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89 Ober die Lichtbrechung im reinen Elektronengas. Von Wilhelm Anderson in Dorpat. (Eingegangen am 16. Februar 1927.) Nach A. Einstein und Leigh Page ist das Breehungsverm5gen des reinen Elektronengases ein negatives, well das Verhalten der ffeien Elektronen auso schliei]lieh dutch die Einwirkung des elektrisehen Fetdes und dureh die Tragheit bedingt sei. Nun hat vor kurzem Gustav Mie die Ansieht ge~iuflert, daft ein isoliertes Elektron, fern yon jedem Atom, ats ,Oszillator" fungieren kSnne. Sollte Gustav ~ie recht haben, so ist die Beweisffihrung yon A. Einstein und Leigh Page natiirlieh nieht mehr iiberzeugend~ Der Verfasser hat seinerzeit die Vermutung ausgesprochen, dab der ,Einstein-EffekV c durch l~eiraktion in einer Elektronengaskorona zustande kommen kiinnte. Dagegen erwiderten A. Einstein und Leigh Page, dab die Lieht- brechung im reinen Elektronengas eine negative sein miisse (d. h. die Liehtgeschwindigkeit sei im Elektronengas grSBer als im Vakuum) ; deshalb k(Inne man auch nieht den ,,Einstein-Effekt" auf eine solehe Weise er- M~tren~). Das Elektronengas sei einer Substanz yon versehwindend kleiner Eigenfrequenz iiquivalent. Das Verhalten der lreien Elektronen sei aus- sehlieBlich durch die Einwirkung des elektrischen Feldes und durch die Tragheit beding4. In einem solehen Falle miisse aber das Refraktions- vermiigen einen negativen Weft erhalten. Nun ist vor kurzem Gustav ]Kie zur Uberzeugung gekommen, dab ein isoliertes Elektron, fern yon iedem Atom, als ,,Oszillator" iungieren kannS). Das yon einem isolierten Elektron absorblerte Lichtquantum wird, nach G.~[ie, zur Hebung der ,inneren Energie" des Elektrons verbraucht. Ein so ,,angereg~es" Elektron kann das absorbierte Licht- quantum wieder ausstraMen. Auch K. Fi/rsterllng glanb~, dal] ein Elektron das absorbierte Liehtquantum in eine uns unbekannte Form yon Energie iibeffiihre, und erst danach erfolge die Ausstrahlung s). G. Nies Elektronen haben anch ihr ,klassisches Analog0n". Es ist namlich sehr wahrscheinlich, dab im Iteliumkern die Elektronen deformiert sind 4). Daraus folgt, dab die Elektronen keine absolut starren Kuge]n 1) Astron. Naehr. Nr. 5300, S. 329 ft., 1924. ~) ZS. f. Phys. 88, 34, 1925. a) Phys. ZS. 25, 316, 1924. 4) Ygl. F.W. Aston, Isotope. Autorisierte Ubertragung ins Deutsche yon Dr. Else Norst-Rubindwiez, S. 108. Leipzig 1923.

Über die Lichtbrechung im reinen Elektronengas

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Ober die Lichtbrechung im reinen Elektronengas. Von W i l h e l m Anderson in Dorpat.

(Eingegangen am 16. Februar 1927.)

Nach A. Einste in und Leigh Page ist das Breehungsverm5gen des reinen Elektronengases ein negatives, well das Verhalten der ffeien Elektronen auso schliei]lieh dutch die Einwirkung des elektrisehen Fetdes und dureh die Tragheit bedingt sei. Nun hat vor kurzem G u s t a v Mie die Ansieht ge~iuflert, daft ein isoliertes Elektron, fern yon jedem Atom, ats ,Oszillator" fungieren kSnne. Sollte Gustav ~ie recht haben, so ist die Beweisffihrung yon A. Einstein und

L e i g h P a g e natiirlieh nieht mehr iiberzeugend~

Der Verfasser hat seinerzeit die Vermutung ausgesprochen, dab der ,Einstein-EffekV c durch l~eiraktion in einer Elektronengaskorona zustande

kommen kiinnte. Dagegen erwiderten A. E i n s t e i n und L e i g h P a g e , dab die Lieht-

brechung i m reinen Elektronengas eine negative sein miisse (d. h. die Liehtgeschwindigkeit sei im Elektronengas grSBer als im Vakuum) ; deshalb k(Inne man auch nieht den ,,Einstein-Effekt" auf eine solehe Weise er- M~tren~). Das Elektronengas sei einer Substanz yon versehwindend kleiner

Eigenfrequenz iiquivalent. Das Verhalten der lreien Elektronen sei aus- sehlieBlich durch die Einwirkung des elektrischen Feldes und durch die

Tragheit beding4. In einem solehen Falle miisse aber das Refraktions- vermiigen einen negativen Weft erhalten.

Nun ist vor kurzem G u s t a v ]Kie zur Uberzeugung gekommen, dab ein isoliertes Elektron, fern yon iedem Atom, als ,,Oszillator" iungieren kannS). Das yon einem isolierten Elektron absorblerte Lichtquantum

wird, nach G.~[ie, zur Hebung der ,inneren Energie" des Elektrons

verbraucht. Ein so ,,angereg~es" Elektron kann das absorbierte Licht- quantum wieder ausstraMen.

Auch K. F i / r s t e r l l n g glanb~, dal] ein Elektron das absorbierte Liehtquantum in eine uns unbekannte Form yon Energie iibeffiihre, und erst danach erfolge die Ausstrahlung s).

G. N i e s Elektronen haben anch ihr ,klassisches Analog0n". Es ist namlich sehr wahrscheinlich, dab im Iteliumkern die Elektronen deformiert

sind 4). Daraus folgt, dab die Elektronen keine absolut starren Kuge]n

1) Astron. Naehr. Nr. 5300, S. 329 ft., 1924. ~) ZS. f. Phys. 88, 34, 1925. a) Phys. ZS. 25, 316, 1924. 4) Ygl. F.W. Aston, Isotope. Autorisierte Ubertragung ins Deutsche yon

Dr. Else Norst -Rubindwiez, S. 108. Leipzig 1923.

90 Wilhelm Anderson, ~ber die Liehtbrechung im reinen Elektronengas.

sind, sondern dM] sie de~ormiert werden k(innen. Sollte nun ein solehes deformiertes Elektron p]Stzlich yon allen ~ui]eren Kr~iften befreit und sid~

selber iiberlassen werden, so wiirde es Schwingungen voll[i~hrcn (wie eine erst deformlerte and dann plStzlich freigelassene elastisehe Kugel). Solche Schwingungen miissen abet nach der klassisc]mn Theorle mit Ausstrahlung'

verbunden sein. Diese Ausstrahlung k(inn%e durch Resonanz elastische Schwingungen in elnem anderen Elektron hervorrufen. Will man nun das Brechungsverm(igen eines Gases aus elastisch deformierbaren Elektronen

nach der klassischen Theorie berechnen, so darf man keineswegs annehmen, dal] bier nur ausschliel]lich die Tr~gheit und das e]ektrisehe Fe]d ma~-

gebend seien: man muir ia noch die elastischen Krafte der E]ektronen- deformation in Betracht ziehen.

Sollte also G. Mie reeht haben, dal] ein isoliertes Elektron als Vibrator fungieren kann, so ist die Beweisffihrung yon A. E i n s t e i n und yon L e i g h P a g e nieht mehr tiberzeugend.

Die Theorie yon G. N ie kana freilich noeh nicht als absolut sieher betrachtet werden; sie ist aber bls ietzt aueh noch nicht einwandfrei

widerlegt worden. Auf Grund a]les Gesagten glaube ich den Sehlul~ ziehen zu diirfen,

dag es noch eine o f fene F r a g e sei , ob das B r e e h u n g s v e r m ( i g e n des r e i n e n E l e k t r o n e n g a s e s n e g a t i v oder p o s i t i v i s t .

D o r p a t , den 14. Februar 1927.