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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT x9. JAHRGANG Nr. 8 24. FEBRUAR 194o ORIGINALIEN. 0BER DIE WIRKUNG DES NICOTINS UND DIE DIATETIK DES TABAKGENUSSES*. Von W. STRAUB und AUGUST AMANN, Mtinchen. Die akute Wirkung einer intraven6s t6dlichen Dosis yon Micotin 5,uBert inch an der Katze in folgender Weise: Fast sofort nach der Einverleibung starke Vagusreizung, dann Vagusl~hmung, dann starke Blutdrucksteigerung, die langsam abfMlt zu einer Blutdrucksenkung und nach wenigen Minuten unter L~hmung der Atmung Tod. Das alles ist die Wirkung yon o,oor5 g Micotin pro Kilogramm Tier (s. Abb. i). Da- neben besteht noch manche akute, nicht t6dliche Wirkung, u. a. eine zur Adrenalinausschfittung ftihrende Reizung der Nebennieren. Bringt man das Micotin nicht ant dem Wege der pl6tzlichen Injgktion in das Blut, sondern dllrch langsame Infusion, indem man etwa die Oiftaufnahme beim Rauchen zeitlich kopiert, so wird die Sache ganz anders wie die Tabelle i zeigt, bei der es sich nm die intraven6se Infusion einer o, 5 proz. LSsung rait verschiedenen Geschwmdigkeiten handelt. Es zeigt sich, dab der Giftverbrauch bis zum Tod dutch Atem- l~hmung der Illfusionszeit umgekehrt proportional ist. Von derselben L6sung, aus der bei der maximalen Einverleibungs- geschwindigkeit der Illjektion 1, 5 mg/kg Micotin t6dlich sind, werden 8,71 mg (s. Mr. 2 der Tabelle i) bei einer 242 Minuten dauernden Infusion, also 5real mehr, zum gleiet~en Zweek verbraucbt. Ja, man kann eine Infusionsgeschwindigkeit fin- den, bei der das Micotin gar llieht mehr t6dlich wirkt (s. Nr. I der Tabelte I). Der akute Nicotintod ist bei jeder wlrksamen Tabelle I. Wirksamkeit des Nicotins bei verschiedener Infusionsdauer. Nicotm Nr. mg/kg/Std. Bemerkungen i. II 1,15 2. ] 2,10 3- ' 2,50 4. 3,IO 5. 7,IO Infusionsdauer Absolute Menge Min. mg 551 Io,55 242 8,71 159 6,74 116 5,93 44 5,21 lebt tot tot tot tot Nicotindosis unabhXnglg von der Zeit der Resorption, ein Tod durch Ateml~hmung. Es ist anzunehmen, dab die tSd- liche Menge immer die kleinste Dosis yon 1,5 mg/kg ist. Daraus folgt aber, dab der Vergiftung ein Entgiftungsprozeg entgegenwirkt, der am effektivsten ist, je l~nger man ihm Zeit zur \Nirkung l~Bt. Dieses Optimum ist z. B. im Fall Mr. I der Tabelle i erreicht, wo kein Tod eintritt, aber lO,55 mg entgiftet werden. Da im menschlichen K6rper naeh den exakten Untersuchungen yon BODNAR, J. VITEZ, LADISLAUS NAGu und ALEX. DICKMAXN ~ eine Ausseheidung yon Mieotin nach Rauchen auch groBer Mengen yon Zigaretten nicht statt- filldet, ist es sehr wahrseheinlieh, dab diese Entgiftung Folge einer chemischen Zerst6rung ist. Man kanll sich mit dem Nicotin in den K6rper einschlei- chen, ohne dab jene katastrophalen Wirkungen der Vagus- reizung, LS~hmung, Blutdrucksteigerung auftreten wie bei der Injektion. Z.B. ist schon bei der Nicotinbeibringung, Nr. 3 der Tabelle i, nichts mehr yon M1 diesel1 Wirkungen zu sehen, der Tod ist ein reiner Atmungstod. Man kann abet auch Resorptionsgeschwindigkeitell einhalten, bei denen viel- fach t6dliche Dosen der D. 1. m. wirkungslos verblaucht werden. Die Bedingungen des Rauchens sind bei der Katze durch die Zahlen der Tabelle I festgelegt. Den zahlenmfigigen An- * Erscheint ausfuhrlich im Archly ftir experimentelle Pathologie und Pharmakologie. IKlinische Wochenschrift, 19. Jahrg. schluB ans Menschliche ergeben die obenerw~hnten Unter- suchnngen yon BODNAR, J. VITEZ, LADISLAUS MAGY und ALEX. DICKMANN 1 mit zuvert/~ssigen chemischen Methoden. Die Autoren wiesen bekanntlich nach, dab beim Zlgaretten- rauchen des Menschen nahezu alles Micotin, das in Mund, Nase, Raehen oder Lunge gelangt, resorbiert wird, aber so gut wie nichts ausgeschieden wlrd. Es wurde gefunden, dab ein Raucher, der innerhalb yon 18 Stunden 40 Zigaretten geraucht hat, 224 mg Micotin resorbierte nnd dabei keine Vergiftung zeigte, abet bei dieser Prozednr die vielfach t6d- liche Dosis ftir den Menschen, die zu 0,05 g angenommen wird, sich einverleibte. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die quantitativen Bedingungen des menschlichen Rauchens hinsichtlich des Micotins bei Nr. 2 der Tabelle I oder noch darunter einreiht. Da nach den obengenannten Untersuchern 1 ans einer Zigarette 5--6 mg Nicotin zur Resorption kommen, lind da auBerdem die Resorption yon gasf6rmigell Stoffen yon der Nasen- Rachen-Schleimhaut aus sehr grfindlich und rasch erfolgt, kann man wohl voraussetzen, dab die Nicotinblutwerte der infundierten Katzen mit denen des Menschen sich decken k6nnen, also Schltisse yore Tier auf den Menschen erlaubt sind. Die Di~tetik des Rauchens stellt die Regeln dar, wie aus dem Genu/3gift ein ungestraft genieBbares Gift wird, also dm rationellen Umgangsformen mit dem Gift, so dab bloB der GenuB iiberbleibt. Die Kurve I gibt nun gar keine praktische Lehre als h6chstens die, dab solche Grade yon \Virkung dutch Rauchen nicht erzielt werden k6nnen. Auch der krassesie Anfanger wird so ein t6dliches Rauchen yon Tabak (Nr. 5 der Tabelle I) nicht 44 Minuten lang aushalten, er legt bei den ersten Anzeichen das Rauchmaterial weg, ffihlt sich viel- leicht t6dlich nnwohl, abet er entgiftet das Micotin, das er aufnahm. Er wird sehr bald nach Tall I in Tabelle I rauchen, d. h. mit vorsichtiger Langsamkeit, denn es ~st Mar, dab eine ,,schwere" Zigarre nur schwer wird, wenn man sie zu rasch raucht. Wieviel Micotill sie enth~lt, ist eigentlich weitgehend gleichgfittig. Also, die erste Regel der Di~tetik des Rauchelfs heif3t ,,langsam rauchen". Die Tatsache, dab Nicotin Adrenalin aus der Mebenniere ausschfitten kann, ist nicht zu bezweifeln. Solange sie nen war, ist sie sehr beachtet worden und sogar der Hochdruck mit ihr in ]3eziehung gebracht worden. Insbesondere bieten die Untersuchungen yon W. B. CAXNON 2, yon FR. EIC~II~OLTZ 3 u n d ANITSCI-IKOW 4 etwas Anhalt zu quantitativer Spekulation. ANITSCI-IKOW 4 besonders hat die ausgesclmittene Nebenniere in einen Herz-Lungen-Kreislauf nach STARLING mit ge- gebener Blutmenge gebracht. \Venn er das Blur mit Nicotin im Verh~ltnis yon I : IOOOO his I : I Million versetzte, bekam er Adrenalinausschfittung, abet nut anseheinend sto/3weise, obwohl das System ein geschlossenes war und demnach eine Dauersekretion sich h~tte ergeben sollen. Nun haben wir gefunden, dab an der adrenalinstoBartlgen Kurve der Abb. I kein Adrenalin beteiligt sein kann, denn die Kurve sieht genau so aus, wenn mall am nebennierenlosen Tier mit gleichei1 Dosen Nicotin arbeitet. Kfirzlich ist yon W. STRAI3B und K. STEEs 5 ein Adrenalinantagonismus gefunden worden, der darin besteht, dab Adrenalinwirkungen am ]31utdruck abgefangen, aufgehoben oder gebremst werden k6nnen, wenn man intraven6s Ferrosalzl6sungen injiziert. Die Reaktion ist sehr empfindtich. Wit haben nun in unseren Blutdruckkurven nach Micotill weder bei Injektion noch hei Infusion in keinem Stadium der Vergiftung nach Ferrosalzinjektionen den charakteristischen Einbruch in die Blutdruckkurve erhalten. Also kann man sagen, dab zum mindestell beim Tabakraueher 15

Über die Wirkung des Nicotins und die Diätetik des Tabakgenusses

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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT x9. J A H R G A N G Nr. 8 24. F E B R U A R 194o

ORI GI NALI EN.

0B E R DIE WIRKUNG DES NICOTINS UND DIE DIATETIK DES TABAKGENUSSES*.

V o n

W. STRAUB u n d A U G U S T A M A N N , M t i n c h e n .

Die a k u t e W i r k u n g e iner i n t r a v e n 6 s t 6d l i chen Dosis yon Micot in 5,uBert inch a n de r K a t z e in fo lgender Wei se : F a s t s o f o r t n a c h de r E i n v e r l e i b u n g s t a r k e Vagusre izung , d a n n V a g u s l ~ h m u n g , d a n n s t a r k e B l u t d r u c k s t e i g e r u n g , die l a n g s a m a b f M l t zu e iner B l u t d r u c k s e n k u n g u n d n a c h wenigen M i n u t e n u n t e r L ~ h m u n g de r A t m u n g Tod. Das alles i s t die W i r k u n g y o n o ,oor5 g Micot in p r o K i l o g r a m m Tier (s. Abb . i) . Da- n e b e n b e s t e h t n o c h m a n c h e aku te , n i c h t t6d l iche W i r k u n g , u. a. e ine zu r A d r e n a l i n a u s s c h f i t t u n g f t ih rende R e i z u n g de r N e b e n n i e r e n . B r i n g t m a n das Micot in n i c h t a n t d e m Wege de r p l6 t z l i chen I n j g k t i o n in das Blu t , s o n d e r n d l l rch l a n g s a m e In fus ion , i n d e m m a n e t w a die O i f t a u f n a h m e b e i m R a u c h e n zei t l ich kop ie r t , so wi rd die Sache ganz a n d e r s wie die Tabe l le i zeigt , bei de r es s ich n m die i n t r a v e n 6 s e In fus ion e iner o, 5 proz. L S s u n g ra i t v e r s c h i e d e n e n G e s c h w m d i g k e i t e n h a n d e l t . E s zeigt sich, d a b d e r G i f t v e r b r a u c h bis z u m Tod d u t c h A t e m - l ~ h m u n g de r I l l fus ionsze i t u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l ist . Von de r se lben L6sung , aus de r bei de r m a x i m a l e n E i n v e r l e i b u n g s - ge schwind igke i t de r I l l j ek t ion 1, 5 m g / k g Micot in t 6d l i ch s ind, w e r d e n 8,71 m g (s. Mr. 2 de r Tabe l l e i) bei e iner 242 M i n u t e n d a u e r n d e n In fus ion , a lso 5 rea l m e h r , z u m gleiet~en Zweek v e r b r a u c b t . Ja, m a n k a n n eine I n f u s i o n s g e s c h w i n d i g k e i t f in- den, bei de r das Micot in gar l l i eh t m e h r t 6d l i ch w i r k t (s. Nr . I d e r Tabe l te I). D e r a k u t e N i c o t i n t o d i s t bei j ede r w l r k s a m e n

Tabelle I. W i r k s a m k e i t d e s N i c o t i n s b e i v e r s c h i e d e n e r I n f u s i o n s d a u e r .

Nicotm Nr. mg/kg/Std. Bemerkungen

i. II 1,15 2. ] 2 ,10 3- ' 2,50 4. 3,IO 5. 7,IO

Infusionsdauer Absolute Menge Min. mg

551 Io,55 242 8,71 159 6,74 116 5,93

44 5,21

lebt to t to t to t to t

Nico t indos i s u n a b h X n g l g v o n de r Zei t de r Reso rp t i on , ein Tod d u r c h A t e m l ~ h m u n g . Es i s t a n z u n e h m e n , d a b die tSd- l iche Menge i m m e r die k le ins te Dosis y o n 1,5 m g / k g ist . D a r a u s folgt aber , d a b de r V e r g i f t u n g ein E n t g i f t u n g s p r o z e g en tgegenwi rk t , d e r a m e f f ek t i v s t en ist, je l~nger m a n i h m Ze i t zu r \ N i r k u n g l~Bt. Dieses O p t i m u m is t z. B. i m Fa l l Mr. I de r Tabe l le i e r re ich t , wo kein T od e in t r i t t , abe r lO,55 mg e n t g i f t e t we rden . D a im m e n s c h l i c h e n K 6 r p e r n a e h den e x a k t e n U n t e r s u c h u n g e n y o n BODNAR, J. VITEZ, LADISLAUS NAGu u n d ALEX. DICKMAXN ~ eine A u s s e h e i d u n g yon Mieot in n a c h R a u c h e n a u c h groBer Mengen y o n Z i g a r e t t e n n i c h t s t a t t - f i l ldet , i s t es s eh r wahr sehe in l i eh , d a b diese E n t g i f t u n g Folge e iner c h e m i s c h e n Z e r s t 6 r u n g ist .

M a n kan l l s ich m i t d e m Nico t in in den K 6 r p e r e inschlei- chen, o h n e d a b j ene k a t a s t r o p h a l e n W i r k u n g e n de r Vagus- re izung, LS~hmung, B l u t d r u c k s t e i g e r u n g a u f t r e t e n wie bei de r I n j e k t i o n . Z . B . i s t s chon bei de r N ico t i nbe ib r ingung , Nr. 3 de r Tabel le i , n i c h t s m e h r yon M1 diesel1 W i r k u n g e n zu

sehen , de r Tod i s t ein r e ine r A t m u n g s t o d . M a n k a n n a b e t a u c h Reso rp t i ons ges chw i nd i gke i t e l l e inha l t en , bei d e n e n viel- f a c h t6d l i che Dosen de r D. 1. m. wi rkungs los v e r b l a u c h t werden .

Die B e d i n g u n g e n des R a u c h e n s s ind bei de r K a t z e d u r c h die Z a h l e n de r Tabe l le I fes tgelegt . Den zah lenmf ig igen An- * Erscheint ausfuhrlich im Archly ftir experimentelle Pathologie und Pharmakologie.

IKlinische Wochenschrift, 19. Jahrg.

schluB ans Menschl iche e rgeben die o b e n e r w ~ h n t e n U n t e r - s u c h n n g e n yon BODNAR, J. VITEZ, LADISLAUS MAGY u n d ALEX. DICKMANN 1 m i t zuvert/~ssigen c h e m i s c h e n M e t h o d e n . Die A u t o r e n wiesen b e k a n n t l i c h nach, d a b b e i m Z lga r e t t en - r a u c h e n des Menschen n a h e z u alles Micotin, das in Mund , Nase, R a e h e n ode r L u n g e gelangt , r e s o r b i e r t wird, abe r so gu t wie n i ch t s ausgesch ieden wlrd. Es wurde gefunden , d a b ein R a u c h e r , de r i n n e r h a l b yon 18 S t u n d e n 40 Z i g a r e t t e n g e r a u c h t ha t , 224 m g Micot in r e so rb i e r t e n n d dabe i ke ine V e r g i f t u n g zeigte, a b e t bei d ieser P r o z e d n r die v ie l fach t6d- l iche Dosis ftir den Menschen , die zu 0,05 g a n g e n o m m e n wird, s ich e inver le ib te .

M a n wird n i c h t f eh lgehen , w e n n m a n die q u a n t i t a t i v e n B e d i n g u n g e n des m e n s c h l i c h e n R a u c h e n s h in s i ch t l i ch des Micot ins bei Nr. 2 de r Tabe l le I ode r n o c h d a r u n t e r e in re ih t . D a n a c h den o b e n g e n a n n t e n U n t e r s u c h e r n 1 ans e iner Z iga re t t e 5 - - 6 m g Nico t in zu r R e s o r p t i o n k o m m e n , l ind da auBerdem die R e s o r p t i o n y o n gasf6rmigel l S toffen yon de r Nasen - R a c h e n - S c h l e i m h a u t aus seh r grf indl ich u n d rasch erfolgt , k a n n m a n woh l vo raus se t zen , d a b die N i c o t i n b l u t w e r t e de r i n f u n d i e r t e n K a t z e n m i t d e n e n des Menschen s ich decken k6nnen , also Schltisse yore Tie r au f den M e n s c h e n e r l a u b t s ind.

Die D i~ t e t i k des R a u c h e n s s t e l l t die Rege ln dar , wie aus d e m Genu/3gift ein u n g e s t r a f t genieBbares Gif t wird, also dm ra t ione l l en U m g a n g s f o r m e n m i t d e m Gift , so d a b bloB de r GenuB i iberb le ib t . Die K u r v e I g ib t n u n ga r ke ine p r a k t i s c h e L e h r e als h 6 c h s t e n s die, dab solche Grade yon \V i rkung d u t c h R a u c h e n n i c h t erz ie l t we rden k6nnen . A u c h de r k rasses ie A n f a n g e r wi rd so ein t6d l iches R a u c h e n yon T a b a k (Nr. 5 de r Tabe l l e I) n i c h t 44 M i n u t e n l ang a u s h a l t e n , er legt bei den e r s t en Anze ichen das R a u c h m a t e r i a l weg, ff ihl t s ich viel- l e i ch t t6d l i ch nnwoh l , a b e t er en tg i f t e t das Micotin, das er a u f n a h m . E r wird sehr ba ld n a c h Tal l I in Tabel le I r auchen , d. h . m i t vo r s i ch t i ge r L a n g s a m k e i t , d e n n es ~st Mar, d a b eine , , schwere" Zigarre n u r schwer wird, w e n n m a n sie zu r a sch r a u c h t . Wiev ie l Micotill sie en th~ l t , i s t e igent l ich w e i t g e h e n d gleichgfittig. Also, die e r s te Regel der D i~ te t ik des Rauche l f s heif3t , , l angsam r a u c h e n " .

Die Ta t sache , d a b Nicot in A d r e n a l i n aus de r Mebennie re aus sch f i t t en k a n n , i s t n i c h t zu bezweifeln. Solange sie n e n war, i s t sie s eh r b e a c h t e t w o r d e n und sogar de r H o c h d r u c k m i t ih r in ]3eziehung g e b r a c h t worden . I n s b e s o n d e r e b i e t e n die U n t e r s u c h u n g e n yon W. B. CAXNON 2, yon FR. EIC~II~OLTZ 3 und ANITSCI-IKOW 4 e twas A n h a l t zu q u a n t i t a t i v e r Speku la t ion . ANITSCI-IKOW 4 besonde r s h a t die a u s g e s c l m i t t e n e N e b e n n i e r e in e inen H e r z - L u n g e n - K r e i s l a u f n a c h STARLING m i t ge- gebene r B l u t m e n g e gebrach t . \Venn er das B l u r m i t Nico t in im Verh~ l tn i s yon I : IOOOO his I : I Mil l ion verse tz te , b e k a m er Adrena l i naus sch f i t t ung , a b e t n u t a n s e h e i n e n d sto/3weise, obwohl das S y s t e m ein geschlossenes wa r u n d d e m n a c h eine D a u e r s e k r e t i o n s ich h ~ t t e e rgeben sollen. N u n h a b e n wir ge funden , d a b a n de r a d r e n a l i n s t o B a r t l g e n K u r v e de r Abb . I ke in Adrena l i n be te i l ig t sein k a n n , d e n n die K u r v e s i eh t genau so aus, w e n n mal l a m n e b e n n i e r e n l o s e n Tier m i t gleichei1 D o s e n Nico t in a rbe i t e t . Kfirz l ich i s t y o n W. STRAI3B u n d K. STEEs 5 ein A d r e n a l i n a n t a g o n i s m u s ge funden worden , de r d a r i n b e s t e h t , d a b A d r e n a l i n w i r k u n g e n a m ]31utdruck abge fangen , a u f g e h o b e n oder g e b r e m s t werden k6nnen , w e n n m a n i n t r a v e n 6 s Fe r ro sa l z l6 sungen in j iz ier t . Die R e a k t i o n i s t s eh r empf ind t ich . W i t h a b e n n u n in u n s e r e n B l u t d r u c k k u r v e n n a c h Micotill weder bei I n j e k t i o n n o c h hei I n fu s ion in k e i n e m S t a d i u m der V e r g i f t u n g n a c h F e r r o s a l z i n j e k t i o n e n den c h a r a k t e r i s t i s c h e n E i n b r u c h in die B l u t d r u c k k u r v e e r h a l t e n . Also k a n n m a n sagen, d a b z u m mindes t e l l b e i m T a b a k r a u e h e r

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Page 2: Über die Wirkung des Nicotins und die Diätetik des Tabakgenusses

I70 STRAUB und AMANX, Wirkung des Nicotins. Klinische Wochenschrfft

keine Adrenalinwirkung auf den Blutdruek mitspricht. Die nieht zu bezweifelnde Adrenalinausschtittung des Experi- ments spielt also in der DiAtetik des Tabakrauchens keine Rolle, es reicht schon mengenmAl3ig nicht dazu.

Nun aber erhebt sieh die l~rage: Was ist denn dann fiber- haupt los mit dem Nicofinschaden? Ist Nicotin vielleicht fiberhaupt kein GenuBgift, sondern blo13 ein Genugmittel?

Dazu ist zu sagen, daB auch an rein chronische Wirkungen zu denken ist, die nicht an best immte Mengen gekntipft sind,

Abb. 1. Wirkung der intravenbsen Injektion einer tbdlichen Dosls voI1 Nicotin.

sich an ganz anderen Organen auswirken als die akuten, und bei denen das entscheidend schAdliche Moment auf Grund yon jahre- bis jahrzehntelangem GenuB eintritt, vielleicht auch nach mehr oder weniger gemAgigten Katastrophen an peri- pheren Nerven oder BlutgefABen, also ganz woanders als im akuten Versuch der Abb. I angreift. Diese Dinge entziehen sich aber wenigstens beim Nicotin bislang noch dem Tier- experiment, mfissen zugegeben werden, k6nnen aber nicht gemessen und diskutiert werden.

ist an die Anwesenheit des Nicotins gekniipft, sie macht der normalen Erregbarkeit des Vagus bald Platz, wenn man die Infusion abstoppt. Das Bemerkenswerte ist abet dies, dab mit zunehmender Vergiftung die Vaguszacke umschlAgt und als betr~chtliche Blutdrueksteigerung nach oben geht, und dieser paradoxe Effekt bleibt auch nach Absetzen der Nicotinzufuhr betrAchtlich 1Xnger bestehen, wohl noch in die Zeiten hinein, wo schon ein chemiseher Entgif tungsvorgang am Werk ist.

Was ist hier am Vagus los? Der paradoxe Erfolg der Vagusreizung

(Blutdrucksteigerung) unter Nicotineinflug legt ; ieVermutung nahe, daB wir hier in das Gebiet

des Nervus depressor geraten sind, der bei Katzen mit dem Vagusstamm am Halse zu- sammen verlAuft und bei der elektrischen Vagus- reizung mitgereizt wird.

Der N. depressor ist bekanntlich jener in seinen AnfAngen in der Aortenwand dehnungs- empfindliche Nerv, der bei seiner physio- logischen Reizung durch zu hohen Blutdruck die so erhaltene Erregung zum Sympathieus- grenzstrang leitet und dort umgeschlagen wird zum gefAgerweiternden Nerven- ein einfacher Reflexbogen. Er ist so imstande, den Blut- druck konstant zu erhalten, auch wenn dieser eigentlich steigen miigte (s. EBERHARD KOCI#, W. M. ]3AYLISS~) . Wir haben nun diesen De- pressorreflex isoliert untersucht, indem wit den Vagus da, wo er noch die Depressorfaser ent- halt, durchschnitten und den zentralen Stumpf elektrisch reizten. Der Erfolg des Reizes ist eine Blutdrucksenkung, solange der Reiz anhAlt. Wenn wir gleichzeitig eine Nicotindauerinfusion mittlerer Gesehwindigkeit machten, so geschah

folgendes : Der blutdrucksenkende Effekt der elektrisehen De- pressorreizung wurde immer Meiner und kleiner (Abb. 2), ging durch einen Nullpunkt hindurch und schlug dann in eine zu- nehmende Blutdrucksteigerung urn. Naeh Absetzen der Nicotin- infusion hielt der paradoxe Erfolg noeh eine Weile an, um dann wieder normal zu werden. Es dauerte ziemlich lange, his wieder v611ige Normalit~.t eintrat. Dieser Nicotineffekt erschien auch bei der nichtt6dlichen Infusionsgesehwindigkeit und hat nach obenstehenden Auseinandersetzungen auch beim Tabak-

Abb. 2. Relzung des zentra/en Vagusstumpfes unter Nicotinwirkung. a Normalzustand. b- -d Vagusrelzung unter Infusion vorl Nicotm. Es And bei b 2,05 rag, bel c 5,08 rag, bei d 9,16 mg Nlcotm eingetlossen.

Ein Bindeglied zwischen der subakuten Wirkung des Experiments und der reln chronisehen der Erfahrung glauben wit nun gefunden zu haben, als wir uns mit der Innervation des Herzens unter Nicotininfusion befaBten.

Wit priiften die Erregbarkeit des Herzvagus am Blut- drnek, und zwar die des isolierten, aber nicht durchschnittenen Vagus. Dabei fanden wir eine AbschwAchung des Vagus- effektes auf elektrisehe Reizung all Herz und Kreislauf schon bei geringen Graden unserer Nicotinwirkung. Diese L~ihmung

rauchen seine Entstehungsm6gliehkeiten. Die Deutung des Experiments diirfte in folgendem liegen: Nicotin, das ja iiberhaupt Ganglienzellen als Angriffspunkt bevorzugt, trifft das im Grenzstrang hegende Umsehlagszentrum der an- kommenden Depressorerregung. Diese versackt darin und wird nicht in die periphere Bahn des Dilatators geleitet, schlieglich wird die Umschlagsstelle sogar gelAhmt, die Er- regung entgleist und geht in die Vasoeonstrictoren. Solches Verhalten ist nicht ohne Analogon; denn fiir Strychnin-

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Jg. x9, Heft 8 ST6GER, Nie renschwel le und C-Vi tamin. I T I 24. Pebruar E94o

wirkung ist es schon yon BAYLISS 7 angenommen woxden, Beide Erscheinungsformen der Nicotinwirkung im Depressor sind eine nicht unbedenkliche Kreislaufst6rung. Im Anfang wird schlecht bis gar nicht reguliert, sp/~ter sogar falsch.

Ftir die Pathologic des Ranchens scheint der Nicotin- angriff auf den Depressorreflex recht bedenklich. Es kann ein Regu]ationsdefekt im Blutdruck entstehen, die Folgen yon solehen jahrelangen Regulationsst6rungen k6nnen sekun- dAr sein und dutch das sonst wirksame Vermindern der Rauch- geschwindigkeit nicht verhindert werden. Bet aus anderen Grfinden schon bestehendem Hochdrnck verlangt der vor- siehtige Arzt eine Rauchgeschwindigkeit = Null, d. h. re- signierfes Aufgeben des Tabakgenusses. Das ist dann die ein- fachste und konsequenteste Di~tetik des Rauchens.

Wenn unsere Untersuchungen nnd die aller anderen For- scher ant dem Nicofiingebiet in der Frage der Di~tetik des Rauehens schon allerlei KlXrnng gebracht zu haben scheinen, so klAren sic doch niehts in der groBen, immer noch offenen Frage: V/arum raucht der Mensch denn fiberhaupt ? Wegen des Nieotins oder t rotz des Nicotins ?

L i t e r a t u r : t Biochem. Z. 276, 3I 7 (1935). -- 2 j . of Pharma- col 3 (191I). -- 3 Arch. f. exper. Path. 99 (1923). -- * Arch. I. exper. Path. 137 (1928). -- 5 W. STRAUB U. K. STEFANSSON, Arch. L exper. Path. (ira Druek). -- s EBERHARD KOCH, Die reflektorische Selbststeuerung des I<reislaufes. Dresden u. Leipzig: Theodor Steinkopff 193 L -- 7 W. M. BAYLISS, The Vaso-Motor-System, Mono- graphs on Physiology. London: Langmanns, Green & Co.

DIE NIERENSCHWELLE UND IHRE BEEINFLUS- SUNG DURCH C-VITAMIN.*

Von

RICHARD STOGER. Aus tier II. Medizinischen Universitatsklinik Wien (Dir.: Prof. N. v. JAGI0).

Erst als LgPINE und I(LEMPERER eine Zuckerausscheidung ohne Hyperglyk~mie beim Menschen beschrieben und damit den Diabetes renalis entdeckten, wurde der Nierenschwelle das geb/ihrende Interesse einger~umt.

Unter Nierenschwelle vers teht man jene Blutzueker- konzentradon, bet deren Oberschreitung Zucker im H a m auftTitt. Bet nichtdiabetischen Individuen kann die Nieren- schwelle einfach best immt werden, indem durch irgendwelche MaBnakmen, set es dureh Adrenalin oder durch Trauben- zuckerbelastung, eine Hyperglyk/imie hervorgerufen und der gleichzeifig mit der Blutabnahme gelassene Harn auI Saccha- rum unter,mcht wird. Bet Diabetikern wird man im Zustande der Aglykosurie durch t~igliche Zulagen yon Biohlehydraten die Blutzuekerkonzentration allm/ihHch steigern oder durch akute Belastung die bestehende Hyperglyk/~mie erh6hen und jenen Blutzuckerwert, bet dem der H a m eben noch zuckerfrei ist, Ms Nierenschwelle festhalten. Bet zuckerkranken Pafienten mit Glykosmrie hingegen kann Insulin verwendet werden, bis der H a m Nylander-negativ ist oder dutch eine entsprechende Einschritnkung der t(ohlehydratzufuhr die Zuckerausschei- dung im Harn z u m Verschwinden gebracht ist.

Eine Ver~nderung der Nierensehwelle dutch gew6hn- liches Insulin ist nicht festgestellt (FALTA).

Ffir eine exakte Bestimmung der Blutzuekerschwelle mug B2atheterharn verwendet werden, wobei der eingeffihrte Katheter w/~hrend der ganzen Versuchsdauer liegenbleiben mug, da ja stgndig H a m yon der Niere in die Blase ab- flieBt. Prakfisch kommt man meistens ohne Kathe ter aus; es ist nur bet den betreffenden Versuchskurven zu berficksieh- tigen, dab der als Nierenschwelle gefundene Wert eventuell be- reits den Beginn der beim n/iehst h6heren Blutzueker gefun- denen Glykosurie anzeigt.

Vorerst m6chten wir nun allgemeine Erfahrungen, die wit aus dem Krankengut der Diabetesambulanz der I~21inik sch6pfen konnten, mitteilen.

* For die freundliche f]berlasstmg der entsprechenden Mengen Redoxon (C-Vltarmn) sind wit der Firma F. Hoffmann-La Roche & Co. A.G., Berlin, zu groBem Dank ver- pflichtet.

Die angef~hr als normal zu bezeichnende Nierenschwelle betr~gt bei Menschen mittleren Alters 185 mg % Blutzucker. Einschr~nkend bemerken wir dazu, dab dieser W e f t bis zu einem gewissen Hunderfsatz nur einen Mittelwert darstel l t ; denn wir konnten bei den einzelnen Patienten recht ver- schiedene Blutzuckerkonzentrationen als Nierenschwelle er- heben. Meistens bewegten sich die Zahlen zwischen i 7 o m g % uud 200 mg %.

Bei jfingeren Individuen kann jedenfalls die Schwelle als, niedriger bezeichnet werden. Jedoch finden wir auch bei ~lteren Patienten (50 nnd 7 ~ Jahren), besonders bei solchen, die h~iufig Di~itfehler machen, in ungef/ihr I5.% der Fglle einen Nierenschwellenwert unter I8o mg %. 7 ~ % dieser Alters- stufe besitzt einen Schwellenwert, der welt fiber 2oo rag% hinausreicht. Bet den restlichen 15 % betr/igt der Nieren- schwellenwert meistens u m 20o mg %.

Im altgemeinen kann auch gesagt werden, dab mit zu- nehmendem Alter des Diabetes, mit anderen Worten bei Pafienten, die bereits mehrere Jahre an Zuckerkrankheit leiden, die Nierenschwelle steigt. Darin dart gewissermaBen eine Selbsthilfe des Organismus, der den sch~idigenden Zucker- verlust verhindern will, gesehen werden.

Macht nun ein Zuckerkranker einen schweren Di~itfehler, n immt Zucker zu sich oder vergiBt sich an einer gezuckerten Mehlspeise, so kommt es schlagarfig wieder zum Absinken der schon langsam emporgestiegenen Blutzuckerschwelle. I s t der Di~tfehler nicht s'ehr grog gewesen, ha t z. B. ein gut- artiger Altersdiabetes Bier getrunken, so wird die Nieren- schwelle racist nut etwas absinken, der Blutzncker gar nicht oder nur kaum steigen. Es ist daher nicht verwunderfich, dab der Pat ient bet demselben Blutzucker, bet dem e r v o r dem Di~tfehler keinen Harnzucker hatte, je tz t post festum Saccha- rum ausscheidet. In diesen F~tIlen ist bet strenger Befolgung der Digit bald wieder Zuckerfreiheit im t tarn erreicht, da die Schwelle durch leichtere Dfiiffehler nicht besonders betroffen wird.

Sehr gut zu dieser Beobachtung paBt anch die Tatsache, dal3 bet intraven6ser Zuckerverabreichung, aIso bet akuter B elastung, die Nierenschwelle tiefer liegt als bet allm~ihlicher Steigerung der Kohlehydratzufuhr (H. J. HAG~DORN, JAKOB- SON, FABER).

Es kann sogar durch einen leichten Di~tfehler oder noch hXtifiger dnrch eine Erk~Itnng oder Infektion, wie folgender Fall zeigt, nicht nur der Nierenschwellenwert, sondern auch gleichzeifig der Blutzucker absinken. (Zwar in sehr geringem Ausmal3 bis 8 mg %, ein Wert, der noch innerhalb der max ima- len Fehlergrenze liegt und daher nicht allzuviel Bedeutunghat.)

53jXhr. Pat., der seit 5 Jahren zuckerkrank ist und seit April I935 in Behandlung unserer Diabetesambulanz steht.. Be/ Ein- leitung der Therapie hatte der Kranke folgenden Befund: Harn- menge 25oo ecru. Saech. 3,5%, d. i. 87, 5 g. Blutzucker 280 rag%. Auger Hautjueken hatte der Pat. keine Beschwerden. Der klinische- Status hot keine erwXhnenswerte Besonderheit Der Pat. lebte bet gew6hnlicher Kost mit Zucker. Im Laufe der ]3ehandlung gelang es, ohne Insulin, den Pat. auf Normalkost ohne Zucker be~ Sacch. neg. Ham zu bringen. In den letzten 2 Jahren schwankten die Blutzuckerwerte zwischen I6o und 2o0 rag%, wobei der Ham immer Nylander-negativ war. P16tzlich %rat bet einem Blutzucker yon I56 mg% nach einem B2atarrh der oberen Luftwege und einer Ieichten Angina tonsillaris eine Glykosurie yon 0,4%, das ist bet einer Harnmenge von2ooo ccm 8 g, auf.

Aus diesen Ausffihrungen geht also deutlicl~ hervor, dal~ der Schwellenwert der Niere ffir Zucker sehr variabel ist und durch versehiedene Umst/~nde, wie Di~tfehler, l~omplizierende Krankheiten und auBerdem durch U m s t e l l u n g yore gew6hn- lichen auf Depotinsulin, sowie durch hormonale wie psychische Ver~nderungen beeinflnBt werden kann.

Wir haben diese scheinbar selbstverst~indlichen t3ezie- hungen zwischen Blutzucker und Nierenschwelle deshalb ausffihrlicher besprochen, weil wir besonders den engen Zu- sammenhang zwischen Nierenschwelle und dem erh6hten ]31utzucker als Ausdruck der diabetischen Stoffwechselst6rnng unterstreichen m6chten.

An dieser Stelle set auch die Tatsache, auf die schon FALTA hingewiesen hat, erw~ihnt, dab der Blutzucker-

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