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Zeitsehrifg fiir Krebsforsehung, Bd. 62, S. 188--196 (1957) Aus dem I. Institut fiir Pathologisehe Anatomie und Experimentelle Krebsforschung der Medizinischen UniversitS~t in Budapest (Direktor: Prof. Dr. JOSE]?:4 BALd) Uber die geschwulsterzeugendeWirkung des Isonicotinsiiurehydrazid(INH) Von J. JunXsz, J.BAL6 und G. ~ENDREY Mit 6 Textabbildungen (Eingegangen am 1. Yuni 1957) Von einigen Forschern wurde eine die Gewebsneubildung stimulierende Wirkung des Isonicotins/iurehydrazid (INH) beschrieben. IKEI~ und STEfA~I habsn den Fall eines 47 Jahre alten Tuberkulosskranken verSffentlieht, der naeh 10j/ihriger Behand]ung gestorben war. In der Periods vor dem Tode hatte der Kranks w/ihrsnd 126 Tagen t~glich 0,15--0,30 g gimifon in einer Gesamtmenge yon 29,7 g erhalten. Bei der pathohistologisehen Untersuchung der Lungewar esauffallend, daBinder Kavernenw~nd aus dem Epithel derAlveolen und der kleinen Bronehien adenomartige hypsrplastisehs Iterde sntstanden sind. Naeh HEI~ und STEFA~I kSnnen sieh solehe Epithelwucherungen aueh zurfick- entwickeln, as wiire jedoeh auch m6glieh, dab aus diesen Epithelinseln nach l~ngerer Zeit bSsartige Gesehwtilste ausgehen. In frfiheren Untersuehungen bei 100 mit antibiotisehen Arzneimitteln behandelten Lungentuberkulosef/~llen haben wit selbst sehr h/~ufig eine kubisehe oder driisige Umwandlung des Alveolenspithels und eine Wueherung des Bronehiolenepithels beobaehtet (BAL6, JtrHXSZund KENDREY). In fdbereinstimmung mit dan Feststellungen yon HEI~ und STEFA~I sind wit der Ansicht, dab dis in dsm zerfallenden Lungengewebe aus den Alveolen und Bron- ehien ausgehenden Epithelwucherungen naeh 1/~ngerer Zeit zur Entstehung yon Geschwiilsten ffihren kSnnen. Eine iihnliehe Ansicht /iuBerten auch Li)DERS und T~EL, die bei der Entstehung der Narbenkrebss der Lunge die Bedeutung der Epithelwueherungen betont haben. Nach PAGELund SIMMO~DS wfirde in dem bei der Kavernenheilung beobachteten ver/inderten histologisehen Bride ein Folge- zustand der ehemotherapeutisehen Behandlung zum Ausdruek kommen. Die Frage einer das Geschwulstwachstum fSrdernden Wirkung des INH wurde yon BE~ENCSI, E~TZ und VA~K6CZY im Kongreg der ungari- schen Tuberkulose-Gesellschaft in Szeged 1952 aufgeworfen. Die Verfasser beriehteten fiber den Fall eines 33 Jahre alten Mannss, der wegen Lungentuberkulose groBe Mengen -con Antitubersulotie~, unter anderem auch 7,8 g INH erhalten hatte. Kurz vor dem Tode des Kr~nken wurde festgestellt, dab nieht eine Tuberkulose, sondern ein Lungsnkrsbs vorlag. Wegsn des unge- w6hnlich rasehen Krankheitsverlaufes und der bei dsr Sektion naehgewiesenen ausgedehnten Metastasenbildung wurde der Verdaeht ge/iuBert, an der raschen Propagation der Gesehwulst kSnnte die INH-Behandlung in irgendeiner Weise beteiligt sein. TIBOLDI, ])J~vID, KovJ~cs und MOLN.~I~ haben die das Geschwulst- wachstum fSrdernde Wirkung des INK auf den Brown-Pearee-Tumor der Kanin-

Über die geschwulsterzeugende Wirkung des Isonicotinsäurehydrazid (INH)

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Page 1: Über die geschwulsterzeugende Wirkung des Isonicotinsäurehydrazid (INH)

Zeitsehrifg fiir Krebsforsehung, Bd. 62, S. 188--196 (1957)

Aus dem I. Institut fiir Pathologisehe Anatomie und Experimentelle Krebsforschung

der Medizinischen UniversitS~t in Budapest (Direktor: Prof. Dr. JOSE]?:4 BALd)

Uber die geschwulsterzeugende Wirkung des Isonicotinsiiurehydrazid (INH)

Von

J. JunXsz, J.BAL6 u n d G. ~ENDREY

Mit 6 Textabbildungen

(Eingegangen am 1. Yuni 1957)

Von einigen Forschern wurde eine die Gewebsneubi ldung st imulierende

Wirkung des Isonicot ins/ iurehydrazid (INH) beschrieben.

IKEI~ und STEfA~I habsn den Fall eines 47 Jahre alten Tuberkulosskranken verSffentlieht, der naeh 10j/ihriger Behand]ung gestorben war. In der Periods vor dem Tode hatte der Kranks w/ihrsnd 126 Tagen t~glich 0,15--0,30 g gimifon in einer Gesamtmenge yon 29,7 g erhalten. Bei der pathohistologisehen Untersuchung der Lungewar esauffallend, daBinder Kavernenw~nd aus dem Epithel derAlveolen und der kleinen Bronehien adenomartige hypsrplastisehs Iterde sntstanden sind. Naeh HEI~ und STEFA~I kSnnen sieh solehe Epithelwucherungen aueh zurfick- entwickeln, as wiire jedoeh auch m6glieh, dab aus diesen Epithelinseln nach l~ngerer Zeit bSsartige Gesehwtilste ausgehen. In frfiheren Untersuehungen bei 100 mit antibiotisehen Arzneimitteln behandelten Lungentuberkulosef/~llen haben wit selbst sehr h/~ufig eine kubisehe oder driisige Umwandlung des Alveolenspithels und eine Wueherung des Bronehiolenepithels beobaehtet (BAL6, JtrHXSZ und KENDREY). In fdbereinstimmung mit dan Feststellungen yon HEI~ und STEFA~I sind wit der Ansicht, dab dis in dsm zerfallenden Lungengewebe aus den Alveolen und Bron- ehien ausgehenden Epithelwucherungen naeh 1/~ngerer Zeit zur Entstehung yon Geschwiilsten ffihren kSnnen. Eine iihnliehe Ansicht /iuBerten auch Li)DERS und T ~ E L , die bei der Entstehung der Narbenkrebss der Lunge die Bedeutung der Epithelwueherungen betont haben. Nach PAGEL und SIMMO~DS wfirde in dem bei der Kavernenheilung beobachteten ver/inderten histologisehen Bride ein Folge- zustand der ehemotherapeutisehen Behandlung zum Ausdruek kommen.

Die Frage einer das Geschwulstwachstum fSrdernden Wirkung des I N H wurde yon BE~ENCSI, E~TZ u n d VA~K6CZY im Kongreg der ungari- schen Tuberkulose-Gesellschaft in Szeged 1952 aufgeworfen.

Die Verfasser beriehteten fiber den Fall eines 33 Jahre alten Mannss, der wegen Lungentuberkulose groBe Mengen -con Antitubersulotie~, unter anderem auch 7,8 g INH erhalten hatte. Kurz vor dem Tode des Kr~nken wurde festgestellt, dab nieht eine Tuberkulose, sondern ein Lungsnkrsbs vorlag. Wegsn des unge- w6hnlich rasehen Krankheitsverlaufes und der bei dsr Sektion naehgewiesenen ausgedehnten Metastasenbildung wurde der Verdaeht ge/iuBert, an der raschen Propagation der Gesehwulst kSnnte die INH-Behandlung in irgendeiner Weise beteiligt sein. TIBOLDI, ])J~vID, KovJ~cs und MOLN.~I~ haben die das Geschwulst- wachstum fSrdernde Wirkung des INK auf den Brown-Pearee-Tumor der Kanin-

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Uber die geschwulsterzeugende Wirkung des Isonicotinsgurehydrazid (INH) 189

ehen experimentell untersucht. Dieser Tumor ist, wie die Untersuchungen yon DOMAGK erwiesen, fiir chemotherapeutische Untersuchungen besonders geeignet. Kaninchen wurden mit Brown-Pearce-Geschwulst geimpft und erhielten tgglich durch 5Iagensonde 10 mg/kg INN. Die INI~-Behandlung wirkte stelgernd auf die Metastasenbildung, auf die Zahl und GrSl~e der Metastasen. Da hinsichtlich der histologischen Struktur der Geschwulst und der Zahl der Mitosen keine wesent- lichen Unterschiede zwischen den Kontrolltieren und den behandelten Tieren nach- gewiesen werden konnten, wurde angenommen, dab die Ursache der Zunahme der Metastasen in einer Ver~nderung der geaktionen des Wirtsorganismus zu suchen sei. An den endokrinen Organen konnten keine Ver~nderungen beobaehtet werden. BEI~ENCSI, ENTZ und VAJK6CZu haben die das Geschwulstwachstum f6rdernde Wirkung des INIt am experimentellen Teer-Careinom untersueht. Naeh Pinselung entwickelten sieh an den Ohren der Kaninchen zuerst Papillome, sodann Platten- epitheleareinome. Die Papillome und Careinome der mit INH behandelten Tiere wuehsen nieht st/~rker, als die der Kontrolltiere, und auch traten in den behandelten Tiergruppen keine Metastasen auf. Mit dieser Methodik konnte also eine das Ge- schwulstwachstum fSrdernde Wirkung des INH nieht best~tigt werden.

Eigene Untersuchungen iV[it unseren eigenen Unte r suchungen wollten wir n icht die das Ge-

schwulstw~chstum steigernde Wirkung des I N H prfifen, sondern fest- stellen, ob das I N H im Tierversuch eine geschwulsterregende Wirkung :~ufweist.

Das VersuchsmateriM wurde uns yon der Firma ,,K5b~nyM Gy6gyszers163 (Budapest) zur Verffigung gestellt. INH ist eine kristallinische Substanz, in Wasser und in physiologischer NaC1 gut 16slich. Da wir Dauerversuche vornehmen wo]lten, mul]te zuerst festgestellt werden, welche Mengen weif3e M~use bei intraperitoneMer Ver~breichung ohne Sch/~digung ertrugen kSnnen. Bei diesen Toxicit/~tsversuchen verabfolgten wir INtt-LSsungen yon verschiedener Konzentration. Im Laufe dieser Versuche fanden wir, dab 0,2 ml einer l%igen INtI-LSsung in physiologischer ~NaC1 lgngere Zeit hindurch ti~glich verabreicht werden k6nnen, ohne dM~ bei den Tieren toxische Erscheinungen auftreten.

Die Versuche wurden an 50, durchschnittlich 2 Monate alten weil3en Mausen lnit einem Durchschnittsgewicht yon 20 g ausgeffihrt. Aus der gleiehen Zucht stammende 50 weil3e Mguse gleichen Alters und KSrpergewichts dienten Ms un- behandelte Kontrolltiere. Die INtt-Behandlung wurde mit einer 1%igen INH- LSsung in physiologischer NaC1 begonnen. Die Tiere erhielten intraperitoneM jeden 2. Tag 0,2 ml dieser LSsung, also 2 mg INH. Da n~ch 8 Einspritzungen an den Tieren keinerlei Schgdigung nachgewiesen werden konnte, erhShten wir die XNtt-Menge in der Weise, daf~ bei den folgenden 10 intraperitoneglen Injektionen 0,2 ml einer 1,5%igen LSsung, also je 3 mg INH verabreieht wurden. Nach einer Pause yon 1 Monat folgte die 2. Injektionsserie, in welcher die Tiere 12real jeden 2. Tag 3 mg INI-I erhielten. Wi~hrend der ganzen Dauer des Versuches wurden also dutch 30 intraperitoneMe Einspritzungen 82 mg verabreicht. Die INtI-Be- handlung dauerte vom 13.1.55 bis zum 15. 4. 55, also 3 Monate.

In den ersten 3 Wochen verendeten 5 Tiere an interkurrenten Erkrankungen. Diese wurden bei der Bewertung der Versuche nicht berficksichtigt, so dab wir fiber Beobachtungen an 45 Versuchstieren verffigen. Diese vertrugen die intraperitone~le Behandlung ohne sichtbare Schgdigung, ernghrten sich gut und zeigten eine Ge- wichtszunahme. Bei der yon uns benutzten Dosierung und Behandlungsmethode

Z. Xrebsforsch. Bd. 62 13

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190 J. J~J~sz , J. BAL6 und G. KENDI~EY:

konnten wir an unseren Versuehstieren keinerlei Symptome beobaehten, die auf eine Sehgdigung des Nervensystems oder sonstiger Organe hingewiesen hgtten.

Die Versuehstiere wurden naeh Beendigung der INH-Be- handlung fortlaufend beob~ch- tet. Naeh dem 3. Versuchs- monat begann der Spontantod unserer Tiere. Die letzten 10Versuehstiere wurden 71/2 Mo- nate naeh Versuehsbeginn ge- t6tet. Gleiehzeitig wurde aueh die Kontrollgruppe getStet. Die in den mit INH behandel- ten Tieren beobgehteten Ge- sehwiilste sind aus der Tabelle 1 ersiehtlieh.

Es s ind also bei 14

y o n 4~5 V e r s u e h s t i e r e n Ge-

sehwti ls te e n t s t a n d e n , w/~h-

r e n d bei k e i n e m e inz igen

de r 50 K o n t r o l l t i e r e e in

T u m o r n a c h g e w i e s e n wer-

d e n k o n n t e . Abb. 1. Subpleurales, so]it&res Adenom der linken

Lnnge (Fall 4) In 7 FMlen wurden solit~re oder multiple Adenome in den

Lungen beob~ehtet. I)iese Gesehwiilste liegen meistens unterhMb der Pleura und sind makroskopiseh als grauweiBe, sieh aus der Pleura hervorhebende Kn6t-

Tabelle 1

T age i~igi

1. Lungenadenom (multipel) 2. Lungen~denom (solit~ir) 3. Lungen~denom (multipel) 225 4. Lungenadenom (solit&r) 225 5. Lungenadenom (solit/ir) 225 6. Lungenadenom (multipel) 225 7. Lungenadenom (solit/~r) 225 8. Lymphoide Leukgmie 91 9. Lymphoide Leuk/imie und

Mediastinaltumor . . . 75 und 10. Lymphoide L e u k i i m i e . .

Mediastinaltumor . 102 11. Myeloide Leuk/imie . . . 187 12. Histiocyt&re Leukiimie 71 13. IIistioeyt&re Leukgmie . 175 14. Reticulosarkom der Leber 203

61 46 187 82

82 82 82 82 82 79

55

82 82 46 82 82

ehen erkennbar (Abb. 1). Sie liegen seltener im Inneren der Lunge, so dag sie nur beim Aufsehneiden ent- deekt werden. Bei der pathohistologi- sehen Untersuehung sind gegen das Lungengewebe gut abgegrenzte Ge- schwiilste siehtbar, die yon dem Epithel der Bronehiolen oder der Alve- olen ausgehen. Histologiseh entspre- ehen die Tumoren einem papill~tren Adenom; die auf dem diinnen Binde- gewebsgeriist sitzenden, aus kubi- sehen Zellen aufgebauten P~pillen lie- gen dieht nebeneinander. Die Zellen sind yon gleicher Gr6Be; Zellteilungen werden nut selten beobaehtet (Abb. 2). Die makro- und mikroskopisehe Struk- fur der unter dem Einfluft der INI-I- Behandlung entstandenen Lungen- adenome unterseheiden sieh in keiner

Beziehung von jenen Lungengeschwfilsten, die wir bei unseren trtiheren Versuchen mit Urethan, Na-Amytal und mit anderen Schlafmitteln in der Lunge der weigen Mguse beobachten konnten (B~L6, Ju~Xsz und VA]~GA; JU~Xsz, BAL6 und KE:~Dm~Y).

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l~ber die gesehwulsterzeugende Wirkung des Isonieotinsgurehydrazid (INH) 191

In 3 Fgllen ist eine lymphoide Leukiimie aufgetreten. Der auffMlendste Befnnd bei der Sektion dieser Tiere war die VergrSBerung der Milz, deren unterer Pol in allen 3 FMlen in das Becken herabreiehte. Die cervicalen, axillaren, mediastiualen, mesenterialen und inguinMen Lymphknoten waren erbsen bis bohnengroB, aueh die Leber war vergr5Bert. Bei der pathohistologisehen Untersuehung konnten in der Leber, den bei der mensehlichen lymphoiden Leukgmie beobaehteten Lebervergnde- rungen ghnliehe, kleinere bis grSl?ere H/iufehen lymphoider Zellen nachgewiesen werden (herdfSrmige leukgmisehe Infiltration). Die norma]e Gewebestruktnr der Milz und der Lymphknoten war verschwunden, d~s Parenehym war mit lymphoiden Zellen infiltriert. Bei 2 yon unseren 3 Fgllen yon lymphoider Leukfimie konnte im

Abb. 2. L~ngenadenom (Abb. 1). Die papill~ire Struktur tier Geschwulst ist gut siehtbar. Verge. 300faeh

Mediastinum eine grauweiBe Geschwnlst von weicher Konsistenz mit hSckeriger Oberfl'gche nachgewiesen werden, die die BrusthShle beinahe ganz ausfiillte, Herz rand Lunge nach unten verdr~ngte (Abb. 3), mit den N~ehbarorganen und mit des Bruss jedoeh nicht verwachsen war. Bei der histologisehen Untersuchung sahen wir in der Gesehwulst kleine runde, gleichartige Zellen mit schmalen Cyto- plasmasaum und dunkel gefgrbten Kernen, zwischen denen aueh Teilungsformen beobaehtet wurden. Die Gewebestruktur der Geschwulst en~spraeh dem histo- I.ogisehen Bild der lymphoid-leukgmischen Milz und der Lymphknoten. Da der Thymus eine hgufige Ausgangsstelle der tymphoiden Leukgmie der Mguse ist, ~gBt sieh histologiseh ein solcher Thymustumor yon den IMiltraten der lympho- iden Leukgmie nioht untersoheiden. In ihren Anfangsstadien, bevor sich die Ver- gnderungen der lymphoiden Leukgmie zur Gesehwulst gesellen, werden solehe Tumoren lokalisierte lymphoeytgre Neoplasmen oder Lymphosarkome genannt (DIJr Spontane lymphoide Leukgmien kommen in unserer Zueht nut sporadiseh vet: Jghrlieh linden sieh 2--3 soleher Fglle unter mehreren Tausenden von Mgusen.

In einem Falle konnte eine myeloide Leukiimie beobaehtet werden. Makro- skopiseh war sie yon einer lymphoiden Leukiimie nieht zu unterseheiden. Die Ver- gr6Berung der Milz, der Lymphknoten und der Leber erreichte aueh hier einen hohen Grad. Bei der pathohistologisehen Untersuehung konnten in der Leber, in der ~ilz,

13"

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192 J. JVHISZ, J . BAL6 und G. KENDREY:

Abb. 3. Lymphosarkom des Mediastinums (Fail 10) bestehend aus Ze]len mit ehromatin- reiehen Kernen und sehma]em Protoplasmasaum; zahlrelehe Teilungsformen. Vergr. 300faeh

Abb. 6. Leber bei histiocyt~rer Leuk~nlie (Fall 13). Zwisehen den Leberzellen diffuse oder zu kleine~ Gruppen angeordnete Histiocyten. Die Leberzelleu atrophisch, ihre N2erne sind

an einzel~en Stellen kaum g'eff~rbt. VergT. 400faeh

in den L y m p h k n o t e n eine aus unreifen myeloiden Zellen bestehende Inf i l t ra t ion nachgewiesen werden, die in der Leber keine vereinzelten I-Ierde bildete, sondern als diffuse Inf i l t ra t ion zwisehen den Leberzellenbalken nachweisbar war. Eine ~hnliche

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Uber die gesehwulsterzeugende Wirkung des Isonieotinsiurehydrazid (INH) :[93

diffuse myeloide Infi l t rat ion konnten wir such bei der pathohistologisehen Untersuehung der Milz und der Lymph- knoten naehweisen. Naeh den in der Arbeit yon BAI~XES und SlSr~AN fest- gelegten Gesiehtspunkten entspraeh die- ser ~'all einer myeloiden Leukimie.

In 2 F~llen konnte eine histiocytiire Leulc~imie naehgewiesen werden. Bei Mi~usen ist diese Form der Leuk~mie augerordentlieh selten, in unserer Zueht wurde ein spontanes Vorkommen noeh hie beobaehtet . Auf Grund des makro- skopisehen Bildes ist eine Untersehei- dung von anderen Leuki~mieformen nieht m6glieh. Aueh in diesen Fitllen ist eine hoehgradige Hyperplasie der Milz und der Lymphknoten kennzeiehnend. Bei der pathohistologisehen Untersu- ehung l inden wir Zellgruppen, die die Lymphoeyten an Gr6ge iibertreffen. Aueh wurden zahlreiehe Kernteilungs- formen beobaehtet . Die eellul~re Infil- t ra t ion umfaBt in der Leber die gr6geren Blutgefi~Be mantelart ig, aueh im Lumen der Gefs sind zahlreiehe Histioeyten siehtbar. Die Infi l t rat ion ist jedoeh nieht nur auf die Blutgef~Be besehr inkt , son-

Abb. 5. Reticulos~rkonl der Leber. In der vergr6gerten Leber sind kleinere-grSgere,

grauweise Gesehwn]stkI15tchen siehtb~r

Abb. 6. Retieulosarkom der Leber. Es sil~d spi~delfSrlnige, eloltgierte Zellen, darunter zahlreiehe Teilungsforlnen sichtbar (Fall 14). Vergr. 300lath

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194 J. Jv~2sz, J. BAr.6 und G. KENI)I~EY:

dern kann in der Form yon kleineren Ilerden bzw. einer diffusen Infiltration in der Leber iiberall beobaehtet werden; an zahlreiehen Stellen ist der Ausgang der Zell- wueherung yon den Reticuloendothelzellen der Leber naehzuweisen (Abb. 4). Eine aus I-Iistiocyten bestehende herdfOrmige bzw. diffuse Infiltration linden wit auch in der Milz und in den Lymphknoten.

Schlieglich wurde in einem Fall ein yon der Leber ausgehendes Reticulo. sarkom beobachtet (Abb, 5). Bei der Sektion fanden wit auf der Oberfl/~che und der Sehnittfl~che der Leber grauweige bzw. dunkelrote Kn6tchen. Bei der patho- histologischen Untersuehung konnten wit feststellen, daf~ die Geschwulst yon den l~eticuloendothelzellen der Leber ausging. Das Parenehym der Leber war yon Tumorzellen mit I/mgliehem Kern infiltriert. Zahlreiche atypische Kernteilungen waren naehzuweisen. In einzelnen Gebieten enthielt die Geschwulst zahlreiehe dtinnwandige Capillaren, stellenweise mit Blur gefiillte Sinusoide. Dieser angio- mat6se Charakter offenbarte sich aueh in der dunkelroten Farbe der Geschwulst- knoten. Die soliden Partien der Gesehwulst bestanden aus Anh/~ufungen spindel- fOrmiger Zellen; aueh in diesen Gebieten konnten zahlreiche Teilungsfiguren be- obachtet werden (Abb. 6). Naeh DvN~ wtirden diese Geschwiilste Retieulumzellen- Sarkomen vom Typus A entspreehen. Dieser Lebertumor wurde 4 weiBen Mi~usen subcutan, 4 weil]en M~usen intraperitoneal erfolglos tiberimi0ft.

Besprechung Eine wich~ige Aufgabe der experimentellen Krebsforschung besteht

in der Erkennung jener Stoffe, die bei der Entstehung yon Geschwiil- sten eine l~olle spielen k6nnten. Obwohl die einzelnen Forscher ver- schiedene ~ethode~x anwenden, sind in der letzten Zeit einige Tatsachen bekannt geworden, die bei der Anwendung irgendeiner ~e~hodik be- achtet werden mfissen. Wichtig war unter ~nderem jene Feststellung, dal3 eine Untersuchung der caneerogenen Wirkung nur unter der Be- dingung langdauernder Versuehe erfolgreich sein kann (HAMP~L; D~UCK~EY; D~UCI(REu und SC~MX~L). Aus 2--3 lV[onate andauernden Beobachtungen k6nnen keine sicheren Folgerungen abgeleitet werden. Wollen wir ~ns yon der geschwulsterzeugenden Wirkung des untersuch- ten ~aterials fiberzeugen, so ist dazu mindestens die halbe Lebensdauer der Versuchstiere erforderlich. Zahlreiche Versuche und die auf dem Gebiete der menschlichen Geschwulstpathologie gewonnenen Erfahrun- gen zeigen, dal3 es zu einer Kumulation der cancerogenen Stoffe im Or- ganismus kommen kann und ihre Wirkung sich erst nach 1/~ngerer Zeit nachweiscn 1//gt. Besonders bei der Untersuchtmg der weniger wirksamen cancerogenen Substanzen ist in 3/[/~use- bzw. Rattenversuchen eine 7--14 Monate w/~hrende Beobachtung eine unerl/~flliche Bedingung.

Unter den netmstens bekannt gewordenen cancerogenen Stoffen fin- den sich mehrere, auch in der I-Iumanmedizin zur Anwend~ng gelangende Arzneimittel. Diese Tatsache muB bei der Genese menschlicher Tumoren ebenso ber/icksiehtigt werden, wie die experimentell nachgewiesene ge- schwulsterzeugende Wirkung der zur Lebensmittelf~rbung beniitzten Substanzen. Da sieh eareinogene Substanzen im Organismus kumulieren,

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Uber die gesehwulsterzeugende Wirkung des Isonieotins/~urehydrazid (INK) 195

ist es unwesentlich, dag gepriifte Arzneimittel in den Experimenten in Dosen verwendet werden, die die therapeutischen weir tibertreffen.

Wir haben uns in mehreren Mitteilungen mit der gesehwulsterzeugenden Wir- kung einiger Medikamente besch/~ftigt (BALd, JvgXsz und VA~aGA; BALd, JutIXsz und KENDREY; JT:misz, BALd und KENDREu und konnten dabei feststellen, dab aufter Urethan auch andere Sehlafmittel (Pheny]~thylbarbiturs~ure, Diallytbarbi- turs~ure, Isoamyl/~thylbarbiturss bei l~ngerer Verabreiehung in den Versuehs- tieren zur Entstehung von Geschwiilsten fiihren. Auch zu therapeutischen Zwek- ken werden diese Mittel gewdhnlieh lange Zeit verabreicht. Die Untersuehungen yon Sm~IN haben gezeigt, dag unter der Einwirkung yon N-Lost und Tri~thylen- melamin in den Lungen der Mause des A-Stammes Lungengeschwiilste h~ufiger vorkommen. Seiner Ansicht nach mfil3te bei der Therapie die earcinogene Wirkung dieser Medikamente beriicksiehtigt werden. W~STO und Gtri~- haben die im Darmtrakt und auf der BronehiaIsehleimhaut der an akuter Leuk~mie verstorbenen Kinder beobaehteten atyioischen Epithelwueherungen mit der ehemotherapeutischen Behandlung (Urethan, Diaminopurin, Fols~ure-Ant~gonisten) in Zusammenhang gebracht. HA~ILTO~ konnte /~hnliche Epithelwueherungen naeh Verabreiehung von Aminopterin auf der Darmsehleimh~ut yon Mien beobaehten. HANSEl" und BICHEL konnten mit versehiedenen Sulfonamid-Pr/iparaten an 20--25 % der M/~use und Ratten versehiedene bdsartige Gesehwiilste hervorrufen.

Diese Angaben beweisen deutlich, dab Anhaltspunkte ftir die ge- sehwulsterzeugende Wirkung einzelner ~edikamente experimentell ge- siehert sind. Man mug daher besonders bei langdanernden Verabreiehnn- gen damit rechnen, dab sie auch bei/~[ensehen Gesehwiilste erzeugen oder das Waehstum yon Gesehwfilsten fdrdern kdnnten. Diese Gedanken /~uBert iibrigens aueh neuerdings D~JC~:REY.

Was nun die in der modernen Therapie der Tuber]culose angewendeten Medikamente anbelangt, sind fiber Streptomycin die Untersuchungen yon SMITH und 3/[cCLosKY bekanntgeworden. Sic behandelten Meer- schweinehen 32--110Tage mit intramuskul/~ren Einspritzungen yon 5000 E Streptomycin taglich und konnten keine Gesehwulstbildung be- obaehten. In unseren eigenen Versuchen konnten wit die geschwulst- erzeugende Wirkung des INH best/itigen. Wegen der theoretischen und praktischen Bedeutung der Frage ist eine weitere Untersuehung der eancerogenen Wirkung dieser Verbindung notwendig.

Zusammen~assung Die geschwulsterzeugende Wirkung yon Isonicotins~urehydrazid 1

(INtt) wurde an 45, durchsehnittlieh 20 g schweren weil3en 3s unter- sucht. Als Kontrolltiere dienten 50 M/~use der gleichen Zucht. Jeden 2. Tag wurden 2 bzw. 3 mg INH intraperitoneal verabfolgt bis zu 30 INH- Injektionen und in einer Gesamtmenge yon 82 mg INH. Nach 7t/2 Mo- naten entstanden bei 14 yon 45 behandelten Tieren Geschwiilste. In

Das in diesen Versuchen verwendete INK stammte ~us einer ungarisehen Produktion. Bei dem yon tIAC~:MAN~ und HEC~T gepriiften Neoteben B~yer sind eaneerogene Wirkungen nieht beobaehtet worden.

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196 J. Jv~Asz, J. BALd und G. N]~NDREY: Isonicotinsi~urehydrazid (INH)

7 F/~llen w u r d e n solit/~re ode r m u l t i p l e papill/~re L u n g e n - A d e n o m e , in

d e n f ibr igen F g l l e n l y m p h o i d e , m y e l o i d e bzw. h i s t iocy t / / r e L e u k / / m i e n

und ein aus der L e b e r a u s g e h e n d e s t ~ e t i c u l u m z e l l e n - S a r k o m b e o b a c h t e t .

E i n e p e r i p h e r e Nreuritis w u r d e n i e h t b e o b a c h t e t .

Literatur :BAL6, J., J. JUHJ~SZ U. G. KE2qDI~EY: l~ber die geschwulsterzeugende Wirkung

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der Medizinisehen Universit~t in Budapest. VIII . lJllSi ut 26