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schung und human6kologischen Sportst~it- tenbau bis zu Fragen der Gesundheitsf6rde- rung, der Pr~ivention und Rehabilitation oder der Bewegungstherapie war in diesen Arbeitskreisen alles zu finden, was die mo- derne Sportwissenschaft derzeit umtreibt. Uber Erfolg oder Mif~erfolg dieser Arbeits- kreise kann generell nichts gesagt werden, daftir waren die Themen zu breit gestreut, die Referenten zu unterschiedlich und die Diskussionen und Diskutanten zu zufiillig. Aber in den Arbeitskreisen war am ehesten die Chance gegeben -- die in vielen F~illen auch genutzt wurde --, einen fruchtbaren Dialog tiber Disziplingrenzen hinweg zu ftihren, wie ihn Miv'rrtsT~ss in seinem Vor- trag angedeutet hatte: Diskussionen, die sich an echten lebensweltlichen Problemen ent- ztindeten, z. B. die Notwendigkeit eines hu- man-6kologischen Sportst~ittenbaus der Zu- kunft oder die vielschichtigen Fragen der motorischen Entwicklung. Hier kam selten jemand auf die tiberfltissige Idee zu fragen, in welche Zust~indigkeit solche Probleme letzt- lich fallen. Die in Oldenburg versammelte Sportwissen- schaft nutzte den KongreB auch zu einem Dialog mit und tiber sich selbst. Zwei Gele- genheiten boten sich dafiir: die erste auf der Mitgliederversammlung der dvs, auf der ein neuer Vorstand mit Karlheinz SCrtE~ER an die Spitze gew~ihltund die endgtiltige Aufl6- sung des Ausschusses Deutscher Leibeserzie- her (ADL) beschlossen wurde; eine weitere, letzte (?) Klammer zwischen der theoreti- schen Sportwissenschaft und der Sportun- terrichtspraxis ist damit gel6st. Die zweite bot sich auf einer spontan eJnberufenen dvs- Dopingkonferenz, auf der eine Stellungnah- me der Sportwissenschaft zur Dopingfrage beschlossen werden sollte Aber auch dieser interne Dialog scheiterte, nicht zuletzt, well die heftig angegriffene und ins Zwielicht ge- ratene Sportmedizin dutch Abwesenheit gliinzte. Nur die knapp bemessene Zeit ver- hinderte, dab die Meinungsunterschiede zwi- Berichte schen den anwesenden Sportwissenschaft- lern/innen noch deutlicher zum Ausbruch kommen konnten. Streit und weniger Dialog war schliefflich auch auf der abschlief~enden Podiumsdiskus- sion angesagt, auf der sich die Sportwissen- schaft, vertreten durch die dvs, erstmals st~ir- ker politisch profilierte, indem heftige Kri- tik an den Prinzipien und der Praxis der Forschungsf6rderung gefibt wurde Gelungen ist der Dialog der Sportwissen- schaft auf jeden Fall dort, woes -- wie beim Sport -- um sinnliche und k6rperliche Qua- lit~iten ging, sprich beim Kalten Btiffet (,O1- denburger Genuf~ auf leichte Art") und beim Sporttheater (,Das aktuelle Spottstu- dio"). Aber dieser Erfolg geht nicht auf das Konto der Sportwissenschaft, sondern auf das des Oldenburger Kongref~teams. M. KROCER Crber die .verlorene Einheit" in der Kirche und im Sport 22. Studienkurs der EKD yore 17. his 28. Februar in Sils Die Kooperation zwischen Kirche und Sport w~ihrt schon lange und ist auch inten- siv. Die Grundfrage hierbei ist und bleibt, wie die beiden Partner einander helfen k6n- nen. Man darf sich nichts vormachen: Das Verh~iltnis ist asymmetrisch. Die Kirche hat dem Sport mehr zu sagen, als das umgekehrt der Fall sein kann. Das heit~t nicht, dab nicht auch die Kirche vom Sport lernen k6nnte Eine der besten Gelegenheiten bier- zu ist der j~ihrliche Studienkurs des Arbeits- kreises Kirche und Sport der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Zum ,Leit- thema" hatte der AK-Vorstand die Losung des 23. Deutschen Evangelischen Kirchen- tages •989 in Berlin gew~ihlt: Unsere Zeit in Gottes H~inden! Es zeigte sich dann aller- dings, dab es zwar gelingen kann, sich hier- 115

Über die „verlorene Einheit“ in der Kirche und im Sport

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schung und human6kologischen Sportst~it- tenbau bis zu Fragen der Gesundheitsf6rde- rung, der Pr~ivention und Rehabilitation oder der Bewegungstherapie war in diesen Arbeitskreisen alles zu finden, was die mo- derne Sportwissenschaft derzeit umtreibt. Uber Erfolg oder Mif~erfolg dieser Arbeits- kreise kann generell nichts gesagt werden, daftir waren die Themen zu breit gestreut, die Referenten zu unterschiedlich und die Diskussionen und Diskutanten zu zufiillig. Aber in den Arbeitskreisen war am ehesten die Chance gegeben -- die in vielen F~illen auch genutzt wurde --, einen fruchtbaren Dialog tiber Disziplingrenzen hinweg zu ftihren, wie ihn Miv'rrtsT~ss in seinem Vor- trag angedeutet hatte: Diskussionen, die sich an echten lebensweltlichen Problemen ent- ztindeten, z. B. die Notwendigkeit eines hu- man-6kologischen Sportst~ittenbaus der Zu- kunft oder die vielschichtigen Fragen der motorischen Entwicklung. Hier kam selten jemand auf die tiberfltissige Idee zu fragen, in welche Zust~indigkeit solche Probleme letzt- lich fallen. Die in Oldenburg versammelte Sportwissen- schaft nutzte den KongreB auch zu einem Dialog mit und tiber sich selbst. Zwei Gele- genheiten boten sich dafiir: die erste auf der Mitgliederversammlung der dvs, auf der ein neuer Vorstand mit Karlheinz SCrtE~ER an die Spitze gew~ihlt und die endgtiltige Aufl6- sung des Ausschusses Deutscher Leibeserzie- her (ADL) beschlossen wurde; eine weitere, letzte (?) Klammer zwischen der theoreti- schen Sportwissenschaft und der Sportun- terrichtspraxis ist damit gel6st. Die zweite bot sich auf einer spontan eJnberufenen dvs- Dopingkonferenz, auf der eine Stellungnah- me der Sportwissenschaft zur Dopingfrage beschlossen werden sollte Aber auch dieser interne Dialog scheiterte, nicht zuletzt, well die heftig angegriffene und ins Zwielicht ge- ratene Sportmedizin dutch Abwesenheit gliinzte. Nur die knapp bemessene Zeit ver- hinderte, dab die Meinungsunterschiede zwi-

Berichte

schen den anwesenden Sportwissenschaft- lern/innen noch deutlicher zum Ausbruch kommen konnten. Streit und weniger Dialog war schliefflich auch auf der abschlief~enden Podiumsdiskus- sion angesagt, auf der sich die Sportwissen- schaft, vertreten durch die dvs, erstmals st~ir- ker politisch profilierte, indem heftige Kri- tik an den Prinzipien und der Praxis der Forschungsf6rderung gefibt wurde Gelungen ist der Dialog der Sportwissen- schaft auf jeden Fall dort, woes -- wie beim Sport -- um sinnliche und k6rperliche Qua- lit~iten ging, sprich beim Kalten Btiffet (,O1- denburger Genuf~ auf leichte Art") und beim Sporttheater (,Das aktuelle Spottstu- dio"). Aber dieser Erfolg geht nicht auf das Konto der Sportwissenschaft, sondern auf das des Oldenburger Kongref~teams.

M. KROCER

Crber die .verlorene Einheit" in der Kirche und im Sport

22. Studienkurs der EKD yore 17. his 28. Februar in Sils

Die Kooperation zwischen Kirche und Sport w~ihrt schon lange und ist auch inten- siv. Die Grundfrage hierbei ist und bleibt, wie die beiden Partner einander helfen k6n- nen. Man darf sich nichts vormachen: Das Verh~iltnis ist asymmetrisch. Die Kirche hat dem Sport mehr zu sagen, als das umgekehrt der Fall sein kann. Das heit~t nicht, dab nicht auch die Kirche vom Sport lernen k6nnte Eine der besten Gelegenheiten bier- zu ist der j~ihrliche Studienkurs des Arbeits- kreises Kirche und Sport der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Zum ,Leit- thema" hatte der AK-Vorstand die Losung des 23. Deutschen Evangelischen Kirchen- tages •989 in Berlin gew~ihlt: Unsere Zeit in Gottes H~inden! Es zeigte sich dann aller- dings, dab es zwar gelingen kann, sich hier-

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Berichte

tiber theologisch-philosophisch auszutau- schen, daft aber eine hochaktuelle Problem- lage, die Kirche und Sport gleichermat~en zu betreffen scheint, nicht erfat~t werden kann. So lagen dann auch diejenigen Referate, die zum .Leitthema" vorgetragen wurden, eher neben dem Hauptstrom des Interesses, liefer- ten aber gleichwohl erg~inzende Informatio- nen. Es handelte sich hierbei zun~ichst um den Vortrag yon Klaus STRrrrM~WrER (Bad Boll) tiber .Zeiterleben und Zeitsysteme im Umbruch" der fundiert und materialreich die neuesten Entwicklungen im Verh~iltnis zwischen Arbeit und Freizeit sowie das aktuelle und das m6gliche ktinftige Freizeit- verhalten der Deutschen beschrieb..Omnia tempus habent -- alles hat seine Zeit" war Gegenstand einer sehr theologisch-philoso- phisch orientierten Reflexion von Klaus R/3~VdNG v o n d e r Evangelischen Landes- kirche Kurhessen-Waldeck (Kassel), der au- f~erdem -- jetzt zus:itzlich literarisch-ktinst- lerisch - zum Thema .Zeit ftir Kultur und Kultur der Zeit" sprach, womit er, was den Begriff der .Kultur" anging, ins Zentrum des sich formierenden Diskussionsinteresses stieg. Den Einstieg dazu hatte Rtidiger SCHrOZ vom Kirchenamt der EKD (Hannover) gege- ben. Die Hauptthese seines naturgem~it~ kir- chenwissenschaftlich und theologiesoziolo- gisch angelegten Vortrags tiber ,,Religions- kultur und Sportkultur - zur Pflege von Religion und Sport in der differenzierten Gesellschaft" war die yon der .verlorenen Einheit" der Kirche und des Sports im Zeit- alter der Postmoderne, unter deren Bedin- gungen es nun gelte, das pluralistisch Ausdif- ferenzierte liberal wieder unter ein Dach zu bringen. DSB-Vizepr~isident Ommo GRtrVE (Ttibingen), dessen Referat .Das Sportlich- keitssyndrom -- Folgen und Folgerungen ftir den organisierten Sport" beschrieb, ftihr- te die These des Einheitsverlusts im Sport n~iher aus. Im Zuge der Ausbildung einer ei- genen .Sportkultur" sei es zu einer .Ver-

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sportlichung der Alltagskultur" gekommen. Dies habe zu so etwas wie einer ,Entspor- tung" des (,klassischen") Sports geftihrt, was sich u. a. daran zeige, daf~ die Sportbewegung Sozialaufgaben iibernommen habe, die ei- gentlich neben dem Kern ihrer Identit~it l~i- gen. Es sei nun insbesondere hinsichtlich der Sportvereine n6tig zu bestimmen, welcher Sport gewollt werde. Aus wiederum soziolo- gischer Sicht ~iuf~erte sich Helmut DIGEL (Darmstadt), Vorsitzender des DSB-Bundes- ausschusses ftir Wissenschaft, Bildung und Gesundheit, zur ,Sportentwicklung im Spiegel der 90er Jahre". Er sieht in den Indi- vidualisierungs-Tendenzen der Gesellschaft einerseits einen Autonomiezuwachs des ein- zelnen Menschen, andererseits abet auch dessen partMle ,Entbindung" von bisher gtiltigen Werten mit der Folge yon Sinnver- lusten und zudem eine Ausweitung der so- zialen Ungleichheit. DaB sich etliches davon auch im Sport wiederfinde, liege auf der Hand. Wie gegengesteuert werden k6nne, zumal ,Konzepte des zentralen Steuerns" in Kirche, Sport, Wirtschaft, Staat zunehmend nicht mehr zu greifen scheinen, sei derzeit noch unklar. VMleicht gebe es Steuerungs- m6glichkeiten an der Basis, die gleichwohl ,von oben" und zentral initiiert seien. ,Sportentwicklung" werde n~imlich tagt~ig- lich hunderttausendfach durch die in den Sportvereinen t~itigen Mitarbeiter und Mit- arbeiterinnen geleistet. Dieter JOTTING (Pa- derborn), Vorsitzender des Arbeitskreises der Bildungswerke im DSB, trug hierzu an- hand aufschluBreicher empirischer Daten aus eigenen Untersuchungen vor: ,Zwi- schen Ehrenamtlichkeit und Professionalit~it -- zur Mitarbeiterfrage in Kirche und Sport" lautete sein Thema. Will man den Sport- verein modern und leistungsf~ihig halten, mhsse man mit den ,richtigen" Ausbildungs- und Qualifizierungsprogrammen fiir Mitar- beiter und Mitarbeiterinnen Steuerungsar- belt betreiben. Das -- nicht unumstrittene -- Stichwort hierftir sei das vom ,qualifizier-

ten Laien" bzw. v o n d e r ,qualifizierten Laiin". Mittels einer Podiumsdiskussion unter den Referenten wurde eine Art Zusammenschau der teilweise recht kontroversen Einzelsich- ten versucht. Das war spannend und hinter- liefl wenn schon keine L6sungen, so aber doch Fragen zum Weiterarbeiten wie etwa die, ob denn der Kirche die Religion und den Sportverb~inden der Sport .entglitten" sei (Sc~LOZ) und was daran gegebenenfalls vergleichbar sein k6nnte; ob Kirche und Sport bei aller gemeinsamen Verantwortung fiir den Menschen denn wirklich einen .Konsens ~ briiuchten oder nicht doch zu beider Wohle in erster Linie das ihnen Eige- ne (.proprium ") pflegen (kultivieren!) soll- ten (R6HPaNG); ob man so leichthin aus nor- mativ abgehobener Wertung dem Sportbe- trieb .Sinndefizite ~ unterstellen diirfe und wer iiberhaupt die Deutungsm~ichte fiir .Sinn ~ seien (GRuw); ob der Sportverein der Vergangenheit nicht vielleicht doch derjeni- ge der Zukunft sei und das Konzept einer .sozialen Offensive" ein falsches Programm installiere (DIcEL); und schliefflich, ob die

Besprechungen

Referenten selbst das Moderne, das sie in der Postmoderne beschrieben, vom Modernisti- schen, sprich: dem Zeitgeist Verhafteten schon Faust hatte ihn als .der Herren eige- ner Geist ~ identifiziert -- immer s~iuberlich zu trennen will'ten? Nach soviel (ebenso anstrengender wie n6ti- ger) Theorie pliidierte Johannes van der VEEN, Direktor der Niederl~indischen Christlichen Sportunion (NCSU), in sei- nem Referat ,Welchen Sport sollen wir wol- len?" fiir eine Verst~kung christlichen En- gagements im Sport, die dessen Kultur nur guttun k6nne, und pr~isentierte Hans-Georg kKER, Erster Vorsitzender der Hamburger Turnerschaft von 1816, unter gleichem The- ma das Konzept dieses ~iltesten Turn- und Sportvereins im DSB, der ,mehr als ein Sportverein" -- so das Motto der 175-Jahr- Feier 1991 -- sei und der traditionsbewuflt und modernisierungstiichtig zugleich als ein Idealtypus von Verein gelten k6nne. In vier Arbeitsgruppen wurde dann weiterdisku- tiert. Deren Ergebnisse k6nnen, ebenso wie die Referate, sp~iter in der Studienkurs-Do- kumentation nachgelesen werden.H. BECZER

B E S P R E C H U N G E N

INGEBORG STAHR / SABINE JtmcK / ELKE SCHULZ (HRsG.):

Frauengesundheitsbildung. Grundlagen und Konzepte.

Weinheim/Miinchen: Juventa 1991. 206 S.; DM 29,80

Daft Gesundheit und Krankheit keineswegs geschlechtsneutrale Begriffe sind, ist der Ausgangspunkt des vorliegenden Buchs. Frauen sind das kriinkere Geschlecht; dies hat die Medizin in ihrer Vergangenheit im- mer wieder zu beweisen versucht, und dies

ist auch heute noch das landl~iufige Urteil. Tats~ichlich liegen epidemiologische Daten vor, die Frauen einen schlechteren Gesund- heitszustand als M~innern bescheinigen: Sie gehen 6fter zum Arzt als M~inner und erhal- ten um 30% mehr ~irztliche Verordnungen; ihnen werden mehr Medikamente verschrie- ben, z. B. gelangen ein Drittel mehr Schmerzmittel in Frauenh~inde; Frauen su- chen h~ufiger Beratungsstellen auf und bege- ben sich h~.ufiger in psychotherapeutische Behandlung (vgl. 9). Gleichzeitig sind Frau- en jedoch auch die kompetenteren ,Gesund- heitsarbeiterinnen ~. Sie sind es, die sich um

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