~~ ~ - - ~

HgCIi-Methode 2.0 3 9 5.3 1 7 2 1 2 7

Diffwenz L -7 1 8 2 6 KCN-MethoJe

Die in den Reaktionsgemischen nach zweimonatiger Einwirkung gefundenen pH-Werte bewegen sich zwischen 2,9 und 4.5 (siehe Tab. 11) . ALIS der vorhergehenden Abhandlung (Tab. VII) ist be- kannt. dass zwischen pH = 3,3 und pH = 5,0 alles Sulfit als HSO:(' vorliegt. Unterhalb pH = 3.3 tritt auch undissoziierte H,SO:; auf. die aber bei pH = 3 , O nur 5,5 R der gesamten schwefligen Saure ausmacht. Bei den Versuchen 11, 111 und IV (End-pH > 3.3) wird man also ausschliesslich HSO:,', bei den Versuchen I , V und VI (End-pH I-: 2.9 bzw. 3 , l u . 3.1) nur geringfugige Mengen von H,SOZ3 erwarttrn diirfen. deren Bildung auf das Gleichgewicht der Reaktion

(1) S203&' $- H. >i%' SO,,H' + S . . . . .

also einen unwesentlichen Einfluss ha t .

Page 5: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

644

Bei pH = 3 ist der Zerlegungsquotient [ s 2 03 1 I’ ~~~ = 10 4 ) ) ; [ Sc h w efli g e Sa ure ]

d.h., dass nur l i l l in schweflige Saure (+ Schwefel) zerlegt ist, sodass 10,‘ll des Thiosulfats fur die Umwandlung in Polythionat zur Verfugung stehen. Nun ist die nach der Gleichung

entstehende Polythionatmenge - wie Tab. V zeigt - bei der Ein- wirkung von Thiosulfat auf Chromalaun geringer als bei der Ein- wirkung von Thiosulfat auf Saure,

6 H. + 5 S20,” = 2 SSO,” + 3 H2O ( 2 )

T a h e l l e V. ~~ ~

~ Thiosulfat-Zerlegungsprodukte. zuruckgerechnet auf ursprunpliches Thiosulfat und ausgedruckt in

mg. Mol. urspr. Thiosulfat fur 100 cm3

~~ -

Schweflige Saure (komplex geb. + ionogen gebunden) -/- entwichenes SO, ~ 5.2 Polythionat *) I 5.0

I

7.5 ~ 8.3 I 8.6 9.8 , 13.3 1 9.0

1% - 3 (siehe vor-

I lung T a b . V ) 1 - - ~- ~ -~

~

2.8 0.38 1.8 I i.: 6.25

’ ‘ 1 Polythionatbildung in O, der Gesamtzerlegung des Thiosulfats

(berechnet aus obigen Zahlen).

~ 49 i 57 62 ’ 51 ~ 39 I 39 ~ 94 *) Die hier rnitgeteilten Zahlen sind etwas zu niedrig. da die sekundare Umwandlung

von Polythionat in Sulfat unberucksichtigt bleiben rnusste. Die dadurch bedingten Fehler sind aber nur klein und beeinflussen bei geringere Sulfatbildung nicht das allgemeine Bild.

Dies erklart sich daraus, dass die bei der Zerlegung nach ( 1 ) gebildete schweflige Saure zur Bildung von Sulfito-Chrom-Kom- plexen verbraucht wird, wodurch das Gleichgewicht dieser Reaktion gestort und neue Mengen von HSO,’ nachgeliefert werden, was eine Verminderung der Polythionatausbeute bedingt. Erst, wenn sich das Gleichgewicht zwischen Sulfito-Chromi-Ionen und S03”-Ionen eingestellt hat, wird HS03’ nicht mehr dern Reaktionsgemisch entzogen.

Die zur Zerlegung nach (1) und ( 2 ) gelangenden Anteile sind fur die Mengen verbrauchter Saure und demzufolge fur den Basizi- tatsgrad der aus dem Chromalaun entstehenden basischen Chrom- salze bestimmend.

Die Zerlegung van Thiosulfat in schweflige Saure kommt fur die Basizitatserhohung des Chromsulfats nur insofern in Betracht, als sich (bei pH < 3 ) undissoziierte H2S03 bildet, die zum Entweichen

- -~ ~~

4 , Siehe die vorstehende Abhandlung S. 617, T a b . I!.

Page 6: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

645

Basizitat. berechnet aus - - --____ -

1 Sulfatbildung

von SO2 fiihrt. Die Hauptmenge der in Form von HS03' vor- liegenden schwefligen Saure wird aber keine Basizitatserhiihung bewirken, weil sie zur Bildung von Sulfitochromkomplexen dient und weil fur dip Komplexbildung wohl nur SOs-Reste (und nicht S0,I-I- Reste) in Frage kommen. Nach der Gleichung

HS03' + [Cr(H,O),IASO,), - [cr2go)] (SO,), + H . + sod''

muss deshalb bei der Thiosulfatzerlegung verbrauchte H.-Ion bei der Sulfito-Komplex-Bildung wieder frei werden.

Anders liegen die Verhaltnisse bei der Umwandlung von Thio- sulfat in Polythionat; die hierfur nach ( 2 ) erforderlichen H+-Ionen werden dem Hydrolysengleichgewicht der ChromalaunlGsung ent- zogen, was die Bildung basischer Chromsalze zur Folge hat. Die Polythionatbildung ist die Hauptursache der Basizitatserhohung einer Chromsulfatlosung. In Tab. VI ist die Basizitatserhohung an- gegeben, die durch Polythionatbildung und durch fluchtiges SOa verursacht wird; die Summe dieser beiden Faktoren zeigt gute Uebereinstimmung mit der direkt ermittelten Basizitat des Reaktions- gemisches.

T a b e l l e VI.

Summe

Basizitat in "i0, berechoet aus ~- ._ __

Poly thionat- Bildung

I

1 fluchtigem SO,

2.3 1 9.7 1

6.9 ! 5.9 1 6.0 1 4.4 I

I

19.0 2.2

Gefundene Basizitat Summe

12 :::; 1 12.8 11.3

Diese gute Uebereinstimmung kann auch als Bestatigung fur die Zuverlassigkeit der verwendeten Analysenmethoden dienen. Eine volle Uebereinstimmung der Basizitatswerte kann aber nur erwartet werden, wenn keine nennenswerte Sulfatbildung stattgefunden hat, weil bei der Sulfatbildung aus Polythionat die Wasserstoffionen auch eine Rolle spielen (siehe als Beispiel Gleichung ( 3 ) ) . Bei I betrug die Sulfatbildung 0,1, bei IV 0,6, bei V 1.3 mg Molei100 cm3 (siehe Tab. 11). Bei I 1 (Sulfatbildung ::= 2.0) ist die Uebereinstimmung schon weniger gut: bei 111 und-IV (Sulfatbildung = 8,1 noch wesentlich schlechter (vergleiche Tab. VII).

T a b e l l e VII.

bzw. 11,8)

Summe

a + b + c

. _ _ ~-

39.7 35 9

Gefundene

Basizitat

_____

30 34

23

Page 7: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

646

In Tab. VII erscheint die HI-Bindung durch Polythionat, durch fluchtiges SO, und durch Sulfat (nach (3) ) in Basizitatserhohung umgerechnet, wobei es aber zweifelhaft bleibt, ob die Sulfatbildung so, wie es in den folgenden Gleichungen angenommen ist, iiber das Trithionat erfolgt 5 ) .

5 S,03” + 6 He % 2 S,O,” + 4 S + 3 H,O 2 S,O,” -+ 2 H,O ;>+ 2 SO,” f 2 S2O3’’ + 4 H.

~~~ _ _ _ ~ - _ _- 3 S203” + 3 J3. *--- 2 SO,” + 4 S + H,O. . . . . (3)

Wahrscheinlich gibt es - wie schon in der vorstehenden Ab- handlung dargetan wurde - noch andere Bildungsweisen von Sulfat aus Polythionat, ganz abgesehen von der Sulfatbildung aus Sulfit durch Luftoxydation bei pH-Werten > 3.

Die bei der Einwirkung von Thiosulfat auf Chromalaun ent. stehenden Chomverbindungen sind nach den obigen Ausfiihrungen verolte basische Sulfito-Sulfato-Chromisalze, wobei der Einfachheit halber die geringe Bildung von Thiosulfato- und von eventuellen Polythionato-Chromkomplexen unbeachtet bleiben soll. Die Saure- wirkung auf Thiosulfat wird solange andauern, als die durch Hydro- lyse der gebildeten komplexen Chromsalze entstehende Saure zur Thiosulfat-Zerlegung ausreicht. Dies hangt von der Hydrolysen- konstante dieser komplexen Chromsalze ab. Die betref fenden Hy- drolysenkonstanten sind nicht bekannt, wohl aber kann man aus dem Verhalten von Chloropentaquochromichlorid im Vergleich zum Hexaquochromchlorid 6 ) und aus dem Vergleich von Sulfato- Chromi-Sulfaten mit Hexaquochromsulfat 7 ) schliessen, dass mit zu- nehmendem Eintritt von S5ureresten in den Chromkomplex die Hy- drolysenkonstante abnimmt. Nimmt man hierzu noch die Wirkung der Hydroxogruppen, so darf man mit Bestimmtheit sagen, dass die bei der Einwirkung von Thiosulfat auf Chromalaun entstehcnden HydroxoacidoChromsalze eine geringere Hydrolysenkonstante be- sitzen werden als Chromalaun.

Tatsachlich wird selbst bei grossem Thiosulfat-Ueberschuss kein unlosliches Chromsalz gebildet * ) ; dies beweist, dass die Hydrolysen- konstanten der entstehenden komplexen Chromsalze so niedrig sind, dass die durch Hydrolyse und Verolung verursachte [H’] zur wei- teren Zerlegung von Thiosulfat und zur Bildung hoher basischer (unloslicher) Chromsulfate nicht ausreicht. Damit in Einklang steht auch der bei Versuch IV (grosser Thiosulfat-Ueberschuss) be- obachtete pH-Wert von 4.5 (siehe Tab. 11).

5 , Trithionat konnte bei den Thiczulfat-Chromalaun-Versuchen ebenso wenig nachgewiesen werden wie bei den Thiosulfat-Saure-Versuchen (siehe die vorstehende Abhandlung) . Der Pentathionatnachweis war in allen Fallen - mit Ausnahme von IV - positiv.

‘;) N. Bjerrum. Z. physik. Chem. 59, 340 (1907). 7 , E.1Stiasny und D. Balanyi. Collegium 1928, 72. *) Dies gilt nur fur die Einwirkung bei Zimmertemp., nicht aber fur die Ein-

wir1;u:ig bei Kochhitze.

Page 8: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

647

Es hat sich weiter bei Vers. IV gezeigt, dass schon ein sehr geringer Zusatz von Natronlauge vorubergehende Rotfarbung (gegen Phenol- phthalein) bewirkt; dies deutet auf Abwesenheit nennenswerter Mengen von inonogen gebundenen Saureresten hin. In Uebereinstim- mung hiermit steht der in Tab. IV verzeichnete Befund, dass beim Ver- such IV sanitliche an Chrom gebundenen Saurereste komplex gebunden waren. Nach kurzer Zeit verschwindet die obige Rotfarbung und es tritt Chromfallung auf. Aus diesen beiden Tatsachen darf geschlossen werden, dass entweder ein ungeladener Hydroxo-Sulfito-Sulfato- Chromkomplex oder ein unbestandiger anionischer Komplex vorliegt (oder beides) .

Zur Priifung der - auch gerbereitechnisch interessierenden - Reaktionsgeschwindigkeit wurden Thiosulfat-Chromalaun-Gemische nach verschieden langer Einwirkungsdauer analysiert. Die Ergebnisse sind in Abb. 1 kurvenmassig dargestellt. Man sieht daraus, dass die Thiosulfat-Konzentration nach 2 Tagen auf die Halfte sinkt und nach 14 Tagen noch langsam weiter abnimmt. Die Polythionat- bildung 9 ) schreitet auch nach 14tagiger Einwirkungsdauer noch fort; sie halt also Ianger an, als die Thiosulfat-Zerlegung in schwef- lige Saure und Schwefel, was wieder in Einklang steht mit den in der vorstehenden Abhandlung mitgeteilten Beobachtungen bei der Einwirkung von Thiosulfat auf Saure. Die Bildung von Sulfato- Chromkomplexen hat schon 2 Tagen ihren Endwert erreicht.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die neutralisierende Wirkung von Thiosulfat auf Chromalaun zu Ioslichen, basischen Sulfito-Sulfato-Chromkomplexen fiihrt, deren Losung je nach den Mischungsverhaltnissen von Thiosulfat und Chromalaun einen Ge- halt von 47 bis 100 ’j’c komplex geb. Saureresten enthalten ( % von Gesamt-Saureresten, die an Cr gebunden sind), die ferner pH- Werte von 2,9-4,5 besitzen und bei denen die Thiosulfatzerlegung

9, Indirekt bestimmt aus der Differenz des Schwefelgehalts des urspriinglichen Thiosulfats minus der Summe des Schwefclgehalts des unzersetzt gebliebenen Thio- sulfats und der beiden Zersetzungsprodukte: S und SOs” und SO-..

Page 9: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

648

0 1 I I 1 I I A

z Y c u w 7s r# 9s ru m 1-c

Abb. 1.

Page 10: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

649

den Gesetzmassigkeiten gehorcht, die fur die Einwirkung von Thio- sulfat auf Saure gelten 10).

Die Nutzanwendung dieser Ergebnisse auf gerbereitechnische Probleme (Chromgerbung ) sollen an anderer Stelle erortert werden. (Collegium 1932, Augustnummer.)

Versuchsteil.

Die in der vorstehenden Abhandlung (s. S. 636) besprochenen Bestimmungsmethoden fur Sulfat, Sulfit, Thiosulfat und Polythionat reic hen fur die Untersuchung von Thiosulfat-Chromalaun-Gemischen nicht aus. Es mussten die folgenden Bestandteile des Reaktions- gemisches quantitativ bestimmt werden: Entwichenes Schwefeldioxyd: SO*” an Cr komplex gebunden, SO4” an Cr ionogen gebunden, SO4” an Alkali ( K und N a ) gebunden; SO,” an Cr komplex ge- bunden, SO,” an Cr ionogen gebunden; S203” an Cr komplex ge- bunden, S,O,” an Cr ionogen gebunden; Polythionat (komplex ge- bunden + ionogen gebunden) 11), Chrom: Kalium; Natrium: ab- geschiedener Schwefel.

Ueber die Art der Probeentnahme, sowie iiber die Bestimmung von Schwefeldioxyd und von abgeschiedenem Schwefel wurde be- reits in der vorstehenden Abhandlung (s. S. 636) berichtet. Aus den angewandten Mengen von Chromalaun und Thiosulfat ist - ohne Analyse - der Gehalt des Reaktionsgemisches an Cr, K, N a und an K gebundenem SO4 zu entnehmen. Es bleiben also die Bestim- mungsmethoden fur SO4, SO, und SzOs (an Cr komplex und ionogen gebunden) und fur Polythionat zu beschreiben. Die Bestimmung der ionogen gebundenen Saurereste muss rasch erfolgen, da sonst durch Austritt von Saureresten aus dem Chromkomplex Fehler verursacht werden. Titrimetrische Schnellmethoden haben sich bewahrt. Die Bestimmung der komplex gebundenen Saurereste setzt voraus, dass letztere aus kornplexer in ionogene Bindung gebracht werden. Dieses Hinausdrangen aus dem Chromkomplex kann durch Einwirkung solcher Anionen (2.B. Oxalationen) geschehen, deren Neigung zur Chromkomplexbildung besonders stark ist, (siehe weiter unten) . Man kann die Bestimmung nach erfolgter Ermittlung der ionogen gebun- denen Saurereste ausfiihren, oder man kann komplex und ionogen gebundene Saurereste msammen bestimmen und davon die ionogen gebundenen Saurereste abziehen.

Die Bestimmung der ionogen gebundenen Sulfatreste erfolgte durch Fallen mit Benzidin-Chlorhydrat 1 2 ) , erforderte aber die Beachtung Sesonderer Vorsichtsmassregeln. Da auch Thiosulfat durch Benzi- dinchlorhydrat gefallt wird 1 3 ) , und da anderseits Polythionate

Eine Unterscheidung zwischen kompl. geb. und ionogen geb. Polythionat ist nur in Einzelfallen erfolgt; ebenso ist eine Unterscheidung des Polythionats in Tetra- und Pentathionat nur in einem Falle vorgenommerl worden.

’ 2 ) F. Raschig. Z. angew. Chem. (1903). 617. u. 818. 13) A. Kurtenacker u. M. Kaufmann, 2. anorg. allgem. Chem. 148, 43 (1925).

10) Siehe die vorstehende Abhandlung.

Page 11: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

650

keine Benzidinfallung geben sollen 14), so wurde zur S04-Bestim- mung in Sulfat-Thiosulfatgemischen vor Zugabe von Benzidinchlor- hydrat das Thiosulfat durch Jod in Tetrathionat verwandelt. Bei der Priifung dieser Arbeitsweise wurde aber in einem Gemisch von 25 cm3 0,0992 n N a 2 S 0 4 und 25 cm3 0,0292 n NaeS40e nicht - wie zu erwarten ware - 2,480 mg Aeq. SO4 sondern 2,768 mg Aeq. SO4 gefunden. Das Ergebnis war also um ca. 10 "/c zu hoch. Der Fehler wird durch teiiweise Mitfallung von Benzidin-Polythionat mit Benzidin-Sulfat verursacht. Man kann dies beweisen, indem inan die Benzidinfallung in iiblicher Weise mit NaOH titriert und in der nun klaren L,osung mittels HgCI, eine Polythionatbestimmung vornimmt. Die ermittelte Tetrathionatmenge entspricht genau dem Fehler von 10 76 bei der NaOH-Titration des Niederschlages 1 . 5 ) . Fur die Fallung und Zeriegung des Benzidin-Tetrathionats gelten also - in Analogie zur Fallung und Zerlegung des Benzidinsulfats - die folgenden Gleichungen:

C,,H,(NH,), . 2 HCI + Na2S,0, = CI2H,(NH2), . H,S,O, + 2 NaCl C,zH,(NHJz * HzS,O, + 2 H2O = c12H,(NHz)2(HOH)z + HzS,O,

Man muss also bei der Verwendung der Bentidin-Methode zur SO,-Bestimmung in Sulfat-Polythionat-Gemischen den Fehler der Polythionatfallung dadurch korrigieren, dass man nach erfolgter Titration (mit NaOH) eine besondere Polythionatbestirnrnung vor- nimmt und das Ergebnis in Abzug bringt.

Sulfit wird durch Benzidin-Chlorhydrat auch bei Gegenwart von Sulfat nicht gefallt. Die durch Jod in Sulfat verwandelten Sulfit- mengen werden allerdings mit Benzidin mitbestimmt. Da aber die

14) A. Kurtenacker u. M. Kaufrnann. 1.c.; siehe auch E. Josephi, Ibid 135, 40 (1924) 1 5 ) Die folgende Zusammenstellung enthalt die Ergebnisse zweier Versuche, bei

denen in einem Gemisch bekannter Mengen von Na2SOr und Na2S.10,; die Sulfat- bestimmung vorgenomrnen wurde:

cmJi 0.0659 n Na2SO.i ~ 24.00 1 25.00

cm:$ N a O H 0.1062 n fur die Benzidinbestimmung ... j 15.75 1 16.25 cm3 0.1062 n N a O H fur die Polythionatbestimmung 1 1.70 ' 1.50 Berechnung : Versuch 1.

Versuch 1 I Versuch 2 ....................................

cmJi 0.1 n Na-SaOc .......................................... 20 20

15.75 X 0.1062 = 1.673 mg Aeq. Sulfat + Tetrathionat 1.70 3

X 0.1062 = 0.090 ,, ,, Tetrathionat (iiber die - ~-

Berechnung siehe S. 636 der vorgehende Abhandlung) .

...__~___

Differenz: 1.583 mg Aeq. Sulfat Der NazS0.1 - Zusatz entspricht: 1.582 mg Aeq. Sulfat Versuch 2.

16.25 X 0.1062 = 1.724 mg Aeq. Sulfat -t Tetrathionat 1.50 X 0.1062 = 0.080 ., ,, Tetrathionat

Differenz: 1.644 mg Aeq. Sulfat Der Na2SO-I ~ Zusatz entspricht: 1.648 mg Aeq. Sulfat

Page 12: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

65 1

Hauptmenge des Sulfits an Chroni komplex gebunden ist und bei der Enwirkung von Jod nicht reagiert, so ist der durch Mitbestimmung von ionogen gebundenem Sulfit verursachte Fehler zu vernachlas- sigen. Folgentie Arbeitsweise hat sich bewahrt:

5 cm3 des Reaktionsgemisches werden in eineni 400 cm3-Becher- glas mit 100 cm3 Wasser verdunnt und mit Jod gegen Starke als Indicator titriert (Umwandlung van SI~O:~’’ und SO,” in S40,;” und SO4”). Dann wird mit Benzidinlosung I ( ; ) (150 cm:: fur je 100 mg SO4”) versetzt und zum Absetzen des Niederschlages etwa M Stunde 1 7 ) stehen gelassen. Nun wird -- in Abanderung der von Treadwell (loc. cit.) angegebene Methode -- durch einen Jenaer Glasfiltertiegel ( N r . 4 oder 5 ) filtriert, mit dem Filtrat nachgespult und schliesslich 4 ma1 mit je 3 cm3 Wasser gewaschen, um die Salz- saure und das Benzidinchlorhydrat zu entfernen. Der Glastiegel wird sodann mit 400 cm3 Wasser auf etwa 90’ C erhitzt und die frei gewordene Siiure mit n/10 NaOH gegen Phenolphthalein titriert. W e n n die Benzidin-Fallung fast v611ig gelost ist, wird der Tiegel mit Wasser abgespiilt und mittels Gummifahne von Niederschlags- resten befreit und entfernt. Dann wird aufgekocht und zu Ende titriert. Zur Ermittlung der mitgefallten Polythionate wurden nun 10 cm3 gesattigte Quecksilberchloridlosung zugegeben und weiter, wie S. 655 angegeben, vorgegangen. Die Genauigkeit dieser Methode betragt etwa 0.5 $;,.

Die Bestimrnung des komplex an Chrom gebundenen Sulfats er- folgt entweder im Filtrat der Benzidin-Fallung des ionogen gebun- denen Sulfats oder - in einer besonderen Probe - zusammen mit dem ionogen gebundenen Sulfat. In beiden Fallen muss komplex gebundenes Sulfat aus dem Chromkomplex gebracht werden. Dies gelingt durch langeres Kochen mit Salzsaure 1 8 ) oder durch kurzes Kochen mit Arnmoniumformiat 1 9 ) .

5 cm3 des Reaktionsgemisches (t 100 cm:c H,O) oder das Filtrat der Benzidinsulfatfallung (von der Bestimmung des ionogen gebundenen Sulfats) werden mit 20 cm:3 2 n HCl 1 Stunde gekocht, iiber Nacht stehen gelassen, mit Natronlauge gegen Benzolsulfo- saureazobenzanilin (auf pH = 2-3) neutralisiert und dann, wie oben beschrieben, mit Benzidinchlorhydrat gefallt. Bei dieser Ar- beitsweise wird das gesamte Sulfit vertrieben, und es findet auch aus Polythionat keine Sulfatbildung statt.

Nach der anderen, oben erwahnten Arbeitsweise werden 5 cm“ des Reaktionsgemisches mit 5 cm3 Ammoniumformiat (18 %ig) kurz aufgekocht, verdunnt, und dann rnit Benzidinchlorhydrat gefallt.

1 8 ) Treadwell, Bd. 11, 9. Aufl. S. 621. ‘7) Bei sehr geringen Sulfatmengen (etwa 30 mg Mol u. darunter) muss man

Tag) stehen lassen, damit das Benzidinsulfat sich quan- Iangere Zeit (bis etwa titativ abrcheidet.

Is) W. Schindler und K. Klanfer. Collegium 1928. 97. I ” ) G. von Knorre ( Z . dnal. Chem. 12, 461, (1910)) , dieser Autor hat ausser

Ammonformiat auch Natriumazetat zur volstandigen Sulfatbestimmung in Chrom- sulfatlosungen empfohlen.

Page 13: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

652

Um bei den ionogen vorhandenen Saureresten zwischen den an Chrom gebundenen und an Natrium 2 0 ) gebundenen Saureresten zu' unterscheiden, ist es notwendig, eine Basizitatsbestimmung der vor- liegenden Chromsalzlosung vorzunehmen: denn diese ergibt die ge- samten, an Chrom gebundenen Saurereste: durch Abzug der kom- plex gebundenen Saurereste erhalt man sodann die an Chrom ionogen gebundenen Saurereste und weiter die an Natrium gebun- denen Saurereste.

Die Basizitatsbestimmung erfolgt durch Titration der stark ver- diinnten Chromsalzlosung mit n/10 N a O H gegen Phenolphthalein 21 ). Hierbei ist einerseits zu vermeiden, dass beim Erhitzen der noch sauren Losung Schwefeldioxyd entweicht und anderseits zu beach- ten, dass Alkali Polythionat zerlegt und dabei verbraucht wird 2 2 ) .

Folgende Arbeitsvorschrift hat sich bewahrt: 5 cm3 des Rcaktionsgemisches werden auf 50 cm3 verdiinnt. danii

kalt mit n/10 N a O H gegen Phenolphthalein auf schwach Rosa titriert, dann mit 200 cm3 warmen Wasser (ca 50" C) versetzt und sofort wieder auf schwach Rosa titriert; dann wird allmahlich und Linter stetem tropfenweisem A1k!ali-Zusatz, sodass die Flussigkeit stets gerade schwach rosa bleibt, weiter erhitzt und zum Schluss lebhaft gekocht; die Titration wird fortgesetzt, bis die Rosafarbung 5 Min. anhalt. Bei einem Probeversuch rnit 5 cm3 Chromalaunlosung (10 "/.is) + 5,4 cm3 Natriumtetrathionatlosung (0,05 n ) wurde bei dieser Arbeitsweise die gleiche Alkalimenge verbraucht, wie bei dem Blindversuch ohne Natriumtetrathionat 2 3 ) .

a ) Bestimmung von ionogen gebundenem Thiosulfat + ionogen gebundenem Sulfit.

Durch einfache, schnelle Jodtitration kann man den Jodverbrauch

b ) und c ) Bestimmung von Gesamt-Sulfit + Gesamt-Thiosul-

Eine Verdrangung von S 2 0 3 und SO3 aus dem Chromkomplex durch langeres Kochen mit Salzsaure oder durch kurzes Kochen mit Ammoniumformiat (vgl. S. 651 ) kommt hier nicht In Betracht, da bei dieser Behandlungsweise Thiosulfat zerlegt und SO2 verfliich- tigt wiirde. Es muss eine Methode gewahlt werden, bei der die Verdrangung von S203 und SO3 aus dem Chromkomplex schon in der Kalte gelingt. Hierzu sind Alkalisalze mit solchen Anionen ge- eignet, deren Neigung zur Chromkomplexbildung schon in der Kalte

20) Die an Kalium gebundenen Saurereste ergeben sich aus der angewandten Chromalaunmenge.

21) Ueber andere Methoden siehe F. Prakke, Dissertation Darmstadt 1932: siehe auch Gerbereichemisches Taschenbuch, 3. Aufl., Dresden u. Leipzig 1932.

2 2 ) Abegg, Handbuch anorg. Chem. I V 1, 559. 2:<) Diese Polythionatkonzentration entspricht den maximal bei unseren versuchen

24) Die komplex gebundenen Thiosulfatmengen sind nur gering; ihr Vorhandensein

fur ionogen gebundenes Thiosulfat und Sulfit bestimmen.

fat b ) und von komplex gebundenem Thiosulfat c ) 2 4 ) .

- ~~~~~~ -

beobachteten Polythionatkonzentrationen.

ist aber unzweifelhaft.

Page 14: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

653

sehr gross ist. Von den diesbezuglich in Betracht kommenden Salzen haben sich Kaliumoxalat, Natriumcitrat, Kaliumnatriumtartrat, Na- triumlactat und Kaliumphthalat in mehrfachen Vorversuchen gut bewahrt. Beschleunigt wird die Verdrangung von S , 0 3 und SO:$ durch die genannten Anionen, wenn man von Anfang an einen kleinen Joduberschuss zusetzt, der mit den aus dem Komplex aus- tretenden Anionen reagiert und dadurch ein Ansammeln ionogen gebundener S 2 0 3 - und S03-Ionen verhindert. Letztere wiirden, wie Versuche zeigten, hemmend bzw. verzogernd auf die Verdrangung aus dem Komplex einwirken. Als besonders zweckmassig hat sich gesattigte Kaliumoxalatl6sung erwiesen. Abb. 2 zeigt die Wirksam- keit von Kaliumoxalat auf Sulfitochromsulfatlosungen ( aus Chrom - alaun + Natriumsulfit) im Vergleich mit 2n HCl und im Vergleich mit dem langsamen und unvollstandigen Austritt von SOS’’. wenn nur Jodlosung, aber keine Sake rnit verdrangenden Anionen. zu- gesetzt werden.

crn3 J2 0.1 n verbraucht durch aus dern Kornplex oerdrangfe SO:,

6

Wenn komplex gebundenes Thiosulfat allein ( ohne Sulfit ) be- stirnmt werden sol1 c ) , so ist nur das Sulfit durch HCHO-Zusatz gegen Jod unwirksam zu machen. Dies gelingt 2 6 ) bei pH = 8. Man erzielt diese pH-Werte der Losung, ohne Abscheidung unkslicher Chromverbindungen befurchten zu mussen, wenn man zum Chrom- alaun-Thiosulfat-Gemisch gesattigte Borax1,osung (und nicht Natron- lauge) zusetzt. Bei pH =: 8 ist auch jede Gefahr der Einwirkung von OH-Ionen auf Polythionat vermieden. Die durch Oxalat-Zusatz aus .. .~~

2.7) Vgl. die vorstchende Abhandlung S . 636.

Page 15: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

654

dem Komplex verdrangten SO3-Reste werden an Formaldehyd ge- bunden. Die Verdrangung der S203-Reste ist nach 2 Stunden be- endet, ohne dass ein Joduberschuss erforderlich ist: es scheint. dass S203 weniger stark gebunden ist als SO3.

Folgende Arbeitsweise 2 6 ) , nach welcher b ) die Summe von kom- plex + ionogen gebundenem S203 und SO3 und c ) das komplex gebundene S203 allein direkt bestimmt wurden, hat sich bewahrt:

Ad b) 10 cm3 des Reaktionsgemisches werden mit 20 cm:: einer gesattigten Kaliumoxalatlosung. sowie mit ctwas gepulvertem Kalium- oxalat (zur Erreichung der Sattigung ) versetz. Nun wird ein bekannter Ueberschuss einer 0.1 n Jodtiterlosung zugegeben. Nach mehr- stundigem 2 7 ) Stehen in einem mit eingeschliffenem Glasstopfen ver- schlossenen Erlenmeyerkolben (Vermeidung von Jodverlust! ) wird soviel Wasser zugesetzt, dass das ungel6ste Kaliumoxalat in Losung geht, worauf mit 20 cmy Essigsaure (10 @ig) angesauert und mit Thiosulfat titriert wird; es ist zweckmassig, einen Ueberschuss von Thiosulfat zuzusetzen und diesen mit Jod zuruckzutitrieren.

Ad c) 10 cm3 des Reaktionsgemisches werden mit Jod von ionogen gebundenem S 2 0 3 und SO3 befreit, dann mit 20 cm:; einer gesattigten Kaliumoxalatlosung (und etwas festen Kaliumoxalat) , sowie mit 5 cm" Fornialdehydlosung (35 "/cis) versetzt 2 % ) und mi: gesattigter Boraxlosung auf pH = 8 gebracht 2 9 ) . Nun wird mit 20 cm3 2 n H2S04 angesauert 3 0 ) und das aus dem Komples ver- drangte S203 jodometrisch bestimmt.

Ferner haben Versuche 31) geteigt, dass die Anwesenheit von Polythionaten keinen Fehler verursacht, da bei pH = 8 eine Thio- sulfatbildung aus Tetrathionat noch nicht stattfindet. Ebensowenig wird durch hohe Salzkonzentration die Genauigkeit der S 2 0 3 - Bestimmung beeintrachtigt 3 2 ) . Man kann die zu ( c ) angegebene Arbeitsweise auch zur Bestimmung von ionogen gebundenen + komplex gebundenem S 2 0 3 ( d ) verwenden, wenn man den anfang- lichen Jodrusatz zur Entfernung der ionogen gebundenen S2 O:, und SO, weglasst.

Mit diesen 4 Analysenmethoden ( a , b, c. d ) lassen sich die 4 Reaktionskomponenten ermitteln; die Berechnung erfolgt nach fol- genden einfachen Formeln, in denen a, b, c und d den Jodverbrauch in mg-Aequivalecten bei den oben bezeichneten Analysen bedeuten:

Ionogen gebundenes S 2 0 s = d-c, komplex gebundenes S,03 = ~

2 6 ) Einzelheiten uber die anaestellten Vorversuche sind in der Diss. F. Prakke (Daimstadt 1932) zu finden.

2i) Die zur vollstandiqen Verdranaunq erforderliche Reaktionsdauer kann durch VorGersuche fur jeden einzelnen Fali festgestellt werden; sie betrug bed den hier mitgeteilten Versuchen maximal 5 Stunden.

2y) Der Formaldehydzusatz musz erfolgen, ehe der pH-Wert auf 8 gebracht a i rd . z?') Man setzt einige Tropfen Neutralrot (Casella) zu und Iasst die Boraxlasung

langsam zufliessen, bis die ~hromsalzlosung einen Farbenumschlag , von Rot uber Graugrun nach Gelkgrun erkennen Iasst.

:30 ) Siehe Kurtenacker I.c. sl) Einzelheiten siehe Dissertation von F. Prakke (Darrnstadt 1932). 32) Einzelheiten siehe Dissertation F. Prakke (Darrnstadt 1932).

Page 16: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

655

c , ionogen gebundenes SO3=

b -- d -[a -(d - c)] SO“ = ~

2

a - (d -- c) 2

- b - a - c

3 s ) . komplex gebundenes -

3 3 ) . 2

-

Die Bestimmung von Polythionat erfolgte mit der Qrecksilber- chlorid-Methode 3 4 ) nach Entfernung des storenden Chroms. Diese geschah durch Zusatz von n/10 NaOH bis zur Phenolphthalein- rotung (in der Kalte). Ein Ueberschuss von NaOH muss vermieden werden. weil dadurch Polythionat zerlegt wiirde. Die abfiltrierte Chromfallung wird zur Befreiung von adsorbiertem Polythionat mit kochendem Wasser auf dem Filter gewaschen. Folgende Arbeits- weise hat sich bewahrt:

20 cmz des Reaktionsgemisches werden auf 100 cms verdiinnt und mit n,’l 0 NaOH gegen Phenolphthalein genau neutralisiert. Nach dem Absitzenlassen wird der Niederschlag filtriert und mit kochen- dem, destilliertem Wasser viermal ausgewaschen. Im Filtrat werden Sulfit und Thiosulfat durch Zusatz von Jodlosung im Sulfat bzw. Tetrathionat verwandelt. Dann wird die Losung gegen Methyl- orange neutralisiert und mit so vie1 gesattigter Quecksilberchlorid- losung versetzt, bis der Niederschlag weiss geworden ist 3 5 ) . Nach dem Abkiihlen werden 30 cm3 4n NH,&Cl-Losung zugesetzt, um bei der darauffolgenden Titration mit n/10 NaOH durch Pufferwirkung die Ausfallung von Hg (OH),, (aus iiberschiissigem HgCIP) zu ver- hindern. Die Titration erfolgt auf den Farbton einer Vergleichs- losung.

Die Umrechnung von freier, aus Quecksilberchlorid und Poly- thionat gebildeten Sauce erfolgt im Verhaltnis von 4 Aeq. Sauce auf 1 Mol Polythionat, entsprechend der Gleichung: 2 S,O,” + 3 HgCl, + 4 H,O = Hg,S,Cl, + 4 C1’ + 4 SO,” f 2 S + 8 H’

Die aus ionogen und komplex gebundenem Thiosulfat entstandene Polythionatmenge ist in Abzug zu bringen.

Eine andere Methode zur Polythionatbestimmung ist die - bei Abwesenheit von Trithionat verwendbare - KCN-Methode von Kurtenacker 3B) .

Die Chrombestimmung kann in thiosulfathaltigen Losungen nicht in der iiblichen Weise erfolgen (Oxydation mit Natriumsuper- oxyd zu Natriumchromat und jodometrische Bestimmung des CrV‘) , da Thiosulfat sich beim Kochen mit Natriumsuperoxyd nicht voll- standig oxydieren lasst t i ? ) . Es hat sich als notwendig erwiesen das

33j Die Halbicrung ergibt sich aus dem doppelten Jodverbrauch fur Sulfit im Ver- gleich zu Thiosulfat.

3-r) Sander, 2. angew. Chem. 29, 11 (1916) und 38, 9 (1925); Kurtenacker, 2. ancrg. allgem. Chem. 142, 119 (1925); s.a. die vorstehende Abhandlung S. 637.

SL) Bei ungeniigendem HgC12-Zusatz entstehen rote und orange gefarbte Verbin, dungen von <: 2 HgCl pro 1 Hg2S.

:!‘I) A. Kurrenacker, 2. anal. Chem. 61,. 56 (1924). :Iij Siehe Diss. F. Prakke.

~

Page 17: Ueber die Einwirkung von Thiosulfat auf verdünnte Chromalaunlösungen

656

n

-x--

- - __

liche Thiosulfatmenge, in W a s s e r gelost, zugesetzt, duchgemischt und sofort zur Marke aufgefiillt. Die ganze Flussigkeit wurde nun -- mit den ungelosten Chromalaunanteilen - rasch in das Reaktionsgefass ge- bracht, das aus einer weithalsigen

3 x ) Verolung und damit zusaminenhangende Aziditatserhohung solltc tnoglichst vermieden werden.