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XXII. Aus der chirurgischen Privatklinik des. Dr. Hartmann zu Cassel. Dber einige iisophagoskopische Fitlle. Yon Dr. reed. Otto vraxtmann in Kassel. tVerkiirzt vorgetragen auf der 75. Naturforscherversammlung in Kassel, am 3. Sitzungstage.) (Mit 8 Abbildungen.) Im letzten Jahre sind in meiner Praxis mehrere F~lle yon Speise- riihrenerkrankung vorgekommen, yon denen ich einige nicht vers~umen will, der hohen Gesellschaft in Bildern zu demonstricren, zumal da der- artige Reproduktionen bisher, soweit mir die Literatur bekannt ist, noch nicht veriiffentlicht sind. Der Grund hiervon liegt wohl darin, daft die 0sophagoskopie eine noch zu junge und wenig verbreitete Wissen- sehaft ist, und daft es/iuilerst schwer ist, trotzdem die Beleuchtung yon Tumoren und anderen pathologischen Prozessenmeistens gut gelingt, sie in plastischen Bildern wiederzugeben. Auch diese Bilder, die w~hrend und gleich nach der 5sophagoskopischen Untersuehung angefertigt sind, haben natiirlich in der Darstellung ihre M~ingel, abet ich glaube doeh, dal~ sie wenigstens in so weir gelungen sind, dab viele, die sich welter nicht mit der ()sophagoskopie besch~ftigt haben, einc Vor- stellung yon der yon Jahr zu Jahr fortschreitenden Teehnik der 0so- phagoskopie bekommen werden. Bei der ()sophagoskopie hat man es ja nicht mit einer indirekten Beleuchtungsmethodc zu tun, die erst systemafisch erlernt sein will, an die das Auge sich erst gewiihnen muff, sondern man sieht hier direkt -- wenn die Lichtquelle gut ist -- auf ein schiin beleuchtetes und bestrahltes Objekt. Die Kunst liegt demnach bei der 0sophagoskopie weniger in dem Sehen und Deuten des Gesehenen, als viclmehr in der Einftihrung des ()sophagoskopes, das bisweilen nicht leicht, h~iufig genug ~ul~erst schwierig, ja unmSglich sein kann.

Über einige ösophagoskopische Fälle

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XXII .

Aus der chirurgischen Privatklinik des. Dr. H a r t m a n n zu Cassel.

Dber e inige i isophagoskopische Fitlle.

Yon

Dr. reed. Otto vraxtmann in Kassel. tVerkiirzt vorgetragen auf der 75. Naturforscherversammlung

in Kassel, am 3. Sitzungstage.) (Mit 8 Abbildungen.)

Im letzten Jahre sind in meiner Praxis mehrere F~lle yon Speise- riihrenerkrankung vorgekommen, yon denen ich einige nicht vers~umen will, der hohen Gesellschaft in Bildern zu demonstricren, zumal da der- artige Reproduktionen bisher, soweit mir die Literatur bekannt ist, noch nicht veriiffentlicht sind. Der Grund hiervon liegt wohl darin, daft die 0sophagoskopie eine noch zu junge und wenig verbreitete Wissen- sehaft ist, und daft es/iuilerst schwer ist, trotzdem die Beleuchtung yon Tumoren und anderen pathologischen Prozessenmeistens gut gelingt, sie in plastischen Bildern wiederzugeben. Auch diese Bilder, die w~hrend und gleich nach der 5sophagoskopischen Untersuehung angefertigt sind, haben natiirlich in der Darstellung ihre M~ingel, abet ich glaube doeh, dal~ sie wenigstens in so weir gelungen sind, dab viele, die sich welter nicht mit der ()sophagoskopie besch~ftigt haben, einc Vor- stellung yon der yon Jahr zu Jahr fortschreitenden Teehnik der 0so- phagoskopie bekommen werden.

Bei der ()sophagoskopie hat man es ja nicht mit einer indirekten Beleuchtungsmethodc zu tun, die erst systemafisch erlernt sein will, an die das Auge sich erst gewiihnen muff, sondern man sieht hier direkt - - wenn die Lichtquelle gut ist - - auf ein schiin beleuchtetes und bestrahltes Objekt.

Die Kunst liegt demnach bei der 0sophagoskopie weniger in dem Sehen und Deuten des Gesehenen, als viclmehr in der Einftihrung des ()sophagoskopes, das bisweilen nicht leicht, h~iufig genug ~ul~erst schwierig, ja unmSglich sein kann.

g'ber einige 5sophagoskopisehe Fiille. 595

Ish bediene mich nun bei meinen Untersuehungen des M ik u li c z- schen ()sophagoskopes, das im wesentliehen zum Untersshiede yon dem Kel l ingsehen aus einem starren Rohre besteht, und als Be- leuchtungsquelis benutze ich das iiufierst handliche Caspa r sche Panelektroskop, das mit dem Straf/enstrom mittelst einer Schalttafel in Verbindung steht.

~Naeh einer grfindlichen Vorbereitung des Patienten t) lege ich den Hauptwert auf eine systematisehe Kokainisierung, ohne dig sine un. gestSrte Untersuehung nicht m~iglieh ist. Sie wird in der Weise aus- geffihrt, das mittelst eines kleines Tupfers~ der an der Krausesehen Pinzette angebracht ist und mit einer 10 proz. Kokainliisung oder siner 15proz. TropakokainlSsung 2) getr~inkt ist, der Zungengrund~ wcieher und harter Gaumen, hintere Pharynxwand an~isthetisch gsmacht wird. Mit je einem weiteren Tupfcr f~ihrt man den reehten und linken Sinus pyriformis hinah. Jetzt nimmt man den Kehlkopfspiegsl zu IIilfe und bestreieht mit dem vierten Tupfer unter seiner Ffihrung die hinters Epiglottisgegend, mit dem ffinften die vordere Epig|ottisgegcnd,..mit dem sechsten und letzten Tupfer dell Kehlkopfeingang und den Oso- phaguseingang, und zwar letzteren w~ihrend eines Schluckaktes yon seiten des Paticnten. Diesc An~isthesierung nimmt 3--4 Minuten in Anspruch. Ist dieselbe gut ausgefiihrt, so empfindet der Patient bei Bewegungcn des starrcn Instrumentes keine Schmerzen, wodurch so leicht die natfirliche Angst gesteigert wird.

Nachdem dann der Patient richtig in rechter Seitenlage auf einer Lederrolle gelagert ist und dis. Anweisungen erhalten hat: Nicht zu sprechen, ruhig zu attach, den Speichel einfach aus dem Munde fliel)en zu lassen und hei etwaigem Druckgeffihl nur die linke Itand zu er- hcben, wird mit Einfiihrung des ()sophagoskopes begonnen. W~ihrend der Assistent den Kopf mit beidcn II~nden nach riiekw~irts gebeugt h~ilt~ aber im fibrigen allen Bewegungen, die der Untersucher mit dem Instrument vornimmt~ folgt, wird das mit O1 oder Vaseline bestrichene 0sophagoskop am hinteren Ende in die volle Hand genommcn, so- dal~ die abgeschr~igte Partic des Mandrins nach hinten~ dem Pharynx sieht, und yore rechten Mundwinkel aus fiber den Zungenrfieken hinweg bis zur hinteren Pharynxwand geffihrt, wobei gleichzeitig die Zunge naeh vorn gedr~ingt wird. Hat man dann das 0sophagoskop etwas

1) Vgl. G ottsteill, Teehnik und Klinik der 0sophagoskopie. Mitteilunge~ aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Bd. VI, Heft 4 u. 5.

2) Das Tropakokain scheint die unangenehmen, die Mundschleimhaut reizenden Eigenschaften des Kokains nicht zu besitzen.

Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie. LXXI Bd. 3,q

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gehoben, dafl es mit der Medianlinie ungefiihr cinen Winkel von 5') bildet, wird Patient aufgefordert, eine Schluckbewegung zu machen, wobei das Instrument mit sanftem Druek gegen den Eingang des Schlun- des gesehoben wird. ]st der Eingang passiert, so soil das ()sophago- skop unter leicht drehendcn Bewegungen wie yon selbst hinabgleiten.

Ist aber das (Ssophagoskop auf ein Hindernis gestol~en~ so zieht man das Mandrin heraus, schiebt das Casparsche Elektroskop mittelst ciner kleinen Drehung ein. Dann setzt man sich bequem zu II~tupten des Patienten und kann nun, nachdem man den eventuell vorhandenen Schleim fortgetupft hat, das Innere der Speiser(ihrc betrachten. Da- dureh, da[I man das ()sophagoskop hin- und hersehieben kann, ver-

mag man ein zusammenhiingendes Bild yon der Speiseriihre, soweit sie sichtbar ist, zu gewinnen.

lch erlaube mir, ihnen eine sehenmtischc Zeich- nung (Fig. 1) zu reichen, die einen L~ingssehnitt durch eine pathologische Speiseriihre darstellen soll, die ein 0sophagoskop beherbergt. Die Wandung der Speiseriihre hat sieh iiberall dem ()sophag'oskop angeschmieg't, und die Speiseriihre ist dadurch yore Munde bis zum Tumor (aerob) in ein gerades Rohr verwandelt entgegen al[er friiheren Ansicht, nach der der Weg vom Munde his in die Tiefc des Osophagus nur ein winkelig gekriimmter

Fix'. I. Fig. 2.

sein ktinnte. DasEnde des (~)sophagoskopes taueht in eine an- ni~hernd gleichmiil.iige Ausbuchtung der Spei- seriihre, wie es ja ober- halb einer Stenose die Regel ist. Vom Tumor selbst ist nut die dem Auge zugekehrte, vor- dere Fl~che zu sehen,

die sich auf der Zeichnung von der oberen Wandung der Speiseriihre scharf abhebt, um nach unten in den Rest des Lumens der Speiseriihrc za verschwinden. Da die hinterc Partie des Tumors fiir den Beschauer unsichtbar bleibt, kann man leider yon der Ausdehnung der Ge- schwulst im Sinne der L~ingsachse keine Vorstellung gewinnen. Mau kann ja wohl, indem man cinen mit einem Tupfer versehenen Tupferhalter dureh die Stenose hindurchzwiingt, die Ausdehnung

l:'bcr einige iisophagoskopische F~IIc. 597

der Stenose sogar nach Zentimetern anf einer am Tupferhalter an- gebraehten Skala ablesen, abet im grol~en und ganzen~ und nament. lich wenn die Geschwiilste komplizierter Natur sind~ bleibt man yon der GriiBe and dem weiteren ~iu[~eren Aufbau der Gesehwulst in tier Tiefe doch ununterrichtet.

In dem ersten Falle handelt es sich um einen ca. 48jiihrigen Mann, der seit .~/~ Jahren an zunehmenden Sehlingbeschwerden leidet und ungefiihr vor 5 Wochen gastrostomiert ist.

S ta tus : Kaehektisches Aussehen. (~ber dem Sterum keine Diim- pfung:. Sonde stfBt 27 em hinter der Zahnreihe auf Widerstand.

Osophagoskopisehe Untersuchung. Nach grtlndlicher Kokaini- sierung gleitet das 0sophagoskop 27 em hinab. Nachdem alas Maudrin entfernt ist, sieht man sogleich in einen annithernd in horizontaler Rich- tung verlaufenden~ etwas unregelmitBigen Spalt~ der portioartig yon starrem Gewebe umrahmt wird. Wiihrend oben die verdiekte Schleimhaut blal] aussieht~ abet in allen Teiien volls~ndig erhalten ist~ findet sieh unten eine. mehr in die Augen springende, rStliehe Verwiilbung~ die bereits zum grSBten Teile~ namentlieh links, exulzeriert erscheint. Zwisehen den tiber hirse- korugroflen Wueherungen sieht man scharfe Vertiefungen, die mit sehmieriggelbem Belag ausgcfiillt sind. Der Sehleimhautrand ist leicht blutend~ wie auch aus dem verengten Lumen blutig tingierter Schleim fortgetupft wird. Oberhalb dieser Stelle Dilatation der Speiseriihre (Fig. 2).

Die ()sophagoskopie bietet beim Karzinom jedenfalls die griil~te Sicherheit zur Stellung der Diagnose 7 wenn man auch zugeben mug, dab man in deal Anfangsstadium, bis die Gesehwiirsbildung manifest wird oder deutliche krebsige Protuberanzen erkennbar sind~ sich mit der Wahrscheinlichkeitsdiagnose begniigen mug. Aber in der scharfen LSffelzange, mit der durch das 0sophagoskop hindurch kleine Stiieke zur mikroskopisehen Untersuchung exzidiert werden kSnnen, sind wir doch meistens in die Lage versetzt~ eine exakte Diagnose zu stellen, ob- schon uns das Auge in Stieh zu lassen droht. Durch diesen kleinen Ein- grill wird uns jedenfalls auf dem Wege der ()sophag'oskopie in vielen F/illen die Miiglichkeit geboten~ die Friihdiagnose des Karzinoms zu stel- len und auch das Karzinom yon anderen Erkrankungen zu unterscheiden.

Ich sollte nun meinen, meine Herren, dal~ man in diesem Falle schon auf den ersten Blick die Diagnose auf Karzinom stellen miifitr sieht man doch hier beidc Stadien verwirklicht. Wiihrend die obere Wandung der SpeiserShre durch die krebsige Infiltration starr und respiratorisch nicht verschieblich ist, sehen wir unterhalb des vcrengten, spaltfSrmigen Lumens exulzerierte, karzinomat~ise Wueherung'en~ die gerade hier so oft in der Gestalt einer IIimbeere ~hnlich sind. Die gesehwiirigen Partien sind yon rStlich-grauen Granulationen bedeckt, die hie und da mit einem sehmierigen Hauch tiberzogen sind. Die

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mikroskopisehe Untersuchung einer solchen Protuberanz bestKtigte die ~nakroskopisehe Diagnose: Karzinom.

M. S., 75 Jahr alt. An amn es e : Familienanamnese belanglos. Patient selbst frtlher stets

gesnnd gewesen. Seit November 1899 ist das jetzige Leiden bemerkt, das in einer allmi~hlieh zunehmenden Verengerung der Speiser~hre be- stand. Im Frtlbjahr 1901 verschlimmerte sieh das Leiden derartig, dab er kaum noeh feste Speisen herunterhringen konnte. Im November 190t wnrde im Landkrankenhause die Gastrostomie vorgenommen.

S t a t u s : Abgemagerter Mann, der nieht kaehektiseh aussieht. Die elastisehe Sonde stSBt 27 em hinter der Zahnreihe auf ein untlberwind- liehes Hindernis. l~ber dem Sternum keine D~mpfung.

1 . 0 s o p h a g o s k o p i s e h e Untersuc. .hung 26. Februar 1902. Naeh systematiseher Kokainisierung wird das Osophagoskop leieht eingefllhrt und st6flt 27 em hinter der Zahnreihe auf einen festen Widerstand. Aus der Wandung der SpeiserShre erhebt sieh you reehts unten her ein kugelig in das Lumen der Speisert~hre vorspringender Tumor, dessert Oberfl~iehe vollkommen glatt erseheint. Er ist yon hellroter Farbe, sieh

Fig. 3 a. Fig. 3 b.

deutlich yon der Farbe der tlbrigen SpeiserShrenwandung abhebend. A.uflerst zarte Gef~U~e sehliingeln sich auf der ()berfl~che dahin. Zwischen diesem Tumor und der gegenllberliegenden Wandung der Speiser6he ist ein mondsichelfSrmiger Spalt tlbrig geblieben. Das Lumen der Speise. rShre oberhalb des Tumors ist erweitert, die Wandung leicht gefaltet, blaBrot erscheinend ; Exzision eines kleinen Tumorst•ckes mit der scharfen L~ffelzange (Fig. 3a).

2. ~ s o p h a g o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g am 18. April 1902: Es zeigt sich nach Einftlhrung des ()sophagoskopes ein ~.hnlich vor- springender Tumor, wie bei der frilheren Untersuchung, nur erscheint seine Oberfl~che nicht mehr glatt, sondern unregelm~ig, gerunzelt; auf seiner Oberfl~che beflnden sich scharf begrenzte, tiefe Furchen. Der spalt- ffirmige Raum ist auf Minimum reduziert und beflndet sieh im Bilde oben links. Bei st~rkeren Wtlrgebewegungen erweitert sich das Lumen, dessert verdickte R~nder sich bei diesen Bewegungen verw6lben. Die Farbe des Tumors ist hellrot, seine Oberfl~iche yon zarten GefM]en llberzogen. Der Tumor macht sonst einen vollkommen soiiden Eindruck. Oberhalb dieses

Uber einige 5sophagoskopische FJille. 599

Tumors befindet sieh eine ausgedehnte Dilatation der SpeiserShre. Die Farbe der Schleimhaut ist bier blal~, GefJtBe sind nieht zu erkennen (Fig. 3b).

IIier hat sich also im Verlaufe von 7 Wochen aus einem griil~eren mondsiehelfSrmigen Spar eine ganz klcine, unregelmJil~igc 0ffnung gebildet, dic kaum einigen Tropfen Fliissigkeit Durchlafi gew~ihrt. Auch die Beschaffenheit der Oberfl~iehe hat sich dementsprechend ver- ~tndert; sic zeig't nicht mehr ein glattes Aussehen, wie bet der ersten Untersuehung~ sondern es ziehen tiefe Furchen dariiber hin and am Rande erkennt man deutlich Ein- und Ausbuehtungen, eine Erschei- scheinung, die darauf hindeutet~ daft bet der Volumenszunahme der Geschwulst doch auch Schrumpfungsprozesse im Innern sich abge- spielt haben, wie sie bet Karzinom so typisch sind. Aber abgesehen yon dem 2'/.2 Jahre langen Veflaufe der Krankheit und dem relativ guten Aussehen des Patientcn ergab auch die mikroskopisehe Unter- suehung nichts yon ether malignen Neubildung.

Heinrich Kr., 55 Jahre alt, Daehdeekermeister aus Wickenrode bet Grol~almerode.

A n a m n e s e: Fam ilienanamnese belang- los. Patient selbst in seiner Jugend stets gesund, ist mehreremals in seinem Leben aus betritehlieher Hiihe herabgestfirzt, das letzte Mal vor 10 Jahren. Ende 1.895 litt Patient an Magenkatarrh, so dal~ er sieh nut yon fltlssigen und leieht verdauliehen Speisen er- niihren konnte. Im Herbst 1902 bemerkte er eines Tages, dab er beim Essen die Wurst nieht mehr herunterbringen konnte. Die Sehtuckbesehwerden versehlimmerten sich dann im Laufe der Zeit, so dal~ Patient, der Fig. 4. friiher haatig zu essen gewohnt war, nur langsam und nur fltissige Speisen zu sieh nehmen konnte.

S t a tu s: In dem Ern~ihrangszustande etwas reduzierter Mann. Keine D~tmpfung fiber den Langen und dem Mediastinum. Leib nieht aufge- trieben, fiberall weieh. Zwei Querfinger breit unterhalb des Proeessus ensiformis in der Medianlinie eine draekempfindliehe Stelle. Die Sehlund- sonde, die yore Patienten selbst eingeftlhrt wird, stS~t 461/2 em auf einen elastisehen Widerstand.

0 s o p h a g o s k o p i s e h e U n t e r s a e h u n g am 20. Februar 1903: Nach systematiseher Kokainisierung wird der Tabus einzufllhren versueht, was anfangs nieht gelingt. Naeh noehmaligem Einfilhren des Tabus, wobei der Zungengrund noeh mehr nach vorne bewegt wird, gleitet er unter sanftem Druek in die Speiseriihre langsam hinab, yon beiden Zahnreihen sehr ein- gecngt. Naeh langem Suehen findet man im Tubuslumen einen halbmond- f6rmigen 8palt, der angef'ahr senkreeht yon oben nach unten sieh erstreekt and auf der reehten SeRe eine Einsehntlrung erfiihrt. Links sieht man einen nur wenig prominierenden Tumor, der fiberall eine gleichm~tl~ige Oberfiiiehe zeigt.

600 XXII. HAllT~t ANN

Auch reehts yore Spalt ist eine rigidere Sehieht zu sehen~ die streeken- weise zyanotiseh verfiirbt ist. Ein Spiel der Cardia, wie es sonst in soleher Tiefe zu sehen ist, wird nicht beobachtet. Oberhalb der Stenose etwas Dilatation der SpeiserShre. Nach Exzision eines kleinen Sttickes, das sich sp~ter als normales Plattenepithel des ~3sopbagus erweist, wird der Tubus entfernt (Fig. 4).

Da mikroskopisch keine Karzinombildung nachgewiesen werden konnte, gab man sich aueh in diesem Falle der Hoffnung hin, dafl es sieh ebenfalls um eine gutartige Stenose handeln kSnnte. Aber durch die Laparotomie, die am IS. M~trz 1903 zwecks Gastrostomie (nach K ader) ausgefiihrt wurde, wurden wir eines besseren belehrt. Abgesehen yon dem Cardiatumor wurden im kleinen Netze zwei bohnengro[le, harte Knoten und hinter dem Magen in der Pylorus- gegend eine zwei pflaumengroi~e Gesehwulst geftihlt, auf die sich die Pulsation der Aorta fortsetzte. Patient ging dann nach einigen Wochen naeh der Operation an Metastasenbildung zugrunde, nachdem er be- deutend leichter Fliissigkeiten auf natiirliehem Wege hinunterbringen konnte. Das Karzinom hat sieh also in diesem Faile mehr submuk~is ausgebreitet.

Fr. Robert Drehmann, 49 Jahr alt, Zimmermann aus Kassel. A namn es e : Patient will vor 20 Jahren Unterleibsentzttndung gehabt

haben, im tibrigen nicht krank gewesen sein. Am 29. April 1901 hat er sich zwei Rippen (die 6. und 7. Rippe links) gebrochen und vier Wochen spiter die Arbeit wieder aufgenommen. Er will aber nach dem Unfalle Schmerzen beibehalten haben, die sich namentlich beim Bficken und Auf- richten geltend maehten. Diese Schmerzen sollen sich spater auf die reehte Seite verzogen haben. Bald nach dem Unfalle fiel es Patienten auf, nicht mehr und so viel essen zu kiinnen wie frflher, namentlich in Ge- sellschaft mit anderen wurde ihm das Essen yon festen Speisen sehr schwer. Auch mutate er sich b~iufig w~ihrend und nach dem Essen er- brechen, was im Laufe der Zeit immer schlimmer wurde. In letzter Zeit ist der Zustand derartig geworden, daft er, sobald sieh an der einen be- stimmten Stelle der SpeiserShre ein Krtlmehen Brot festsetzt, das Geffihl hat, als ob sich die SpeiserShre krampfartig zusammenziige, wodurch selbst- verstAndlich nicbts heruntergebracht werden kann. Dieser Zustand kann 2~ 3 bis 4 Tage andauern, ohne daft Patient etwas zu sich nehmen kann. Infolgedessen hat er 24 Pfund abgenommen. Patient nimmt zur LSsung dieses Krampfes hiufig kleine Quantitiiten warmer Milch und Kamillen- tee, die dann allm~hlieh tropfenweise mit einem warmen Geflihl dutch die verengte Stelle in den Magen hindurchsickern.

Status: Elend aussehender Mann im miifligen Erniihrnngszustande. Abgeseben yon einer Auflreibung der 6. und 7. linken Rippe nichts Be- sonderes. Keine Dfimpfung fiber dem Sternum. Sonde stSfit 27--28 cm hinter der Zahnreihe auf Widerstand.

O s o p h a g o s k o p i s e h e U n t e r s u c h u n g am 17. Milrz 1903: Nach systematischer Kokainisierung gleitet die Sonde iinl%rst leicht 27 cm hinter

!~Tber einige 5sophagoskopische Igille. 601

der Zahnreihe hinab und st6Bt auf einen so elastisehen Widerstand, dab das Osophagoskop naeh l~aehlassen des Druekes zurtteksehnurrt. Die Sehleim- haut sieht blal~r0tlieh aus, ist t|berall glanzend, l'qaeh langem Suehen finder man oben reehts eine dunkle Stelle, die sieh als Lumen tier Speiser~hre er-

Fig. 5 a. Fig. 5 b.

veeist. Man gewinnt entsehieden den gindruek, dab die Speiser0hre hier krampfartig kontrahiert ist (Fig. 5 a). Naehdem das Lumen tier 8peiserShre eingestellt ist, wird versueht einen Tupfer hindurehzusehieben, tier ein gutes Sttlek vorwiirts dringt, um dann wieder festgehalten zu werden. Am

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I ~ .~ , . J ,,! !t Fig. t~.

Tnpfer nur wenig blutig tingierter Sehleim. Als das iSsophagoskop zu- rtlekgesehoben wird, sieht man in einen sehiefen Triehter, dessert linke Wand epiglottisartig ttber die Offnung hintlberragt, und der sich infolge einer peristaltisehen Bewegung schnell wieder sehliellt. In grfillerer Entfer-

602 XXII. HARTMANN, Uber einige 5sophagoskopische F~ille.

nung ist das kontrahierte Lumen deutlicher zu sehen. Nirgends Blutuug Fig. 5 (a und b). ' Da es Patient vorzog, sich invalidisieren zu lassen, konnte keine weitere Uutersuchung oder Eingriff vorgenommen werden. Doch starb er sehou am 31. August 1903, angeblieh an asthmatisehen Erscheiuuugeu. Bei der Sektion~ die unter ungtlnsfigen Verh~lltnissen vorgenommen wurde~ fand sich in der Speiser~ihre in der Hiihe der Bifurkation der Trachea ein ca. dreimarksttlckgrol~er~ erhabeuer, an der Oberfl~iche unregelm~il3ig ge- stalteter Tumor. Auf der Schnittfi~iche weist er grauweille Str~inge auf~ die im Zenirum his an das adventitielle Gewebe reiehen uud in der Peri- pherie zwischen die Museularis des ~)sophagus vordringen. Der Tumor stiil~t vorne an die Trachealwaudang an.

Die miskros.k.opische Untersuchung ergibt einen typischen Platteu- epithelkrebs des Osophagus, dessen Epithelstr~inge in der Peripherie des Tumors in der Submueosa weiter vordringen~ w~ihreud sic im Zentrum des Tumors bereits das adventitielle Gewebe erreicht haben. Sonst ist am 0sophagus weder makroskopisch noch mikroskopisch etwas Pathologisches zu bemerken (Fig. 6).

Dal~ ein derartiger Osophagospasmus durch ein Karzinom des ()sophagus ausgeliist wird, ist entschieden sehr selten~ am h~iufigsten geschieht es durch andere Affektionen des 0sophagus, dutch Katarrh~ Geschwiir 7 _~tzwunden~ Fissuren~ auch durch Fremdkiirper.