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Tech nisc he Mi kro biologie U ber die reaktionstechnische Behandlung biochemischer Reaktionen * Prof. Dr. K. H. Ebert lnstitut fur Angewandte Physikalische Chemie der Universitat Heidelberg Fur reaktionstechnische Berechnungen von biochemischen Reaktionen wird, wie bei iiblichen chemischen Reaktionen, zunachst ein ,,formaler Mechanismus" aufgestellt, der den Chemismus des Reaktionsgeschehens wiedergibt und aus den1 mit Hilfe der kinetischen Zusammenhange die Reaktionsgeschwindigkeit in Abhangigkeit von den auBeren Bedingungen berechnet werden kann. Die Mechanismen einfacher enzymati- scher Reaktionen sind analog denen heterogen-katalysierter Reaktionen ; sie werden bei Beteiligung mehrerer Ausgangskomponenten und Effektoren wegen der groBen Reaktionsvariabilitat und Spezifitat der Enzyme jedoch schnell komplex. Fur die Ableitung der Geschwindigkeitsgleichungen wird stets die quasistationare Methode angewandt. Mit den Reaktionsenthalpien konnen dann iiber Berechnungen des War- mehaushalts Angaben uber GroBe und Form von Reaktoren gemacht und damit die Grenzfalle verschiedener Verfahrensweisen diskutiert werden. Biochemische Reaktionen unterscheiden sich prinzipiell nicht von den ublichen chemischen Reaktionen, doch sind den Bedingungen, unter denen sie ablaufen, i. a. sehr vie1 engere Grenzen gesetzt. 80 ist der Temperaturbereich eng begrenzt, oft bedingt durch die Temperaturstabilitat des Enzyms. Als Losungsmittel kommt praktisch nur Wasser vor, und die Molkonzentration des Katalysators (Enzyms) ist meist auBerordentlich klein wegen seines groBen Mole- kulargewichts und seiner begrenzten Loslichkeit. Weiter- hin engt die Empfindlichkeit der meisten Enzyme beziig- lich der Wasserstoffionen- und Fremdionen-Konzentra- tionen den Anwendungsbereich sehr stark ein. Durch uberlagerung mehrerer Effekte entgegengesetzter Wir- kung bei der Anderung der iiblichen Reaktionsvariablen kommt es haufig zu ausgepragten Optima, was zur Folge hat, dafi bei der technischen Anwendung die Reaktions- bedingungen in sehr engen Grenzen gehalten werden mussen. Daher sind auch Betrachtungen des Warmehaus- haltes von enzymatischen Reaktionen trotz der meist ge- ringen Reaktionsenthalpien fur die GroBe und Form von Reaktoren von besonderer Bedeutung. Grundlage aller reaktionstechnischer Betrachtungen ist die Kenntnis der Kinetik der entsprechenden Reaktion. Dabei geniigt es i. a., aus experimentellen Daten fur die Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von den Kon- zentrationen der beteiligten Stoffe (einschlieBlichder Pro- dukte und der sog. Effektoren), der Reaktionstemperatur und sonstigen EinfluBgroBen (pH-Wert, Fremdionen- Konzentrationen usw. ) empirische Gleichungenabzuleiten, die aber nur innerhalb des untersuchten Bereichs ange- wendet werden durfen. Besser ist es, den Mechanismus der Reaktion mit allen Reaktionskonstanten der Einzelreak- tionen und ihre Beeinflussung durch die aufieren Bedin- gungen zu kennen. Dann kann man exakte mathematische * Erweiterte Fassung eines Vortrages auf dem 2. Symposion ,,Teohnische Mikrobiologie", 14. bis 17. April 1970 in Berlin. Ausdrucke zur Beschreibung einer chemischen Reaktion mit allen Nebenreaktionen ableiten. Dieser exakte Weg der kinetischen Analyse ist bei biochemischen Reaktionen sehr schwierig und bedingt einen aufierordentlich hohen experimentellen Aufwand vor allem deshalb, weil die enzym-haltigen Zwischenprodukte schwer eindeutig zu definieren sind und i. a. nur in sehr geringen Konzentra- tionen vorliegen. Eine Untersuchungsmoglichkeit weisen die Relaxationsmethoden, die erst seit kurzem bei bio chemischen Reaktionen angewendet werden. Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Substrat-Konzentration Die Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Substrat-Konzentration l&Bt sich bei vielen enzymatischen Reaktionen durch die sog. Michaelis-Menten-Gleichung beschreiben : v = v . [SIWs + [XI) (1) (v Reaktionsgeschwindigkeit, [S] Substrat-Konzentration, Ks Michaelis-Konstante, V Maximalgeschwindigkeit). 01. (1) ist in Abb. 1 graphisch dargestellt; ihr liegt der einfachst mogliche Enzym-Mechanismus (Michaelis-Men- ten-Mechanismus) zugrunde : Abb. 1. Abhangig- keit dor Reaktions- geschwindigkeit v von der Substrat- Konzentration [S] nach Michaelis- Mentcn, vgl. G1. (1) t TSI - im Text. 50 Chernie-Ing.-Techn. 43. Jahrg. l9Yl I Nr. 1 +2

Über die reaktionstechnische Behandlung biochemischer Reaktionen

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Tech nisc h e Mi k r o b io logie

U ber die reaktionstechnische Behandlung biochemischer Reaktionen *

Prof. Dr. K. H. Ebert

lnstitut fur Angewandte Physikalische Chemie der Universitat Heidelberg

Fur reaktionstechnische Berechnungen von biochemischen Reaktionen wird, wie bei iiblichen chemischen Reaktionen, zunachst ein ,,formaler Mechanismus" aufgestellt, der den Chemismus des Reaktionsgeschehens wiedergibt und aus den1 mit Hilfe der kinetischen Zusammenhange die Reaktionsgeschwindigkeit in Abhangigkeit von den auBeren Bedingungen berechnet werden kann. Die Mechanismen einfacher enzymati- scher Reaktionen sind analog denen heterogen-katalysierter Reaktionen ; sie werden bei Beteiligung mehrerer Ausgangskomponenten und Effektoren wegen der groBen Reaktionsvariabilitat und Spezifitat der Enzyme jedoch schnell komplex. Fur die Ableitung der Geschwindigkeitsgleichungen wird stets die quasistationare Methode angewandt. Mit den Reaktionsenthalpien konnen dann iiber Berechnungen des War- mehaushalts Angaben uber GroBe und Form von Reaktoren gemacht und damit die Grenzfalle verschiedener Verfahrensweisen diskutiert werden.

Biochemische Reaktionen unterscheiden sich prinzipiell nicht von den ublichen chemischen Reaktionen, doch sind den Bedingungen, unter denen sie ablaufen, i. a. sehr vie1 engere Grenzen gesetzt. 80 ist der Temperaturbereich eng begrenzt, oft bedingt durch die Temperaturstabilitat des Enzyms. Als Losungsmittel kommt praktisch nur Wasser vor, und die Molkonzentration des Katalysators (Enzyms) ist meist auBerordentlich klein wegen seines groBen Mole- kulargewichts und seiner begrenzten Loslichkeit. Weiter- hin engt die Empfindlichkeit der meisten Enzyme beziig- lich der Wasserstoffionen- und Fremdionen-Konzentra- tionen den Anwendungsbereich sehr stark ein. Durch uberlagerung mehrerer Effekte entgegengesetzter Wir- kung bei der Anderung der iiblichen Reaktionsvariablen kommt es haufig zu ausgepragten Optima, was zur Folge hat, dafi bei der technischen Anwendung die Reaktions- bedingungen in sehr engen Grenzen gehalten werden mussen. Daher sind auch Betrachtungen des Warmehaus- haltes von enzymatischen Reaktionen trotz der meist ge- ringen Reaktionsenthalpien fur die GroBe und Form von Reaktoren von besonderer Bedeutung.

Grundlage aller reaktionstechnischer Betrachtungen ist die Kenntnis der Kinetik der entsprechenden Reaktion. Dabei geniigt es i. a., aus experimentellen Daten fur die Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von den Kon- zentrationen der beteiligten Stoffe (einschlieBlich der Pro- dukte und der sog. Effektoren), der Reaktionstemperatur und sonstigen EinfluBgroBen (pH-Wert, Fremdionen- Konzentrationen usw. ) empirische Gleichungen abzuleiten, die aber nur innerhalb des untersuchten Bereichs ange- wendet werden durfen. Besser ist es, den Mechanismus der Reaktion mit allen Reaktionskonstanten der Einzelreak- tionen und ihre Beeinflussung durch die aufieren Bedin- gungen zu kennen. Dann kann man exakte mathematische

* Erweiterte Fassung eines Vortrages auf dem 2. Symposion ,,Teohnische Mikrobiologie", 14. bis 17. April 1970 in Berlin.

Ausdrucke zur Beschreibung einer chemischen Reaktion mit allen Nebenreaktionen ableiten. Dieser exakte Weg der kinetischen Analyse ist bei biochemischen Reaktionen sehr schwierig und bedingt einen aufierordentlich hohen experimentellen Aufwand vor allem deshalb, weil die enzym-haltigen Zwischenprodukte schwer eindeutig zu definieren sind und i. a. nur in sehr geringen Konzentra- tionen vorliegen. Eine Untersuchungsmoglichkeit weisen die Relaxationsmethoden, die erst seit kurzem bei bio chemischen Reaktionen angewendet werden.

Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Substrat-Konzentration

Die Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Substrat-Konzentration l&Bt sich bei vielen enzymatischen Reaktionen durch die sog. Michaelis-Menten-Gleichung beschreiben :

v = v . [SIWs + [XI) (1) (v Reaktionsgeschwindigkeit, [S] Substrat-Konzentration, K s Michaelis-Konstante, V Maximalgeschwindigkeit). 01. (1) ist in Abb. 1 graphisch dargestellt; ihr liegt der einfachst mogliche Enzym-Mechanismus (Michaelis-Men- ten-Mechanismus) zugrunde :

Abb. 1. Abhangig- keit dor Reaktions- geschwindigkeit v von der Substrat- Konzentration [S] nach Michaelis- Mentcn, vgl. G1. ( 1 )

t

T S I - im Text.

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(E Enzym, S Substrat, EX Enzym-Substrat-Komplex, P Produkt; (kPl + kz)/kl = Ks). Dabei gilt als Bedingung, daB die Abreaktion des EX-Komplexes in freies Enzym und Produkt irreversibel und als geschwindigkeitsbe- stimmender Schritt verlauft, und daB die Enzym-Konzen- trationen sowie andere Variable, wie Temperatur, pH- Wert usw., konstant gehalten werden.

01. (1) gleicht in ihrer mathematischen Form der Ge- schwindigkeitsgleichung einer heterogenen katalysierten Reaktion, an der nur eine Ausgangskomponente beteiligt ist, wenn man die Enzym-Konzentration der GroBe der aktiven Katalysatoroberflache gleichsetzt. Man kann also enzymatische Reaktionen als heterogen katalysiert be- trachten.

Nach G1. (1) ist die Geschwindigkeit einer enzymatischen Reaktion durch die beiden Konstanten V und Ks be- stimmt, wobei die Enzym-Konzentration [Elo in V ent- halten ist (V = kz [El,,). Urn eine spezielle enzymatische Reaktion, die nach Gl. (1) ablauft, beschreiben zu konnen, miissen die Konstanten V und K s durch Geschwindigkeits- messungen bei verschiedenen S-Konzentrationen be- stimmt werden. Zur Auswertung der einzelnen MeBpaare v und [S] eignet sich Gl. (1) schlecht ; man verfahrt besser, indem man G1. (1) in eine doppelt reziproke Gleichung [Gl. (3)] oder in eine einfach reziproke Gleichung [Gl. (4)] iiberfuhrt : 1 1 K s l - f-.-

z1 V v [S]

(Methode von Lineweaver und Burk) ; z1 1 V

[Sl Ks Ks V - __. -

(Methode nach Eadie und Hofstee).

(3)

(4)

v- v Abb. 2 (links). Doppelt-reziproke Auftragung der G1. ( 1 ) [vgl. Text] nach Lineweaver und Burk.

Abb. 3 (rechts). Einfach-reziproke Auftragung der GI. ( 1 ) [vgl. Text] nach Eadie und Hofstee.

In Abb. 2 und 3 sind diese Gleichungen graphisch darge- stellt und die Methode zur Ermittlung von V und K , an- gezeigt. Fur die Auswertung der G1. (1) kann man Rechen- automaten beniitzen, die so programmiert sind, daB sie die Konstanten unter Beriicksichtigung der kleinsten Fehler- quadratsumme aller MeBpunkte berechnen und die Ab- weichungen der einzelnen Punkte angeben. Dennoch ist eine graphische Auswertung oft niitzlich, um auf einfache Weise zu erkennen, ob systematische Abweichungen vor- liegen, die auf einen anderen Reaktionsmechanismus hin- weisen konnenl).

Komplizierte Mechanismen

Sind die experimentellen Werte nicht mit dem Mechanis- mus der G1. (1) in Einklang zu bringen oder sind an der Reaktion mehr als eine Ausgangskomponente beteiligt, so erweitert man d%s Reaktionsschema, indem man einzel- ne Einschrankungen fallen lLIJt bzw. neue Reaktionen dem Mechanismus hinzufugt. Fur solche erweiterten Reaktions- schemata werden dann, ebenfalls unter Annahme des quasi- stationaren Zustands, mathematische Ausdrucke fur die Reaktionsgeschwindigkeit abgeleitet. Einige komplizier- tere Mechanismen sollen hier als Beispiele erwahnt werden. Zunachst kann man die Einschrankung aufheben, daR der ES-Komplex nach der Produktseite hin irreversibel zer- fallt ; man erhalt dann folgende Reaktionsgleichung :

Man betrachtet nun Hin- und Ruckreaktion getrennt von- einander ; bei der einen ist am Beginn nur E und S vor- handen, bei der anderen nur E und P. Fur die Anfangsge- schwindigkeiten (vo) dieser zwei Reaktionen ergibt sich dann ein Wchaelis-Menten-Mechanismus :

(Hinreaktion) (Ruckreaktion)

Aus der experimentellen Bestimmung der Anfangsge- schwindigkeiten der Hin- und Ruckreaktionen konnen auf die oben erwahnte Weise die Konstanten V1, Vz , K s und K , bestimmt werden, so daB die allgemeine Form der Geschwindigkeit sgleichung

die aus dem Mechanismus (Gl. 5 ) abgeleitet wurde, nume- risch ausgewertet werden kann. G1. (7) gibt die Geschwin- digkeitswerte bei verschiedenen Substrat- und Produkt- Konzentrationen wahrend des gesamten Ablaufs der Reaktion (Gl. 5 ) bis zum Gleichgewicht an. In dieser Gleichung wird berucksichtigt, daB die Geschwindigkeit der Reaktion nicht nur durch die Riickreaktion vermin- dert wird (negativer Ausdruck im Zahler), sondern auch mit steigendem Umsatz zunehmende Anteile des Enzyms als EP gebunden und fur die Reaktion inaktiviert sind (Produkt-Hemmung). G1. 7 ist die Gleichung, die man fur reaktionstechnische Berechnungen benotigt. Sie kann in die Anteile der Hin- und Ruckreaktion zerlegt werden, und man erhalt Ausdrucke fur diese beiden Reaktionen, die nun nicht wie die Gln. (6) nur am Beginn, sondern uber den gesamten Bereich der Reaktionszeit gelten. Diese sind in doppelter reziproker Form folgende :

und

(9)

1) Es sol1 hier nicht auf die Ableitung der G1. ( 1 ) aus dem Meoha- nismus der G1. (2) eingegangen werden. Unter Annahme von quasistationiiren Bedingungen, die umso besser erfullt sind, je kleiner die Enzym-Konzentration gegenuber der Substrat- Konzentration ist, ist die Ableitung trivial und findet sioh in den Lehrbuchern.

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In Abb. 4 ist der Effekt der Produkt-Hemmung darge- stellt. Mit der Zunahme der Produkt-Konzentration an- dert sich die Steigung der Geraden mit (1 + [P]/K,), der Ordinatenabschnitt (1 V ) dagegen bleibt unbeeinflu13t. Das ist der Reaktionstyp der kompetitiven Hemmung, worunter man versteht, da13 die gleiche aktive Stelle eines Enzyms mit zwei verschiedenen Stoffen reagieren kann. E kann mit S oder P zu ES reagieren, welches aber selbst nicht mehr weiter mit S oder P reagieren kann.

rn 1/rs1-

Abb. 4. Graphische Darstellung der G1. (8) [Produkt-Hemmung].

Bei vielen enzymatischen Reaktionen sind zwei oder mehrere S u b s t r a t e beteiligt. Die Kinetik solcher Reaktionen wird dann relativ kompliziert, und die Zahl der kinetischen Parameter in der Geschwindigkeitsglei- chung erhoht sich. So erhalt man fur den Reaktionstyp

A + B e C + D (10) fur die Anfangsgeschwindigkeit der Hinreaktion einen Ausdruck, in dem vier kinetische Parameter enthalten sind :

(11) v1 [ A l p ]

vl"= h'; - . K b + K b [A] + &[Bj + [A] . [B]

(K: Dissoziationskonstante der Reaktion E + A z EA). Halt man die Konzentration der einen Komponente kon- stant, so reduziert sich Gl. (11) zu einer Michaelis-Glei- chung, und in dieser Weise verfiihrt man auch experimen- tell. Man bestimmt Anfangsgeschwindigkeiten bei ver- schiedenen Konzentrationen von A und B. Zur Auswer- tung tragt man die Wertepaare bei verschiedenen A-Kon- zentrationen und konstanter B-Konzentration und umge- kehrt die Wertepaare bei verschiedenen B-Konzentra- tionen und gleichen Konzentrationen von A in doppelt reziproke Diagramme ein. Es resultiert eine Schar von Geraden, aus denen die kinetischen Konstanten V , , K,, Kb und K i ermittelt werden konnen. Analog mu13 man fur die Ruckreaktion verfahren, und zur Berechnung der Ge- samtgeschwindigkeit sind dann beide Gleichungen vom Typ der G1. (1 1) zu berucksichtigen. Dieses Verfahren, das hier nur angedeutet werden kann, zeigt relativ schnell, ob das Reaktionsschema auf die untersuchte Reaktion an- wendbar ist.

Kinetische Analysen, die aufgrund der Methode der quasi- stationaren Behandlung (d. h. zeitliches Konstantsetzen aller enzym-haltiger Zwischenkorper) abgeleitet *wurden, konnen nichts uber den Mechanismus der Reaktion aus- sagen. Alle Reaktionen, bei denen eine bestimmte Anzahl von Substraten zu einer bestimmten Anzahl von Produk- ten umgesetzt werden, besitzen die gleichen kinetischen

Gleichungen und Abhiingigkeiten. Daher kann man auch fur eine Reaktion den Mechanismus durch eine beliebige Anzahl von Simultangleichungen (kinetischer Modell- mechanismus) angeben und daraus die Geschwindigkeits- gleichungen ableiten, vorausgesetzt, da13 die Summation der Reaktionsgleichungen die Bruttogleichung ergibt und die quasistationare Methode angewandt wird.

Die Geschwindigkeit vieler enzymatischer Reaktionen kann durch sog. Ef fek toren (Inhibitoren und Aktivi- toren) beeinflul3t werden, die, von der Produkt-Inhibie- rung abgesehen, nicht in der Bruttogleichung erscheinen. Um den EinfluB dieser Stoffe in der Kinetik zu beriick- sichtigen, mu13 man den Hemmungsmechanismus kennen, d. h. man mu13 wissen, ob die Substanzen mit freiem Enzym oder mit welchem der enzym-haltigen Zwischen- korper reagieren. Da fur alle bekannten Inhibierungs- mechanismen (kompetitiv, unkompetitiv, nicht kompeti- tiv, Substrat-Hemmung) kinetische Modelle durchgerech- net sind und die Abweichungen der Steigung und der Achsenabschnitte der Geraden in der doppelt-reziproken Auftragung rnit h d e r u n g der Inhibitor-Konzentration bekannt sind, kann man aus kinetischen Messungen (An- fangsgeschwinQkeiten bei verschiedenen Substrat- und Inhibitor-Konzentrationen) auf den Hemmungstyp schliel3en. Den Modellmechanismen liegen Gleichgewichts- reaktionen der Inhibitoren rnit dem freien Enzym bzw. den entsprechenden enzym-haltigen Zwischenstufen zu- grunde ; die Geschwindigkeitsgleichungen sind wieder nach der quasistationaren Methode abgeleitet, und es gelten daher wieder die Einschrankungen, die dieser Me- thode anhaften.

Kinetische Studien des Einflusses von Inhibitoren sind daher von groljer Bedeutung fur die Erforschung von Mechanismen enzymatischer Reaktionen sowie der Reak- tivitiit und der Spezifitiit von Enzymen. Die wichtigsten Beispiele fur die Inhibierungsmechanismen von Ein- Substrat-Reaktionen und deren charakteristische Dar- stellungen in doppelt reziproken Diagrammen zeigt Abb. 5. Der Parameter in diesen Diagrammen ist die Inhibi- tor-Konzentration [I], die in Pfeilrichtung groBer wird. Komplizierter werden die Verhiiltnisse, wenn man Reak- tionen betrachtet, an denen zwei oder mehrere Substrate und ein Inhibitor beteiligt sind; dann erhalt man in den doppelt reziproken Darstellungen keine Geraden mehr, und man kann i. a. nicht mehr eindeutig auf den Hem- mungstyp schliel3en.

Eine besondere Art von Inhibierungs- bzw. Aktivierungs- mechanismen sind Systeme, bei denen al loster ische Ef f e k t e vorkommen. Allosterische Effektoren reagieren rnit einer zweiten aktiven Gruppe am Enzym in einer Gleichgewichtsreaktion, wobei die Konformation des Enzyms geandert wird, was auf die Reaktivitat einen po- sitiven oder negativen EinfluB haben kann. Auch fur diese Mechanismen kann man Systeme von Gleichgewichtsreak- tionen aufstellen und, wie oben erwiihnt, verfahren. Fur den einfachsten Fall, daB das Ehbstrat ein allosterischer Effektor ist, erhalt man in der doppelt-reziproken Auftra- gung eine ahnliche Kurve wie fur die Substrat-Hemmung.

Noch komplizierter werden die Systeme, bei denen au13er den allosterischen Effekten noch kooperative Effekte hin- zukommen, wenn sich also mehrere Enzym-Molekule zu

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Abhlngigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit vom pH-Wed

Abb. 5. Die wichtigsten Hemmungsmechanismen, doppelt-rezi- proke Auftragung.

a) Kompetitive Hemmung: b) Unkompetitive Hemmung: E S + I & I E S . I E S reagiert nicht, E I wird nicht gebildet.

E + I + E I . I E und I E S werden nicht ge- bildet. Steigung der Gsraden:

Steigung der Geraden: Ks/ 8.

c) Nicht-kompetitive Hemmung : d) Substrat-Inhibierung : E + I : + I E , E S + I + I E S . E S + S + S I E S , I hat keinen EinfluLl auf die E + S + S I E . ES-Bildung; IESreagiertnicht weiter. nicht (SI = inhibierendes Steigung der Geraden: Substrat).

SIE und SIES reagieren

Tg(l+-E). V

Assoziaten zusammenlagern, mit denen dann mehrere Effektor-Molekiile reagieren konnen. Auf diesen kompli- zierten Mechanismus sol1 hier nur verwiesen werden. Es resultiert dabei eine Abhangigkeit der Geschwindigkeit von der Substrat-Konzentration, die i. a. nicht mehr mit der Michaelis-Menten-Gleichung beschrieben werden kann. Bei kleinen Substrat-Konzentrationen erhalt man statt einer hyperbolischen eine S-formige Abhangigkeit, die bei grofieren Substrat-Konzentrationen in einen konstanten Wert ubergeht. Die Starke der S-Formigkeit der Kurve hangt von der Gleichgewichtskonstanten zwischen den beiden Konformationen des Enzyms und der Dissoziations- konstanten der Reaktionen der beiden Formen mit dem Effektor ab. Unter bestimmten Bedingungen geht die S- formige Geschwindigkeitsfunktion auch fur dieses Model1 in eine Michaelis-Menten-Abhangigkeit uber. - Man kann auch fiir diese Reaktionen Modellmechanismen aufstellen und Ausdriicke fur die Reaktionsgeschwindigkeit ableiten.

Natiirlich gelingt es auch, eine allgemein anwendbare Gleichung fur die Reaktionsgeschwindigkeit zu erhalten, wenn ein Reaktionsmechanismus zugrunde gelegt wird, der alle speziellen Falle beinhaltet. Dann aber kommt man zu sehr komplizierten Geschwindigkeitsausdriicken, die viele Konstanten enthalten und deren experimentelle Er- mittlung praktisch nicht mehr moglich ist. Daher sollte man stets versuchen, einen moglichst einfachen Mechanis- mus dem System zugrundezulegen und kleinere Abwei- chungen der experimentellen Werte in Kauf nehmen.

Fast alle enzymatischen Reaktionen sind sehr empfind- lich gegenuber hderungen des pH-Wertes. Der optimale pH-Bereich ist i. a. sehr schmal, zu hoheren und niedri- geren pH-Werten fallt die Reaktionsgeschwindigkeit meist sehr stark ab. Man unterscheidet zwei Effekte : 1.) die irreversible pH-Hemmung, bei der die Protein- Struktur des Enzyms verandert wird, und 2.) die rever- sible pH-Hemmung, bei der eine seure, neutrale und basi- sche Form des Enzyms besteht, wobei die neutrale Form aktiv ist, wiihrend die beiden anderen inaktiv sind. Die irreversible pH-Hemmung kann einfach experimentell er- mittelt und von der reversiblen differenziert werden.

Fur die reversible Hemmung nimmt man Gleichgewichte zwischen den verschiedenen Formen an, z. B. fur eine Ein- Substrat-Reaktion das folgende Reaktionsschema :

E ES

+ H+ K, + H + 1’ K3 1~

HES ?!+ HE + P . (12) kl S + H E + = k ,

I*

+ H + I t i/ K4

H2E H,ES

Zur Ableitung der Geschwindigkeitsgleichung geht man in gleicher Weise vor wie fur komplizierte Mechanismen : Man bestimmt die Anfangsgeschwindigkeiten bei ver- schiedenen pH-Werten und tragt dann die kinetischen Konstanten V und K , gegen den pH-Wert auf. Aus der Abhangigkeit von V gegen den pH-Wert erhalt man An- gaben uber K3 und K4 sowie aus der entsprechenden Ab- hiingigkeit von K , solche iiber Kl und K,. Dann ist es moglich, einen Geschwindigkeitsausdruck abzuleiten, der die reversible pH-Hemmung berucksichtigt. Die irrever- sible pH-Hemmung ist wesentlich schwieriger mathema- tisch zu erfassen. Daher ist man im Bereich der irrever- siblen Hemmung auf empirische Angaben angewiesen.

Ternperaturabhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit

Den EinfluB der Temperatur auf die Reaktionsgeschwin- digkeit von enzymatischen Reaktionen setzt sich aus zwei Anteilen zusammen. Einmal werden das Enzym und die Enzym-Komplexe inaktiviert (Denaturierung), zum ande- ren wird die Enzym-Aktivitat mit steigender Temperatur erhoht. Da beide Effekte gegenlaufig sind, gibt es ein scheinbares Maximum der Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperatur. Der Effekt der Temperatur auf die Enzym-Aktivitiit besteht wiederum aus zwei voneinander unabhilngigen Anteilen. Zum einen werden die Gleichge- wichte verschoben und damit die Konzentration des akti- ven Enzym-Komplexes verandert. Fur jedes Gleichge- wicht gilt die Vant’Hoffsche Beziehung :

(13) A H - - --- -~

d lg K d ( l l T ) 2,303 . R

( K Gleichgewichtskonstante, A H Reaktionsenthalpie der Gleichgewichtsreaktion). Zum anderen werden die Ge- schwindigkeitskonstanten k beeinflufit, fur welche die Arrheniussche Beziehung gilt :

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(14) E a ~- - -

d lg k d(1lT) 2,303. R

( Ea = Aktivierungsenergie). Mit Hilfe dieser beiden Glei- chungen kann man die Temperaturabhangigkeit einer ein- fachen enzymatischen Reaktion (z. B. Ein-Substrat- Reaktion) berechnen, wenn man die entsprechenden A H - und E,-Werte kennt. Sind mehrere Gleichgewichte in dem Reaktionsmechanismus enthalten - was meist der Fall ist - so werden die Verhaltnisse sehr schnell kompli- ziert, und man beschrankt sich auf eine experimentelle Ermittlung des Einflusses der Temperatur auf die Brutto- reaktion bzw. auf die Bestimmung der sog. scheinbaren Aktivierungsenergie (E:) in einem Arrhenius-Diagramm. Relativ haufig findet man Abweichungen der experimen- tellen MeBpunkte von der Arrhenius-Geraden. Die Theo- rie der Temperaturabhangigkeit der Reaktionsgeschwin- digkeit geht davon &us, daB die innere Energie der rea- gierenden Molekule oder des Reaktionskomplexes nach dem Boltzmannschen Verteilungssatz ein ganz bestimmtes Energiespektrum hat und nur die Molekule reagieren kon- nen, die einen Energiewert oberhalb eines gewissen Schwellenwertes - der Aktivierungsenergie E , - haben. (Die anderen Faktoren, die eine weitere Auswahl treffen, sollen hierbei nicht betrachtet werden.) Durch eine Erho- hung der Temperatur wird das Energiespektrum zugunsten der energiereichen Molekule verschoben und daher erhoht sich die Zahl der Molekule, die reagieren konnen. Da die Verteilungsfunktion bei groBen Energien eine exponen- tielle Abhiingigkeit besitzt, erklart sich die gleiche Ab- hangigkeit fur die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Tem- peratur. Eine Erhohung der Reaktionsgeschwindigkeit bedeutet also, daB eine grol3ere Anzahl von Molekulen in der Zeiteinheit reagiert. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange ein Molekul zur Umwandlung benotigt, da diese Reaktionszeiten bei den ublichen chemischen Reaktionen sehr vie1 kleiner sind als die Zeitraume, in denen Reak- tionsgeschwindigkeiten gemessen werden.

Um zu klaren, ob diese Vorstellungen auch enzymatischen Reaktionen zugrundegelegt werden konnen, sei eine ein- fache Enzym-Reaktion, z. B. die Abreaktion irgendeines Reaktionskomplexes

E S - E + P

betrachtet. Die Energieverteilung ist um so enger, je gro13er die Molekule sind: Da Enzyme meist Mole- kulargewichte von mehr als 25000 haben, kann man annehmen, da13 alle Enzym-Molekule eine praktisch gleichgroae innere Energie besitzen. Damit es uberhaupt zu einer Reaktion kommen kann, mu6 die Aktivierungs- energie der Reaktion einen kleineren Wert haben als die innere Energie der ES-Molekule. Dann aber mussen alle EX-Molekule stets gleichzeitig reagieren. Die Reaktions- geschwindigkeit ist in diesem Fall allein durch die Zeit bestimmt, die ein Enzym-Molekul benotigt, um ein Substrat-Molekul in entsprechendes Produkt umzusetzen. Diese Reaktionszeit 1aBt sich aus der Wechselzah12) des Enzyms bestimmen und bewegt sich fur viele enzymati- schen Reaktionen in der GroBenordnung von Millisekun-

2) Zahl der Subtrat-Molekule, die von einem Enzym-Molekiil unter Standardbedingungen pro Minute umgesetzt werden.

den. Gesteuert wird der zeitliche Ablauf einer solchen Reaktion wahrscheinlich durch Konformationsanderun- gen des Enzym-Systems.

Man weiB heute, da13 solche Konformationsanderungen langsame Reaktionen sind und in der GroRenordnung von Millisekunden liegen. Sind Vorgange wie Konformations- Bnderungen fur die Reaktionsgeschwindigkeit von Bedeu- tung, so wird eine theoretische Behandlung der Tempera- turabhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit sehr schwierig. So gesehen, erscheint es uberraschend, dal3 die Arrhenius-Gleichung tatsachlich auf viele Enzym-Reak- tionen zumindest in kleineren Bereichen gut anwendbar ist. Es werden jedoch auch hhufig Abweichungen - be- sonders bei komplizierten Reaktionen - gefunden, bei denen in bestimmten Temperaturbereichen auch negative Aktivierungsenergien auftreten konnen, denen naturlich keine Realitit zukommen kann. Es mussen dann Teile der Kurve moglichst gut durch Geraden angenahert werden, so da13 man innerhalb verschiedener Temperaturintervalle verschiedene Werte fur die Aktivierungsenergie bekommt. Weiter oben wurde erwahnt, daB die allgemeine Kinetik von enzymatischen Reaktionen analog der heterogen katalysierter Reaktionen ist. Man kann hinzufiigen, dal3 durch strukturelle Veranderungen an den aktiven Stellen des Enzyms wahrend der Reaktion die Aktivitat und die Spezifitat beeinflufit werden.

Zusammenfassend l(i13t sich sagen, dal3 es fur viele enzy- matische Reaktionen heute moglich ist, einen mathemati- schen Ausdruck fur die Reaktionsgeschwindigkeit zu er- halten, der die Abhangigkeiten der Konzentrationen der Reaktionspartner und sog. dritter Stoffe sowie der Reak- tionsbedingungen, wie Temperatur, pH-Wert usw., mit genugender Genauigkeit wiedergibt. Jedoch ist dafiir meist ein erheblicher Aufwand an kinetischen Messungen notwendig. Daher sollte man versuchen, durch Niiherun- gen das kinetische Model1 und damit auch die Geschwin- digkeitsgleichung zu vereinfachen, um die Zahl der kine- tischen Parameter moglichst klein zu halten. Andererseits darf eine solche Vereinfachung nicht zu weit getrieben werden, da sonst die Gleichungen zu ungenau werden und fur reaktionstechnische Messungen wertlos sind. Hier das richtige Ma13 zu finden, ist meist sehr schwierig und erfor- dert grol3e Erfahrung und Geschick.

Reaktionstechnische Berechnungen

Reaktionstechnische Berechnungen von biochemischen Reaktionen sind i. a. sehr schwierig, da die Zahl der Ein- flu13groSen auf die Reaktion sehr groB ist. Das gilt beson- ders fur Reaktionen, bei denen Mikroorganismen beteiligt sind, und das ist heute noch die weitaus gro13te Zahl der biochemischen Verfahren. Schon die Nahrlosung ist von vielen verschiedenen Einflussen, wie Qualitat der Reak- tionskomponenten, Bedingungen bei der Sterilisation, Alterungserscheinungen usw., abhangig, die man empi- risch bestimmen mu13 und fur die meist keine geniigend ge- naue mathematische Ausdrucke ableitbar sind. hnliches gilt auch fur viele Variable der Betriebsbedingungen der Reaktionsgemische, wie Beliiftung, Riihren, Fermenter- material usw. Das bedeutet, da13 reaktionstechnische Be- rechnungen nicht allgemein anwendbar sind, selbst wenn

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man die reaktionskinetische Grundlage mit geniigcnder Genauigkeit kennt . Die theoretische Grundlage der Berechnung von R e a k - torvolumina ist prinzipiell die gleiche wie bei den iib- lichen chemischen Reaktionen. So berechnet man z. B. das Reaktorvolumen VR fur den diskontinuierlichen Be- trieb aus der geforderten Produktion qE, der Anfangskon- zentration des Substrates [S], und dem Quotienten aus der Reaktionszeit t und Umsatz q :

Die voneinander abhangigen Wertepaare von t und q kann man aus der Beziehung:

t = [S], + . dq 0

erhalten. In G1. (17) ist die Geschwindigkeitsgleichung einzusetzen, die man aus der Kinetik erhalten hat. Dabei ist zu beachten, daB nicht der Ausdruck fur die Anfangs- geschwindigkeit , sondern die allgemeine Geschwindigkeits- gleichung, die iiber den gesamten Ablauf der Reaktion gilt und auch die EinAiisse des Produkts berucksichtigt, eingesetzt werden muB. Die Enzym-Konzentration [Elo ist in den Konstanten Vl bzw. Vz der Geschwindigkeits- gleichung enthalten. Die Integration der G1. (17) macht oft erhebliche Schwierigkeiten, vor allem wenn die Ge- schwindigkeitsgleichungen komplizierte Ausdrucke sind. Fur eine Ein-Substrat-Reaktion unter Beriicksichtigung der Produkt-Hemmung, fur welche die Geschwindigkeits- gleichung ( 7 ) gilt, ergibt sich nach der Integration folgen- der Ausdruck :

(18)

die Warmeentwicklung ist beim diskontinuierlichen Be- trieb am Anfang der Reaktion stets groBer als im weiteren Verlauf, in gleicher Weise andert sich auch die Warmeent- wicklung. Man kann so verfahren, daB wahrend der Reak- tion Enzym nachgeschlenst wird, urn so die Reaktionsge- schwindigkeit und damit auch die Temperatur in engeren Grenzen zu halten. Aus G1. (20) la,& sich die Warmeaus- tauschfltiche berechnen, wenn man die entsprechenden Materialkonstanten einsetzt. Diese ist fur die Konstruk- tion des ReaktionsgefaBes von Bedeutung.

Der Zweck reaktionstechnischer Berechnungen ist es, die optimalen Bedingungen eines Verfahrens zu ermitteln. Diese Aufgabe ist in jedem Fall sehr komplex, da viele EinfluBgroBen vorhanden sind und wirtschaftliche Ge- sichtspunkte mit einbezogen werden miissen, die von Ort zu Ort sehr verschieden sein konnen. Der erste Schritt zur Bestimmung optimaler Bedingungen ist die Ermittlung des reaktionstechnischen Optimums, wobei die EinfluB- groljen Konzentration der Reaktionspartner, Tempera- tur im ReaktionsgefaB und Umsatz in Betracht gezogen werden. Sind die Optimalwerte dieser GroBen bekannt, so ist das Reaktorvolumen durch die geforderte Produktions- menge festgelegt . - Diese drei EinfluBgroBen beinhalten weitere Variable, so daB ihre Abhangigkeit allein schon komplex ist. So ist bei der Wahl der Konzentrationen der Reaktionspartner bei kontinuierlicher Verfahrensweise der Grad der Ruckvermischung im Reaktionsapparat oder der Zusatz einer oder mehrerer Komponenten an ver- schiedenen Stellen des ReaktionsgefaBes zu beriicksichti- gen. Bhnliches gilt auch fur die anderen EinfluBgroBen. Es ist derzeit noch kaum moglich, Optimumsberechnun- gen an biochemischen Verfahren durchzufuhren, und man wird sich vorerst noch auf die Behandlung von Teilpro- blemen beschranken miissen.

Eingegangen am 16. September 1970 [B 30431

wobei m = K s K , + K , . [S],, YZ z= Kp So - Ks [S],,

p = K , Vl [SIO -t Ks v2 [Slo und o = K , Vl [XI, sind.

Die Berechnung des Reaktorvolumens fur den kontinuier- lichen Betrieb im Idealkessel ist wesentlich einfacher, da hier nur der Geschwindigkeitsw ert bei der Endkonzentra- tion des Substrats eingesetzt werden mu13 :

Kaskaden mit hintereinander geschalteten Kesseln wer- den nach der gleichen Methode berechnet, wobei man schrittweise vorgeht und einen Kessel nach dem anderen nach Gl. (19) durchrechnet.

Wegen der Temperaturempfindlichkeit biochemischer Reaktionen muB besondere Sorgfalt darauf gelegt werden, daB die Reaktion isotherm ablauft, d. h., daB die gesamte Warme, die bei der Reaktion entsteht, durch die Reaktor- wand abgeleitet wird. Es gilt dafiir folgende Beziehung:

- V R . U . A H R = ~ . F , ( T - T , ) (20)

( k Warmeiibergangskoeffizient, T Reaktionstemperatur, T , Temperatur des Kiihlmittels, P, Warmeaustausch- flache). Die Reaktionsgeschwindigkeit und damit auch

Literatur

Auf Angaben von Literaturzitaten im Text wurde verzichtet, da es sich urn einen Abril3 allgemeiner Zusemmenhange handelt. Um einen tieferen Einblick in die behandelten Gebiete zu erhalten, werden folgende Ubersichtsreferate empfohlen:

H . G. Mahler, E. H . Gordes, Biological Chemistry, Kap. 6 (En- zyme Kinetics), Verlag Harper & Row, New York 1966.

K. J . Laidler, The Chemical Kinetics of Enzyme Action, Oxford University Press, Oxford 1958.

R. A. Alberty, The Interpretation of Steady State Kinetic Data on Enzymatic Reactions, Brookhaven Symp. Biol. 15, 18 [1962].

W. W. Cleland, The Kinetics of Enzyme-catalysed Reactions with Two or More Substrates or Products, Biochim. Biophysioa Aota [Amsterdam] 67, 104, 163, 188 [1963].

M . Eigen, G. G . Hamrnes, Advances Enzymol. 25, 1 [1963].

J . Monod, J. Wyman, J. P. Changeux, J . molecular Biol. 12, 88 [1965].

K. H. Ebert, G. Schenk, Advances Enzymol. 30, 179 [1968].

K. Dialer, F. Horn, L. Kuchler, in: K. Winnacker, L. Kuchler, Chemische Technologie, Bd. 1, S. 272ff., 2. Aufl., Carl Hanser- Verlag, Munchen 1958.

Chemie-I?bg.-Techn. 43 . Jahrg. 1971 / Nr. 1 + 2 55