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U. Beitrage zur Lehre von der Cyetinurie beim Menschen ; von A. Niemann *]. Die' Ahscheidung von Cyerin irn Aarn ist bekanntlich eine recht seltene Erscheinung **) , welche noch dezu zuweilen unbeobachtet voriibergehen mag, indem aufser den durch die Existenz von Cystin als Harnsteine hervorgebrachten Be- schwerden kaum Sttirungen des Organismus vorkommen ***). So auch befand sich dor zu dieser Untersuchung beran- gezogene Patient, ein Handlungslehrling in G6ttingen, ner- v6ses Zittern der HPnde sbgerechnet, iiufserlicb wohl, bie ein unter Besehwwden ehgehender Stein ihn aufmerksam machte. Dieser Stela von O;%I Grm. Gewicht wurde yon Eb- s t e in *a*) mittelst der Lekannten Reactionen ais Qstinstein erkannt. Es fand sich dann, dafs mit dem Harn constant mehr oder weniger Cystinblattchen in den schtinen sechsseitigen Formen, wie sie dem Cystin eigenthumlich siod, abgeschieden wurden. Diese TafeIn setzten sich zu Boden und liersen oioh abfiltriren. *) Die Veraulassung auch dieser Untersnchung ist ein in der Wit tinger Poliklinik VOXI Prof. E b et ein beobachteter Krankbeitsfall, welcher in medicinhcher Hineicht von Ebetein uni Niemann bearbeitat worden iet Der ahemkche The3 iet om Niemann und mir h~ afioultur-chemischen Loboratorinm in Qbttbger. ans- gefiihrt worden. Die ausfiihrliobe Arheit (Inauguzddiwertath von h. A. Niemann, Giittingen 1876) he6nndet dch im 18. Bd. dee "deutschen Archivs flir klinieche MedichY **) In der ausftihrlichen Abhsndlung haben E b e t e i n und Niemann eine Uehersicht der in der Literatur verzeichneteu FUe von Cyeti- nurie gegeben. Ee ist hen gelungen, die Wher in den ZWM- menstellungen Qurkende Zahl (17) anf 62 an erhbhen. , * ) Siehe aucb N e u b a u e r und V oge 1, Haramdyre, 7. Ad., 8. 886. Tolkns.

Über einige Harnsedimente, mitgetheilt von B. Tollens. II. Beiträge zur Lehre von der Cystinurie beim Menschen

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Page 1: Über einige Harnsedimente, mitgetheilt von B. Tollens. II. Beiträge zur Lehre von der Cystinurie beim Menschen

U. Beitrage zur Lehre von der Cyetinurie beim Menschen ;

von A. Niemann *].

Die' Ahscheidung von Cyerin irn Aarn ist bekanntlich eine recht seltene Erscheinung **) , welche noch dezu zuweilen unbeobachtet voriibergehen mag, indem aufser den durch die Existenz von Cystin als Harnsteine hervorgebrachten Be- schwerden kaum Sttirungen des Organismus vorkommen ***).

So auch befand sich dor zu dieser Untersuchung beran- gezogene Patient, ein Handlungslehrling in G6ttingen, ner- v6ses Zittern der HPnde sbgerechnet, iiufserlicb wohl, bie ein unter Besehwwden ehgehender Stein ihn aufmerksam machte.

Dieser Stela von O;%I Grm. Gewicht wurde yon Eb- s t e i n *a*) mittelst der Lekannten Reactionen ais Qstinstein erkannt.

Es fand sich dann, dafs mit dem Harn constant mehr oder weniger Cystinblattchen in den schtinen sechsseitigen Formen, wie sie dem Cystin eigenthumlich siod, abgeschieden wurden. Diese TafeIn setzten sich zu Boden und liersen oioh abfiltriren.

*) Die Veraulassung auch dieser Untersnchung ist ein in der Wit tinger Poliklinik VOXI Prof. E b e t ein beobachteter Krankbeitsfall, welcher in medicinhcher Hineicht von Ebete in uni N i e m a n n bearbeitat worden ie t Der ahemkche The3 iet o m Niemann und mir h~ afioultur-chemischen Loboratorinm in Qbttbger. ans- gefiihrt worden. Die ausfiihrliobe Arheit (Inauguzddiwertath von h. A. Niemann, Giittingen 1876) he6nndet dch im 18. Bd. dee "deutschen Archivs flir klinieche MedichY

**) In der ausftihrlichen Abhsndlung haben E b e t e i n und N i e m a n n eine Uehersicht der in der Literatur verzeichneteu FUe von Cyeti- nurie gegeben. Ee ist h e n gelungen, die Wher in den ZWM- menstellungen Qurkende Zahl (17) anf 62 an erhbhen.

,*) Siehe aucb N e u b a u e r und V oge 1, Haramdyre, 7. Ad., 8. 886.

Tolkns.

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im N i e m Q van, Bea’trage mr Lehre

Aufser der Untersuchung des Cyatine selbst, seiner Eigen- scheften, Messung der Winkel der Krystalle u. s. w. war besonders von Interesse, das Verhlltnifs , in welchem seine Menge zu der gleichzeitig im Harn ausgeschiedenen Menge Schzoefelsiiure steht , zu uiitersuchen , um so vielleicht ein Urtheil fiber die Herkunft der im Cystin enthaltenen und so ausgeschiedenen Schwefelmengen zu pewinnen , und ferner war von Interesse, die Menge des Cystins mit derjenigen der secernirten Harnstiure zu vergleichen da schon friihere Be- obachtungen auf den Zusammenhang der Ausscheidung beider Producte hinweisen.

I. Bestimmung der Menge des ausgeschiedenen Cystins. Bei der Bestimmung des Cystins haben wir uns auf die

Menge des freiwillig auskrystallisirten beschrankt. T o e 1 *] hat freilich zur Bestimmung des Cystins einen anderen Weg eingeschlagen, namlich die Bestimmung allen Schwefels , we!- cher im Cystinharn nicht als Schwefelsaure enthelten ist, und Umrechnung desselben auf Cystin ausgefiihrt, doch halten wir den einfacheren von uns betretenen Weg wenigstens nicht fur schlechter als den Toel’schen, denn wir haben keine Sicherheit, dafs der Schwefel (exclusive des in der Schwefel- saure vorhandenen) , welcher nach abj%rirtem Cystin sick noch in LBsunp vorfindet , wirklich in Cystinform darin ist, und wenn auch unzweifelhaft ein Theil des im Filtrat vow Cystin nachweisbaren Schwefels von aufgel6stem Cystin her- riihrt, so hat man doch kein Recht, dasselbe von der ganzen Menge antunehmen , besonders seitdem Sc h iff , K ii l z *+) und Andere zahlreiche schwefelhaltige Verbindungen im Harn nachgewiesen haben.

”) X e s a dnnaleu Be, 261

’* J i-e’wr die schwafelhaltzgen Kbrper im Haru Sitzungebet. rl Msr- twgei ~aturwiseenwhaftlmhen Voreins, Sepsratabdruck.

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von der Cystinurie beim Mmchen. 103

So haben wir uns beschrinkt, das nach 2 ma1 24 Stun- den abgeschiedene Cystin abaufiltriren und cu wagen. Zwar hat uns eine anniihernde Probe (siehe unten) NIheres iiber die vielleicht geltist bleibende Menge ergeben , doch haben wir BUS dem angefiihrten Grunde diese nicht in Rechnung ge- zogen, um so mehr, als schon ohne diese Hinzurechnung die Resultate beweisend genug ausgefallen sind.

Den tibrigens fast stets deutlich sauer reagirenden Harn haben wir mtiglichst bald nach seiner Erlangung mit einigen Tropfen Essigslure und etwas Salicyls~urepulver versetzt und auf diese Weise selbst bei Sommertemperatur der Zersetzung vorgebeugt.

Das Sammeln und Bestimmen des im krystallisirten Zu- stande ausgeschiedenen Cystins schien a priori sehr einfach zu sein, jedoch erwies es sich bei naherer Ausfiihrung als eine ziemlich schwierige Operation. Es filtrirt namlich der Harn zwar irn ersten Augenblick ziemlich rasch, docb ver- stopften sich sehr bald die Poren des Filters durch Schleim oder dergleichen, und das Filtriren lieh sich selbst mit An- wendung kritftiger Filtrirpumpen, wenn iiberhaupt, n m aufserst langsani zu Ende fuhrsn. Deshalb haben wir zum Zweck des Coagulirens des Schleims zuerst Hitze und splter Kalte ange- wlrndt , und zwar beides mit Erfolg, besonders jedoch ist das letztere zu empfehlen. Ein Erhitzen des Harns auf io00 im Wasserbade coagulirte den Schleirn in grorsseren Flocken, welche nicht mehr das Filter verstopnen, jedoch laste und veriinderte sich ein Theil des Cystins, und wir haben im All- gemeinen etwrs geringere Yengen erhalten, als wir bekamen, wenn der Harn nicht vorher erwermt gewesen war. Wir hnben dieses Angreifen des Cystins nicht beobachtet , wenn wir nicht durch Hitze, sondern durch Gefrieren den Schleim corgulirten. Aehnlich wie andere gequollene oder schleim-

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io4 Nie m a n n, Beitrage zur Leh1.e

ariige Stoffe, z. B. Stiirke, Amylodextrin *) nnd andere beim Gvfri x e n ihrr:, Liisungen sich in unlBsliclier Form abscheiden, ist did's beirrJ Schieirri des ihrns such der F ~ l l , und nach dern A,jfthairen des vorhttr fast piinzlich durchqefrorenen Harris**) liefs slch das zienilich ki3i.L- Liquidurn !~ icht VOR Sohleirn- flockm ui:tj i:ystirtbIattclien, wi4cht a:if c!cm Filtrunt !)lieben, treiincn U I J : ~ iiatiiriich fallt bei der fiitvkigeti Temperatiir jede Gelegcaht.it zii abriorriirn Zewetzungen ties Cystins fort.

Zur Trennung clcs in irgeiid t iwr Weiac abgvschiedenen Cystins v o n Schleirn II. s . 'rv. wiir&. das Filter zucrst mit Wasser +**) gut ausgi>wa.:rticn c!st!n des Scfifs, worin der

is ~ w x wit s;;ri.iit:rir Atiirnoniak digerirt urtd rnit dieswi vnrher etwsls erwarmtrn Ammoniak das Filtw iiI)t?rgossen , w0bt.i sidi tiss Cystla ieictit Idsb. Die amiriorijiiIrulisci~rn 1,risunyt.n irnd R'asrnwasser wiirden in gewogwcii (ri;isrlithii aut'grfangcn: i t r : "?Ye~srrbade einpelrock- net und dcr irieist schiiii krystdlinische Hiicksttlnd pewogen. Erwies sich ein Yrdbchrii dcssrlben utitt:r dein Aiikroscop nicht als rein, so wurde tias Cystin iiocii einrrial i n Ainmo- niak, dein ctwas Wringcis: sugesetzt war geliist, Gllrirt und irn gewogerien G I t w eingfiAtrociinet.

Schiiefsiich cvurae diu :;o erhaitene Quantitiit R U ~ 400 CC. des betrelfendvu !forits Iwrchnct. uiii sie rnit der gleichzeitig errniltelten Schwefr!.clul.ctnienge xu vergleichen.

Wir haben gesiicht u r t F Krnnttiifs der etwa in Losung

*) W. NUg el i , Heitrilge zur nYheron Kenntnifs dar Stlirkegrrippe, Siehe auoh diese Anrislen 1 V 8 ,

** j Dns (hfriareu gescbah zum Theil in ainigan kalten Kacliteo des vorigen Winters, zum 'I'heil bewirktcrr wir 09 rlurch K!ilteniiscbungen.

***) Ihts Wuuhnasser liaben wir mabrfacli ruit Natronlauge u l d essig- editrum BIei erhiht , ohne merkbare Schwefelreaction (vun aufge- liieteici Cystiaj zu erhslten.

Lcipzig, ICu g e 1 in 3 ]in. S. 14. 222.

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con dw Cystinum'e h i m Menschen. 105

gebliebenen Cystinnienge zu verschaffen, indem wir das von den Bliittchen getrennte Piltrat mit dem Reagens auf Cystin, namlich Bleilosung und Natron, erwarmten, und die entstehende Schwiirzung niit derjenigen, welche in Lbsungen von bekann- ten Mengeri von Cystin im Harn entstand, verglichen. Auf diese Weisc. t n d e n wir , dafs das in der K d t e erhaltene Fil- trat von Cystinharn mit eiiter Losung von 0,025 pC. Cystin in noriiialerrr Harn annahernd gleiclie Reaction *) besafs. Diefs wiirde lrii 1700 CC. Harn einent Tagesquantum von 0,425 Grin. Cystin entsprechen, welohes in LBsung bleibt und welohes init den vun uns gefundenen Maximalmeiigen von (44 bis 0,6 Grin. einem Tagesinaxirnum von fast einem Gramm entsprecheii wiirde, wahrend T o e I auf die angegebene Weise zu einem Quantunr voii 1,33 bis 1,5 Grm. in 24 Stunden kommt. Doc11 ist, abgesehen von der schon beriibrten Frage, ob das, was durcti alkaiisciie Bleilosung angezeigt wird, wirk- licli von Cystiii herruhrt odw nicht , die Rechnung jedenfalls etwas unsicher, so dtlfs wir vorgezogen haben, nur das direct bestimirite und gewogene Cystiri in Rechrrurig zu bringen.

Das Cystinsediment im Harn bestand immer aus s e h 6 n m sechsseitigen T a t t h , wie sie an verschiedenen Orten beson- ders in den Atlasen von R o b i n und V e r d e i I **] wid von

*J Die Keactioneu so: Cyatin fiibren wir auf folgende W e b aus : tileichc Theiie (erwa je b CC.) Harn uild Natronlauge VOII circe 1,1 $pee. Gew. werdm gomischt, 2 Tropfen gelasten aseigsauran Blei'e mittlerer Concentrstiob zugegeben, stark unigeechiittelt und kiltrirt. Daa Blei haltende Filtrat wird nun in einem kocbenden Bade yon cuncentrirter Saipeterlosllng erhitzt , wobei nonnder Harn nncb 40 MiDuten hiichstcns Bburen von Brnunung zeigte, abhrend kalt filtrirter Cystinharn naeh 10 Minuten und vorber erhitder, dann erkaltcter und tiltrirter Cystinharn eehon bei ein- fachi:m Aiifkochen sebr deutliclie Abscheidung von ffiliworsem Pchwefelblei gab.

**) Taf. 33, Fig. a bis k.

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106 Nie m an n, Beitrage ZUT Lehrc

F u n c k e * ) , sowie in N e u b a u e r und Vogel’s Harn- analyse **) abgebildet sind. Sie sind von sehr verschiedener Griifse, einige relativ sehr grofs, andere selbst uriter dem Mikroscop schwer erkennbar. Theils sind sie vereinzelt, theils zu gr6fseren , aberrnals sechsseitige Forrnen annehmenden Gruppen geordnet , in denen die correspondirenden Kanten der einzelnen Krystalle parallel laufen. Zuweilen kann man sich aus den vorhandenen doppelter.. Contouren ein Urtheil fber die Dicke der Plhttchen bildcn. Im mittelst zwei N i c o I- scher Prismen polarisirten Lichte erwheinen flach liegende Tafeln stets farblos, whhrend aufgesichtete oder zu einem Haufwerk vereinigte sich farbig prbentiren.

Einige Tafelchen wurden mit dern in der vorstehenden Abhandlung beschriebenen Mikrogoniometer gemessen, und zwar ergaben die Messungen zwei qut ausgebildeter Kry- stalle Werthe, welche zwischen 119,2O irn niedrigsten und 120,6O im hBchsten Palle schwankten, meist jedoch sich birr nuf wenige Zehntel eines Grades dern Werthe 120° naherten, so dafs wir nicht anstehen, der Angabe Brucke’s +) beizu- pflichten, nach welcher die Winkel der Tafeln gleich sind.

Die Seiten sind nicht inimer gleich, denn zuweilen ist, ahnlich wie beim Quarz, durch Niiherung der einen oder der andereir Kante an das Centrum des Krystrlls dieselbe ver- gr6fsert und sind die benachbarten verkleinert ++).

Aufscr den Tafeln haben wir, wie auch schon friihere Be- obachter +++), Saulen und andere Formen erhalten , welche

*) Taf. 3, Fig. 6. **) Taf. 3, Fig. 4.

+I*) Robin und V e r d e i l , Td. 38, Fig. a und h. t) Vorlesungen der Phyaiologie, 2. Autl. 1876, 392.

+$t) R o b i n und Ver d e i l , Taf. 33, Fig. IS, n, x, y; tt) X o b i n und V e r d e i l , TaL 33, Fig. k.

de chimie anatomique et pbyaiologique 11, 532.

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von der Cy&urs'e 6ain Menechen. 107

aller Wahrscheinlichkeit nach aus Cystin bestehen, und =war waren besonders beim Ausscheiden aus ammoniakalischer LB- sung mittelst Essigslure den sechsseitigen Tafeln zuweilen Prismen beigemengt , welche wir leider der geringen Menge wegen nicht sarnmeln und analysiren, sondern nur mittelst des 0 be r h ii u s e t'schen Prismen-Zeichenapparts zeichnen konnten +). Beim Verdunslen der emmoniakalischen L6sung haben wir dagegen nur sechsseitige Tefeln erhalbn.

2) Bestimrnung der ScAwefds&:'ure. Je 4 o o CC. des filtrirten Harns wurden mit ziemlich vie1 (circa ' I s des Volums) verdiinnter Salzstiure vermbcht, kochend **) mit Chlorbaryum versetzt und das sich gut absetzende schwefelsaure Baryum auf die gew6hnliche Weise bestimmt. Stets sind zwei Be- stirnmungen ausgefiihrt und das Mittel aus beiden gut stim- menden Zahlen gezogen.

3) Die Bestimmung des Hamsto$ wurde im filtrirten Cystinharn durch Titriren mit srlpetersaureni Quecksilber- oxyd ausgefuhrt.

4) Die Hurnsuure bestimmten wir in 100 CC. duroh Ausfallen mit Salzsaure in der Ktilte, Auswaschen mit 50 CC. Wasser und Hinzurechnen der yon S c h w a n e r t *+*) ange- gebenen Menge von 0,0024 Grm. far das angewendte Wasch- wasser +).

*) Siehe die Zeichnung in der Abhandlung im Archiv ftir klinisobe Medicin, Bd. l H .

") Hierbei nrbt sich der Harn dunkel, Tritbung fand jedoch nie st.& folglich ist unterschweflige Bnure nievorhrnden geweren ; uehe K i i l ~ in der oben citirten Arbeit.

,'*) Diere Annden 168, 153 ; N e.u b r o e r and V o # e 1, Haroandyne, 7. Ad., 223.

9) Die ursprdnglich vorbandene Fliirsigkeit I ~ o e n wir bei diener Be- rechoung unberlicksichtigt, weil wir nach den Untersuchangen von Heintz ( N e u b a u e r und V o g e l a. a. 0. 8. 227) glauben, dafs sich ruf diem Weise die durch die Loslichkeit der Harn- allure in Wreser einerseitu und dsrcb den Niederreiben fremder Btoffe andererseib remaohten Fehler am besten ansgleiohen.

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408 N ia rn a n n, Bsitrllge m u Lehre

In einigen Harnproben sind die bezeichneten vier Be- sta.ndtheile bestimmt, in einer Reihe anderer hahen wir uns begniigt, die Quantitiit von Cystin und &hef&aure fest- xustellen, weil e6 uns, wie gesagt auf das Verhtiltnifs der beiden letzteren vorziiglicb ankam.

Leider war ein regelmafsiger oder nur ein hiiufiger Bezug der Tagesmenge bei dem nicht im Hospitale befindlichen, sehr von seiner Thiitigkeit abhangigen und etwas unregelmafsigen Pa tienten trotz aller Anstrengungen nicht zu erlangen.

In der nachfolgenden Tabelle I finden sicli die erhaitenen Resultate verzeichnet. In den Versuchen 1 bis 8 war die Coagulation des Schleims zum Zweck des Fiitrirens durch Erhitzen, in 9 bis 13 durch Cefrieren bewirkt worden.

- -

- I

n I11

IV

V

VI

llarnmenge

CC. 646

145

295

510

720

a52

ganee blenge arm.

0,1557

0,0475

0,1907

0,2063

0,3205

0,1156

0,1056

Unbl

-

0,556

0,2075

0,1404

0,4234

0,595

0,02410

0,03280

0,06464

0,04045

0,04451

0,04587

0,02347

:irn mbar

0,02493

0,01383

0,02600

0,02520

0,03561

0,09031

0,11624

0,18317

0,11924

0,13971

G,10161

0,06+ti't

0,06789

0,15195

0,08920

0,23136

0,10206

0,11499

Inrnstoff 1 100 cc.

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von der Cystinurie beim Menschen. 109

Zurn Zweck der besseren Vergleichung stellen wir die einzelnen Resultate nach den procentischen Quantitaten von Cystin geordnet nebeneinnnder in

- -.

.- I n

m IP v V1

VIl VIII

IX x

Yersuche der

'rbelle 1

VIII X

VII I IS

XI1 XI I1

XI11 IV

Tabelle II. P r o c e n t e a n

cystin

-.nlirhtirnmhar

0,0138

0,0236

0,0241

0,0249

0,0252

0,0261)

0,0328

0,0356

0,0404

0,0443

Schwefel- eaure

0,05789

0,08920

0,06467

0,09031

0,15195

0,10266

'~ ,23 136

0,11624

C, 1 14Q9

0,11924

0,13971

0,0459 i 0,10161

0,0646 1 0,18317

0,03087 ! 0,12023

1 : ; 3439 I

Harnsllure

- 0,00865 - -

0,0081b

Spuren 0,00609 -

Spuren - -

- I - 1

!

Harnstoff

Schon eine oherfliichliche Betrachtung zeigt , Schwefelsaure- und die Cystinmenge im Harn in Beziehung zu einender stehen, es entspricht nlmlich einer vermehrten Cystinproduction auch vermehrte Schwefelsiure- abscheidung. Ais nicht gmau mit der aufgestellten Cystin- reihe iibereinstimmend sind die Pille XI, IX, X (Tabelle I) anxufuhren , in denen die Schwefelsaure der Cystinmenge gegeniiber vermehrt ist, und VI, in welchem die Schwefel- siure verringert erscheint, doch folgen sie im Allgemeinen ebenfalh der Regel, dafs einer relativ grofsen Cystinmenge auch eine grbfsere SchwefelsSurenienge entspricht, und es lassen sich auch Vermuthungen iiber die Ursachen der lrleinen

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110

Abweichungen aufstellen; so hatle im Falle IX Patient Z. B. am Tage vorher hauptsachlich von Eiern gelebt *). Durch- schnittlich ergiebt sich aus den Zshlen der Tabelle das Ver- haltnifs 1 : 3,9 zwischen Cystin und Schwefelsaure.

Ein ahnliches gleichzeitiges Steigen und Fallen von Cystin und Schwefelsaure fand B e a 1 e **) im Harn seines Patienten :

N i e m an n, Beitrage zur Lehre

Cystin Bchwefels(Lure 0 0,17 pC.

Spuren 0.19 w

0,906 Grm. n

Die von uns im Mittel gefundene Schwefelsauremenge differirt nur unbedcutend (urn 0,01 pC.) von der als Durch- schnitt angenommenen Menge O,i3 pC. ***).

Ueber das Verhaltfiil’s von Cystin zu Harnsaure konnen wir nicht so bes:immt urtheilen, weil wir nur wenige Ver- suche aiisgefuhrt haben, doch stimmen diese mit sammtlichen hlteren Beobachtungen iiberein, nach welchen im Cyslinharn die Quantitat der Harnsaure der normal vorhandenen gegen- iibcr vermindert ist; denn slatt der normalen Menge von 0,04 Grm. i-) fanden wir ini Durchschnitt von drei Versuchen 0,00764 pC. oder n u r

Der Harnstoff war in den Fallen, in weichen wir ihn be- bestimmt haben , in normaler, hochstens etwas verminderter Quantitlt vorhanden, untl in der That scheint, wie eine Reihe i n der ausfiihrlichen Arbeit naher angefiiiirter Citatt: beweist,

der normal v0rhandenenJ-t).

*) Riehe N e u b a u e r und Vogel, Harnanalyse, 7. Aufl., 397.

**) Urine, urinary deposits and calculi. 1864. 2 edition, London, 355.

**) G o r u p - B e s a n e z , physiologische Chemie, 582. j-) Die mittlere Ugliche Menge betrllgt hei gdsunden Milnnern nacb

W. K u h n e (physiologischc Cbemie, 8. 494) 0,4 bis 0,5 Grin. B e n c e J o n e s ’ L)urchschnittaxahl ist 0,r bis 0,6 Grm. und K an k 8’s Durc’uschnittszahl ist 0,645 Grm. Bei einer Tagesmenge von 1500 CC. wiirde d ids 0,03 bin 0,04 pC‘. ausmachen.

tt) L o e b i s c h fand neuerdings in einem FaU TOXI Cystinuric durchaus keine Verminderung der Hernstiure (diem Annalen 1 L a , 288).

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vow der Cystinuric beim Menuden. i i i

die Menge des Harnstoffs nicht von der Anwesenheit des Cystins beeinaufst zu werden.

Als Hauptresultat unserer Arbeit ergiebt sich, wie ange- fiihrt, dafs Cystin und Schwefelsaure im Harn in correspon- direnden Mengen vorhanden sind und keinesfdls vicariirend auf- treten. Es folgt hieraus, wie E bs t e i n und N i e ma n n nriher ausfuhren, d a b von diesen beiden Stoffen nicht der eine aus dem andern entstehen wird, sondern dafs sie beide neben einander und zwar wohl aus eineai dritten entstehen; denn sonst wiirde die Zersetzung oder Umwandlung des einerr in den andern Csei es Zersetzung von Cystin und Verniehrung von Schwrfelsaure, oder Bildung von Cystin unter Verbrauch vorhandener Schwefelsaure) bald mehr bald weniger fortge- schritten sein, und man wiirde srhr verschiedene Verhaltnisse in den Quantitaten beider Stoffe finden.

Eine auffallende Erscheinung war in unseren in dieser Richtung allerdings wenig zahlreichen Versuchen die ver- minderte Quantitat der Harnsaure , und man wird versucht, die Bildung des Cystins eiiiem Verbrauch der sonst vielleicht im Harn austretenden Harnsriure zuzuschreiben, wogegen sich vom chemischen Standpunkte aus nichts einwenderr lhfst ; denn Cystin hiilt eine Gruppe von drei mit einander verbundenen Kohlsnstoffatonien und von den funf Atomen Kohlenstoff der Harnsiiure stehen jedenfalls drei in niiherer Verbindung mit einender, rls die beiden letzten 0).

Mit der Cystinausscheidung ist von einigen Seiten, be- sonders von Ma r o w s k y +*), das gleichfalls schwefelhaltige Taunn in der Galle, sowie die Gallenbereitung iiberhaupt in Verbindung gebracht worden, und M a r o w s k y glaubt , dafs

*) Siehe n. a. die Znramrnenstellung von Harnellureformeln in 8er Abhrndlaag von M e d i c u s , diere Annalen Ire, 236 ff.

*”) Deutuches Archir fib klioische Medicin, 1868, 4. Bd., 8. 449.

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112 N i e m a n n , Beitr. z. Lehre v. d. CystinuTiB u. 8. w.

einer vermehrten Cystinausscheidung verrninderte Taurin- bildung entspricht und umgekehrt. In der ausfiihrlichen Arbeit ist die& riaher beleuchtet und sind einige Bedeiiken dagegen angefii hrt.

An U R ~ frir sich ist die Bildung von Taurin aus Cystin nicht unwahrscheinlich, und man braucht nur arizunehmen, dafs in Folge irgend welchen Urnstarides die normal sofort zu Taurin zerfallende und ais letzteres In der Galle erscheinende, 3 Atonie Kohlenstoff haitende Gruppe nicht zervetzt wiirde und als Cystin im Harn sich ausschied.

Der Zusammenhany der beiden Korper ist augen- scheinlich und nach folgenden Formeln bietet sich die Ent- stehung des Taurins durch Oxyiirihon des Cystins von selbst dar *).

I. C8H7NS0* + 3 0 = C'H'NS08 + COP, odsr vielleicht Cystin Taurin

a. CHB-NH8 CH* -NH8 C H B H I + a 0 = 1 I + co1 **). co-- 0 CHOSO'W

Cystin Tsurin.

Diese Frage, so wie manche andere, welche sich an die Cystinausscheidung kniipfen, kiinnen nur durch weitere Unbr- suchungen mit grofseren Mengen Material gelbst werden. und wir miiohten specie11 auf das Studiutn des Verhaltnisses der Aussaheidung von Cystin zu deyjenigen von Schwefelsaure hinweisen,

Agricultur-chemisches Leboratorium in G 6 t t i n g en.

*) Siebe auch M a r o w s k y L). Y U., 8. 463.

;*) Es ist diese Formel des Cystins nach der Erlenmeyer'schen Aolhsnng der AmidosUuuren tdiese Annalen P16, 350, sowie Er lenmeydr ' s Lehrbuob der organhahen Chemie, 8 829) ge. bildet; sie giebt an, dab dieeer Kiirper, &hnlich wie Teurin, Qly- coonll, Alanin, Leucin u. a. w., keine eigentlich aauren Eigen- sohaften besitat, sondern durch innere Bindung der wuren osd der Amidogruppe ein neutraler Kiirper iet.