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H. K i 1 i a n i : TJeber Digitoxin. 431 Ueber Digitoxin. Von H. R i l i a n i . (Eingegangen den 6. VII. 1896.) Im vorigen Jahre berichtete ichl), dafs Aether aus den miisserigen, ganz besonders aber aus den allroholischen Extrakten der Digitalisblatter eine schon krystallisierende Substanz aufnimmt, welche zweifellos ein Glycovid ist. Obwohl letztere Eigensclisft nach S c h m i e d e b e r g's Angabe dem Digitoxin fehlen sollte, spracten doch sehon damals mancherlei Griinde fur eine magliche Identitat d ar beiden Praparate, so dais ich mich veranlafst sah, rueine ,,Kry- s~alleaus Aether" bis zur definitiven Aufklarung der Sachc ale ,8-Digitoxin zu bezeichnen. Die nachstehenden Ausfiihrungen sollen nun zunachst die Be- weise fiir die thatsachliche Identitat der erwahnten Korper liefern und dann neue Beitrage zur Kenntnis des Digitoxins nnd seiner Spaltungsprodukte bringen. Leider ist dieser zweite TeiI der Arbeit reihc an negativen Ergebnissen, und wo positive vorliegen, erscheinen dieselben sehr erganzungsbediirftig. Wenn ich trotz dieses Man- gels das Ganze der Oeffentlichkeit iibergebe, so bestimmen mich dazu zwei Griinde: einerseits ist zur Zeit mein Material vollig auf- gebraucht, neues aber im gunstigsten Falle erst in einigen Monaten zu beschaffen ; andererseits hat sich herausgestellt, dafs mir friiher he- treffs der Zusammensetzung des Glycosides ein wesentlicher Irrtum unterlief, dessen Berichtigung ich nicht langer hinausschieben mochte. Identitat von a- und p-Digitoxin. Da die Firma 11 e r c k ausdrucklich angiebt, dak das Digitoxin, welches sio jet26 in den Handel bringt, nach S c h m i e d e b e r g's Methode bereitet wird, ersparte ich mir die Muhe, das &-Digitoxin selbst darzustellen, ich bezog vielmehr eine grokxwe Menge desselben von M e r c k und verglich dasselbe auf's Gtenaueste mit meinem p-Digitoxin. Das neuerdings von jener Fabrik ubersandte Praparat war entschieden reiner als jenes, welches ich im vorigen Jahre unter den Hhnden gehabt hatte ; es schied sich aus heifsem 85 prosentigem Alkohol sofort indurch aus einheitlichen, farblosen Krystallbliittern ab. Zu meiner Ueber- 1) Dieses Archiv 233, Heft 4. Arch. d. Pharm. CCXXXIV. Bds. 7. Heft. 31

Ueber Digitoxin

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H. K i 1 i a n i : TJeber Digitoxin. 431

Ueber Digitoxin. Von H. R i l i a n i .

(Eingegangen den 6. VII. 1896.)

I m vorigen Jahre berichtete ichl), dafs Aether aus den miisserigen, ganz besonders aber aus den allroholischen Extrakten der Digitalisblatter eine schon krystallisierende Substanz aufnimmt, welche zweifellos ein Glycovid ist. Obwohl letztere Eigensclisft nach S c h m i e d e b e r g's Angabe dem Digitoxin fehlen sollte, spracten doch sehon damals mancherlei Griinde fur eine magliche Identitat d ar beiden Praparate, so dais ich mich veranlafst sah, rueine ,,Kry- s~alle aus Aether" bis zur definitiven Aufklarung der Sachc ale ,8-Digitoxin zu bezeichnen.

Die nachstehenden Ausfiihrungen sollen nun zunachst die Be- weise fiir die thatsachliche Identitat der erwahnten Korper liefern und dann neue Beitrage zur Kenntnis des Digitoxins nnd seiner Spaltungsprodukte bringen. Leider ist dieser zweite TeiI der Arbeit reihc an negativen Ergebnissen, und wo positive vorliegen, erscheinen dieselben sehr erganzungsbediirftig. Wenn ich trotz dieses Man- gels das Ganze der Oeffentlichkeit iibergebe, so bestimmen mich dazu zwei Griinde: einerseits ist zur Zeit mein Material vollig auf- gebraucht, neues aber im gunstigsten Falle erst in einigen Monaten zu beschaffen ; andererseits hat sich herausgestellt, dafs mir friiher he- treffs der Zusammensetzung des Glycosides ein wesentlicher Irrtum unterlief, dessen Berichtigung ich nicht langer hinausschieben mochte.

I d e n t i t a t v o n a- u n d p - D i g i t o x i n . Da die Firma 11 e r c k ausdrucklich angiebt, dak das Digitoxin, welches sio jet26 in den Handel bringt, nach S c h m i e d e b e r g's Methode bereitet wird, ersparte ich mir die Muhe, das &-Digitoxin selbst darzustellen, ich bezog vielmehr eine grokxwe Menge desselben von M e r c k und verglich dasselbe auf's Gtenaueste mit meinem p-Digitoxin. Das neuerdings von jener Fabrik ubersandte Praparat war entschieden reiner als jenes, welches ich im vorigen Jahre unter den Hhnden gehabt hatte ; es schied sich aus heifsem 85 prosentigem Alkohol sofort indurch aus einheitlichen, farblosen Krystallbliittern ab. Zu meiner Ueber-

1) Dieses Archiv 233, Heft 4. Arch. d. Pharm. CCXXXIV. Bds. 7. Heft. 31

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raschung erhielt ich aber bei der Analyse dieser Krystalle fast genau dieselben Zahlen wie im Vorjahre, wahrend ich damals vermutet hatte, der hijhere Kohlenstoffgehalt, welchen S c h m i e d e b e r g ' s und M e r c k 's Digitoxin aufwiesen, sei einer Verunreinigung zuzu- schreiben. Dies veranlafste mich, noch eine griilsere Anzahl von Analysen meines &Digitoxins, sowie des p-Digit oxigenins u n t e r A n - w e n d u n g v o n p u l v e r f i j r m i g e m K u p f e r o x y d auszu- fiihren, wobei sich bald zeigte, dak ich hier fiir den Eohlenstoff zu niedrige Zahlen, beim a-Digitoxin aber zufallig annahernd richtige Werte gefunden hatte.

Analysen von wasserfreiem a-Digitoxin : I. 11. Schmiedeberg

C 63,14 63,45 63,60 H 8,68 8,60 8,50

Analyeen van wastierfreiem ,&Digitoxin : friiher jetzt

I. 11. 111. I V . C 62,06 63,66 63,36 63.21 63,91 H 8,67 8,13 8,34 8.51 8,68

Der Widerspruch betref% der Zusammensetzung ist also be- seitigt. Weiterhin zeigen beide Praparate, wenn sie aus Alkohol umkrystallisiert wurden, den gleichen Schmelzpunkt 1450 und sie verhalten sich auch bei der Spaltung vollkommen gleich. Ich habe aus a-Digitoxin das Digitoxigenin und die Digitoxose in ganz gleicher Weise und mit genau denselben Eigenschaften gewonnen, wie aus dem p-Digitoxin. Ferner ergab sich bei der Prufung der CL- und p- Korper mit eisenhaltiger Schwefelsaure I) nicht die geringste Differenz in dem beiderseitigen Verhalten und endlich kon~tatiert~e noch Herr Prof. B o e h m Uebereinstimmung in der pharmakologischen Wirkung. D i e P r i i f i x a a u n d s i n d a l so u b e r f l u s s i g , Schmiede- b e r g ' s D i g i t o x i n i s t s i c h e r e i n Glycos id und d a s s e l b e k a n n a u s d e n E x t r a k t e n d e r B l a t t e r m i t t e l s A e t h e r ge- wo n n en w e r d en. Von der rnutmafslichen Formel des Glycosids wird spiiter die Rede sein.

E i g e n s c h a f t e n d e s D i g i t o x i ns. Betreffs des aufserst charakteristischen Verhaltens des Glycosids zu eisenhaltiger Eisessig- Schwefelsaure sei auf meine friihere Publikation hingewiesen.

1) Dieses Archiv 234, Heft 4.

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Digitoxin lost sich in heifsem Wasser kaum mehr als in kaltem Verteilt man Digitoxin in 1 etzterem und eetzt Gerbsaurebsung hinzu, so verandern die Krystalle ihr Aussehen nicht und das Wasser wird. auch nicbt milchig trtib; das Glycosid durfte demnach kaum durch Gerbsiiure fallbar sein.

Beim Erhitzen von 0,3 g wasserfreiem Digitoxin rnit konz. Jodwasserstoffsaure im Apparate von Z e i s e 1 bekam ich keine Spur von Jodsilber, monach weder das Glycosid noch eines seiner Spaltungsprodukte Nethoxyl enthalten murde.

S p a l t u n g d e s D i g i t o x i n s . Die fruher fur diesen Zweck empfohlene Nethode hat inzwischen einige kleine, aber wesentliche Verbesserungen erfahren und soll deshalb hier voll- stgindig wiedergegeben merden.

Nan ubergiefst 1 T. lufttrockenes Glycosid mit 10 T. eines Gemisches von 8 T. 50prozentigem Alkohol und 2 T. konz Sdz- saure (1,19). Bei fleifsigem Umschwenken der vor Verdunstung ge- schutzten Mischung, deren Umgebung keine hohere Temperatur als 250 C. besitzen soll, lost sich das Digitoxin (auch bei Ver- arbeitung grolserer Dkngen) in liingstens 4-5 Stunden auf. Man giebt dann sofort 5 T. Wasser hinzu, reibt die Glaswand knrze Zeit, verschliefst und laIst ruhig stehen. Die Krystallisatiou beginnt nacb wenigen Dlinuten, bedarf aber zu ihrer Vollendung mindestens 6 Stunden; sie erreicht das Maximum, wenn man daa Gefafs schliefslich noch uber Nacht in einen kuhlen Raum (nicht in Eis) stellt. Das ausgeschiedene Digitoxigenin wird abgesaugt, zuerst mit 30-, dann mit 20prozentigem Alkohol, endlich mit Wasser ge- waschen und trocken geprefst. Filtrat und Waschfliissigkeit warden vereinigt und zweimal rnit Chloroform geschuttelt. Dieses ent- wassert man mittels Natriumsulfat und destilliert es ab; den hierbai verbleibenden Sirup spult man rnit 50 prozentigem Alkohol in eine Schale und erhitzt auf dem Wasserbade bis zum ganzlichen Vcrjagen des Chloroforms, wobei sich noch eine betrachtliche Menge von Digitoxigenin in derben Krystallen abscheidet. Die vom Chloroform getrennte wasserige Zuckerlosung dagegen wird durch Schiitteln mit der entsprechenden Menge Silberoxyd von der Salz- sgure befreit, filtriert und b e i g e w o h n l i c h e r T e m p e r a t u r im Vakuum zum Sirup verdunstet. Dieser verwandelt sich leicht in

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einen Erystallkuchen, den man auf Thon druckt und hier 24 Stunden belafst, wodurch die Erystalle der Digitoxose nahezu rein weifs werden.

D i g i t o x i g e n i n. Betreffs der Reinigung des Rohpro- duktes , dessen Menge regelm8Isig 30- 33 Proz. des Ausgangs- materials betragt, sind meine fruheren Angaben zu benutzen. Nnr empfiehlt es sich die alkoholische Ltisung nach ihrer Sattigung mit Wasser ganz ruhig stehen zu lassen. Hierbei scheidet sich namlich das Digitoxigenin im sehr charakteristischen , farblosen Krystallen ab, deren Aussehen sofort fur ihre Reinheit und Einheitlichkeit Zeugnis ablegt. Sobald auch bei ruhigem Stehen zwischen diesen Erystallen feinkornige, w e i I s e Warzchen auftreten, ist das Material unrein. Derartige Ausscheidungen erhalt man z. B. regelmaCsig aus den letzten, beim Umlrrystallisieren ahfallenden Mutterlaugen.

Digitoxigenin beginnt bei 2250 zu erweichen und ist bei 230° unter Gelbfarbung ganz geschmolzen. Dasselbe enthalt ebenfalls mehr Eohlenstoff, als ich friiher gefunden hatte ; zu den hier ange- fiihrten Analysen wurde pulverformiges Eupferoxyd benutzt.

I. 0,1324 g vakuumtrockene Subutanz au6 Mercks Digitoxin gaben 0,3582 g CO, und 0,1084 R H, 0.

11. 111. 0,1655 g Spaltungsprodukt meiner ,,Krystalle aus Aether"

0,1667 g desgleichen 0,4405 g CO, und 0,1335 g H,O.

lieferten 0,4472 g COz und 0,1298 g H,O. Berechnet fur: Gefunden :

H24 O3 H3a 0, I. 11. 111. C 73.91 73,33 73,78 73,54 73,69 H a,69 8,88 9,09 8,89 8,il.

Friiher hatte ich die Formel CZ1 €I,, O6 (mit 72,41 Proz. C ) an- genommen, welche jedenfalls unrichtig ist. Von den hier neu auf- gestellten Formeln scheint die zweite, C,, H3, Od die richtige zu sein ; wenigstens spricht dafiir der Metallgehalt einer htibsch krystalli- sierenden K a l i u m v e r b i n d u n g D i g i t o x i g e n i n s , zu welcher man auf folgendem Wege gelangt :

Man lost das Digitoxigenin in 5 T. warmen 5prozentigen Alkohols, giebt nach dem Erkalten 1 Mol. EOH (in wasseriger Losung 1 : 5) hinzu und ltifst in verschlossenem Gefafse stehen. Nach 2 Stunden hat eich unter Gelbftirbung der Fltissigkeit eine schone Krystallkruste gebildet; die abgegossene Mutterlauge liefert

d e s

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beim Verdunsten im Vakuum noch eine zweite, schwachere Krystalli- sation, enthiilt aber aukerdem ziemlich vie1 gelbe, amorphe Substanz. Die rohen Erystalle werden auf Thon gebracht, hier durch auftropfen von moglichst wenig Wasser gereinigt, getrocknet und im Minimum von kaltem Bfethylalkohol ge16st. Fugt man hierauf das mehrfache Volumen Aether hinzu, so erhalt man prachtige farblose Warzen von perlmutterglanzenden Blattern, leicht IosIich in warmem, schwer in kaltem Wasser, miiSsig loslich in Aethyl-, leicht in Methyl-Alkohol, unloslich in Aether.

0,2462 g. vacuumtrockene Substanz lieferten 0,0408 g. C1K.

Caz H3i 0 4

Berechnet fur Gefunden : c17 H23 O3

K 12,42 9,i9 8,69.

Zur Ausfuhrung einer zweiteu Bsstimmung fehlt mir leider augenblicklich das Material.

Vielleicht ware noch Trocknung bei 1000 notig gewesen, urn einen vollkommen richtigen Wert zu erhalten. Jedenfalls hat aber die zweite Formel bedeiitend grotsere Wahrscheinlichkeit fur sich, denn sowohl das Aussehen der Krystalle als auch der Verlauf der Ealium- bestimmung selbst lassen mir ein Manko von nahezu 4 Proz., wie es sich bei Annahme der ersteren Pormel ergeben wurde, ganz unmoglich erscheinen.

Die Krystalle blauen befeuchtetes rotes Lackmuspapier stark ; ihre Bildung beruht auf der Gegenwart eines Phenolhydroxyls, nicht auf jener einos Carboxyls, denn kochendes k o h 1 e n s a u r e s Alkali lofst Digitoxigunin nicht auf, wohl aber scheint nach einem vor- liiufigen Versuche obige Kaliumverbindung auch durch Erhitzen des Digitoxigenins mit wafseriger Kalilauge in einer Druckflaschc gewinnbar zu sein und zwar in besserer Aushente und ohne Bildung von schmierigen Nebenprodukten, mie sie bei Aumsndung von Alkohol ziemlich reichlich auftreten.

Die lralt gesattigte wauserige Losung der E a 1 i u m v e r - b i n d u n g g i e b t m i t C h l o r b a r y u m m i e m i t C h l o r - c a 1 c i u m s c h o n k r y s t a 11 i s i e r e n d e A ti s s c h e i d u n g e n ; die Baryumverbindung ist schworer loslich, als jene deu Calciums.

Versetzt m a n eine wiisseiig alkoholische Losung der Ealium- verbindung mit Essigsaure, so krystallisiert wieder Digitoxigenin

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vom Schmelzpunkte 225-230” aus, ein Beweis, dafs lediglich Wasser- stoff durch Kalium ersetzt war.

P h e n y l h y r l r a z i n , s a l z s a u r e s S e m i c a r b a z i d u n d H y d r o x y 1 a m i n reagieren, wenigstens hei gewohnlicher Temperatur, nicht auk Digitoxigenin.

Lafst man bei der Spaltung des Digitoxins die Mischung zu lange stehen oder i u t dabei die Temperatur der Umgebung eine zu hohe, so wird die Ausbeute an Digitoxigenin eine wesentlich geringere , namentlich bekommt man d a m letzteres gemengt mit einer grofseren Quantitat der sch on beim Umkrystallisieren des Rohproduktes erwahnten, weiben Warzchen. Diese Beobachtung gab Veranlassung zu folgendem Versuche :

Einige Dezigramm Digitoxigenin wurden mit 10 T. einer Dlischung gleicher Gewiciitsteile von 95 prozentigem Alkohol und konz. Salzsaure ( 1 , l Y ) ubergossen ; dasselbe loste sich allmahlich auf. Nach 24 Stunden, wobei nur eine Spur von Gelbfarbung auftrat, wurde mit Wasser gesattigt. Es entstand rasch starke Krystallisation von weiIsen Warzchen, deren Schmelzpunkt weit unter j enem desDigitoxi- genins lag. M a n s c h e i n t a l s o a u f d i e s e m W e g e e i n e w e i t e r e S p a l t u n g e r z i e l e n z u k o n n e n .

Meine fruhere Angabe, dafs Digitoxigenin in konz. Salzsaure und in englischer Schwefelsaure keine Farbenerscheinung hervorruft, bedarf der Berichtigung. Wenn man nicht allzuwenig Substanz an- wendet, welchen Fehler ich wahrscheinlich damals beging, wird die konz. Schwefelsaure grun und die eisenhaltige Schwefelsaure rot gef‘arbt.

Zur volligen Reinigung des nach friiher ge- gebener Vorschrift gewonnenen, thontrockenen Zuckers lost man den- eelben im Ninimum von kaltem Nethylalkohol, filtriert n&igenfalls, giebt das mehrfache Volumen Aether hinzu und lafst unter Schutz vor Verdunstung stehen. EJ bilden sich ziemlich rasch prachtige, teils prismatische, teils tafelformige KrystaIle vom Schmelzp. 1010, deren Analyse jetzt nahezu die gleichen Werte ergab wie friiher.

0,2058 g vakuumtrock~ne Substanz gaben 0,3676 g GOz und 0,1524 g H,O.

D i g i t o x o s 8.

Gefunden : frtiher jetzt C 48,91 48,‘il H 8,54 8,23

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Diese Zahlen schliefsen Formeln mit C4, C,, C, und C, voll- kommen aus, passen aber auIser auf die seinerzeit angenommene Formel C6 HI, 0 4 auch auf C, HIS 0, (ber. C 48,65 Proz., H 8,11 Proz.).

Alle Versuche, eine bestimmte Entscheidung zwischen diesen beiden Moglichkeiten zu treffen, blieben bisher ohne Erfolg.

Phenylhydrazin als solches, oder als Acetat, bei Gegenwart oder auch bei Auschlufs von Wasser (Anwendung von absolutem Alkohol) veranlafst bei gewohnlicher Temperatur die Bildung eines aufserst leicht Ioslichen, anscheinend unkrystallisierbaren Hydrazons. Erhitzt man aber in der fur die Darstellung der Osazone ublichen Weise, so bilden sich vorwiegend dunkle, olige Ausscheidungen und nur in minimaler Menge Krystallwarzchen, die uberdies weifs sind, also wohl kein Osaxon reprasentieren.

Brom wirkt bei Gegenwart von Wasser sehr energisch auf Digitoxose, erzeugt jedoch keine Saure in dem Sinne, wie die Dex- trose durch das Halogen in Gluconsiiure iibergefuhrt wird ; der Digi- toxinzucker scheint vielmehr ein Keton zu sein.

Auch Blausaure reagiert sehr leicht auf Digitoxose ; bis jetzt vermochte ich aber kein bestimmt charakterisiertes Produkt dieses Prozesses zu fassen.

D r e h u n g s v e r m o g e n d e r D i g i t o x o s e : Bei p =

1,0906, (p + q) = 12,2959, d = 1,023, 1- 1 und t = 20OC war EL =

Schliefslich sei noch an das fruher beschriebene charakte- ristische Verhalten der Digitoxose zu eisenhaltiger Eisessig-Schwefel- saure erinnert.

$- 4,2O, also (a)D = + 46'.

Z u s a m m e n s e t z u n g d e s D i g i t o x i n s . LSst man nun fur Digitoxigenin die Formel CZ2H3* O4 und fur Digitoxose C, HI, 0, gelten, was aber beides noch bestimmter zu beweisen ist, so ergiebt sich fur das Digitoxin die Formel C3, Hs0 Olo, welche ver- langt C 63,91 Proz. und H 8,59 Proz. d. h. Zahlen, zu welchen die oben mitgeteilten neueren Analysen des Glycosids sehr gut stimmen. Genau die gleiche Formel berechnete A r n a u dl) fiir sein ,,Digits- line krystallis8e" (gew onnen mittels absolutem Alkohol) vom Schmelz- punkt 243--245O, das also wohl Digitoxin war, aus dem Metallge-

1) Compt. rend. 109, 679 und 701.

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halte einer von ihm dargestellten krystallisierbaren Baryumverbindung . Freilich lassen sich gegen die Argumentation A r n a u d 's gewichtige Bedenken geltend machen.

Zunrichst gewann er seine Baryumverbindung durch mehr- stiindiges Erhitzen mit wasserigem Barythydrat im zugeschmolzenen Rohre bei 1800, also bei einer Temperatur, welche leicht tiefer gehende Veranderungen verursacht. Er nimmt auch selbst an, d a k der Prozefs nach der ziemlich unwahrscheinlichen Glsichung

verlaufe, und bemerkt, daL man durch Entfernung des Baryums das ,,digitaline cristallisb" nicht wieder gewinnen kann.

Gtanz besonders aber befindet sich in seiner Abhandlung ein hochst auffallender Rechen- oder Druckfehler beziiglich des Koblen- stoffs, wie folgende Zusammenstellung zeigt :

W 3 L H49 01,)2 Ba

2 Csl Hm Ol0 + Ba (OH), = O d 2 Ba

Richtig berechnet fur : Oefunden (CSl a,, 01,h Ba

C 55,74 57,28 51,63 H 7,54 7,64 7.65 Ba 10,25 10,54 10,08

Bei der wiederholten Darstellung der Digitoxose ist mir immer die starke Frirbung aufgefallen, welche die im Vakunm ds Trocken- mittel beniitzte Schwefelsaure annahm, sod& ich die Vermutung nicht unterdriicken kann, es durfte aus dem Digitoxin neben Digi- toxigenin und Digitoxose noch ein weiteres, leicht fluchtiges Spaltungsprodukt entstehen. Sicheren Aufschluls uber alle diese noch fraglichen Punkte kann natiirlich nur die griindliche weitere Verarbeitung einer grolseren Menge des Gtlycosids geben.

U n t e r s u c h u n g d e r D i g i t a l i s s a m e n a u f e i n e n Q e h a 1 t R n D i g i t o x i n. In den kauflichen Samenglycosiden (Digitalinurn pur. pub, germanic) hatte ich friiherlj kein Digitoxin gefunden. Jenes Material wird aber durch Fallung mittels Clerk- saure dargestellt und oben wurde erwahnt, dafs Digitoxin sich mit Oerbsaure nicht zu verbinden scheint. Deshalb w'ir zur sicheren Beantuvrtung der Frage, ob die Samen Digitoxin enthalten oder uicht, noch ein weiterer Versuch notig.

Eine I,' dfsere Quantitat von Samen wurde zerquetscht und mit Aother extrhiert. Dieser nimmt ca. 30 Proz. vom Gewichte der

Dieses Archiv 234, Heft 4.

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Samen auf und hinterlafst beim Abdestillieren ein griiiigolbes Oel. Obwohl es sehr unwahrscheinlich war, dafs das Digitoxin, falls es tiberhaupt in den Samen vorkam, schon hier in den Aether iiber- gehen wurde, schuttelte ich doch eine Probe jenes Oeles mit eisen- haltigem Eisessig, trennte letzteren von dem oben schwimmenden Oel und brachte ihn mit eisenhaltiger Schwefelsaure zusammen. Diese bekam zwar eine dunkle Zone, im Eisessig war aber keine Spur einer blauen Farbung zu erkennen.

Sodann wurden 2 kg enttilter und wieder lufttrocken gewordener Samen 24 Stunden mit 50prozentigem Alkohol digeriert, das ab- geprefste Extrakt ebenso, wie ich dies fruher fur die alkoholischen Blgtterausztige angab, von der Hauptmenge des Alkohols durch Destillation befreit und viermal mit Aether geschuttelt. Dieser wurde mittels Sodalosung gereinigt und destilliert. Der Ruckstand lieferte beim Stehen im Vakuum neben Oeltropfen ziemlich vie1 Erystallwarzen, welche im rohen Zucltande rnit eisenhaltiger Eisessig- Schwefelsriure wohl eine dunkle Zone, aber keine Blaufarbung gaben. Dieselben lielsesen sich leicht aus kochendem Alkohol umkrystallisieren und durch Blutkohle reinigen. Sie f&bten dann das Digitoxin-Reagens gar nicht mehr und erwiesen sich schlieblich als D i g i t o g e n i n , welches in den Samen in relativ reichlicher Menge vorhanden zu sein scheint. D i g i t o x i n d a g e g e n w u r d e a u c h n a c h d i e s e r , z u r Z e i t s i c h e r s t e n M e t h o d e n i c h t i n d e n S a m e n a u f g e f u n d e u.

Mucchen, im Juli 1896.

Mitteilungen aus dem pharmaceutisch- chemischen Institut der Universitat Marburg.

64. Ueber die Corydallisalkaloide. VOU E r n s t S c h m i d t .

Gelegentlich der Mitteilungen, welche ich vor zwei Jahren tiber die Eigenschaften des C a n a d i n s , eines neben Berberin und Hydrastin in dem Rhizom von Hydrastis canadenszs vorkommenden Alkaloids machte I), habe ich bereits auf die Aehnlichkeit hingewiesen, die zwischen dieser, mit dem Hydroberberin isomeren Base und dem

1) Dieses Archiv 1894, 145.