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Uber die Fallung von Scandiumhydroxid Von WERNER FISCHER und HANS-EBERHARD WERNER Inhaltsiibersicht Die Behauptung VICKERYS, daB Scandiumhydroxid durch Ammoniaklosung nur sehr unvollst&ndig ausgefiillt werde, wird kritisiert. Es wird gezeigt, dal.3 die Fallung bei den iiblichen analytisch-chemischen Bedingungen quantitativ erfolgt. Die abweichenden Befunde VICKERYS lassen einen methodischen Fehler vermuten, der wahrscheinlich auch weitere Ergebnisse seiner Arbeit entstellt hat. Summary VICKERY asserts scandium hydroxide to be precipitated very incompletely by an aqueous solution of ammonia. This statement is criticized and in contrast it is shown that using the normal conditions of analytical chemistry the precipitation is quantitative. It has to be supposed that the differing observations of VICKERY are caused by methodic errors which probably explain further improbable results published by the author. VICKERY~) glaubt nachgewiesen zu haben, dab die Fallung von Scandiumhydroxid mittels Ammoniaklosung auch unter optimalen Bedingungen unvollstandig sei. Z. B. sollen bei Konzentrationen von 1 g Sc203/l, wie sie bei analytischen Arbeiten haufig vorkommen, 40% des Scandiums in das Filtrat gelangen. Das widerspricht den Erfahrungen von Autoritaten wie R. J. MEYER~) oder HILLEBRAND und LUNDELL~), denen so groi3e Verluste sicher aufgefallen waren. Andererseits haben aber auch P. und G. URBAIN~) beilaufig iiber UnvollstBndigkeit der Fallung berichtet. Diese Unsicherheit iiber eine Reaktion, die fur die praparative und analytische Chemie des Scandiums von grundlegender Bedeiitung ist, schien uns eine neue sorgfaltige Untersuchung notwendig zu machen. l) R. C. VICKERY, a) J. chem. SOC.[London] 1955, 251; b) J. chem. 8oc. [London] 1956, 3113; c) The Chemistry of Yttrium and Scandium. Pergamon Press, Oxford. 1960. S. 78; d) Analytical Chemistry of the Rare Earths. Pergamon Press, Oxford. 1961. S. 28f., 61. *) R. J. MEYER u. 0. HAUSER, Die Analyse der Geltenen Erden.. Stnttgast, 1912, S. 43, 248. 3, W. P. HILLBERAND u. G. E. F. LUNDELL, Applied Inorganic Analysis. NRW York 1929, S. 429. 4, P. 11. G. URBAIN, C. R. hebd. SBances Bead. Sci. 174, 1310 (1922).

Über die Fällung von Scandiumhydroxid

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Uber die Fallung von Scandiumhydroxid

Von WERNER FISCHER und HANS-EBERHARD WERNER

Inhaltsiibersicht Die Behauptung VICKERYS, daB Scandiumhydroxid durch Ammoniaklosung nur

sehr unvollst&ndig ausgefiillt werde, wird kritisiert. Es wird gezeigt, dal.3 die Fallung bei den iiblichen analytisch-chemischen Bedingungen quantitativ erfolgt. Die abweichenden Befunde VICKERYS lassen einen methodischen Fehler vermuten, der wahrscheinlich auch weitere Ergebnisse seiner Arbeit entstellt hat.

Summary VICKERY asserts scandium hydroxide to be precipitated very incompletely by an

aqueous solution of ammonia. This statement is criticized and in contrast i t is shown that using the normal conditions of analytical chemistry the precipitation is quantitative. It has to be supposed that the differing observations of VICKERY are caused by methodic errors which probably explain further improbable results published by the author.

VICKERY~) glaubt nachgewiesen zu haben, dab die Fallung von Scandiumhydroxid mittels Ammoniaklosung auch unter optimalen Bedingungen unvollstandig sei. Z . B. sollen bei Konzentrationen von 1 g Sc203/l, wie sie bei analytischen Arbeiten haufig vorkommen, 40% des Scandiums in das Filtrat gelangen. Das widerspricht den Erfahrungen von Autoritaten wie R. J. MEYER~) oder HILLEBRAND und LUNDELL~), denen so groi3e Verluste sicher aufgefallen waren. Andererseits haben aber auch P. und G. URBAIN~) beilaufig iiber UnvollstBndigkeit der Fallung berichtet. Diese Unsicherheit iiber eine Reaktion, die fur die praparative und analytische Chemie des Scandiums von grundlegender Bedeiitung ist, schien uns eine neue sorgfaltige Untersuchung notwendig zu machen.

l) R. C. VICKERY, a) J. chem. SOC. [London] 1955, 251; b) J. chem. 8oc. [London] 1956, 3113; c) The Chemistry of Yttrium and Scandium. Pergamon Press, Oxford. 1960. S. 78; d) Analytical Chemistry of the Rare Earths. Pergamon Press, Oxford. 1961. S. 28f., 61.

*) R. J. MEYER u. 0. HAUSER, Die Analyse der Geltenen Erden.. Stnttgast, 1912, S . 43, 248.

3, W. P. HILLBERAND u. G. E. F. LUNDELL, Applied Inorganic Analysis. NRW York 1929, S. 429.

4, P. 11. G. URBAIN, C. R. hebd. SBances Bead. Sci. 174, 1310 (1922).

222 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 312. 1961

VICKERY verwandte zwei verschiedene Methoden. Einerseits ver- glich erla) die bei der Titration einer Scandiumsalzlosung mit Ammoniak- losung auftretende Trubung mit derjenigen, die er bei der Aufschlam- mung einer bekannten Menge Scandiumhydroxid erhielt. Es erscheint uns bei der bekannten Schwankung der Opazitat von Gelen unver- standlich, wie man aus diesen Versuchen ein zuverlassiges Urteil uber das AusmaD der Fiillung ableiten will. &4ndererseits fallte VICKERY' b,

radioaktiv indizierte Scandiumsahlosungen bei 95 "C mit Ammoniak- Losung, bis der pH-Wert 8,O-8,5 betrug, zentrifugierte und bestimmte die Aktivitiit der uberstehenden Mutterlauge. Dieses Verfahren ist grundsatzlich geeignet, aber der happen Versuchsbeschreibung ist nicht zu entnehmen, ob slle E'ehlerquellen ausgeschaltet wurden.

Bei unseren Versuchen wurden bekannte Scandium-Mengeii mit Ammoniak-Losung gefiillt unter Variation des Anions (Cl-, NO,-), der Fallungs- und der Filtrationstemperatur, des p,-Wertes und der Ammoniumsalzkonzentration. Das Gewicht des gegluhten Nieder- schlags wurde mit der Einwaage verglichen. Um ein unabhangiges Kriterium uber die Verluste bei der Fallung zu erlangen, bestimmte man aul3erdem den Scandiumgehalt des Filtrates,

Als Ausgangsmaterial diente ein Scandiumoxidpriiparat, das aus Thortveitit unter Vemendung der hherextraktion des Scandiumthiocyanats und der F&llung als Ammoniumscandiumtartrat gewonnen worden wars) 6 ) . Reste von Fe, Ti und Zr, die in der GrbRenordnung von lo-*% lagen, mrden in Anlehnung an die Vorschrift von EBERLE und LERNER 7, als Cupferronate mittels Chloroform erschopfend extrahiert. Zur Kon- trolle extrahierte man eine gemischte Lijsung von 2,0 g des gereinigten Scandiumoxids und 1,0 mg ZrO, in gleicher Weise; der CHC&-Extrakt lieferte eine Phosphatfiillung ent- sprechend 0,9 mg ZrO,. Die Gehalte des gereinigten Scandiumoxids an folgenden Elemen- ten lagen unter den bei gleichen Bedingungen ermittelten Nachweisgrenzen geeigneter Reaktionen: t O , O l % ZrO,; <0,005% Fe,O,; <0,03% Mn304; <0,05% PbO. Da Sc,03 hartnkkig kleine Mengen Chloridionen festhiilt, wurde das Endprodukt in HNO, gelost und rnit NH, gefiillt. - Die benotigte NH,-Ldsung wurde aus NH,-Gas stets frisch in Polytithylenflaschen bereitet. Alle ubrigen Chemikalien waren vom Reinheitsgrad p. a.

Zur pH-Messung verwendeten wir bei Zimmertemperatur ein MeRgenit der Firma Radiometer mit Glaselektrode 6202 A oder 6202 BT und Kalomel-Bezugselektrode, bei erhohter Temperatur das FGjhrenvoltmeter SORVM 49/d der Firma Hillerkus in Ver- bindung rnit einer ,,Hochtemperatur-Alkali-Glaselektrode 9007 gaf " und einer Kalomel- Bezugselektrode ,,9105 gaf", beide von der Firma Schott u. Gen. Glas- und Bezugs- elektrode befanden sich bei gleicher Temperatur. Die zweite Anordhung wurde mit Phosphat- und Borat-Puffern geeicht, fur die in der Literatur 8 ) p,-Werte bei hoheren

5) W. WSCHER u. R. BOCK, Z. anorg. allg. Chem. 249, 146 (1942). 6) W. FISCHER, 0. STEINHAUSER, E. HOHMANN, E. BOCK u. P. BORCHERS, Z. analyt.

7, ,4. R. EBERLE u. M. W. LERNER, Analytic. Chem. 27, 1551 (1955). 8, R. G. BATES, Electrometric p~ determination. New York, 1954 p, 74. H. T. S.

Chem. 138, 57 (1951).

BRITTON, Hydrogen ions. London. Vcl. 1, 1955, p. 359.

W. FISGIIER u. H.-E. WERNER, nber die Fiillung von Scandiumhydroxid 223

Temperaturen angegeben sind. Versuche und eine eingehende Diskussion der Fehler- quellen (z. B. Temperaturschwankungen, Belegungs- und Suspensionseffekt 9)) ergaben, da5 die Messungen auf 1 bis 2Zehntel pH-Einheiten sicher sein diirften. Der-NH,-Verlust durch Verdampfen bei 90 "C fiihrte - wie besondere Versuche zeigten - im pH-Bereich von 6, l bis 9,1 hochstens zu einer Erniedrigung des pH-Wertes um 0,1 Einheit in 4 Stunde, was fur das vorliegende Problem belanglos ist.

Versuchsausfuhrung. Eingewogene Mengen von etwa 0,2 g Sc,O, wurden in HNO, gelost, durch Eindampfen von uberschussiger S&ure nach Moglichkeit befreit und ohne oder mit Zusatz von NH,NO, in etwa 200 ml Wasser gelost. Die erhitzte Lijsung wurde - zwecks wohldefinierter Temperatur im Wasserbad stehend - bei 90 & 1,5 "C mit NH,-Lijsung gefiillt und a d ihren pH-Wert gepriift; nach 5-1OMinuten Absitzen bei 90 oder 80 "C filtrierte man durch ein Schwarzbandfilter, das sich in einem mit Wasser- dampf beheizten Trichter befand. AnschlieLiend wurde mit heiBer, schwach ammo- niakalischer 0,2-0,3 n NH,NO,-Lijsung gewaschen. Der Niederschlag wurde im Pt-Tiegel vergliiht und gewogen. Aul3erdem bestimmte man die im Filtrat (ohne das Waschwasser) verbliebene Scandiummenge kolorimetrisch. - Einige Versuche wurden entsprechend mit den Chloriden (ScCS und NH,CI) durchgefuhrt; bei weiteren Proben erfolgten FtilIung und Filtration bei 20 bis 23 "C, wobei die erforderliche Absitzzeit auf 4 Stunde anstieg.

Das Gliihen des Niederschlages bis zur Gewichtskonstanz geschah bei 980-1040 "C; da das Oxid hierbei noch schwach hygroskopisch blieb, wurde es stets im bedeckten Tiegel gewogen. E k e hohere Gliihtemperatur vermied man wegen der dabei auftretenden Ge- wichtsverluste des Pt-Tiegels. - Zur Bestimmung des Scandiumgehaltes des Filtrates wurde dieses eingedampft und angesauert. Ein aliquoter Teil wurde im AnechluB an EBERLE und LERNER 7) mit Alizarinrot S angefarbt und mit einer Serie analog zusammen- gesetzter Standardlosungen visuell verglichen. So liesen sich 10-60 pg Sc,O, auf etwa f 10% richtig ermitteln.

Ergebnisse. Bei 1 2 Fiillungen bei 90 "C mit p,-Werten zwischen 7,l und 9,2 und bei 1 7 Fallungen bei Raumtemperatur zwischen pH = 7,l und 11,l stimmten die Auswaagen an Sc,O, mit den Einwaagen bei einer mittleren Abweichung von -0,l mg innerhalb der Wiigefehler von f 0,2 mg je Wagung uberein, mit Ausnahme von 3 FGllen; die bei diesen beobachteten groBeren Abweichungen (-0,7; +0,7; -1,8 mg) sind offenbar auf seltener auftretende Fehlerquellen zuruckzufiihren, wie z. B. Dekrepitieren beim Vergliihen des Niederschlages und dergleichen. I n den bei 90 und 80 "C erhaltenen F i l t r a t e n fand man bei pn 7,l bis 9,2 unsystematisch streuend 0,Ol bis maximal 0,08, im Mittel 0,03 mg Sc,O,/lOO ml, die bei 20" gewonnenen Filtrate enthielten bei pH = 7 , l bis 8,7 gleichmGl3ig 0,Ol mg Sc,O,/IOO ml, bei pIr = 9,6 bis 11,l steigend 0,02-0,03 mg Sc,O,/lOO ml. Alle diese Ergebnisse waren unabhangig von der gelegentlich bis auf 60 Minuten ausgedehnten Absitzzeit.

Bei pH < 7 , l wurden die Differenzen zwischen Aus- und Einwaage und die Scandiumgehalte der Filtrate grol3er. Bei 80 und 90 "C und prr = 6,1 bis 6,3 fand man im Filtrat Werte bis zu 2,5 mg Sc,03/100 ml;

9) F. UMLAND, Z. Xlektrochem., Ber. Bunsenges. physik. Chem. 60, 702 (1966).

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bei 20" betrugen schon bei pH = 6,4 bis 6,7 die Gehalte 10 bis 20 mg Sc,O,/IOO ml und die Absitz- und Filtrationseeiten stiegen auf ein Viel- faches an. Im p,-Bereich unter 6,4 (in dem die Fiillung nicht ganz vollstandig ist) und nur in diesem beobachtete man gelegentlich an Fallungsgemischen ohne Ammoniumsalzzusatz wahrend einstundigem Stehen bei Raumtemperatur vollstiindige Peptisation unter Abnahme des p,-Wertes, z. B. von 6,3 auf -5,6.

Irgendein Einflufi der Konzentration an Ammoniumsalzen, die bei den besprochenen Versuchen zwischen 0,05 und I n in der Fallungs- mischung variierte, war nicht festzustellen. Das steht in krassem Gegen- satz zu den Angaben VLCKERYS'~)'~), wonach bei 50 g NH4C1/1 die Fallungsrate auf 45 sinken soll.

Auch zwischen Nitrat- und Chloridlosungen war kein Unterschied hinsichtlich der Loslichkeit des Scandiumhydroxids festzustellen. Allerdings enthielten die aus Chlorid- losungen erhaltenen Auswaagen stets etwa 0,5 mg Chloridionen, wie durch nephelome- trische Bestimmung festgestellt wurde. Selbst ein 8 h bei 1000 "C gegliihter Niederschlag von 0,2 g Sc,O, enthielt noch 0,3 mg C1-. Das Gewirht der chloridhaltigen Auswaagen war um den entsprechenden Betrag zu hoch, so daO mit einerverdampfung von ScCI, offenbar nicht zu rechnen ist.

Z u s a m m e n f a s s e n d ist aus den Versuchen zu folgern, daB die Pal- lung des Scandiumhydroxids mittels Ammoniaklosung unter den bei analytischen Arbeiten iiblichen Bedingungen (Ammoniumsalzgegenwart , Fallung in der Hitze bei pa == 7 bis 9) mit Sicherheit quantitativ erfolgt. Den hiervon vollig abweichenden Ergebnissen VICKERYS schlieBen sich weitere zweifelhafte oder mit der Literatur in Widerspruch stehende Befunde dieses Autorslb) an, z. B. uber die vermeintlich recht unvoll- standige Pallung des Ammoniumscandiumtartrates 6, 7) und des Scan- diumoxinates10). Es mussen deshalb methodische Fehler in seinen Unter- suchungen zur Scandiumchemie vermutet werden, wie etwa eine Ver- unreinigung durch ein zweiwertiges radioaktives Element. Ob der Autor diese und andere Fehlerquellen ausgeschlossen hat, ist seinen Ausfuh- rungen nicht zu entnehmen.

lo) Vgl. 0. STEINHAU~EE. Dissert. TH Hannover, 1948, S. SO; L. POKAS u. P. M. BERNAYS, haIy t ic . Chem. 23, 75'7 (1951).

Hannover, Technische Hochschube, Institut fur unmgunische Chemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 12. Mai 1961.