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Uber die graphische Darstellung von Bewegungsvorg~ngen, insbesondere des Patellarreflexes. Von J. Plahl (Bonn). (Aus der inneren Abteilung des Krankenhauses der BarmheIzigen Briider in Bonn [Direktor Prof. Dr. Rumpf].) Mit 18 Textfiguren. (Eingegangen am 6. Mai 1910. ) In meiner Arbeit ,,Beitrs zur Physiologie der Sehnenreflexe ''1) habe ich schon kurz auf die Bedeutung der sekunds auftretenden reflektorischcn Muskelanspannungen fiir die Anfertigung und Deutung graphischer Aufzeichnungen der Sehnenrcflexe hingewiesen. Ich habe dort betont, da$ bei der Priifung des Patellarreflexes im Sitzen die auf die Strcckbcwegung folgcnde Beugung nicht rein passiv durch die Schwere bedingt ist, sondern daf3 dabei, wenn nicht in allen Fs so doch in den meisten, auch eine rcflektorisch auftretende Contraction der Beugemuskeln mitwirkt. Wollen wir nun den ganzcn Vorgang der Streckung und Beugung graphisch darstellen, so miissen wir dies auch unter densclben physikalischcn Bedingungen tun, d. h. wir miissen zu unserm Zweck den zu Untersuchenden in Seitenlage bringen und diirfen ihn nicht im Sitzen untcrsuchen. Tun wir das letztere, so wirkt bei der Aufws des Unterschenkels (Streckung) das Ge- wicht des Bcines verlangsamcnd, bei der Abw/s (Beugung) beschleunigcnd ein. Schon diese Tatsache allein geniigt, die Forderung aufzustellen, daf~ wir die graphische Untersuchung des Patellarreflexes in dcr Scitenlage vornehmcn. Dicse Forderung ergibt sich aber weiter auch noch aus folgendem: Es treten bei der Priifung im Sitzen im Anschlusse an die erste Bewegung noch 6fters einige Nachbcwcgungen auf, die als Pendcl- bewegungen aufgefal]t werden k6nnen und nach ihrcr ganzen Art und insbesondere nach dem Verhalten der Kurve in vielen F/illen offenbar auch Pendelbewegungen sind, jedenfalls sich von nachfolgenden re- flektorischen Bewegungen nicht scharf trennen lassen. Die Bedeutung der Pcndelbewegungen fiir die Deutung der graphi- schen Aufzeichnungen des Patellarreflexes hat S ommer2), der sich in 1) Diese Zeitschr. Orig. I, 350. 1910. ~) R. S o m m e r, Lehrbuch der psychopath otogischen Untersuchungsmethoden. Berlin und Wien 1899.

Über die graphische Darstellung von Bewegungsvorgängen, insbesondere des Patellarreflexes

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Uber die graphische Darstellung von Bewegungsvorg~ngen, insbesondere des Patellarreflexes.

Von J. Plahl (Bonn).

(Aus der inneren Abteilung des Krankenhauses der BarmheIzigen Briider in Bonn [Direktor Prof. Dr. Rumpf].)

Mit 18 Textf iguren.

(Eingegangen am 6. M a i 1910. )

In meiner Arbeit ,,Beitrs zur Physiologie der Sehnenreflexe ''1) habe ich schon kurz auf die Bedeutung der sekunds auftretenden reflektorischcn Muskelanspannungen fiir die Anfertigung und Deutung graphischer Aufzeichnungen der Sehnenrcflexe hingewiesen. Ich habe dort betont, da$ bei der Priifung des Patellarreflexes im Sitzen die auf die Strcckbcwegung folgcnde Beugung nicht rein passiv durch die Schwere bedingt ist, sondern daf3 dabei, wenn nicht in allen Fs so doch in den meisten, auch eine rcflektorisch auftretende Contraction der Beugemuskeln mitwirkt. Wollen wir nun den ganzcn Vorgang der Streckung und Beugung graphisch darstellen, so miissen wir dies auch unter densclben physikalischcn Bedingungen tun, d. h. wir miissen zu unserm Zweck den zu Untersuchenden in Seitenlage bringen und diirfen ihn nicht im Sitzen untcrsuchen. Tun wir das letztere, so wirkt bei der Aufws des Unterschenkels (Streckung) das Ge- wicht des Bcines verlangsamcnd, bei der Abw/s (Beugung) beschleunigcnd ein.

Schon diese Tatsache allein geniigt, die Forderung aufzustellen, daf~ wir die graphische Untersuchung des Patellarreflexes in dcr Scitenlage vornehmcn. Dicse Forderung ergibt sich aber weiter auch noch aus folgendem: Es treten bei der Priifung im Sitzen im Anschlusse an die erste Bewegung noch 6fters einige Nachbcwcgungen auf, die als Pendcl- bewegungen aufgefal]t werden k6nnen und nach ihrcr ganzen Art und insbesondere nach dem Verhalten der Kurve in vielen F/illen offenbar auch Pendelbewegungen sind, jedenfalls sich von nachfolgenden re- flektorischen Bewegungen nicht scharf trennen lassen.

Die Bedeutung der Pcndelbewegungen fiir die Deutung der graphi- schen Aufzeichnungen des Patellarreflexes hat S o m m e r 2 ) , der sich in

1) Diese Zeitschr. Orig. I, 350. 1910. ~) R. S o m m e r, Lehrbuch der psychopath otogischen Untersuchungsmethoden.

Berlin und Wien 1899.

J. Pfahl : (~Tber die graphische Darstellung yon Bewegungsvorg~tngen usw. 503

Deutschland wohl am meisten mit diesen Untersuchungen besch~ftigt hat, sehr wohl erkannt, und, bevor er an die Untersuchungen beim Lebenden herangetreten ist, Pendelbewegungen des Untersehenkels einer Leiche, den er erhob und dann fallen licit, aufgeschrieben. Dasselbe hat W e i l e r 1) getan, der neuerdings eine sehr beachtenswerte Arbeit fiber dieses Thema geschrieben hat.

Dieselben Momente, die bei der Leiche die Pendelbewegungen be- wirken, also die Schwerkraft und das Beharrungsverm6gen, wirken aber auch beim Lebenden mit ein und mfissen demgem~13 auch in der Kurve zum Ausdruck kommen. Selbstverst~ndlich geschieht dies, da auch noch andere Momente mitwirken, nicht in der Form reiner Pendel- bewegungen; auch das ist yon S o m m e r gewiirdigt worden. Er will nun durch einen Vergleich der beim Lebenden gewonnenen Kurven mit den einfachen mechanischen Pendelkurven der Leiche die Kriifte studieren, welche diese Pendelbewegungen modifizieren (vgl. So m m e r - Lehrbuch der psychopathologischen Untersuchungsmethoden S. 24ff.). Das ist meines Erachtens a ber mindestens schwierig, wenn nicht un- m6glich. Auf jeden Fall ist dabei dem subjektiven Ermessen des Unter- suchenden sehr viel Spielraum gelassen; und selbst angenommen, es sei dies m6glich, so machen wir uns doeh dadurch nur unnfitze Arbeit : Wenn wir eine Bewegung graphisch zum Ausdruck bringen wollen, dann tun wir dies doch nicht in der Weise, da~ wir ihren Einfluit auf eine andere Bewegung studieren, sondern wir schreiben sie, wenn iiberhaupt m6glich, direkt auf.

Also aueh aus diesen Erw~gungen heraus ergibt sich die Forderung, die graphische Aufzeichnung des Patellarreflexes in der Seitenlage vor- zunehmen.

Das k6nnte nun eventuell auch mit dem yon So m m e r angegebenen Apparat in der Weise geschehen, dal3 man den zu Untersuchenden in Seitenlage bringt und den mittels der Manschette an den Unterschenkel befestigten Teil der Schnur, der sich jetzt yon diesem bis zur Rolle in schr~ger Richtung von unten nach oben und umgekehrt bewegt, in horizontaler Richtung verlaufen liel3e. Dagegen w~re an und ffir sich nichts einzuwenden. Ich habe aber gegen den Sommerschen Appara t noch das folgende, meiner Ansicht nach sehr gewichtige Bedenken: Sommer bringt am unteren Ende der am Unterschenkel befestigten und fiber die Rolle laufenden Schnur eine Schale an, die er mit Ge- wichten belastet, urn, wie er sich ausdrfickt, den Unterschenkel zu ~qufli- brieren. Woraus er schliel3t, da$ dies geschehen ist, ist mir nieht ver- st~ndlich. Das Gewieht des Untersehenkels l~13t sich weder durcli Wi~gen noch durch Messen genau bestimmen. Ieh halte es auch ffir aus-

z) Kar l Weiler, Untersuchung des Kniesehnenreflcxes beim Menschen. Zeitschr. f. d. g. Neurol. u. Psych.. l, Heft 1.

Z. f. d. g. Neut . u. Psych. O . I . 34

504 J. Pfahl: Uber die graphische Darstellung

geschlossen, durch einfaehes Ausprobieren den Untersehenkel zu ~qufli- brieren, da wir dureh Anbringung des Contregewiehtes sicher in vielen F~llen den Pat. veranlassen werden, seine Muskulatur, insbesondere die Beugemuskeln, anzuspannen. Jedenfalls kSnnen wir dann solche Muskelspannungen nicht ausschliel3en, w~hrend wir doeh sonst bei der Prfifung der Reflexe bestrebt sind, den Untersuchten zu veranlassen, seine Muskeln mSgliehst zu entspannen.

DaB derartige Umst~nde bei den Versuchen von So m m er in der Tat mitgewirkt haben, scheint mir abet aueh aus der Tatsaehe hervor- zugehen, dal3 die Gewiehte, die er zum ~quilibrieren gebraueht hat, zwischen 200 und 1300 g sehwanken. Diese grol3en Unterschiede lassen sich nicht lediglich durch die versehiedenen Gewichtsverh~ltnisse der betreffenden Unterschenkel erkl~ren, die unmSglich relativ so ver- sehieden gewesen sein kSnnen, wie es die angebraehten Gewichte waren.

Als h6ehstes Gewicht zur ~quflibrierung hat S o m m er 1300 g benutzt. Ob dazu noch das Gewicht der Sehale kommt, kann ich nicht mit Be- stimmtheit aus den Versuchen ersehen. Angenommen aber, es sei ins- gesamt nur ein Gewicht von 1300 g angebracht worden, so ergibt eine einfaehe Uberlegung, dal3 dadurch die reflektorische Aufw~rtsbewegung des Untersehenkels erheblich beschleunigt, die Abw~rtsbewegung da- gegen verlangsamt werden mul l

DaB es sich hier nicht bloB um theoretisehe Bedenken handelt, geht aus folgendem von mir angestelltem Versuche hervor. Ich priifte

(mittels eines Apparates, den ich mir

Fig. 1.

selbst konstruiert hatte) im S i t z e n den Patellarreflex bei einem Patienten, dessen linker Unterschenkel in der Mitre ,am- putiert, also bedeutend leichter war, als der rechte und bei dem dazu die Hebel verh~ltnisse durch die Verkiirzung des Hebelarmes der Last bedeutend giin- stiger waren. In Fig. 1 ist unter a die Kurve des Patellarreflexes des normalen Beines, unter b die Kurve des Stumpfes

wiedergegeben. Ein Vergleieh dieser beiden Kurven miteinander er- gibt folgendes :

Die Gesch~ndigkeit , mit der der Stumpf gehoben wurde, war ge- steigert. Der ansteigende Tell der Kurve war dementsprechend sehr stefl, fast senkrecht, infolge der sehr friih eintretenden resp. kr~ftigen sekund~ren Anspannung der Beugemuskeln aber kaum hSher, als bei einem normalen Unterschenkel. Die Beugebewegung erfolgte wiederum sehneU, so dal3 die Abszisse betr~ehtlieh kiirzer war, als bei der Reflex- ]curve des normalen Unterschenkels und rief ib_rerseits wiederum eine

yon Bewegungsvorgltngen~ insbesondere des Patellarreflexes. 505

reflektorische Streckbewegung hervor. Derselbe Vorgang wiederholte sich dann noch einige Male in abgeschw~ehter Form, so dab wir eine klonisehe Bewegung des Stumpfes und eine mehrzaekige Kurve mit kurzen Abszissen erhalten.

Da~ es sich dabei nieht etwa um Pendelbewegungen handelt, geht vor allem daraus hervor, daI~ die untersten Punkte der Kurve meist hSher als der Ausgangspunkt, vielfach sogar betr~chtlich hSher als dieser liegen. Ubrigens war dies aueh ohne graphische Aufzeichnung deutlich zu sehen. Ein Vergleich mit der Kurve des normalen Unter- schenkels ergibt vor allem, da~ die bei diesem zum Ablauf einer ein- maligen Auf- und Abw~rtsbewegung notwendige Zeit mindestens doppelt so groB ist, als bei dem amputierten Unterschenkel, was iibrigens gar nieht anders zu erwarten war.

Die bei dem vorstehenden Versuche geschilderten physikalischen Verh~ltnisse kommen bei der Anwendung eines ~quilibrierungsgewichtes allerdings nur ffir die Aufw~rtsbewegung des Untersehenkels in Betracht. Zweifellos wird diese dadurch erheblieh besehleunigt. Umgekehrt mul~ die Abw~rtsbewegung dadurch geh]ndert werden, wobei ersehwerend noeh der Umstand ins Gewieht f~llt, da~ das angebraehte Gewicht, ebenso wie der Unterschenkel, vorher schon eine gewisse Gesehwindig- keit im entgegengesetzten Sinne erlangt hat. Eine Entstellung der Kurven dureh diese Momente kann naeh meiner Ansicht gar nieht aus- bleiben und ieh habe, wenigstens bei vie]en der yon S o m m e r ver- 5ffentliehten Kurven den Eindruck, als ob diese Entstellung deutlieh ersichtlieh w~re, namentlieh bei den Kurven, bei denen grSl]ere Ge- wiehte (1200--1300 g) angeh~ngt worden sind (siehe S. 46). Hier ist der Anstieg auffallend steil, der Abfall weniger steil, also ]angsamer yon statten gegangen.

Ieh halte es danach aus allen den angeffihrten Grfinden fiir richtig, in der Zukunft in der Seitenlage zu untersuehen. Dabei wird auch often- bar der Muskelapparat mSgliehst entspannt. Die yon S o m m e r ge- wiinschte J~quilibrierung ergibt sieh dabei yon selbst.

Hier mSchte ich noch kurz aus einen yon P a n d y angegebenen Apparat eingehen, mit welchem der Genannte versucht hat, die Kraft des Patellarreflexes zu priifen. Auch dieser Apparat ist, das m6chte ieh gleieh yon vornherein betonen, meiner Ansicht nach verkehrt kon- struiert. P a n d y befestigte um den Untersehenkel des auf einem hohen Stuhl sitzenden Patienten eine Sehnur und an die letztere einen Sch]itten, den er mit Gewiehten belastete. Der Sehlitten wurde daml durch die reflektorische Streekbewegung vorw~rts gezogen. Auf diese Weise will P a n d y die Kraft des normalen PateUarreflexes zu etwa 10 kg bestimm~ haben. Dabei hat er abet meiner Ansieht naeh eine ganze Reihe hSchst wichtiger Punkte auger acht gelassen:

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506 J. Pfahl: Uber die graphische l)arsteilung

1. AuIler dem Sehlitten mull doch auch das Gewieh~ des Beines bewegt werden; dieses l~illt sich aber, wie schon oben bemerkt, nicht genau bestimmen.

2. Die Widerst~inde, die durch die Reibung des Schlittens auf dem Boden entstehen, lassen sich nicht feststellen.

3. Wghrend der Schlitten sich in horizontaler Richtung fortbewegt, wechselt die Zugrichtung der Leine in jedem Augenblick, da ja der Punkt des Unterschenkels, an dem sie befestigt ist, den Teil eines Kreisbogens beschreibt. Es geht dadurch ein Teil der Kraf t verloren.

4. Ziehen sich z u w e i l e n g l e i c h z e i t i g mit der Streckmuskulatur die Beugemuskeln zusammen, wodurch die Kraf t der ersteren erheblich abgeschw~icht wird.

5. Das Resultat der Aufw~irtsbewegung wird weiterhin durch die nachfolgende sekund~ire reflektorische Anspannung der Beugemuskeln erheblich beeintriichtigt.

6. Die St~irke der Innervat ion wird unter verschiedenen Umst~inden und zu verschiedenen Zeiten auch bei demselben Menschen ~iul~erst verschieden sein.

Diese und noch mehr Griinde lieIlen sich mehr oder weniger auch gegen andere Apparate anfiihren, die nach Art der Dynamometer zu dem Zwecke konstruiert worden sind, die Kraf t der Sehnenreflexe zahlenm~illig zum Ausdruck zu bringen. Macht man sich die in Betracht kommenden mechanischen Verh~iltnisse ordentlich klar, so mul~ ohne weiteres einleuchten, dab dies i iberhaupt unm6glich ist. Bei unseren Gliedmatlen resp. einzelnen Abschnitten derselben handelt es sich im allgemeinen um ein- oder zweiarmige Hebel, die durch die Kra f t eines oder mehrerer Muskeln in Bewegung gesetzt werden. Die Geschwindig- keit, mit der diese Bewegungen erfolgen, ist abh~ingig

1. v o n d e r auf den Hebel wirkenden Kraft , 2. yon dem Verh~iltnisse des Hebelarmes der Kraf t zu dem der Last, 3. von der Richtung, in der die Kraf t auf den Hebel einwirkt, 4. v o n d e r Belastung der einzelnen Hebelarme, 5. von den mechanischen Widerst~inden in den Gelenken usw. 6. von den funktionellen Hemmungen, die sich im Laufe der Be-

wegung einstellen. Kein einziges der genannten Momente, zu denen vielleicht noch andere hinzutreten, l~iI~t s ich aber zahlenm~iI~ig genau zum Ausdruck bringen.

Wohl sind wir in der Lage, mittels der graphischen Methode ge- wisse Bewegungen aufzuschreiben und so die Schnelligkeit, mit der ein best immter Punkt des Gliedes sich bewegt (jeder Punkt der Lgngs- achse bewegt sich bei einer gegebenen Bewegung ja verschieden schnell) zu bestimmen, oder vielmehr die Zeit zu bestimmen, in der der ganze Vorgang abl~uft. Wollten wir nun daraus einen Riickschlul] auf die

von Bewegungsvorg~ngen~ insbesondere des Patellarreflexes. 507

Kraft , die eingewirkt hat, ziehen, so mfiftten wir die s/~mtlichen fibrigen oben angegebenen Momente genau best immen kSnnen. Das ist aber, wie gesagt, nicht mSglich.

Ebensowenig kSnnen wir mittels eines dynamometerar t igen In- strumentes die Kraf t der Reflexe bestimmen. Wir kSnnen auf diese Weise allenfalls feststellen, welche Wirkung ein Punkt des reflektorisch bewegten Gliedes im einzelnen Falle auf das Ins t rument ausiibt. Wir sind aber daraus noeh lange nieht berechtigt, hieraus einen RficksehluB auf die wirkliehe im gegebenen Momente zur Anwendung kommende Kraf t zu ziehen. Ein Teil dieser Kraf t wird noch dazu verwandt, das betreffende Glied in Bewegung zu versetzen und zwar muft sie dies unter verh/~ltnismKl~ig sehr gfinstigen Umst~nden, wenigstens beim Patellarreflex. Hier ist der Hebelarm der Kraf t im Verh~iltnis zu dem der Last sehr kurz. Der letztere ist dazu verh~ltnism~l~ig stark belastet. Aul]erdem ist die Zugrichtung, in der die Kraf t zur Geltung kommt , sehr ungfinstig, wodurch ein Teil derselben verloren geht.

Ich meine, es mul~ schon naeh dem, was ich fiber die rein meehanisehen Momente gesagt habe, jedem einleuchten, dal] es absolut unmSglich ist, die Kraf t eines Reflexes durch Zahlenwerte zum Ausdruck zu bringen. Nicht einmal bei einer einzelnen best immten Bewegung sind wir dazu imstande. Noch viel weniger kSnnen wir die Kraf t eines Reflexes ganz allgemein berechnen. Diese Kraf t ist doeh nichts Gegebenes, sondern weehselt auch bei demselben Menschen aul~erordentlich nfit der St~rke des Reizes, dem Grade der Reizbarkeit und dem Grade der Aufmerk- samkeit, den die Versuchsperson dem Vorgange widmet. Dann sollte man aber auch endgfiltig auf derartige Versuche verzichten. Wollen wir in der naturwissensehaftlichen Forschung eine Methode des W~gens oder Messens anwenden, dann muft sie mSglichst genau sein. I m anderen Falle wird sie uns nur eine Gewil]heit und Sieherheit vort~usehen, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist und uns damit auch zu falschen Schluftfolgerungen veranlassen.

Wohl sind wir imstande, mittels der graphisehen Methode festzu- stellen, in welchem Zeitraume sieh beim Patellarreflex der ganze Vor- gang der Streckung und Beugung abspielt und kSnnen daraus und auch aus der Form der Kurve gewisse Schlfisse ziehen. Das gleiche gilt yon anderen Bewegungen.

Dazu ist es allerdings unbedingt erforderlich, dalt die Apparate resp. die Methoden, deren wir uns bedienen, vSllig einwandsfrei sind und daft wir auch bei der Deutung der damit gewonnenen Resultate allen zur Wirkung kommenden Faktoren Reehnung tragen.

Es mSssen dabei vor allem die folgenden Forderungen gestellt werden : 1. Wit dfirfen nur Bewegungen eines einzelnen Gliedabsehnittes und

nicht die eines ganzen, aus mehreren Teilen bestehenden Gliedes auf-

508 J. Pfahl: Uber die graphische Darstellung

schreiben und zwar nur solche Bewegungen, die in einer Ebene oder doch annihernd in einer solchen verlaufen.

2. Der proximal von dem reflektorisch bewegten Gliedabschnitte liegende K6rperteil muB absolut lest fixiert sein.

3. Der Registrierapparat selbst mu$ direkt an dem bewegten Teile befestigt sein.

4. Das Gewicht des bewegten Teiles darf nicht durch Anbringen yon Gewichten oder Contregewichten erschwert resp. erleichtert werden.

5. Die in Bewegung gesetzten Tefle des Apparates miissen ein so geringes Gewicht haben resp. so geringe Widerst/~nde hieten, da$ diese im Verhiltnis zur Kraft der betreffenden Bewegung unbedeutend sind und auf~er aeht gelassen werden kSnnen.

6. Die Verbindung zwischen dem bewegten Gliedabschnitte und dem Apparate einerseits und den einzelnen Teilen des Apparates unter sich andererseits mu$ eine derartige sein, da6 die Reibung minimal ist und dab weiterhin an den Verbindungsstellen keine Eigenbewegungen, wie Schleuderbewegungen usw. entstehen kOnnen, mit anderen Worten, die simtlichen beweglichen Tefle miissen stets miteinander in Kontakt bleiben.

7. Die graphische Aufzeichnung des Patellarreflexes muB aus den oben angefiihrten Griinden in der Seitenlage erfolgen (dasselbe gilt auch von den Beuge- und Streckreflexen des Armes).

8. Es ist zweckmg$ig, den ganzen Mechanismus so anzuordnen, dab die Kurve von links nach rechts geschrieben wird, dab die Schreibnadel bei ruhig stehendem Apparat in grader, senkrechter Linie schreibt, wie dies z. B. bei dem Sphygmographen von J a q u e t der Fall ist und nicht in bogenfOrmiger Linie wie bei den Sphygmographen yon M are y oder F r e y und dab die prim~tre Bewegung in der Richtung von unten nach oben und nicht umgekehrt aufgeschrieben wird, wie z. B. in den u yon S t e r n b e r g.

Die zuletzt genannten Umst/inde werden das Studium der Kurven entschieden erleichtern.

Diesen Anforderungen entspricht der Apparat von So m m e r aber in versehiedenen Punkten nicht. Das hat aueh Wei le r in seiner oben erwihnten Arbeit hervorgehoben und einen Apparat konstruiert, der versehiedene Mingel des Sommerschen nicht aufweist und anscheinend, auch was die Feinheit der Konstruktion anbetrifft, allen Anforderungen gereeht wird, die man an eine solche Vorrichtung steUen daft. Ein ttauptfehler halter allerdings auch noch dem Weilerschen Apparate an. Auch Wei le r hat den Patellarreflex in sitzender Stellung des Patienten untersucht und nieht in Seitenlage, was meiner Ansicht nach unbedingt notwendig ist.

Ich selbst habe mir schon vor Jahren einen Apparat konstruiert,

yon Bewegungsvorgangen, insbesondere des Patellarreflexes. 509

womit dies geschehen kann. Ich will gleich von vornherein betonen, dab manches an dem Apparate nur improvisiert ist, dab mir insbe- sondere keine so exakte Schlagvorrichtung zur Verffigung stand, wie sie Sommer , Wei ler und andere benutzt haben und da[3 ich aueh fiber kein besonderes Kymographion verffigte. Statt des letzteren bediente ich mich des Uhrwerkes eines Jaquetschen Sphygmographen, was immerhin unbequem war. Die sonstige Einrichtung des Apparates ist in der Hauptsache aus der folgenden Beschreibung und sehematiseh gehaltenen Skizze ersichtlich:

Angenommen, es soll der Patellarreflex der rechten Seite geprfift werden. Zu diesem Zweek legt sich der Patient auf einen gew6hnlichen Untersuchungstisch in die linke Seitentage. Zwischen beide Beine werden zwei B/inke B 1 und B 2 (deren Ls der Breite des Untersuchungstisches ent- spricht und die auf der Skizze in Fig. 2 nur in der Ansicht yon oben sichtbar sind) eingescho- ben. Nun wird der Oberschenkel mit seinem unteren Teile auf der Bank B 1 befestigt, etwas schrs zur Li~ngsrichtung des Tisches und zwar so, dai3 das Kniegelenk freiliegt (siehe die Zeiehnung). Der Unterschenkel ist mit seiner Innenseite auf einer T-f0rmigen Schiene be- festigt, die bei der Ansicht von oben zum gro[3en Teile verdeckt ist. Der quere Tefl Q dieser

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1 W ~ L.,~ r

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Fig. 2. (Die ganze Vor r i ch tung in der Ans ich t v o n oben

wiedergegeben.) Vgl. h ierzu auch Fig. 3.

Sehiene trs an seinen beiden Enden zwei leieht bewegliche Rs vermittels deren die Schiene resp. der darauf befestigte Unterschenkel sich auf der Bank B 2, die auf ihrer Oberseite ein glattes Blech trs leicht hin und her bewegen kaml. Der L~ngsteil L der Schiene liegt der Innenseite des Unterschenkels an, ist also bei der Ansieht yon oben nicht sichtbar und in der Zeiehnung durch die punktierte Linie L angedeutet. Das freie Ende der Ls L i s t mit einem Kugel- gelenk an der Bank B 1 befestigt. Bei der Befestigung des Oberschenkels auf dieser Bank ist darauf zu achten, dab das Kugelgelenk m6gliehst in der verls Achse des Kniegelenks liegt. Die L/ingsschiene L wird sich nun beim Klopfen auf die Patellarsehne in gleiehem Sinne und Umfang wie der Untersehenkel hin und her bewegen. Die Uber-

510 J. Pfahl: ~'~ber die graphische Darstellml~

tragung der Bewegung eines Punktes dieser Sehiene auf dell Schreib- apparat geschieht in folgender Weise: Die leichte Stange St wird an dem betreffenden Punkte (ich habe bei meinen Versuchen immer einen 10 cm yon dem Kugelgelenk entfernt liegenden Punkt gew~hlt) an die L~ngsschiene befestigt, mit ihrem anderen Ende an der Fiihrung F. Sie ist an beiden Enden gleichfalls in Kugelgelenken (X und Y) be- weglich. Wghrend nun der am Unterschenkel befindliche Punkt X den Teil eines Kreisbogens beschreibt, bewegt sich der andere Punkt Y vermittels der auf und zwischen Rollen leicht beweglichen Fiihrung F, die ich hier nicht n~her beschreiben will, in gerader Linie. An dem entgegengesetzten Ende dieser Fiihrung ist die leicht bewegliche Schreib- nadel N so befestigt, dab ihre Spitze durch ihr Gewicht stets mit dem Papierstreifen des Registrierapparates R in leichtem Kontakt bleibt und ihre Bewegungen bei ruhig stehender Trommel in gerader senk- rechter Linie aufschreibt. Bei dem Schreibwerk, das ich benutzte, be- wegte sich der Papierstreifen mit einer Geschwindigkeit von 0,75 resp. 4,6 cm in der Sekunde. Als Sch]agvorrichtung habe ich reich eines selbstkonstruierten Apparates bedient.

Die auf diese Weise gewonnenen Kurven werden den reflektorischen Bewegungen des Unterschenkels m6glichst genau entsprechen. Absolut ist dies aber auch hier nicht der Fall, da die bogenf6rmige Bewegung des Punktes X in die gerade Bewegung der Fiihrung F u n d der Nadel N umgewandelt wird. Eine gewisse Entstellung im Sinne der Verkiirzung der aufgeschriebenen Linien kann dadurch nicht ausbleiben (wird der Versuch aber so eingerichtet, dai] die Schreibnadel sich in der Richtung der Sehne des Bogens bewegt, der von dem Punkte X beschrieben wird, so wird diese Entstellung m6glichst gering sein, da der Unterschenkel bei der Reflexbewegung nur einen geringen Winkel, etwa 15--20 ~ beschreibt).

Dagegen gibt uns die Abszisse ein genaues MaB fiir die Zeit, in der sich der ganze Vorgang der Hin- und Herbewegung abspielt. In diesem Zeitraume diirfen wit aber meines Erachtens ein Kriterium fiir den Grad der Lebhaftigkeit, mit der der reflektorische Vorgang sich ab- spielt, erblicken. Je kiirzer er (bei gleichen Versuchsbediugungen) ist, um so mehr wird man berechtigt sein, yon einer Steigerung der Refiexe zu sprechen. Vielleicht finden sich auch auf diese Weise Anhalts- punkte zur Entscheidung der Frage, ob diese Steigerung der Reflex- erregbarkeit im gegebenen Falle funktioneller Natur oder auf eine organische Affektion zuriickzufiihren ist. H6he und Steilheit der Kurven werden uns nur ein relatives MaB in die Hand geben, in dessen Verwendung wir vorsichtig sein miissen. Wahrscheinlich lassen sich aber auch aus der sonstigen Form der Kurven noch allerhand Schlfisse ziehen.

yon Bewegungsvorg~ngen, insbesondere des Patellarreflexes. 511

bogengelenk aufzu- schreiben. Desglei- ehen diirfte es sich, mit oder ohne be- sondere Hilfsvor- richtungen, zur ge- naueren Untersu- chung der groben Kraft, der Ausdauer und (vielleicht auch besser als der yon Mosso) zur Unter- suchung der Ermiid- barkeit eignen.

Wir haben wei-

Der im vorstehenden gesehilderte Apparat ls sieh aueh zur Auf- schreibung des Beuge- und Streckreflexes des Vorderarmes verwerten. Zu diesem Zwecke setzt man den Patienten mit der betreffenden Seite neben die Bank 1 und legt seinen Arm auf diese. Der Patient sitzt am besten auf einem Drehstuhl, der so eingestellt wird, dab der Oberarm in horizontale Stellung kommt und das Ellbogengelenk an die selbe Stelle, an der sich bei der Priifung des Patellarreflexes das Kniegelenk befindet; dann wird der Vorderarm in Pronationsstellung gebracht und hierauf der betreffende Reflex mit der ScKlagvorrichtung, die wir sons~ bei der Priifung des Patellarreflexes benutzen, ausgel6st.

Ebenso wie zur Aufschreibung der vorhin genannten Reflexe k6nnen wir den Apparat ferner dazu benutzen, um die entsprechenden aktiven Bewegungen, also Beuge-und Streckbewegungen im Knie und Ellen-

l .A ~ ~ 2r

Fig. 3. (Vgl. h ierzu Fig. 2.)

ter darin bei entsprechender Versuchseinrichtung ein MaB zur Priifung der Reizbarkeit, indem wir feststellen k6nnen, bei welcher Reizsts zuerst eine Zuckung auftritt. Gerade das Studium der Ermiidbarkeit und Reiz- barkeit ist aber bei der Untersuchung der Erkrankungen des Nerven- systems, namentlich auch bei funktionellen Erkrankungen, wo wir sonst h/iufig nur wenige obj ektive Anhaltspunkte finden, von gr6BterWichtigkeit.

Mittels besonderer Vorrichtung, wie sie W e i l e r in seiner oben erw/ihnten Arbeit geschildert hat, liiBt sich auBerdem die sogenannte Reflexzeit, d. h. die Zeit, welche vom Moment der Reizung bis zum Beginn der reflektorischen Bewegung verl/iuft, bestimmen. Auch aus der Dauer dieser Zeit lassen sich anscheinend bestimmte Schliisse ziehen (siehe die Arbeit von W e i l e r , S. 169).

Ich habe meinen Apparat auch zur Aufschreibung des Achilles- sehnenreflexes benutzt. Der Untersuchte kniete dabei auf einem Unter- suchungstisch in der Weise, wie dies Fig. 3 angibt. Hierauf wurde die

512 J. Pfahl: Uber die graphische Darstellung

Stange St mit ihrem einen kugelf6rmigen Ende X an den betreffenden Furl in der Gegend zwischen den beiden Zehenballen mit Hflfe von Schniiren befestigt. Die weitere Ubertragung des Reflexes auf die Schreibvorrichtung erfolgte dann in derselben Weise wie beim Patellar- reflex. Zur Ausl6sung des Reflexes bediente ich mich einer besonderen Schlagvorrichtung, die es erm6glichte, in bestimmter St~rke auf die Sehne zu schlagen.

Die vorstehende Art und Weise, den Achillessehnenreflex zu priifen, widcrspricht streng genommen meiner oben aufgestellten Forderung, die Reflexe in der Weise zu priifen resp. graphisch aufzuschreiben, dab der Reflexvorgang sich zur Vermeidung von Pendelbewegungen in horizontaler und nicht in vertikaler Ebene abspielt. In Wirklichkeit scheinen aber beim Achillessehnenreflex auch bei.der vorhin geschilderten Art der Priifung keine Pendelbewegungen mehr aufzutreten. Die mechanischen Verh~ltnisse zur Entstehung solcher liegen ja hier auch viel ungiinstiger, als bei den iibrigen Reflexen, namentlich beim Patellar- reflex. In der Seitenlage l~Bt sich der Achillessehnenreflex aber ohne gleichzeitigen Druck gegen die FuBsohle (also ohne kfinstliche Beein- flussung) viel sehlechter ausl6sen.

Ich m6chte diese Gelegenheit benutzen, um darauf hinzuweisen, dab die obige Methode zur Priifung des Achillessehnenreflexes, die meines Wissens in Frankreieh viel, in Deutschland dagegen noeh viel zu wenig geiibt wird, entschieden die bequemste und sicherste ist.

Als ich meinen Apparat konstruierte, war mir der yon Wei ler noch nicht bekannt. Weilers Apparat leidet, wie gesagt, an dem einen Fehler, dab er den Patellarreflex aufschreibt, w~hrend der Patient sitzt. Dagegen arbeitet er gegeniiber dem meinigen insofern genauer, als er die Reflexbewegung in Winkelgraden in der Weise angibt, dab 1 mm der Ordinate einem Winkelgrad der Bewegung entspricht. Weiter- hin standen Wei ler bessere Hflfsvorrichtungen zur Verffigung, als dieses bei meinen Versuchen der Fall war.

Ich m6chte daher den Vorschlag machen, den Apparat yon Wei ler und den meinigen in der Weise zu kombinieren, dab der Patient in Seitenlage gebracht wird, dab der betreffende Unterschenkel auf der von mir beschriebenen Sehiene befestigt wird und dab dann die Aus- 15sung des Reflexes sowie die weitere Ubertragung der Bewegung und das Aufschreiben, desgleichen die Bestimmung der Reflexzeit in der Art geschieht, wie Wei ler dies in seiner Arbeit angegeben hat. Weiter- hin miiBte man sich noch fiber die Bestimmung der Geschwindigkeiten einigen, bei denen die Bewegungen aufgeschrieben werden sollen. Bei meinen Versuchen habe ich Geschwindigkeiten yon etwa 0,75 und 4,5 cm benutzen mfissen, weft mir kein Kymographion zur Verfiigung stand, mit welchem man die Geschwindigkeit beliebig regulieren kann. Ich

yon Bewegungsvorgangen~ insbesondere des Patellarreflexes. 513

wiirde vorschlagen, in Zukunft Geschwindigkeiten yon 1 resp. 5 cm zu w~hlen, da dadurch die Berechnung der Reflexzeit, der Dauer der Reflexbewegung selbst usw. wesentlich erleichtert werden diirfte.

DaB es notwendig ist, auch bei gr6Beren Geschwindigkeiten auf- zusehreiben, geht aus folgendem hervor:

S o m m e r hat in seiner Arbei~ angenommen, dab in der spitzwinkeli- gen Form der Gipfel der Kurven, welche im schroffen Gegensatze stehe, zu den an der Leiche erhaltenen Formen, etwas Charakteristisches fiir den Patellarreflex bei spastischen L~hmungen liege. Diese Annahme ist aber meines Erachtens nicht zutreffend. Die spitzwinkelige Form der Reflexe, wie sie So m m e r auf Seite 41 und 42 wiedergegeben hat, ist nur eine scheinbare. Sie kommt nur dann zustande, wenn man den Reflex bei geringer Geschwindigkeit aufschreibt (vgl. Fig. 6 meiner Arbeit). Benutzt man dagegen eine gr6Bere Geschwindigkeit, so er- gibt sieh, dab auch hier ein allm~hlicher, wenn auch sehnellerer Uber- gang stattfindet (vgl. Fig. 7 u. 8). Ich halte es also fiir dringend not- wendig, zur Vermeidung solcher Irrtfimer, auch gr6Bere Gesehwindig- keiten zu benutzen. Das ist vor allem aueh dann n6tig, wenn es darauf ankommt, ausgiebige Bewegungen mit allen Einzelheiten aufzuschreiben.

Kommt es lediglieh darauf an, die Gr613e des Aussehlages zu bestim- men, so geniigen freilich schon Geschwindigkeiten, wie sie W e i l e r bei seinen auf Seite 142 der oben zitierten Arbeit wiedergegebenen Kurven benutzt hat.

Handelt es sich darum, sehr feine Bewegungen, wie feinsehl~giges Zittern aufzuschreiben, so diirften ebenfalls gr6Bere Geschwindigkeiten zu empfehlen sein. Aul~erdem ist dann die Ubertragung so zu w~hlen, dab die Bewegungen vergr6Bert werden.

Auch die zeitlichen Verh~ltnisse, die in der Abszisse zum Ausdruck kommen, werden sich dann am genauesten feststellen lassen, wenn man bei groBer Geschwindigkeit aufschreibt, zugleich aber die Ubertragung so ausgiebig gestaltet, dab die Kurven m6glichst stefl ausfallen. Je l~nger die einzelne Kurvenwelle ist und je stefler sie ansteigt resp. abf~llt, um so genauer l~Bt sich die Zeit bestimmen, die zu ihrem Ablauf erforderlieh ist. ~ ,

Ieh m6ehte nun dazu iibergehen, einige

praktisehe Ergebnisse

meiner Untersuchungen anzufiihren. Fig. 3a zeigt uns die Kurve von

fiinf Ausschl~gen eines Patellar- reflexes, der als normal bezeichnet werden muBte. Hier kehrt der Unter- schenkel bei den meisten Ausschl~gen _ _

(~ J Fig. 3a.

J. Pfahl: U'ber die graphische Darstellung 514

nicht mehr zur Ausgangsstellung zuriick. Die Form der Kurve ist also insofern erheblich vonder verschieden, die Weiler auf Seite 141 seiner Arbeit als die normale bezeichnet, offenbar deshalb, well hier die Kr/~fte, die sonst die nachfolgenden Pendelbewegungen wirken, zum Wegfall kommen, weft die Untersuchung in Seitenlage vorgenommen wurde.

Bei etwas lebhafteren, aber immer noch im Bereiche der Norm liegenden Patellarreflexen habe ich 6fters Kurven erhalten, wie sie in Fig. 4--5 wiedergegeben sind. Auch diese ist von der von Wei ler als normM bezeichneten Kurve noch immer deutlich versehieden.

In Fig. 4--8 sehen wit Kurven der Patellarreflexe eines Patienten, dessen Krankengeschichte ich zunKchst hier kurz wiedergebe:

Der Arbeiter J. W. erlitt ~ ~ vor ca. 20 Jahren bei einer

Schl~gerei einen Stich in den _ _ ~ Riicken in der HShe des

zw61ften Brustwirbels. Er Fig. 4. fiel sofort hin. Das rechte

Bein war v611ig gel~ihmt, das linke nach seinen Angaben nur schwer- f~llig und gefiihllos. Es bestand zwei bis drei Tage lang Stuhl- verstopfung. Keine Blasenst6rungen. Patient wurde monatelang klinisch behandelt und nahm dann seine friihere T~tigkeit wieder auf. Der jetzige Befund ist folgender:

Das rechte Bein ist schwach, steif, ermiidet schnell und zittert leieht, Seine Muskulatur ist leicht abgemagert. Beim Gehen wird das rechte

Fig..).

Bein in spastisch paretischer Weise bewegt. Bei passiven Bewegungen ausgesprochene spastische Widerst~nde. Rechts Babinski und Ful3- klonus in klassischer Weise, ebenso Patellarklonus. Patellar- und Achillessehnenreflex rechts mehrschl~gig, zweifellos erheblich gesteigert. Aktive Beweglichkeit und grobe Kraft rechts verh~ltnism~f~ig gut.

Die Muskulatur des linken Beines ist sehr kr~ftig entwickelt. Grobe Kraft, aktive und passive Beweglichkeit v611ig normal. Keine Spasmen bei schnellen passiven Bewegungen. Babinski, Fui3klonus und Patellar- klonus angedeutet, nicht konstant. Patellar- und Aehfllessehnenreflex lebhaft, aber doch nicht so, dal3 man sie bestimmt als krankhaft ge- steigert bezeichnen k6nnte. Hautreflexe von wechselnder St~rke, ohne charakteristische resp. konstante Unterschiede zwischen rechts und links.

yon Bewegun~'svorgiingen, insbesondere des Patellarreflexes. 515

Leichte Hypiisthesie an beiden Beinen, links starker, als rechts. Grenze der ttypgsthesie vorne die beiden Leisten, hinten etwas unter- halb des Darmbeinkammes. Keine Blasen- und Darmst6rungen.

Diagnose: Verletzung des Riickenmarks dicht oberha]b der Lenden- anschwellung, haupts~chlich in seiner rechten H~lfte.

Fig. 1;.

In Fig. 4 haben wir den Patellarreflex der linken SeRe bei geringer, in Fig. 5 denselben Reflex bei grol3er Geschwindigkeit. Die Form dieser Kurven weicht v o n d e r oben angefiihrten insofern ab, als hier die sekundgre Beugebewegung wesentlich ausgiebiger ist. Von einer krank-

Fig. 7.

haften Abweictmng von der Norm m6ehte ieh jedoch bier noch nicht spreehen.

Fig. 6 gibt die Kurve des erheblieh gesteigerten rechten Patellar- reflexes wieder. Der ganze Vorgang vollzieht sich hier wesentlich

Fig. 8.

sehneller, Ms auf der anderen Seite. Bei der sekundgren Beugung wird das Bein welt tiber den Ausgangspunkt naeh riiekwgrts gebeugt und ist yon einer noehmaligen Streekung und Beugung gefolgt. In Fig. 7 und 8 sehen wit denselben Vorgang bei grol~er Gesehwindigkeit auf- gesehrieben.

516 J. Pfahl: lJber die graphische Darstellung

Fig. 9 bezeichnet einen gesteigerten Patellarreflex mit nachfolgenden kloniseh-tonisehen Bewegungen.

Figur 10a gibt die mit meinem Apparat auf die oben besehriebene Weise erzielte Kurve eines normalen Beugereflexes des Vorderarmes wieder, Fig. 10b die Kurve eines normalen Streekreflexes, und zwar bei groBer Geschwindigkeit des Apparates. Der ganze Vorgang spielt

sich hier erheblich schneller, Ms beim normalen Patellarreflex (etwa in der Hglfte der Zeit) ab. Sonst verlguft die Bewegung in ghnlieher Weise, wie beim normalen Patellarreflex. Die Zacke im Anfange der Kurve

Fig. lOa.

Fig. 10b.

in Fig. 10a ist offenbar Folge der mechanischen Erschiitterung des Vorderarmes beim Klopfen. Die Kurve des Tricepsreflexes (Fig. 10b) ist ausnahmsweise in umgekehrter Richtung aufgesehrieben.

Fig. II a.

LEA Fig. 11 b.

In den Fig. 11--13 haben ~5r eine Reihe yon Kurven des Achilles- sehnenreflexes unter normalen und pathologischen Verhgltnissen vor uns. Fig. 11 zeigt uns das Bild eines normalen Aehillessehnenreflexesl). Wir sehen daraus, dab aueh dieser Reflex viel sehneller ablguft, als der Patellarreflex, sicher zum groBen Tell deshalb, weft hier die Hebel- und Gewichtsverhiiltnisse, ebenso wie die Zugrichtung viel giinstiger liegen, als beim Patellarreflex. Auffallend ist bei diesen Kurven vor allem der absteigende Schenkel. Hier wird die Bewegung durch eine aus-

1) Bei groBer und geringer Geschwindigkeit.

von Bewegungsvorgangen, insbesondere des Patellarreflexes. 517

gesprochene Hemmung unterbroehen resp. voriibergehend verlangsamt. Eine bestimmte Erkl~rung hierfiir wei~ ich einstweflen nicht zu geben.

Die Kurven a, b, c, d der Fig. 12 stammen von einem Patienten, der an Syringomyelie litt. Die Krankengeschiehte will ieh hier nieht n~her wiedergeben. Ich m6ehte nur bemerken, dal~ der Achillessehnen- reflex beiderseits lebhaft und mehrsehl~gig war und dal~ beiderseits

Fig. 12.

FuBklonus bestand. In den Kurven a undc haben wir den Achilles- sehnenreflex der rechten Seite vor uns. Der Vorgang der ersten Hin- und Herbewegung verlhuft hier auBergew6hnlieh sehnell und ist immer noch von einer oder mehreren Nachbewegungen gefolgt. Die Zaeke am Anfang jeder einzelnen Bewegung ist offenbar auch hier dutch die meehanisehe Erschiitterung beim Auftreffen des Hammers bedingt.

7 2 3 ~- 4 ~

4

Fig. 13.

Die Kurven b und d geben die Reflexbewegung des linken Fuges wieder. Aueh diese Bewegung verl~uft sehr raseh, jedoeh weniger ausgiebig und ist~ nur noeh yon einer sehwaehen Naehbewegung gefolgt. Beide Abweiehungen yon der ersten Kurve sind offenbar dadareh bedingt, dab die passive Bewegliehkeit des linken FuBes infolge eines Nn6ehel- bruehes behindert ist. Wit sehen also aueh hier wieder, dal3 wit den meehanisehen Verh~ltnissen bei der Deutung der Reflexvorg~nge immer Rechnung tmgen miissen.

Die Kurven a, b, c der Fig. 13 dfirften ebenfalls Interesse bean-

518 J. Pfahl: (~'ber die graphische Darstellung

spruehen. Der betreffende Patient litt an spastischer Spinalparalyse. Nach dem Augenscheine mul~te man die Sehnenreflexe an den Beinen als gesteigert bezeiehnen, insbesondere auch die Aehillessehnenreflexe. In der Kurve kommt diese Steigerung bei den vier ersten Ausschl~gen, die durch Hammerschls yon versehiedener Sts ~) ausgelSst wurden, nicht deutlieh zur Geltung. Bei dem fiinften Ausschlag folgt, ohne dab die Schlagsts gesteigert worden wis noeh eine deutliehe Naeh- bewegung, die beim sechsten Ausschlag schon mehrschl/igig wird, um dann beim folgenden in langdauernden Klonus iiberzugehen. Die Steigerung des Reflexes kommt also hier vor allen Dingen darin zum Ausdruck, dab es naeh mehrmaligem Klopfen zu einer klonischen Bewegung kommt. Danach diirfte es angezeigt sein, im Zweifelsfalle immer eine Reihe yon Schl~igen in regelms Folge auszuiiben. Die Kurve c gibt denselben Vorgang bei groBer Geschwindigkeit w ide r .

Ich habe oben angeffihrt, dab man mit dem Apparat auch aktive Beuge- und Streekbewegungen des Untersehenkels und Unterarmes in raschem oder langsamem Tempo aufsehreiben und dab man ihn ev. aueh zur Untersuehung der Ausdauer oder Ermiidbarkeit verwenden kann; mOglieherweise lassen sich damit aueh Priifungen auf Ataxie, Simulation usw. anstellen. Versuehe der letzteren Art habe ieh zwar noch nicht ausgefiihrt. Dagegen habe ich verschiedentlich aktive Be- wegungen damit aufgesehrieben.

Die folgenden Kurven stammen atle yon einem Patienten, der an einer Schws des rechten Armes litt. Dieselbe war die Folge einer traumatischen L~sion des Plexus brachialis. Als er in unsere Behand- lung kam, war ein Tell der Muskeln des reehten Armes noeh vSllig geli~hmt. Nach einiger Zeit war auch in verschiedenen Muskeln par- tielle Entartungsreaktion zu bemerken. Der Zustand besserte sieh abet verhs sehnell. Die Kurven sind in einer Zeit angefertigt, als Patient die Beugung und Streckung des rechten Armes wieder in normalem Umfange ausfiihren konnte. Jedoch erfolgten die Bewegungen noch mit geringer Kraft. Nun wurde der rechte Arm auf dem Apparat in der Weise befestigt, wie dies sonst bei der Priifung der Armreflexe gesehieht. Patient wurde dann aufgefordert, m S g l i e h s t r a s c h Streek- und Beugebewegungen des rechten Armes auszufiihren. Ein Vergleich der auf diese Weise gewonnen Kurve b in Fig. 14 mit der dariiber- stehenden a ergibt, dab die Bewegungen des kranken Armes zwar etwas ausgiebiger, aber entschieden langsamer (aueh relativ) verlaufen als die des gesunden. Weiterhin wurde Patient ersucht, Streck- und Beuge- bewegungen des Armes l a n g s a m und m 5 g l i e h s t g l e i chms aus- zufiihren. In Fig. 15 haben wir in der obersten Kurve die Streck- und

1) Die Zahlen 1, 2, 3 und 4 geben die FallhShe in Zentimeter an, aus der ein Hammer im Gewicht yon 40 gauf die .Achillessehne fiel.

yon Bewegungsvorg~tngen, insbesondere des Patellarrettexes. 519

Beugebewegung des linken Armes vor uns. Diese Bewegungen ver- laufen verh~iltnisms gleichmttltig. Die mittlere Kurve gibt uns die

Fig. 14 a.

Fig'. 14b.

Bewegungen des paretisehen reehten Armes wieder, die eine ganze Reihe yon stufenf6rmigen Unterbreehungen resp. Verlangsamungen zeigen. M6glicherweise haben wir darin etwas Charak- teristisches fiir eine Schw/~che bei peripheren Affektionen. Die un- terste Kurve stammt ebenfalls yon dem kran- / ken Arm, ist aber in einer Zeit angefertigt worden, wo der Zustand / sich schon bedeutend gebessert hatte. Hier vollziehen sich die Be- wegungen dementspre- chend auch erheblich gleichal/il~iger.

Die Fig. 16 ist eine Ermfdhngskurve von / demselben Patienten, Fig. 15.

und zwar yon den Beugern des rechten Unterarmes (beide Linien sind yon links nach rechts zu lesen. Die untere bildet die direkte Fort- setzung der oberen). Die Befestigung des Armes erfolgte dabei in der

z. f. d. g. ~eu r . u. Psych. O . I . 35

520 J. PfahI: L:ber die graphische Darste]luag

gleichen Weise wie oben. Dann wurde an den Unterarm, 25 cm vom Ellbogengelenk entfernt, eine Schnur befestigt, diese fiber eine Rolle geffihrt und mit einem Gewicht von 5 kg belastet. Die Zugrichtung betrug im Anfange des Versuches 90 ~ Zun~chst war Patient imstande, den Arm eine Zeitlang ziemlich ruhig zu halten (siehe die obere Linie). Dann gab die Beugemuskulatur etwas nach, um nach einer Pause yon einigen Sekunden ganz zu erschlaffen. Der letztere Vorgang vollzog sich ziemlich schnell, aber nicht gleichm~i$ig, sondern wie die Figur zeigt, in Abs~tzen. Es dfirfte interessant sein, durch weitere Versuche

Lj Fig. 16.

Fig. 17.

mittels der graphischen Me- thode Bewegungsvorg~nge in einer Weise zu studieren, wie wir dies ohne dieselbe zweifel- los nicht k0nnen. Der betref- fende Patient li t t an einer spastischen Parese des rechten Armes und Beines infolge eines

apoplektischen Insultes. Auch hier wurden mSglichst schnelle Be- wegungen des gesunden linken und des kranken rechten Armes ausgefiihrt. Bei dem gesunden Arme vollzieht sich die Streckung und

festzustellen, inwieweit dieses Verhalten konstant ist, ob und inwiefern es vom Verhulten beim Normalen abweicht, ob sich gegebenenfalls in solchen Kurven charakteristische Zeichen ffir Simulation finden usw. Auf die gleiche Weise kSnnen wir mit dem Apparat selbstverst~ndlich auch das Verhalten der Strecker des Unterarmes, sowie der Beuger und Strecker des Unterschenkels bei Daueranspannungen studieren. Ebenso sind wir in der Lage, damit Ermfidungsversuche in der Weise anzu- stellen, wie Mosso dies getan hat, indem wir in bestimmtem Rhythmus mittels eines der genannten Muskeln ein bestimmtes Gewicht heben lassen. Es diirfte sehr interessant sein, hier weitere Versuche anzustellen.

Zum Schlusse mSchte ich noch eine Kurve wiedergeben, die mir besonders geel I net zu sein scheint, zu zeigen, dal~ wir imstande sind,

von Bewegungsvorgiingen, insbesondere des Patellarreflexes. 521

Beugung, wie Fig. 17 ergibt, im ganzen ziemlich gleicbmi~Big. Auf dem Gipfel der Kurve sehen wir eine Zacke, die offenbar Elastizithts- wirkung ist. Bei dem kranken Arme erfolgt die erste Bewegung (Streckung), wie die folgende Kurve (Fig. 18) zeigt, zun~chst ebenfalls schnell, so schnell wie die des gesunden Armes. Sie wird dann aber etwa in der Mitte durch eine mehr oder weniger starke, naeh meiner Ansicht reflektorisch ausgel6ste Beugebewegung, zuweilen auch durch leichte klonisehe Bewegungen unterbrochen und verl~uft dann weiter- hin, wie der zweite, erheblich weniger steile Tefl des aufsteigenden Schenkels der Kurve zeigt, viel langsamer als im Anfange. Bei der Beugung ist die Geschwindigkeit von Anfang an langsamer als bei der Streckung. Die Beugung erfolgt im ganzen verh~iltnism~Big gleieh- m~Big und zeigt gar keine oder nur eine leichte Hemmung etwas unter- halb der Mitte (siehe den absteigenden Schenkel der einzelnen Kurven). Die RiickstoBzacke auf der H6he der Kurve fehlt hier, jedenfalls des- halb, weft die Streckung im zweiten Tefl viel langsamer erfolgt als bei einem normalen Arm. Auf d e n / ~ ~ / ~ ~ ~ ~ ganzen Vorgang der Beugung und Streekung wird fast die doppelte Zeit verwandt.

Fig. 18. Ich glaube be-

stimmt annehmen zu k6nnen, dab diese Form der Kurve, nament- lich ihr aufsteigender Sehenkel, etwas Charakteristisches fiir spastische Paresen hat.

Ich bin im fibrigen noeh nicht in der Lage (abgesehen yon den oben angefiihrten), schon jetzt bestimmte Kriterien fiir das Verhalten der Reflexe und sonstiger Bewegungen bei Gesunden und bei verschiedenen Krankheitsformen aufzustellen.

Es war mir auch zunEchst datum zu tun, zu zeigen, dab wir, wenn wir graphische Untersuchungen fiber das Verhalten des Patellarreflexes anstellen woUen, dies, zur Aussehaltung yon Pendelbewegungen, in der Seitenlage tun mfissen. Weiterhin wollte ich vor allem zeigen, dab wir mit dem Apparat, den ich zu diesem Zwecke angegeben habe, aueh ver- schiedene andere Reflexe und eine Reihe yon sonstigen Bewegungsvor- g~ngen unter gesunden und kranken VerhEltnissen untersuchen k6nnen, und zwar erheblieh genauer untersuchen k61men, als dies mit bloBem Auge m6glich ist, Jede solehe M6gliehkeit miissen wir aber benutzen, zumal unsere Kenntnisse der Bewegungsvorg~nge unter normalen und pathologischen Verhgltnissen noeh reeht lfiekenhaft sind. Zwar haben die hervorragendsten Physiologen sieh eingehend, namentlieh im Tier-

35*

522 J. Pfahl: [Ti)er die graphische I)arstellung you Bewe~'ungsvor~'iinge~ usw.

versuch, mit dem Studium dieser VorgKnge, auch unter Zuhilfenahme der graphischen Methoden, besch~ftigt. Dagegen besteht noch immer ein Mangel an solchen Apparaten, die auch ffir klinische Versuche brauchbar sind. Dieser Ubelstand macht sich aber, wie auch S o m m e r wiederholt betont hat, namentlich demjenigen sehr unangenehm be- merkbar, der h~ufig sein schwerwiegendes Urteil fiber solche Unfall- patienten usw. abzugeben hat, bei denen wit bisher oft genug objektive Krankheitszeichen nicht nachweisen konnten. Es ist zu hoffen, dab sich mit Hilfe dcr graphischen Methoden hier im Laufe der Zeit noch wertvolle Gesichtspunkte gewinnen lassen.

Es ist das groBe, meines Erachtens bisher viel zu wenig gewfirdigte Verdienst yon S o m m er, durch eigene Arbeiten und solche seiner Schiller immer wieder nachdriieklich darauf hingewiesen zu haben, dab es durch- aus notwendig ist, uns dieser Methoden welt mehr zu bedienen, als dies jetzt im allgemeinen geschieht. Sein Apparat leidet allerdings, wie ich oben bewiesen zu haben glaube, noch an versehiedenen M~ngeln. Auch scheint mir S o m m e r ffir den jetzigen Standpunkt unscrer diesbeziig- lichen Kenntnisse mit seinen SchluBfolgerungen viel zu welt gegangen zu sein. Gleichwohl haben die Hypothesen, die er aufstellt, immer den Wert, ~uBerst anrcgend zu sein, und ich kann jedem, der sich mit der Frage besch~ftigen will, nur raten, die Arbeitcn von S o m m e r und seinen Mitarbeitern, ebenso wie die von We i l e r , zu studieren.

Zum Schlusse m6chte ich nochmals betonen, dab es durchaus not- wendig ist, bei der Konstrukt ion von Apparaten zur Untersuchung yon Bewegungsvorg~ngen, ebenso wie bei der Anstellung von unsercn Ver- suchen und bei der Deutung unserer Kurvcn, nicht nur den physio- logischen und pathologischen, sondern auch allen mechaniuchcn Ver- h~ltnissen aufs genaueste Rechnung zu tragen, und daB es weiterhin wiinschenswert ist, dab m6glichst nach gleichen Methoden untersucht wird.

Es ist nach meiner Ansicht mit Best immtheit zu erwarten, dab durch weitere Anwendung der graphischen Methoden unsere Kenntnisse der Bewegungsvorg~nge noch manche wertvolle Bereicherung erfahren werden. Bis wir das erreicht haben, was wir nach meinem Daffirhalten auf diese Weise errcichen k6nnen, bedarf es allerdings noch vieler Arbeit.

Als Aufmunterung dazu m6ehte ich die Worte anfiihren, mit denen v. S t r f i m p e t l einc Arbeit fiber Reflexe schlicBt: ,,Ihr (der Reflexe) Studium ist nicht nur von gr6Bter praktischer Bedeutung geworden, es i s t auch mit einem eigenartigen Reiz verbunden, welcher jeden, der sich mit dieser Erscheimmg einmal besch~ftigt hat, immer wieder yon neuem fesselt und zu weiterem Nachdenken anregt." Was v. S t r f i m p e l l hier von den Sehncnreflexen sagt, dasl gilt meines Erachtens ebcnso von den fibrigen Bewegungsvorg~ngen.