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I. Sawai u. M. Nishida. Langeninderung von GlasfLden usw. 133 Uber die Langenanderung von Glasfidden bei hoher Temperatur Von IKUTARO SAWAI und MORIO NISHIDA Mit 9 Figuren im Text Einleitung. In einer fruheren Mitteilungl) haben die Verfasser die Schrumpfung des Glasfadens untersucht und einige Methoden zur Ermittlung der Oberfliichenspannung aufgestellt. In diesem Falle beschriinkte sich der Temperaturbereich bis auf die ZLhigkeit von 3, = lo6, denn bei hoherer Ziihigkeit versagte die Methode. Um die Messungen in niedrigerem Temperaturbereich durchfuhren zu konnen, wurden einige Versuche angestellt, deren Resultate im folgenden kurz mitgeteilt seien. 1. Experimenteller Teil A. Versuchsmaterial, Anordnung und Methode Als Versuchsmaterial wurde das Sodakalkglas von der Zusammen- setzung 74,04 SiO,, 9,48 CaO, 14,86 Na,O und 2,440/, (A1,0, + Fe,O,) benutzt. Aus Glasstiiben von etwa 1 mm Durchmesser wurden GIas- faden, deren Durchmesser als 0,07,0,17 und 0,27 mm gemessen wurden, ausgezogen. Diese Fiiden wurden wie ublich unter Vermeidung der Luftfeuchtigkeit aufbewahrt. Der Durchmesser wurde an vier Punkten gemessen, und der Glasfaden an den beiden Enden zur Perle gegluht. Die LHnge zwischen beiden Perlen wurde mit einem Komparator genau gemessen. Sie betrug 4045 mm. Der Apparat war fast der- selbe wie bei der fruheren Untersuchung, wurde aber der genaueren Messung wegen in einigen Punkten verbessert. Fig. 1 stellt den Haupt- teil des Apparats schematisch dar. Das eine Ende des Wohres aus Pyrexglas von 75 em Liinge und 3.0 mm Weite wurde mit einem genau darauf passenden Deckel versehen. An diesem wurde ein Porzellanrohr P mit Schrauben befestigt, an dessen unterem Ende ein Haken H mit eingehaktem Faden angebracht wurde. Die Stutze des Gewichts w1 war eine Nickelscheibe S, die durch eine am unteren l) I. SAWAI u. Y. UEDA, Z. anorg. u. allg. Chem. 1SO (1929), 287.

Über die Längenänderung von Glasfäden bei hoher Temperatur

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I. Sawai u. M. Nishida. Langeninderung von GlasfLden usw. 133

Uber die Langenanderung von Glasfidden bei hoher Temperatur Von IKUTARO SAWAI und MORIO NISHIDA

Mit 9 Figuren im Text

Einle i tung . In einer fruheren Mitteilungl) haben die Verfasser die Schrumpfung des Glasfadens untersucht und einige Methoden zur Ermittlung der Oberfliichenspannung aufgestellt. In diesem Falle beschriinkte sich der Temperaturbereich bis auf die ZLhigkeit von 3, = lo6, denn bei hoherer Ziihigkeit versagte die Methode. Um die Messungen in niedrigerem Temperaturbereich durchfuhren zu konnen, wurden einige Versuche angestellt, deren Resultate im folgenden kurz mitgeteilt seien.

1. Experimenteller Teil A. Versuchsmaterial, Anordnung und Methode

Als Versuchsmaterial wurde das Sodakalkglas von der Zusammen- setzung 74,04 SiO,, 9,48 CaO, 14,86 Na,O und 2,440/, (A1,0, + Fe,O,) benutzt. Aus Glasstiiben von etwa 1 mm Durchmesser wurden GIas- faden, deren Durchmesser als 0,07,0,17 und 0,27 mm gemessen wurden, ausgezogen. Diese Fiiden wurden wie ublich unter Vermeidung der Luftfeuchtigkeit aufbewahrt. Der Durchmesser wurde an vier Punkten gemessen, und der Glasfaden an den beiden Enden zur Perle gegluht. Die LHnge zwischen beiden Perlen wurde mit einem Komparator genau gemessen. Sie betrug 4 0 4 5 mm. Der Apparat war fast der- selbe wie bei der fruheren Untersuchung, wurde aber der genaueren Messung wegen in einigen Punkten verbessert. Fig. 1 stellt den Haupt- teil des Apparats schematisch dar. Das eine Ende des Wohres aus Pyrexglas von 75 em Liinge und 3.0 mm Weite wurde mit einem genau darauf passenden Deckel versehen. An diesem wurde ein Porzellanrohr P mit Schrauben befestigt, an dessen unterem Ende ein Haken H mit eingehaktem Faden angebracht wurde. Die Stutze des Gewichts w1 war eine Nickelscheibe S , die durch eine am unteren

l) I. SAWAI u. Y. UEDA, Z. anorg. u. allg. Chem. 1SO (1929), 287.

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134 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 193. 1930.

Ende des Pyrexglasrohres befindliche Vorrichtung V mittels der zwei Riider r und R in beliebiger Lage aufgestellt werden konnte. Der

mittlere im Ofen befindliche Teil des obengenannten Glasrohrs wurde, abgesehen von zwei schmalen Strei- fen, zuerst mit dem Blattgold und dann rnit der Silber- platte umwickelt, um fur eine gleichma8ige Tempe- raturverteilung das Rohr entlang Gewiihr zu leisten. Die Erhitzung geschah in einem elektrischen Muffel- ofen rnit zwei Fenstern. Mit einer Linse wurde ein reelles Bild des mit monochromatischem Licht beleuchteten Fadens in dam Mikroskop erhalten. Die Bewegung des Bildes wurde dureh ein Okularmikro- meter gemessen, wobei einem Skalenteil 0,010 mm entsprach. Die Temperatur wurde mittels des ge- eichten Pt und Pt-Rh-Thermoelements t an einem

H

WZ w7

s

Y dem Mittelpunkt des Fadens moglichst nahen Punkte gemessen. Beim Versuche wurde der Faden rnit einer Perle in den Haken H eingehakt. An der anderen Perle wurde der abgewogene Haken w 2 ubergehakt. Bei der Messung wurde das Gewicht wl, das bis zum

Beginn desversuchs rnit S gestutzt worden war, in den Haken w2 eingehakt. Wahrend des Versuchs wurde der Bewegungsabstand

des Bildes alle 3 Minuten, even- tuell alle 30 Sekunden notiert .

~i~~ 1

B. Resultat

1. Schrumpfungspunkt . Ein Beispiel der Schrumpfungskurven ist in Fig. 2 wiedergegeben. Der Schrumpfungspunkt trat bei einer hoheren Temperatur auf als bei den fruheren Unt ersuc hungen. 1) Daraus geht hervor, da13 das Glas in diesem Falle hiirter ist als das

4G' '@ "' '@ Gnprwtur in "C friiher benutzte.2)

Fig. 2 Durch 1 stundige Erhitzung bei 600° konnte der Faden nioht entspannt werden, daher haben wir ihn bei 6000 1 Stunde lang erhitzt. Nachdem der Faden entspannt

1) I. SAWAI u. Y. UEDA, 1. c. z, I. SAWAI n. Y. UEDA, 1. e.

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I. Sawai u. M. Nishida. Lingenanderung von Glasfaden usw. 135

war, wurde die Temperatur des Ofens zur Versuchstemperatur ge- steigert, und nach 15 Minuten mit den Versuchen begonnen.

2. Schrumpfungs- und Verlangerungsgeschwindigkeiten. Die Schrumpfungs- und Verlangerungskurven bei konstanter Tempe- ratur sind in Fig. 3 und 4 mit typischen Beispielen graphisch dar- gestellt. Die Gestalt der Kurven zeigt klar, daIj die Geschwindigkeit am Anfang gering ist und mit der Zeit zunimmt. Diese Tatsache kann man durch folgende Umrechnung der Resultate erklaren: In

leifin flinuten

Fig. 3 Fig. 4

Fig. 5 ist die Beziehung zwischen log - und der Zeit dargestellt.

Hier bezeichnen 2, die Lange des Fadens am Anfang des Versuchs und 1 dieselbe nach Ablauf der betreffenden Zeit t. Man kann aehen, daB fast alle Punkte auf einer ge-

1 10

raden Linie liegen. Aus der Be-

ziehung = - , wobei vs die Ge-

schwindigkeit eines bestimmten Punktes des Fadens, p die auf eine Flacheneinheit des Querschnitts an- greifende Kraft und 1 der sogenannte ,,coefficient of viscous traction" ist, haben wir die Beziehung

a u P a x h

Fig. 5

1 1 K = - log - t 10

abgeleitet, da K der Versuchsbedingung nach konstant ist.1) Aus den Kurven kann man ersehen, daB die obige Beziehung erst nach be- stimmter Zeit erfullt ist. Daher vermuten die Verfasser, daB die Werte von I< am Anfang gering sind, und mit der Zeit sich einem konstanten Wert nahern. Wenn dieser erreicht ist, bewegt sich jeder beliebig

1) I. SAWAI u. Y. UEDA, 1. c.

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136 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 193. 1930

1,8 4,9 5,9 6 9

10,3 28,5 46,6

bestimmte Punkt des Fadens mit konstanter Geschwindigkeit. So haben wir die richtige Zeit t in obiger Gleichung aus den Kurven (Fig. 5) graphisch aufgesucht. Die vom Anfangspunkt abgezogene Beit betrug beim Versuch bei niedriger Temperatur etwa 15 Minuten.

3. Die Beziehung zwischen K und der a n dem F a d e n hangenden Last . Die Liingeniinderung des Fadens wurde bei ver- schiedener Temperatur 2 Stunden lang gemessen. Wenn die Langen- Gnderung 50 Skalenteile (0,5 mm) uberschritt, wurden die Versuche unterbrochen, um zwischen den Werten von I, (d. i. der mittlere Radius) keine groBeren Abweichungen einzufuhren. Die Werte von K bei verschiedenen Bedingungen sowie die Werte von m + --, wo m die an dem Faden hiingende Last und M , das Gewicht des Fadens bedeuten, werden in Tabelle 1 eusammengefafit.

Mil 2

- 1,61- - i,33.10-5 - 3,33 - 10-6

4,97.10-5 i,26 10-4 4,t-i~. 10-4 1,12.10-3

Tabelle 1

Temperatur in OC (d = 0,07 mm)

3,2 6,8 9,9

12,6 25,3 70,7

116,7

3,4 6,7 8 3

10,9 25,O 70,8

116,6

- 7,48 *

- 1,12 - 10-5 2,43 - 10-5 3 , ~ - 10-5 1,20.10-4 4,94.10-4 9,62. 10-4

675

- 2 , a . 10-4 - i,o6.10-4

i,5i - 10-4 7,gs - 10-4 2,02.10-3 5,62. 10-3

6,41-

650 I 625

- 2,72.10-5 - i,33 - 10-5

i ,8i - 10-5 5,30.10-5 i,43. 10-4

- 6,67. 7,76.

- i,24 - 10-5

8,33.10-7 6,67 *

1 , s~ . 10-5 6 , s - 10-5 1 , ~ . 10-4

- 1,67.

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I. Sawai u. M. Nishida. Langentinderung von Glasfaden usw. 137

10;s

46,6 28,4

70,O

Tabelle 1 (Fortsetzung) Temperatur in 0 C (d = 0,27 mm)

i;32 + 10-5

2,90.10-5 2,58.

5,86 lop5

600 I 575 I 550

m+-in MO 2

(d = 0,07 mm) 600 I 575 I 550

393 6 3 7,9

16,7 19,6 22,5 25,4 70,7

116,6 171,9

0 0 0

1,67 * 3,311 5,50 * 1 , l l - 10-6

994 18,4 20,4 22,4 24,4 26,4 34,8

6.0 7;3 I 0 7.7 I 1.67-

I - -

0 0 0 0 0

3,47 * 10-6 1 , ~ . 10-5 2,66 - 10-5 3,45.10-5 6,65 a 10-5

(d = 0,17 mm)

198 10,3 21,9 36,O 60.5 63;O 0 65.0 I 1.67.10-6 67;O 2;50 - lo-' 70,O I 7,93 ' 10-8

140,O 1,og. 10-5

(d = 0,27 mm)

84,3 147,8 149,8 151,8 154,s 180,6 209,3 -

0 0 0 0

2,50 * 6,85 - lo-' i,33.10-5 -

139,9 154,9 158,6 164,O 169,8 199,7 201,9 204,3 - -

120,o 240,O 270,O 389,6 392,6 600,O 811,O - - -

0 0

1,67 * lop6 2,50 * 3,47 - 10-6 6,09. lop6 i,62 - 10-5

0 0 0

1 , l O . 10-6 3,46 *

4,99.10-6 6,36. 7,95.10-6 - -

~ _ _ _ _

0 0 0 0

1,67 * loW6 6,67 * low6 9,32. - - -

Aus diesen Zahlen ist in Fig. 6 , 7 und 8 die Beziehung zwischen K

und ~ m + - mit drei typischenBeispielen graphischdargestellt.

Man bekommt aus den Figuren folgende Besiehungen : 1. Uber 625O gibt es eine kontinuierliche Kurve mit zwei Knick-

punkt en. 2. Bei 600° zeigt die Kurve ein weites Interval1 ohne Langen-

iinderung. Dieses Intervall ohne LBngenBnderung erweitert sich stark mit abnehmender Temperatur. Aus der Gestalt der Kurve kann man

7t l ( r2 2)

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138 Zeitschrift fur anorganische und dlgemeine Chemie. Band 193. 1930

schlieflen, daB A fur eine so kleine Belastung nicht konstant ist. Die A-Werte sind am Anfang klein, nehmen plotzlich zu und sinken dann wieder bis zu einem konstanten Wert. Die konstanten Werte von A sind von dem Durohmesser des Fadens fast unabhangig.

Fig. 6 Fig. 7

Bei hoher Temperatur, wo die Kurve fast geradlinig ist, kann man die Werte der Oberflachenspannung aus den Werten von K be- liebig berechnen, aber bei niedriger Temperatur muD man die Werte von K besonders durch wiederholte Messungen der Schrumpfungs-

und Verliingerungsgeschwindig- keiten bestimmen.

4. B e r e c h n u n g d e r S c h r u m p f u n g s k r a f t. Bei niedriger Temperatur kann man statt der Oberflachenspannung nur die durch die Ober- flachenspannung hervortretende Schrumpfungskraft berechnen. Weil A von der Belastung ab- hiingig ist, so haben wir die Werte der Sohrumpfungskraft

aus den zwei kleinsten Werten von K durch die Gleichung

t bez. 2,303 log % = __ [( rn ++) - n rn, a] r:,

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I. Sawai u. M. Nishida. Langenhnderung von Glasfaden usw. 139

Temperatur in oc 600 625 650 675

_ _ _

- Schrumpfungskraft in mg/mm d = 0,07 mm4) I 0,17 mm I 0,27 mm

- _ _ _ _ _ _____ __ ____ - - 8,37

9,55 10,59 8,34 9,55 10,95 9,30 9,41 1 1 , l O 9,09

1) I. SAWAI u. Y. UEDA, 1. c. 2) Nur beim Faden vom Durchmesser von 0,07mm wurden die Werte

3) F. T. TROUTON, Proc. Roy. Soc. 77 (1906), 426. 4) Graphisch interpoliert.

durch die graphische Interpolation berechnet, da die Lasten zu klein waren.

600 625

675 650

i,o - 107 1,5 lo* I,3. 108 2,9 * 10" 5,4.106 5,3. 106 5,1- 105 7,O * lo6 8,g I 105 1,2.105 ~ 3 . 1 0 5 1,5 - lor

I. Sawai u. M. Nishida. Langenhnderung von Glasfaden usw. 139

berechnet.l- 2, Fur die Berechnung von 3, haben wir die Werte von K bei hochster Belastung (2000-3000 mg/mm2) benutzt, weil vor- aussichtlich bei dieser Bedingung, nach TRAUTON3), die richtigen Werte von ii sich ergeben miissen. Die Resultate der Berechnungen sind in Tabelle 2 und 3 wiedergegeben. Es ist beachtenswert, daB die Schrump- fungskraft bei 6000 bzw. 625O etwas kleinere W-erte als bei 6500 und 6750 ergab. Die Ursache dieser Erscheinung ist in dem theo- retischen Teil dieser Abhandlung ein- gehend behandelt worden. Die Werte der Schrumpfungskraft unterhalb 600 0 (je na.ch dem Durchmesser des Fadens) konnten wir nicht mit dieser Methode bestimmen, weil innerhalb dieses Temperaturbereichs der Faden bei sehr entfernter Belastung keine Langenanderung aufwies. Die Beziehung zwischen loglog A und der Temperatur ist in Fig. 9 wiedergegeben. Aus der Figur kann man sehen, daB die Punkte fast auf einer geraden Linie liegen.

Fig. 9

Tabelle 2

Tabelle 3

4. Die FlieBgrenze des Glases. Aus den Zahlen in Tabelle 1 kann man die FlieBgrenze des Glases leicht berechnen. Da man bei

1) I. SAWAI u. Y. UEDA, 1. c. 2) Nur beim Faden vom Durchmesser von 0,07mm wurden die Werte

3) F. T. TROUTON, Proc. Roy. Soo. 77 (1906), 426. 4) Graphisch interpoliert.

durch die graphische Interpolation berechnet, da die Lasten zu klein waren.

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140 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 193. 1930

Temperatur in OC

der FlieBgrenze den obersten Teil des Fadens nicht verlangern kann, mu6 die Beziehung

FlieBgrenze ( p ) in mg/mm2 -_ d = 0,07 mm 0,17 mm 0,27 mm

entstehenl), wo m das Gewicht der Last, M , das des Fadens, 7

der Radius des Fadens, u die Schrumpfungskraft sind. Weil man die Werte der Schrumpfungskraft nicht direkt messen kann, haben wir die von uns gemessenen Werte von u graphisch extrapoliert, und die Werte der FlieBgrenze bei verschiedenen Temperaturen berechnet; Die Besultate sind in Tabelle 4 wiedergegeben.

Tabelle 4

4048,5 341,8 - E I

600

6878,O 6897,O 2542,5 2600,O

146,8 287,3

1) Wenn der Wert der FlieBgrenze sehr klein ist, mag die Beziehung etwaa verwickelt sein. Fur gewohnliche Fiille aber ist diese Berechnungsweise richtig.

2) I. SAWAI u. P. UEDA, 1. c.

140 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 193. 1930

der FlieBgrenze den obersten Teil des Fadens nicht verlangern kann, mu6 die Beziehung

entstehenl), wo m das Gewicht der Last, M , das des Fadens, 7

der Radius des Fadens, u die Schrumpfungskraft sind. Weil man die Werte der Schrumpfungskraft nicht direkt messen kann, haben wir die von uns gemessenen Werte von u graphisch extrapoliert, und die Werte der FlieBgrenze bei verschiedenen Temperaturen berechnet; Die Besultate sind in Tabelle 4 wiedergegeben.

Tabelle 4

II. Theoretischer Teil In der fruheren Mitteilung2) haben die Verfasser uber die Be-

dingung der Schrumpfung, die bei ununterbrochenem Temperatur- anstieg stattfindet, eingehend gehandelt. Dabei aber wurde das Problem der bei konstanter Temperatur auftretenden Schrumpfung noch nicht erwahnt. Mit ihm wollen wir uns jetzt besch6ftigen. Wir haben bestatigt, daf3 bei verhiiltnismiifiig niedriger Temperatur der Faden innerhalb eines weiten Belastungsbereichs bestandig war, und sogar ohne Belastung nicht schrumpfte. Uberschritt aber die Be- lastung einen bestimmten Wert, so nahm die Geschwindigkeit plotz- lich zu. Diese anormale Erscheinung kann man dadurch erkliiren, daf3 der Faden in diesem Temperaturbereich fur eine kleine 8uBere Kraft durch die in ihm auftretende innere Kraft im Gleichgewicht gehalten werden konnte. Nur wenn die auI3ere Kraft eine bestimmte Grenze uberschritt, konnte man durch die Belastung eine Bewegung stattf inden lassen.

Durch die an dem Faden hangende Last m tritt auf einem be- stimmten Querschnitt des Fadens die auBere Kraft

1) Wenn der Wert der FlieBgrenze sehr klein ist, mag die Beziehung etwaa verwickelt sein. Fur gewohnliche Fiille aber ist diese Berechnungsweise richtig.

2) I. SAWAI u. P. UEDA, 1. c.

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pro Flacheneinheit auf, pi0 1 die Lange des Fadens, z der Abstand vom oberen Ende bis zum betreffenden Flachenquerschnitt, e das spezifische Gewicht des Glases und g die Erdschwerkraft sind. Die Schrumpfungskraft dagegen wirkt in der entgegengesetzten Wichtung, und zwar betragt ihr Wert 2alr pro Flacheneinheit, wobei cc die Schrumpfungskraft bedeutet.

Es sei p die auf die Flacheneinheit bezogene innere Kraft, die wegen der Belastung im Faden auftritt, so existiert die Beziehung

oder

Soweit p innerhalb der FlieBgrenze liegt, findet keine Langen- anderung statt. Uberschreitet p die FlieBgrenze, die je fur eine be- stimmte Temperatur einen bestimmten Wert hat1), so findet die Be- wegung der betreffenden FlBche mit konstanter Geschwindigkeit statt. Daraus kann man schlieBen, daB fur einen Faden von bestimmtem Durchmesser es einen bestimmten Temperaturbereich gibt, unterhalb dessen keine Schrumpfung beobachtet werden kann. Bei den Blatt- lamellen, bei denen unterhalb des Schmelzpunktes die Atome sich regelmaBig anordnen, nimmt die Schrumpfungskraft mit der Tempe- ratur stark zu. Beim Glas, das als unterkuhlte Fliissigkeit angesehen werden kann, aber nimmt die Schrumpfungskraft im allgemeinen mit der Temperatur ab. Wir vermuten, daB in diesem Zustand die Schrumpfungskraft vielleicht dieselben Werte hat wie die Oberfliichen- spannung. Nur in dem Temperaturbereich, in dem das Glas plastisch ist, nimmt die Schrumpfungskraft mit der Temperatur etwas ab. Man kann die Beispiele dieser Erscheinung der Tabelle 2 entnehmen. Dieses anormale Phanomen kann, wie bei den Blattmetallen, durch die un- gleichmiifiige Verteilung der Spannung auf dem Fadenquerschnitt be- friedigend erklart werden.

Es gibt zahlreiche Theorien2) uber den Zustand des Glases in dem Temperaturbereich, wo es aus der Fliissigkeit zum sproden Korper erstarrt. Nach dem Resultate vorliegender Versuche vermuten die Verfasser, daB zwischen der kritischen Temperatur (nach den Wesul- taten der Ausdehnungsmess~ngen~) und der Aggregationstemperatur

1) Fur den Faden von bestimmtem Durchmesser. z, W. EITEL, Physik. Chem. d. Silikate 99 (1929). 3, Vgl. Fig. 2.

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noch eine Temperatur vorhanden ist, oberhalb deren das Glas zah- flussig, und unterhalb deren es plastisch ist. Bei dieser Temperatur mu13 die Lockerung der Verkettung zwischen den das Glas bildenden Molekulen sich ganz vollenden. Wir wollen den Punkt, wo die anormale thermische Ausdehnung beginnt, als Beginn des kritischen Bereiches und den von uns bestimmten Punkt als Ende des kritischen Bereiches bezeichnen. .

Trotzdem aber die Molekule sich lockern, ist ihre GroBe doch noch so betrachtlich, daB sie in Anbetracht ihrer relativ verschieden schnellen Verschiebung hemmende Wirkungen verschiedenen Grades auszuuben vermogen. Durch diese Behauptung ist der anormale Ver- lauf der Geschwindigkeitskurven (vgl. Fig. 5, 6, 7!) befriedigend er- kliirt. Wenn die Geschwindigkeit gering ist, konnen die locker werden- den Molekule sich leicht verschieben, so daB die Geschwindigkeit mit zunehmender Belastung stark zunimmt. Bei noch weiter vermehrter Belastung nimmt die Geschwindigkeit noch etwas zu, aber nicht so stark wie vorher, so daB es einen Knickpunkt gibt. In diesem Zustand uben die Molekule eine die Bewegung hemmende Wirkung aus. Fur starke Belastung, in diesem Falle uber etwa 1500 mg/mm2, nimmt die Geschwindigkeit rascher und standiger zu, so daB es noch einen Knickpunkt gibt. Bei so hoher Belastung ist die Geschwindigkeit so groB, daB die Bewegung der TROUTON’SChen Regel fo1gt.l) Mit an- steigender Temperatur wird die Depolymerisation der Molekule fort- schreitend groBer, und die Kurve nBhert sich nach und nach einer geraden Linie.

GRIFFITH und ROSENHEIN~) haben behauptet, daB im Glas die Atome in Kettenform vorhanden seien. Diese Behauptung gibt eine interessante Erkliirung fur die Tatsache, daB besonders bei niedriger Temperatur der Wert 3, des dunneren Fadens vie1 kleiner ist als der des dickeren. Bei der Herstellung von diinnen FBden wird ein kleiner Teil des Glasstabes erhitzt und rasch ausgezogen, darum mussen die im Glas befindlichen langen Ketten einander parallel gerichtet werden. Sind aber solche parallel laufenden Ketten im Glasfaden, so muB der Widerstand gering und folglich die Geschwindigkeit groB (der 2-Wert klein) sein.

l ) F. T. TROUTON, 1. c. *) A. A. GRIFFITH, Phil. Trans. 22 A (1926), 163; W. ROSENHEIN, Journ.

soc. Glas Tech. 11 (1927), 77.

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Zusammenf assung 1. Die Langenanderung des Glasfadens in einem Bereich von

2. Bei niedriger Temperatur schrumpfte der Faden nicht, auch

3. Die Geschwindigkeitskurven geben zwei Knickpunkte. 4. Die Schrumpfungskraft des Glases wurde genau gemessen. 5. Bei verhaltnisma13ig niedriger Ternperatur ist das Glas

6. Einige theoretische Betrachtungen iiber Umwandlung des

il = los bis il = l o 5 wurde gemessen.

wenn keine Belastung vorhanden war.

plastisch.

Glases wurden angestellt.

Es ist uns eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. M. CHIKASHIGE fur seine lebhaften Anregungen unseren herzlichsten Dank auszu- sprechen.

Kioto (Japan), Institut f i ir chernische Untersuchungen der Uni- versitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 5 . August 1930.