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Uber Immunit~it, Allergie und Resistenz bei Tuberkulose, unter Beriicksichtigung der Eriahrungen der Nachkriegszeit *. Von Dr. reed. habil. FRXNZ ICKERT, Oberreg.- und Obermed.-Rat in Hannover. Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 15. Dezember 1947.) Bekanntlieh hat die Tuberkulose im ganzen erheblieh zugenommen. Diese oder ]ene Tuberkuloseformen sind h~ufiger geworden, so dab man sagt, die Tuberkulose babe ihrer~ charakter ge~ndert; jedenfalls erseheint ihr Verlauf 5fter ein anderer zu sein Ms friiher. Alles dieses diirfte ein Grund zur Priifung sein, ob mit diesen Tatsaehen unsere theoretischen Anschauungen noeh im Ein- klang stehen, bzw. ob wir sie zu revidieren oder zu erg~nzen h~ben. Das betrifft die Immunit~t, die/kllergie und die Resistenz. Fiir diese Begriffe gibt es frei- lieh noch keine alIgemeingiiltige Definition. Um uns im Rahmen der vorliegenden Aufgabe. verstandigen zu kSnnen, miissen wir uns daher sozusagen Iiir die fol- genden Ausfiihrungen auf eine Definition festlegen und zunachst berichten, wie sieh uns darnach bisher die Erseheinungen yon Immunit~t, Allergie und Resistenz bei der Tuberkulose dargeboten haben. I. Die Resistenz. Mit BR. LAI~G~ haben wir uns bei" der Tuberkulose daran gew6hnt, yon der streng spe~zifisehen Immunit~t die allgemeine nati~rliche Resistenz oder Wider- standskraft ~bzutrennen. Diese natfirliche Resistenz is~ entweder angeboren m spezifiseh oder unspezifisch ---, oder erworben und kann gesteigert oder vermin. dert in ]~rseheinung treten. Im umgekehrten Sinne entsprieht der angeborenen spezifischen Resistenz die angeborene spezi/ische Disposition, ein~chIiefllich der vererbbaren Disposition zur Erkrankung an Tuberkulose. Einige Beispiele mSgen dies erlautern. Ein Bskteriologe spri~te sieh als Suicidversuch eine groBe Menge yon Reinkulturen lebender Tuberkelbacillen intravenSs ein, sofortiger Schiittelfrost folgte; nacll ein paar Tagen war er wieder gesund. B~Id d~rsuf knm der B~,k~eriologemit Typhusbaeillen zu dora gleichen Ergebnis (zit. nach v. BERG~AXN). Ein Arz~, dessen Eltern an Tuberkulose verstorben waren, injizier~e sieh sus Ver- zweifelung intr~venSs virulente Tuberkelbseillen, als eine Tuberkulinprobe bei ihm ein positives Ergebnis hst~e. Eine ~kute Milisr. und Hirnl~uttuberkulose schloB sieh an {ICKERT), Von vornherein h'~tte man beide Male eine Miliartuberkulose .erwarten diirfen. Diese kann ~ber nur bei bestimmter Re~ktionsl~ge zustande kommen, namlieh bei einem sehon vorher infizierten Individuum im Zustand hoher aller- giseher Empfindliehkeit, wie beim zweiten Falle. _Bei jemand sber, der noeh keine Beriihrung mit dem TuberkulosebaCillus gehabt hat, folgen auf eine derartige intr~venSse 'Einverleibung von Tuberkelbaeillen entweder eine '* Nach einem Vortrag in der Med.-Nat.-Ges. zu M~nster am 14. 11.47.

Über Immunität, Allergie und Resistenz bei Tuberkulose, unter Berücksichtigung der Erfahrungen der Nachkriegszeit

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Uber Immunit~it, Allergie und Resistenz bei Tuberkulose, unter Beriicksichtigung der Eriahrungen der Nachkriegszeit *.

Von

Dr. reed. habil. FRXNZ ICKERT, Oberreg.- und Obermed.-Rat in H a n n o v e r .

Mit 4 Textabbildungen.

(Eingegangen am 15. Dezember 1947.)

Bekannt l ieh hat die Tuberkulose im ganzen erheblieh zugenommen. Diese oder ]ene Tuberkuloseformen sind h~ufiger geworden, so dab man sagt, die Tuberkulose babe ihrer~ charak te r ge~ndert; jedenfalls erseheint ihr Verlauf 5fter ein anderer zu sein Ms friiher. Alles dieses diirfte ein Grund zur Priifung sein, ob mit diesen Tatsaehen unsere theoretischen Anschauungen noeh im Ein- klang stehen, bzw. ob wir sie zu revidieren oder zu erg~nzen h~ben. Das betrifft die Immunit~t , die/kl lergie und die Resistenz. Fiir diese Begriffe gibt es frei- lieh noch keine alIgemeingiiltige Definition. Um uns im Rahmen der vorliegenden Aufgabe. verstandigen zu kSnnen, miissen wir uns daher sozusagen Iiir die fol- genden Ausfiihrungen auf eine Defini t ion festlegen und zunachst berichten, wie sieh uns darnach bisher die Erseheinungen yon Immunit~t , Allergie und Resistenz bei der Tuberkulose dargeboten haben.

I . Die Resistenz.

Mit BR. LAI~G~ haben wir uns bei" der Tuberkulose daran gew6hnt, yon der streng spe~zifisehen Immunit~t die allgemeine nati~rliche Resistenz oder Wider- standskraft ~bzutrennen. Diese natfirliche Resistenz is~ entweder angeboren m spezifiseh oder unspezifisch ---, oder erworben und kann gesteigert oder vermin. dert in ]~rseheinung treten. Im umgekehrten Sinne entsprieht der angeborenen spezifischen Res is tenz die angeborene spezi/ische Disposition, ein~chIiefllich der vererbbaren Disposition zur Erkrankung an Tuberkulose. Einige Beispiele mSgen dies erlautern.

Ein Bskteriologe spri~te sieh als Suicidversuch eine groBe Menge yon Reinkulturen lebender Tuberkelbacillen intravenSs ein, sofortiger Schiittelfrost folgte; nacll ein paar Tagen war er wieder gesund. B~Id d~rsuf knm der B~,k~eriologe mit Typhusbaeillen zu dora gleichen Ergebnis (zit. nach v. BERG~AXN).

Ein Arz~, dessen Eltern an Tuberkulose verstorben waren, injizier~e sieh sus Ver- zweifelung intr~venSs virulente Tuberkelbseillen, als eine Tuberkulinprobe bei ihm ein positives Ergebnis hst~e. Eine ~kute Milisr. und Hirnl~uttuberkulose schloB sieh an {ICKERT),

Von vornherein h'~tte man beide Male eine Miliartuberkulose .erwarten diirfen. Diese kann ~ber nur bei best immter Re~ktionsl~ge zustande kommen, namlieh bei einem sehon vorher infizierten Individuum im Zustand hoher aller- giseher Empfindliehkeit, wie beim zweiten Falle. _Bei jemand sber, der noeh keine Beriihrung mit dem TuberkulosebaCillus gehabt hat, folgen a u f eine derartige intr~venSse 'Einverleibung von Tuberkelbaeillen entweder eine

'* Nach einem Vortrag in der Med.-Nat.-Ges. zu M~nster am 14. 11.47.

462 FRA~ZICK~:

Tuberkulosepsis (Typhobacillose Landouzy), eventuell mit Bildung multipler Primfirherde, oder aber, wenn der Betreffende iiberhaupt nicht empf~inglich ist, d. h. fiber keine Disposition zur ]~rkrankung an Tuberkulose, dagegen fiber eine absolute natiirliche Resistenz verffigt, erfolgt gar niehts. ,

Gem~iB d e r T a t s a c h e , dab im ~verla~i des Lebens bei uns praktiseh a l le Menschen tuberkulinposit iv werden, ist nach Do~1~1~ die ,,]~mpf~inglichkeit" fiir das Genus ,,l~Iensch" at]gemein vorhanden. Dazu steht im Gegensatz, dab beim ,,Lfibecker Ungliick", wo man nach den absolut tSdlichen Dosen yon humanen Bacillen den Tod aller infizierter S~uglinge beffirchten muBte, nur 27% an Tnberknlose s tarben, 56% ]Brkrankungen mit gfinstigem Ausgang und 17% Tuberkulinreaktionen ohne aktive Erkrankungen resultierten (naeh !MOXGLI~G und Z0XLCH). iWach G ~ I s s L ~ u. a. ist der vererbbare l~aktor ,~Tuber- kulosehinf~lligkeit" nUr bei 2/s~/~, der ~akt0r , ,Anf~lligkeit" ebenfalls bei

�9 2/__3]~ der BevSlkerung vorhanden, wiihrend der Rest (etwa 40%) iiberhaupt tuberkulose~resistent ist. Auf dieses letztere kommen wir bei der Besprechung der Tuberkuloseschutzimlofung noch einInal zuriick.

Die allgemeine Widerstandskraft gegen die ]~rkrankung an Tuberkulose ist yon verschiedenen l~aktoren abh~ingig.

Bekannt ist ihre Abhangigkeit yore Lebensalter. Im Schulalter ist die Resistenz gegen- fiber Erkiankung und Ted am g16]~ten; in diesem Alter kSnnen wit deshalb mit der Tuber- kulosesehutzimpfung am wenigsten schaden.

Nach Ab b. 1 ~ndert sick die Alterskurve augensckeinlick mit den Umweltverh~lt- nissen. ~ Abb. 2 zeigt die Beziehungen der extrapu]monalen Tnberkulosen zu Graviditf~t und Wochenbett und zur 2Vollikelhormonbildung. Man kann darnach sagen, dab auch ftir diese Tuberkulosen die Aufbau- bzw. die vagotone Phase der Gestation prognostisch durchaus nicht so ungiinstig ist, wie immcr gesagt wird; ungiinstig erscheinen jedoch Wochenbett und Stil]zeit, also die syml0athicotone Phase (nach DERB~LOW).

Das sind einige Beispiele, wie die Resistenz yon der jeweiligen K0nsti tution, dem Zustand des ,,inneren Ge]iiges" (SI~B~CK') abhangt. Hinreichend bekannt sind die Einflfisse der Umwelt (kSrperliche und seelisehe ~beranstrengung, Unterern~thrung usw.) ; w i t werden im 4. Abschnitt darauf noeh zuriickkommen.

1I. Die Immunitiit.

iWaeh H. SCHMIDT verleiht das ?Jberstehen einer typischen Infektionskrank- heir (Pocken, Masern) eine Immunit~t , d .h . der Organismus ist nach ~ber- stehen der ~rkrankung und u der Infektionserreger grunds~tzlich iiberhau~t nicht rnehr in der Lage, bei einer erneuten Infektion mit den gleichea Erregern in der fiir die betreffende ]~rkrankung ty~ischen Weise krank zu werden. Der KSrper reagier t auf diese Erreger nicht mehr; er befindet sick im Zustand der Areaktivitiit odor Asensibilit(it. Bei manchen Krankhei ten kSnnen wit nur eine Immunit~t beobachten, so lange sich Infektionserreger i m Organismus' befinden - - mit dem Yerschwinden derselben erlischt auch die Immunit~t , und eine Neuinfektion kann dann neuerdings wieder klinische Erscheinungen be- dingen. F~ine solche Immunit~t nennt man In/ektlonsimmunlt~it. Man nimmt an, dab bei Lues und Tuberkulose solche Yerh~ltnisse bestehen. Alle diese Arten der I m m u n i t ~ t sind aktiv erworben.

Zu 4/5 geschieht die Infektion des Mensehen aerogen, d. h. durch Aufnahme yon TuberkulosebacillerL mit der Atmung, zu 115 auf anderen Wegen, zum grSBten

~3ber Immunititt, Allergic und Resistenz bei Tuberkulose. 463

Teil enterogen mit der Nahrung. Ist der Betreffende ,,empf~nglich", d. h. an- fAllig oder hinf~tllig gegeniiber der Tuberkulose, so geniigen die wenigen Baeillen, welehe dureh den ]~ngpaB des Bronehiolus terminalis in die Alveolen dringeu kSnnen, um eine tuberkul6se, d .h. eine kAsige bzw. verki~sende ]~ntziindung entstehen zu lassen. Diesen Herd nennen wir Prim(irherd oder -aHekt. Diese kleine no~wendige Menge yon infizierenden Baeillen bezeichnen wir mit ]3R. I~ANG]~ als,,Dosis minima in[ieiens" und den Vorgang mit dieser Dosis als , ,In#ctio minima". GemiH~ Beobach- tungen und gem~B Tierexperimenten halter etwa vom 9. Tage an naeh einer solchen ,,Infeetio minima" eine :weigere ,,Infeetio minima" nich$ mehr. Der Organismus ist dann gegen eine soleho kleine Znfektionsdosis immu~ geworden. Mit Ausnahme yon etwa 10% ist der Prim~rherd

15

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Abb. 1.

singular, also einlnalig vorhanden. Zusammen mit den zugehSrigen Lymph- knotenherden kommt es zur Ausbildung des Prim~Lrkomplexes, und die ganzo Periode bezeichnet man bis zu ihrem Ablauf als Primtirherdperiode. Im giinstigen Falle bleibt ein verkalkter PrimArkomplex zuriiek; wet einen solchen hat, hal bewiesen, dab er damals zur Zeit der ]Erstinfektion die nStige Resistenz hatte.

Der Organismus ist also jetzt immun gegeniiber einer neuen Infectio minims, von auBen. :Ira Herd selbst, kSnnen aber die BaciIlen sieh weiter vermehren und auf allen mSglichen Wegen (hA- matogen, lymphogen, bronchogen und per contiguitatem) sieh weiter ausbrei- ten. Das ist die Generaliaations- oder 2. Periode (naeh RA~TXE). Der ganze KSrper kann ,,durchseucht" werden; die Baeillen kSnnen iiberall ,,stranden" und z u Herdbildungen AnlaB geben. 13~bersteht der Organismus diesePeriode, so ist er jetzt gegen weitere Ausbreilung au/ dem Blur. und Lymphwege immun (humorale ImmunitAt) ; hAmatogen und lymphogen gehen dann Metastasen

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Grct Y / dJ/8 / ~I l.#dlfle 2.M~lfte ~ ~, X/i/Izet']

Abb. 2.

nieh~ mehr an, auch die I~ymphknoten erkranken kaum noeh. Dies leige~ fiber zur TertltirTeriode oder zur Period* der isolierten Organtuberkulose; die Tuberkulose bleibt fiirderhin auf dasindividuell prA- disponiert e Organ besehrAnkt-- gegeniiber der Tuberkulose anderer Organe besteht ein gewisses ,,AVzsehlie~ungsverMiltnis". Die jetz~ erlangte Immunitgt kann zu- sammen mit der Resistenz so groB sein, dab z. B. die Baeillen einer Kaverne nicht mehr gefAhrlich fiir den Kranken selbsf, sondern nur noeh gef~hrlich fiir seine Umgebung sind.. Als Beispiel hierfiir sei der Aussprueh eines alten Arztes angefiihrt: ,,Mir schaden meine Baeillen niehts, meine Enkel aber bringen sie ins Grab." Wie gesag~, sind Resis~enz und Immunit~t dann groI3. Sin]it die Resistenz, dann kSiinen die Bacillenmassen z. B. yon der Kaverne aus streuen;

464 ~A~Z IOKERT :

durch Kontaktwachs tum und intracanaliculi~re Streuung kann sich der ProzeB im selben Organ welter ausbreiten; naeh BR. L ~ G r w/iehst die Immunitf i t wiihrend des aktiven Fortschreitens des tuberkulSsen Prozesses. Im Endstadimn endlich bricht die Immuniti~t zusammen, und aueh die Resistenz wird g!eich null.

Diese Art des Verlaufes der Tuberkulose und diese sozusagen geordnete Durehseuchung wird cure grano salis bei 80---85% der Fiille beobaehtet - - in 15---20 % bleibt die humorale Immunit~t aus, und Metastasen auf dem Blut- wege t re ten m i t griiBeren oder kleineren Pausen auf. Das ist die ~orotrahierte Durchseuchung naeh DI~m~ und SCHtRMA~. D i e Franzosen nennen diese l~ormen ,,tubercnlose m6tastasique" oder ,,tuberculose migratr ice"; ,,ce~ formes sont plus b6nigues que curables" (DUMBEST et MOnnART). Sie umfassen die die vielen l%rmen der mehrfachen extrapulmonalen Tube rku lose bzw. der ,,multiTlen Organtuberkulose" (IcK~RT). }~eridit/~re l~aktoren, also l~aktoren der natiirliehen Widerstandslosigkeit, sl0ielen bier eine wesentliche Rolle. AuBerdem zeigt sich, dab die betreffenden Personen geh~u/ten Wiederansteckungen, zumal der dauernden beru]lichen Wiederansteckung, oft iiberrasehend zugdinglieh sind. Die humorale Immuni t~t u n d die Immuni ta t gegeniiber der Infeetio minima sind bier zeitweise nur rudiment/~r vorhanden.

Die Immunit'&t kann im Laufe der Zeit naeh biologiseher Ausheilung der Tuberkul0se wieder erlSsbhen, wenn gemaB der Theorie 'sozusagen der letzte Tuberkelbaeillus den Organismus verlassen hat. Noeh heute wird yon vielen, zumal v0n Pathologen, bezweifelt, dab so etwas wirklieh vorkommen kann. In steigendem MaBe mehren sich indessen auch pathologisch-anatomiseh die ]Befunde wirklieher zweiter Prim~rinfektionen bzw. Rein/ektionen. Diese neue 0der Rein/ektionstuberkulose k a n n path0genetiseh yon neuem mit denselben ~ormen alle Stadien durchmaehen, welche wir oben skizziert haben. Sie ist praktiseh besonders wiehtig fiir die Ansteekung bzw. Wiederansteckung bei der Pflege OffentuberkulSser.

Etwas anderes ist es mit der Superin/ektion; das ist die Au/p]rop/ung yon neuen BaciUenmassen au/ bestehende tuberkul6se Herde mit noeh reagiblem tuber- kulSsen Gewebe. An diesen Herden kommt es zu allergischen Reaktionen, welche sp/~ter noeh besproehen werden sollen. Die Herde flammen auf; das ganze ist eine Exacerbation bzw. eine Verschlimmerung einer bestehenden (ruhenden oder aktiven) Tuberkulose durch Suporinfektion. Wie bereits erw~hnt, sind Personen in portrahierter Durehseuchung oder mit starker tuberkulSser Hinf/illigkeit im Sinne Gv, ISSL~RS (s. oben) ganz besonders den Wirkungen der Superinfektion zugiinglieh - - die ImmUnititt gegeniiber der Infee~io minima ist demnach n ieh t bei allen Menschen und aueh nieht zu allen Zeiten gleich.

Die Immuni ta t bei der Tuberkulose nennt man auch relativ, well sie sich periodiseh immer nu t auf bestimmte In/ektionsdosen bezieht m gegentiber der Infekt ion yon auBen (der exogenen Infektion) immer nur auf di9 Dosis minima, bei der humoralen Immuniti~t in bezug auf die Baeillenmengen, welche mit dem Blur Zu zirkulieren vermSgen. Werden die betreffenden Infektionsdosen iiber- sehritten, so kann tin Angehen der Infektion mSglieh sein, wenn nicht zuf/illiger- weise die natfirliehe Resistenz dies verhindert.

Dureh das Angehen der ersten Dosis minima infieiens kommt e s als0 zu Immuni ta t gegeniiber weiteren Doses minima infieiens; der gesamte K S r p e r

~ber !mmunit~it, Allergie und Resistenz bei Tuberkulose. 465

bzw. j ede e inze lne KSrpe rze l l e wi rd sozusagen dureh das E n t s t e h e n eines P r im~r - a f fek tes gegen i ibe r we i t e ren exogenen In fec t iones m i n i m a e z ieml ieh p lS tz l i eh blocldert. V~ie i s t das zu ve r s t ehen ~. S e i t d e m wir du rch SUNDER-PLAsSMANN u n d ST6~R jun . usw. wissen, d a b das v e g e t a t i v e 1%rve nsys t e m in ] e d e KSrpe rze l l e E n d i g u n g e n en t sende t , u n d dab j ede KSrpe rze l l e f unk t ione l l l e t z t h i n de r zen- t r a l en R e g u l a t i o n dureh das Z w i s e h e n h i r n - H y p o p h y s e n - S y s t e m un te r l i eg t , k i innen wir sehlieBeii, d a b eine de ra r t i ge p lStz l iche B lockade fi ir exogene' I n - f ek t ionen m i t Doses m i n i m a e n u r d u r e h e ine solehe ne rva l e R e g u l a t i o n mSgl ieh is t . Mi th in i s t d ie I m m u n i t a t wohl in e r s t e r L in ie eine Angelegenheit der vege- tativen bzw. neuralen Regulation.

W i e s ieh de r i m m u n i s a t o r i s e h e Sehu tz be i den e inze lnen K r a n k h e i t e n in W i r k l i e h k e i t ges t a l t e t , wissen wi r noeh n i e h t genau. B e i de r D i p h t h e r i e u n d v ie len a n d e r e n K r a n k h e i t e n n e h m e n wi t die M i t w i r k u n g y o n A n t i k S r p e r n an. Be t re f f s Tube rku lose wissen wi r noeh wenig.

,,Wie such immer", scbxeibt KALBFLEISCH, ,,Tuberkelbacillen in ein terminales Lungen- gebiet gelangen, ohne nervale Reizung l~nn die tuberkulSse Veranderung nicht entstehen, die in jeder Form die Folge einer 51~lichen KreislaufstSrung vcrschiedenen Grades is t ." - - Darnach zu urteilen, bleibt bei der Tuberkulosc-Immunit'~t eben die ~nervale -~eizung" aus; der Zustand der immunis~torischen ,Are~ktivit~t" w~ro dann auf m~ngeinde ,,Empfindlichkeit" der Strombahnnerven zuriickzufiihren (--~ Asensibilit~t).

Lu~I~ butte folgendes gefunden: Nach Einfiihrung speziell angefertigter und mit Tuber- kelbacillenkultur beschickter Seidens~ckchen in die B~uchh~hle gesunder und tuberkulose- infizierter Tiere konnte nach 5--14 Tagen eine bedcutendo Vcrmehrung der Bacillen in den Seidcns~ckchen bei den gesunden, eine Hemmung oder Verminderung bei den tuberkulSsen Tieren festgestellt werden; dutch Kontrollversuche konnte eine absolute Undurchl~issigkeit der S~ckchen bewiesen werden. LURrE sckloI~ aus seinen Versuchen, daI~ immunisierende Stoffo sich aul]erhalb der Seidens~ckchen in der tierischen Fliissigkeit befinden miil~ten. - - Das wiirde bedeuten, da~ such bei der Tuberkulose humorale Antik~rper vorhsnden sind, und tats~chlich hat MEINICK~ seinen , ,Extrakt" auf die AntikSrper gegen die Eiwei~- und Lipoidsubstanzen der Tuberkelbacillen eingestellt. ,

Nach SELTER werden bei vorinfizier~en Tieren die in die BauchhSllle gebrachten Tuber- kelbaeillen zwar yon Zellen aufgenommen und in das Netz uud in die 0rgane verschleppt; eine unmittelbare Vernichtung erfolgt aber nicht in den Zellen; vielmehr bleiben die super- in/izierenden ]~acillen monatelangin denOrganen liegen, bis sie schlieBlich abstorben oder durch unspezifische Fermente aufge16st werden.

Diese Schilderung S~LETRS ist rocht anschaulich: Die Bacillen bleiben monatelang in den Org~nen liegen; sie vermehren sich nicht mehr. Heu~o nennen wir das eine bakterio- 8tatieche Wirkung, wio wit sie jetzt als die Wirkung z. B. yon Sulfonamiden und yon andoren AntibiotSca kermen.

SOm~RN und DOLD bat ten tuberkelbacilienfeindliche Stoffe bereits 1912 im Harnsedi- ment nierentuberkulSser Menschen nachgewiesen; 1947 konnte DOLD mit seinen Mitarbeitern sie such im H a m gesunder Personen feststellen; die inhibitorische Wirkung ist nicht den belmnnten tlarnbestandteilen in physiologischer Konzentration (Harnstoff, Harns~ure, Salze usw.), vielmebx walxrscheinlich dem Ferment Urease zuzuschreiben, welehe Harnstoff zu CO a und NIt , zerlegt.

Na, ch E. H~ss~-ttamburg wirken normale ~olirassen und Extr~kte aus ihnen ebenfalls auf Tuberkelbacillen bakteriost~tisch. Meines Erachtens erscheint hiernach die Annahme gerechtfertigt, dab bei Dysbakterie infolge ehronischer Verdauungsst6rungen der Tuber. kul6sen, such infolge chronischer Unterernhhrung, mit dem Sputum verschluekte Tuber- kelbacilten im Darm beim Wegfall der bakteriostatischen Colifunktion im Durra leiehter zur Ansiedlung gelangen und Darmgeschwiire veranlsssen k6nnen.

Weitere Untersuchungen yon DOL~) (1947) betreffen das ,,Inhibitionsverm6gen (keim- wachstumshemmende Vermfgen)" verschiedener lebender (bzw. iiberlebender) Oberfl~chen

466 ~*~z I c x ~ :

gegenfiber J3. ~rodifiosum. W~hrend Gef~endothel (Intima der Aorta) kein Inhibitions- vermSgen erkennen ]ieB, betrug die Inhibitionsdauer auf der (iiberlebenden) Serosa der Pleura costMis etwa 10 Stunden, auf der Serosa des Peritoneums etwa 15 Stunden, auf der Schleimhaut der Trachea 24--48 Stunden und auf der ~ a u t (Innenfl~che des ~iuBeren Ohres des Kaninchens) 72--96 St unden. Der Grad der Inhibinwirkung der lebenden 0ber- fl~ichen nahm mit der Zunahme des Deckgewebes zu. Nach DOLD handelt es sich dabei um die Konkurrenz der Fermentsysteme der beiden Zellarten - - der Bakterienzellen und der KSrperzellen. - - N. achgewiesen ha t DOLD diese Gesetzm~13igkeiten zun~chst nut for d~s B. prodigiosum. Ahnliche Untersehiede werden auch ffir den Tuberkelbacillus gelten. Sie dfirften sinngem~] mit Versuchsergebnissen yon Bm LANo~ vor etwa 20 Jahren in Ein- klang stehen, dab n~mlich das Ltmgengewebe fiir die im Bhtt kreisenden TuberkelbaciUea am empf~ngllchsten ist, dann kommt die Milz usw. (der Artikel i s t mir zur Zeit nicht zug~nglich), weiterhin mit jenen Erfahrungen BR. LA~OEs, claB zur Infektion der Lunge 1--2 Tuberkelbaefllen genfigen, zur Infektion des Darmes aber die 200fache Dosis er- forderlich ist.

] ) a s a l les be t r i f f t zungchs~ n u t den A n t a g o n i s m u s des l ebenden 0 r g a n i s m u s gegen T u b e r k e l b a c i l l e n sch lech th in . W e n n mig Hi l f e solcher I n h i b i n e de r Angr i f f de r B a k t e r i e n u n b e m e r k t und r eak t i0ns los abgesch lagen wird , so n e n n t das DOLD , ,Res is tenz (na t i i r l iehe I m m u n i t a t ) " . ] ) a n n wi i rde es s ich be i de r echten, d.h. erworbene~ spezi~ischen Immunit~it in de r ] t a u p t s a c h e u m e ine Steigerung de r K r a f t e de r i nh ib i t o r i s chen F e r m e n t s y s t e m e hande ln , u n d d ie (echte, e rworbene) I m m u n i t ~ t ware d a n n n u r e in spezieller Fall tier allgemeinenr natiirliche~ Resistenz. ....

Allgemein fiihrt man zur Zeit die Bildung yon Antik6rpern and die auch oben beschrie- benen bakteriostatischen Wirkungen auf die T~tigkeit des retikuloendothelialen Systems (RES.) zuriick. Naeh SIESMUND und LEPEH~E wird angenommen, dal3 alle Mesenchym- zellen die F~higkei~ haben,: unter entsprechendem EinfluB sieh zu aktiven Zellen des RES. umzuwandeln. Nach v. BwROMAN~ U. a. W2rken solche Zellen und vor allem in ihnen ab- gelagerte Schwermetalle I~atalysatorlscb. Das letztere ist durchaUS verst~ndlich, schon wenn man sich die yon LEH~A_RTZ angefiihrte Formel vet Augen h~lt:

(Platin) 0 CH~-CH2Ott + ~ " ' C ~ - ~ / + Mb-H,

t t

(~_t, hylalkohol) (Methylenblau) (Acetaldehyd) (Leukomethylenblau),

d. h. eine alkoholische MethylenblaulSswng wird bei Gegenwart yon. Platin als Ka~ lysa to r entf~irbt. Wir erinnern uns, dab alle Zellatmung mit Hilfo des Cytochromsystems nach WARsusC~ auf eine katalysatorische Wirkung, und zwar des Eisens, zuriickzufiibxen ist, welches dabei dureh Elektronenverschiebung veto Fe ++ zu Fe ~ wcchselt und um- gekehrt. Der ganze Zetlstofiwcehscl spielt sich an der Zelloberfl~iche, der Zellmembran ab. Immer wirken dabei Katalysatoren bzw. Fermente, Enzyme mit. DaRer erscheint die yon DOLD jiingst vertretene Ansehauung, da~ es beim Zus~mmentreifen yon Makro- mit Mikro- organismen zur Konkurrenz yon Fermentsystemen kommt, durchaus zutreffend. Auch hinsichtlich Tuberkulose spielt sich die erste Auseh~andersetzung des Organismus mit den Bakterien auf der Zelloberfl'~che ab; sparer, wenn Phagocyten die Tuberkelbaeillen aufgenommen haben und die Bildung yon Epitheloid- und Riesenzellen folgt, kommen noch andere Gesichtspunkte in Betracht . Bei der wahren (erworbenen) lmmunit~t abet bleibt die Epitheloid- und Riesenze|lenbildung aus; als wenn die Bakterien flit die Zelle apathogen ws so haben sieh dann die Fermentsysteme der Zellen auf die Superinfi- zierenden Bacillen eingestellt, und zwar, wie oben auseinandergesetzt, fast schlagartig fiir den gesamten Organismus. Manche dieser Fermentsysteme bei der Tuberkulose kennt man schon: nach A B D S R ~ g ib tes gesonderte, ganz spezifis.che Abwehr/ermente gegen den Typhus humanus, den bovinus und den gallinaceus.

W i e wir gesehen haben , i s t d ie na t f i r l i che Res i s t enz sehr h~uf ig sehr eng m i t de r I m m u n i t ~ t ve rknf ip f t , bzw. s ind es de ren ~uf l e rungen . J a , m a n c h m a l

~ber Immunit~t, Allergic uud Resistenz bei Tuberkulose. 467

h~ngt die Immuniti~t direkt und gradweise yon der vererbbaren Disposition zur Erkrankung an Tuberkulose ab ~ siehe die , ,protrahierte Durchseuchung". Daneben gibt :es Immunit~tssvhwankungen aus diufleren Ursachen (Umwelts- ursachen). ~iir di.e Malaria z. B. hat jiingst HORMA~ gezeigt, dab im Malaria- anfall die spezifischen Malaria-Euglobuline verschwunden sind, und dab Personen mit chronischer Malaria meist sehlechte Euglobulinbildner sind. Nach H~.LMtr~n~ Mt~LLER pflegen bei verschiedenen Zuf~llen im Leben wie bei akutem Rachen- infekt , w~hrend der , ,Cantharidenblase", w~hrend und nach Operationea, bei Reisen, w~hrend der Menstruation usw. die Spiegel fiir die verschiedenen Anti- ]dirper (~lexner-, Typhus-, X 19- usw. Agglutinin, Scharlaehantitoxin usw.) in ganz charakteristischer Weise zu schwanken und zeitweise sogar zu verschwin- den. Ich selbst habe mehrfach zeigen kSnnen, dal3 durch eben dieselben Zu]tiIle tier Blutzuckerspiegel, ~ die Blutdruckkurven (nach SCHELLON~) und andere vegetat iven ~unkt ionen dystoniseh werden k(innen. Vegetative Disharmonien bzw. Dystonien kSnnen jedenfalls nicht nur mit Sohwankungen der allgemeinen natiirlichen Resistenz, sondern auch mit Schwankung yon spezifischen Immuni- t a t en verkniipft sein. Es ist anzunehmen, dab das aims sinngem~B auch Iiir die Tuberkulose gilt. In der 2~achkriegszeit, wie wir noch sehen werden, sind solche Immuniti~tssehwankungen bei Tuberkulose auff~ill.ig.

I l i . Die Allergie. Mit v. PIR•UET wollen wir als ,,Allergie" sehlieht die ver~inderte Reaktions.

]dhigkeit bezeichnen, " Bekannt ist, dab man nach Vorbehandlung eines Tieres mit einem EiweiBkSrper (z. B. mi~ Schweineserum) nach e t w a drei Wochen durch intravenSse Injektion desselben EiweiBkSrpers einen mater Umst~nden tSdlichen anaphylaktischen Svhoclr oder durch subcutane Injektion 5rtlich eine ART~Ussche Quaddel auslSsen kann. Der Organismus ist durch dieVorbehandlung mit dem EiweiI~ des Schweineserums umgestimmt zu einer erhShten Reaktions- f~higkeit, die er vor der Vorbehandlung nicht hatte. Im Grundsatz will man ~ich derart alle allergisehen Ph~nomene erkl~iren; die Reaktionen beruhen in dem obigen Beispiel auf der Vereinigung des Antigens mit einem Antik6rper, tier durch die Vorbehandlung entstanden ist (Antigen-Antik6rper-Reaktion). Das ist aber auf dem ganzen umfassenden Gebiete der Allergie nur ein Sender]all. :Ein Beispiel miige das demonstr ieren:

Der Sohn eines bek~nnten Entomologen hatte ein Nest Prozesslonsspinaerraupen an einem Kiefernast nach Hause getragen. Eine Stunde spiiter bekam er eine schmerzhafte Hautentziindung, von der er langsam genas. Im Jahre darauf trot, Ms zu Hause yon Pro. ~essionsspinnerraupen und yon jenem unangenehmen ZufMl gesprochen wurde, ein nessel- ~Srmiger Ausschlag mi~ Juekreiz auf. K.iLm~LEISeH sagt dazu: ,,Es hiilt schwer zu glauben, dab die Folgen der ersten Beriihrung mit den Prozessionsspinnerraupen einem ~nderen Mechanismus zuzusehreiben sein sollten als die gleichen, nur dutch das. Denken an das erste Ereignis eingetretenen Veri~nderungen; dort spezifisehe Antigen-Antik6rper-Wirkung, hier auf dem Nervenwege entstandene Uhspezifische Wirkung, abet mit den gleichen Folgen."

Wie die Immnnit~t , so erfaBt die Allergie auch ~ee/e Zelle des Kiirpers. Auch ]aier mfissen wir die entsprechenden Reaktionen einer vegetativen Steuerung ~antergeordnet uns vorstellen, also letzthin dem Zwischenhirn-Hypophysen- System. 2~ach RIcKsR handelt es sieh vorwiegend um neurovasculgm Vorg~inge, ~ l so wieder um neurale Wirkungen an der Strombahn. MANWARI~, DXLv.

468 FaA~z Icx~RT:

und LEwis haben auf die Entstehung einer histamin~hnlichen Substanz bei allergisehen Phi~nomenen aufmerksam gemacht; nachihrer Histaminent/esselungs- hypothese wird der Histaminreiz als Sekundiirreiz in das allergische Geschehen eingescha]tet, welcher erst die a]lergische Gewebsantwort zur Folge hat. ALBUS hat n achgewiesen, dab i~r mit einer erhShten Disposition zu allergisehen l~eaktionen und vor a]lem zu den sog. allergischen Erkrankungen, die Aller- giker~ das auf l~eize aller Art entstehende I-Iistamin und auch den dabei ent- stehenden Vagusstoff ,,Acetylcholin" infolge ungenfigenden VermSgens, die ent- spreehenden Fermente Histaminase und Cholinesterase zu bilden, nicht rasch und genfigend abbauen k6nnen, so dab aus diesem Grunde bei ihnen h~ufiger und starker allergisehe Reaktionen zustande kommen. Diese Disposition, welehe iibrigens mit der, exsudativ-lymphatischen Diathese gekoppelt ist, finder sich naeh JA~NSCH (S. bei ALBUS) besonders bei seinem S 2-Typ, also bei den Intel- lektuellen. So sind ]etzthin groBe a]lergische Reaktionen eine Angelegenheit der _Konstitution. ~aeh neueren StoffweehselforschungGn ist ihr Ausfall unter anderem beim Mangel an den Vitaminen A und D und bei Mangel an Nicotin-' sdure (zum B 2-]Komplex gehSrig) verstdr]~t.

Zur 2qomenklatur sei bemerkt, daI] wir nur die spezi/isch ausgelSsten Reak- tionen als ,,allergisch" bezeiGhnen, w~hrend wir bei Rektionen auf unspezi]ische Reize yon _Parallergie sprechen.

Mit Abwandlungen hat das alles aueh fiir den Reiz durGh den Tuberkel- bacillus Gfiltigkeit. Zeitlich bedingt ist Gin Unterschied insofern zu verzeichnen, als die Tuberkelbaeillen an un4 fiir sich kein (wasser-)15sliches Antigen darstellen. AuGh nach der Infektion mit Tuberkulosebacfllen entsteht gem~I] dem Koc~sche~ Grundversuch etwa drei Wochen sparer eine Allergie, die Tuberkulose-Allergie welehe im allgemeinen die 4.--6. Woche ihren HShepunkt erreieht, um dann wieder abzufaIlen. Aus der Fiille der vie]en hierhergehSrigen Erkenntnisse ist es im l~ahmen dieses Ausfatzes nur mSglich, einige wenige herauszugreifen.

Wie sehon bei den Beispielen der Suicidversuche mit Tuberkelbacillen erwi~hnt wurde, setZt die Entstehung yon miliaren Tuberkeln eine allergische Umstimmung durch eine Erstinfektion voraus. E-ine hohe tuberkulo-allergisehe Empfindlichkeit pflegt sich dutch peri/okale unspezi/isohe Exsudate um den eigen~lichen tuberkulSsen I-Ierd zu aul]eI~; das sind dig sog. ,,Infiltrierungen" und ,,Infiltrate" usw. Eine weniger hohe Empfindlichkeit hat das tuberbul6se Granulom, den Tuberkel, zur Folge - - das ist nach KI~NGE ebenso wie beim Rheumatismus. Eine pl(itzliche ErhShung der allergischen ]~mpfindlichkeit kann an verkasten Herden Einschmelzungen, d. h. Kavernenbildung hervorrufen. Die A]lergie wirkt demnaeh in groBem Umfange auf die Tuberkulose ]orm- gestaltend.

Einen Wechsel yon hoher und wieder abfallender allergischer Empfindlichkeit kSnnen wir bei jedem tuberlcul6sen Schub erleben. Die Gesamterkrankung an Tuberkulose setzt sieh n~mlich aus mehr oder minder zahlreiehen Einzelschiiben zusammen (s. Abb. 3). Jeder Schub beginnt mit einem Stadium incrementi : Kamp/phase und kann in das Stadium decrementi ~--ReparationsThase fiber- gehen. Die Kampfphase ist vorwiegend sympathicoton, die }teilphase mehr~ parasympathicoton oder vaqoton gesteuert. Die erstere verl~uft vorwiegend

~ber Inununit~t, Allergie und Resistenz bei Tuberkul0se. 469

exsudativ mit erhShter, d i e letztere vorwiegend 1~roduktiv mit weniger hoher all ergiseher Em!ofindlichkeit.

Eine Kli~rung. yon merkwiirdigen Beobachtungen am Menschen haben be- s t immte Superinfektionsversuehe yon BIV.LI~r und 0V, LRICH und yon SCHWARTZ gebracht. E twa ih der 4: Woehe, also zur Zeit hoher oder hSchster atlergischer Empfindlichkeit intraven6s superinfizierter Tiere entwickelten sich gro~e In- fil trate mit Kavernenbildungen ; indessen besserte sich der Prozel~ bei den iiber- lebenden Tieren bisweilen nahezu his zur Ausheilung im Gegensatz zu den Kon- trolltieren. Hier verlieh die Allergic dem e rk rank ten Tier sozusagen einen Schutz. Je t z t begreif~n wir, warum h~matogen gestreute Herde, auch Mimatogen entstandene Kavernen (aueh ,,sekund~r-allergische Kavernen" genannt) oft ver- h~ltnism~Big gutart ig sind und sogar zu Spontanheilung neigen, wofiir freilich

t 2 3

A b b . ,3. D e r t u b e r k u l 6 s e S c h u b . a K a m p f p h a s e ( e x s u d a t t v ) , b R e p a r a t i o n s - o d e r H e i l p h a s e (p ro - d u k t i v ) . D e r S c h n b bei 1 g e h t a b e r n i c h t In H e i l u n g f iber , d ie T u b e r k u l o s e w t r d s t a t f o n l t r . D e r S e h n b bei 2 b e s t e h t a u s d r e i E i n z e l s e h i i b e n : 1. I n f i l t r a t b i l d u n g , 2. E i n s e h m e ] z u n g , 3. b r o n c h o g e n e S t r e n u n g ; Ansgang in Inak t iv i t tk t . De r Sehub bei 3 ze ig t n u t die K a m p f p h a s o ; A u s g a n g in T e d . Zwl sehen I u n d 2 u n d 3 zwisehen 2 u n d 3 s ta t ionAre Zust i~nde, n n d z w a r zwischen 1 u n d 2 , , l a t e n t " ( im SinnO y o n , , s c h l u m m e r n d " bzw. i m Sinne eines c h r o n i s c h c n Foka l in fek tes ) , z w i s c h e n

2 u n d 3 , , i n a k t i v " . [Aus ICKERT: ]['~ber die A k t i v i t & t s d i a g n o s e de r T u b e r k u l o s e . D t s c h . r eed . XVsehr. 72, N r : 3 7 / 3 8

(1947).]

gleichzeitig eine geniigend grebe Resistenz Voraussetzung ist. Wegen solcher ,,sehutz"-~hnliehen Ph~nomene wollen manche Allergie und Immunit~t gleich- setzen - - d i e ' e i n e sei eine Funkt ion der anderen; indessen lassen sich beide dissozleren : mitte!s einer Tuberkulinkur kann man eine a llergische Empf indl ich- kei~ vSIlig zum Schwinden bringeR, der betreffende Organismus kann tros aher noch immun sein.

"Wiegesagt, geben tuberkulSse]-Ierde bei plStzlicher ErhShung der allergi- schen Empfindlichl~eit gem Reaktionen, kenntlich an perifokalen Infiltrierungen usw. Es kommt auf diese Weise zu ,Exacerbationen, und so kann m a n sieh die Wirkung yon i~berwertiger exogener Superin]ektion vorstellen, welche geeignet ist, eine bestehende Immunit~t gegen die Dosis minima infieiens zu iiberrennen : eingeatmete Superinfektionsbaeillen werden abgebaut, und ihre tuberkulinart ig wirkenden Abbauprodukte rufen gem~B dem AvERschen Grundversuch an reagiblem tuberkulSsem Gewebe allergische Reakt ionen hervor. G~XFF und RV, D]~KEI~ haben dies die exogene Stimulation einer endogenen Rein/ektion genannt.

Der AuEP~cheGrundversuch laute~ folgendermal]en: Bestreicht man bei einem regelrecht senslbilisierten Kanincken auf der H6he der Sensibilisierung oin Ohr mit Xylol oder schAdigt es dutch W~rme, K~lte oder irgend anders, so tritt naeh einer intravenSsen Injektion des Antigens ein Geschwiir oder gar eine Nekrose am geschAdigten 0hr auf. AscoLI sag~, zu :alten Entziindungsherden werden Mikroben hingezogen (Anachorese). Nach R6ssL~ werden a n den para]lytischen Capillaren yon alten En~iindungshorden ge m neue Krankheitsschiibe ausgel6st.

]~s erhellL aus solehen Beobachtungen ohne weiteres; dail aueh eine unspezi- ]ische, also fiir einen tuberkulSsen Herd paralIergisch gesteigerte Empfindlich- keit sich als perifokale Exacerbation auswirken kann, z .B. yon einem sog.

470 F ~ z Io~.~z:

akuten oder chronischen Fokalherd aus. Entsprechend haben, wir, perifokale HSfe um alte tuberkulSse Lungenherde bei Zahnherden, bei Anginen entstehen 8ehen; denn auch jede andere Infektion bzw. Infektionskrankheit bringt in der 4 .~6 . Woche nach ihrem Beginn eine hohe allergisehe Empfindlichkeit mit s i c h - - spezifiseh ffir die auslSsende Krankheit~ unspezffisch natiirlich fiir Tuberkulose. (~hronische l~oei halten dergestalt manchmal den ganzen Organismus in einem gewissen Grade dauernd sensibilisiert, was fiir die ]~eilung einer Tuberkulose oft gar nieht giinstig ist - - deshalb saniert man bei tuberkulOsen Pat ienten in der Heilst~tte grundsatzlich die Z~hne. Andererseits kann auch ein la~enter tuberkul6~er Herd al8 chron%cher tuberlcu168er Fokus zu einer Dauersensibilisation des gesamten Organismus und damit unter Umst~nden zu gewissen Kreislauf- st6rungen fiihren. Dazu folgendes Beispiel (Abb. 4) :

160

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A b b . 4.

Ein Patient mit dem letzten tuberkulSsen Schub 5 Jahre zuvor wird auf die letzten Folgen dieserErkrankung untersucht, RSntgenologisch war seit Jahrennur einNarbenfeld m~iger Auddehnung festzuste!len; die iiblichcn klinischen Untersuchungen gaben keine Abweichun- ge h yon der Norm, auch nicht die tLl~is]aufkurve nach SCHELLONGo Nach ein'em halbstiin- digen Sp~ziergang ergab die letztere jedoch Abweiehungen im Sinne eines bestehenden Infektes. 2 Monate sp~tter war ein neuer Schub auch rSntgenologisch nachweisbar.

Einige Worte noch zum Tuberlculin. Tuberkulin ist eine Aufschwemmung der fi l trierten Bestandteile yon Tuberkelbacillen. Tuberbulin ist kein Antigen; mi~ Tuberkulin allein kann man keinen 0rgauismus allerigsch bzw. tuberkulin- ToSitiv machen (man bezeichnet das Tuberkulin daher als ,,]:[albantigen" [ L A ~ - STEII~V.R]). Trotzdem folgen die Tuberkulinreaktionen den Ge,qetzen der Allergie- lehre, und mit ganz best immten Einschr~tnkungen kSnnen wit eine positive Tuberkul inreakt ion als spezi/isch fiir eine irgendwann stat tgehabte Infelrtion

L, mit Tuberkelbacillen ansehen - - s i e ist natiirlich nicht ohne weiteres ein Beweis fiir eine tuberkulSse Erkrankung. l~ach den IAibecker Erfahrungen wird die Tuberkulinreaktion frfihestens 21 Tage, sp~ttestens 4 ~o n a t e nach der :Infektion positiv. So]ange die Tuberkulinreal~tion pos i t iv is t , nimmt man an, dab der KSrper noch lebende Tuberkelbacillen birgt - - solange n immt man auch eine Immuni t~t gegen eine neue Infecti0 minima an. Indessen kann die Tuberkul inreakt ion aueh bei tuberkulSsen Erkrankungen wie Meningitis tuber- eulosa, Knoehen- und Gelenktuberkulose, besonders aber auch bei allen schwere- ren interkurrenten; zumal fieberhaften Erkrankungen, im iibrigen aueh durch Desallergisierung voriibergehend negativ werden. Auflerdem haben die Beob- achtungen der letzten 15 Jahre gelehrt, dab bei etwa 20% der Menschen die

~ber Immunit/~t, Allergie und Resistenz bei Tuberkulose. 471

Tuberkul inreakt ion im Laufe der Jahre ganz vort selbst wieder erl6scht. Diese letztere Tatsaehe ist n0ch wenig bekannt ; s ie 1/~$t jedenfalls den Sehlul~ zu, da$ dann echte Reinfektionen mfgl ich werden.

Das war in grol~en Ziigen zur Zeit des Kriegsendes der Stand Unserer Er- kenntnissc hinsichtlich Resistenz, Allergic und Immuni t~ t bei der T(lberkulose. Die Reakt ionen des menschlichen und tierischen KOrpers auf den Tuberkel- bacillus sind getrennt naeh den genannten Gesichtspunkten gesehildert worden. I n Wirklichkeit lassen sie sich oft schwer voneinander t rennen und wirken rnanchmal gleichsinnig, manehmal gegensinnig nebeneinander. Wir haben ge. sehen, wie sieh manche der geschilderten Ph~nomene auch yon anderen Stand- punkten aus beurtei]en lassen, vom. S tandpunkt der Konst i tu t ion und der Vererbung, vom Standpunkt des intermedi~ren Stoffwechsels oder endlieh vom iiberragenden Standpunkt der neurovascul/iren Regulat ion aus. In dieser Hin- sicht haben die Nachkriegs]ahre uns maneherlei neue Kenntnisse vermittel$:

IV . Nachkriegser/ahrungen.

Vornehmlich handelt es sich u m die Folgen der Flucht mit ihrem K u m m e r und Elend und dem besch/s Sehicksal der Fliichtlinge, die niemand haben will, weiterhin um k6rperliche und seelische Uberanstrengungen und situations- bedingte seelische Depressionen und um die chronische Untererndihrung. Wenn auch die allgemeine Sterbliehkeit zur Zeit derjenigen der Vorkriegszeit ent- spricht, so steigt doch die Tuberkulosesterblichkeit zwar langsam, aber stetig, die Zahl der frischen Tuberkulosen jed0ch in fast be/~ngstigender Weise an.

D i e Vermehrung der ansteckenden Tuberkulosen und die UnmSglichkeit ihrer Isolierung bringt zweifellos viele frische Infekt ionen mi t sioh. Auf dem Lande weisen die Schulkinder gegen 12--15% (1938) je tz t 30- -60% positive Tuberkulinreaktione= auf. Frisehe Pr imarherde s i n d bis ins 62. gahr hinauf beobachte t worden, und an sie schlieBt sieh 6fter als friiher eine t6dlich ver- laufende Primiirherdphthise an. Die seit F~nde des 1. Weltkrieges mit Erfolg zuriickgedr~ingte Durchseuchung des deutschen Volkes wird j e t z t nachgeholt m aber unter ungiinstigen Umst/~nden. Von den Pathologen .werden je tz t zu 10---15% bei Erwaehsenen frische Primdirherde im Darm gefunden, was vordem eine Seltenheit war.

Naeh O. KOCTr ist es an und ffir sich gleiehgiiltig, in welchem Lebensalter der Mensch die tuberlml6se Erstinfektion eiu~rirbt; er mull sie nttr unter m6glichst gi~nstigen Lebens- bedingun~en durehrnachen, und die ln]ektion daft nach GrSBe und Dauer keine auflergew6hn. liche sein; aus praktische n Griinden sei daher der gfinstigste Erstansteckungstermi~t mit dem l g. Lebensiahr begrenzt.

Eine fehlende oder verminder te Resistenz ermSglicht darnaeh bei der ver- mehr ten InfektionsmSglichkeit zur Zeit das-hdiu/igere Ha/ten yon Infekt ionen und deren Angehen. Aber aueh Re- und Superin/ektionen haben wir. 6fter als friiher beobachtet , und zwar klinisch viel haufiger als pathologiseh-anatomisch, da ja gliicklicherweise nicht alle an Tuberkulose Erkrank ten sterben. Viele Xrzte und Krankenpflegerinnen haben mi t tuberkul fsen Restherden die Stra.- pazen des Krieges ohne Schaden er tragen; wurden sie aber nach dem Kriege auf einer Stat ion mi t 0ffentuberkul6sen eingesetzt, so sahen wir 6fter ale friiher neue tuberkul fse Herde, die wir als Re. und Superinfektionen deus miissen.

Bci t r~gc zur K l in ik der Tuberkulose. Bd . 101. 3l

4 7 2 F~z ! c ~ :

t i ler kommt zur Vermind'erung der Resistenz die.Verminderung der Immunit~t gegen (exogene) dauernde 5eru/liche Wiederansteckung hinzu, auBerdem unter Umst~nden eine gesteigerte allergisehe :Empfindliehkeit.

Auf eine gest5rte hum0rale Immunit~t weist die grol3e Zahl yon Miliar- tuberkulosen bin. Miliartuberkulose und isolierte Lungentuberkulose land der Pathologe gem~B dem bekannten AusschlieBungsverh~ltnis friiher nur zu etw~ 4- -5 % nebeneinander (Wv, mV, RT, H~BSC~MAN~), je tz t bis zu 37,5 % (R. KOCH). Sn selteneren Fiillen kommt es dabei gar" nicht zur Ausbildung yon miliaren Kn6tchen in'den Organen, sondern.zu den typischen Nekrosen der Typhobacillose Landouzy (MEYER, SIEBV, RT), was zus~tzlich eine gestSrte Allergic bedeutet.

Lymphl~notentuberlculosen sollten aul]er bei der protrahierten I)nrchseuchung im Verlaufe der postprim~ren Tuberkulose nicht vorkommen. Je tz t erscheinen sic geh~uft, und zwar zum Tell in den unteren I tals lymphknoten als Reaktion auf reaktivierte Lungenprozesse (W. FISCH~,R-Jena), zum Tefl als generalisierte Lymphknotentubdrkulose, Welche man sich ~ nut hi~matoge n entstanden denken kann. Also StSrungen der Immunit~t . Auch tier in den Rachen. u n d Gaumen- /mandeln finden wir je tz t bei der wieder ]aaufig gew0rdenen Skrophulose Tuber- kulosebaeillen. Die oberen tL~lslymphdrtisen, welche bekanntlich bei allen m6glichen b~analen Infekten affiziert Werden k6nnen :(KL~I~SC~MIDT), weisen 5fters Zeiehen yon ffischer Tuberkulose auf (K,~LrrOFF: :~r Gelegenhei~ zu einer ,,exogenen Stimulation einer endogenen Reinfektion").

Beachtenswert sind aber die je tz t h~ufigeren mul!iplen Darmg~schwiire bei chronischen LungentuberkuloSen (s. oben die Bemerkungen fiber. Dysbakterie), Weitertiin die frtiher ganz seltenen Doppelinfektionen mit Ruhr und Typhus: an den Rs der noch vom Typhus geschwollenen P'EYERSchen Plaques sieht man mitunter frische tuberkulSse KnStchen aufschiel3en (R. KOCH, PSHL- MA~r, SI~.B~RT, S~.~,B~,R, HILLV,~BV, RC). Die isoIierte Lungentuberkulose nimmt bisweilen einen rasanten Verlauf, darunter auch bisher inapperzepte Tuberkulosen, welche dadureh p15tzlich bacilli~r und damit ffir ihre Umgebung zu einer Gefahr werden. Das be/allene Lungengewebe zer/dllt in der Folge mitunter wie Zunder. Unter Umst5.nden geht ein soleher nekro)~isierender LungenprozeB unaufhaltsam welter, auch wenn es gelingt , dem Kranken durch l~bersehtittung mi t Nahrungs- mit teln zu einer Gewichtszunahme zu verhelfen. Eine solche: Gewichtszunahrne ist dann manchmal welter nichts als eine lipoide Sto]/wechselentgleisung beim Eiweiflmangelschaden (B.~l~sI). "

Damit sind wir/zum ~ Gebiet der chronischen Untererndhrung gelangt, welches bekanntlich alle Nahrungsmittelkomponenten betrifft. Die Schadigungen machen sieh bekanntlich, individuell nach der jeweiligen K6rper~/erfassung verschieden bemerkbar: ~der eine erkrankt an Eiweiflmangelschaden, andere an Schfiden infolge Mangel .an verschiedenen. Fitaminen oder an Osteoporose, Frauen gerne an endokrinen S tSrungen wie Myx6dem, andere wieder e r t ragen den chronischen Nahrungsmangel spielend (IcK]~I~T). Am wichtigsten erscheint frei- lich: der Eiweiflmangelschaden, und zwar auch hinsichtlich der mangelhaften Produkt ion der Verdauungsfermente (Dys/ermentie) und der oft mit ihr .ver- bundenen Dysbakterie (s. oben). Der Ablauf der Tuberkulose ist mehr als der- jenige akuter Krankheiten an den ordnungsgemtiflen Ablau/ aller vegetativen

O b e r ImmunitKt, Alle2gie und Resistenz bei Tuberkulose. 473

Leistungen gebunden, und diese sind bei der chronisehen Unterernahrung in schweren F~llen weitgehend gestSrt. I m Mit te lpunkt alles Stoffwechselge- schehens s teht die JLeber; 50% der schweren chronischen Tuberkulosen haben einen posi~iven Taka t a Ara; die Leberschutztherapie mit Trdubenzucker und die Zuffihrung yon Aminosiiure-Dialysaten in solchen F~llen ist eine For- derung d e r Z e i t : An anderer Stelle babe ich dargeleg~, ttal3 die neueren Er- kenntnisse zu einer Umstellung der Erniihrung des Chronisch-TuberkulSsen fiihren.

Auf Grund unserer Studien dtirfen wir die Folgen der Unterern/thrung bei TuberkulSsen in 3 Gruppen einteilen (Icxv.~T):

1. Gruppe mit vermehrten Emp/indlichkeitsreaktionen. Hierher gehSrt die Zunahme der Skro/ulose, der Driisen- und Hauttuberkulose, die Zunahme der Lungenin/iltrierungen und Pleuraex, sudate, in der Hauptsache also jener Formen, welche irgendwie mit der exsudativ- lymphatischen Diathesegekoppelg sind und im allgemeinen als prognostisch giinstig betrachtet werden, ltier scheint es in erster Linie auf den Mangel an den Vitaminen A, D, B 1 und B~ (Nicotins~im'e), weiter auf den Mangel an Phosphorsiture und Schwe/el hinauszukommen. Entsprechend ist die Therapie einzurichten.

2. Gruppe mit erheblich verminderter Re~istenz. Das ist die Gruppe mit Nekrosen und Reaktionsarmut, w 0 das Gewebe trotz guter Ern~hrung wie Zunder zerf/illt. Diese Formen finden wir bes0nders bei und nach sehweren EiweiflmangelscMiden. Stoffwechse]entgleisungen in der Rekonvalescenz dds EiweiBmangelschaderm weisen der Therapie den Weg; Lober und Darm (Durchfiille) stehen im Vordergrunde~

3. Gruppo mit verminderter oder #blender Immunitgt:, Es kommt seltener zur isolierben Organtuberkulose;, multiple Organtuberkulosen sind h/tufiger. Die humorale Immunitat scheint, falls vo.rhanden gewesen, wieder ,geschwunde n, ,,ist nicht mehr ausgeglichen" (REDEKER i. Re- und Superinfektionen kommen bei Perso.nen, welChe erbm~$ig zur Gruppe der ,Anf/illigen" und ,~Hinf~t!ligen" im Sinne G~ISSr, ERs gc)h6ren, 6fter vor. Da die Immuni- t/it vorwiegend eine Ange]egenheit. der vegetativen Stederung ist, so ist bier der Hebel anzusetzen.

Das sind die Extreme, welche sich unsere r Erfahrung in d e r Nachkriegszei~ aufdr~ngen. Sozusagen V0n ganz a l le in glieden/ sie sioh nach den Gesichts- 'punkten der vorliegenden Abhandlung: Resistenz, I m m u n i t ~ und Allergie. Der intermedff~re Sto//wechsel der chronischen Unterern4hrung hat Variantert des gewohnten AbIau/es der Tuberkulose gescha//en. Wit haben daraus manch tiefer'en Einbliok in das Tuberkulosegesohehen gewonnen, vor allem hinsich~lich der Therapie. Freilich sind - - w i e immer die Mehrzethl der F~tlle Mischformen; aber durch die Analyse des Einzelfalles nach den aufgezeiehneten Gesichts- punk ten erlangen wir Fingerzeige fiir die Therapie im Einzelfalle - - aber auch fiir den kfinftigen Ausbau der Therapie. Ich denke hier besonders an die Wiehtigkeit des Sohwefe]s in den Aminos'i~uren Cystin und Methionin, in den starkschwefelhaltige n Sulf0namiden, W e l t e r i n den neuen DOMAoK-Pr/i- paraten 6981. '

V. w i r diirfen die vorstchcnde Abhandlung nicht abschliellen, ohne die Tuberkulose-

8chutzimp]ung zu erw~hnen. Sie basiert auf der Tatsache, daIl der Prim/~rinfekt eine Zeit- lang vor neuer Infectio minima schtitzt. Mittels der Schutzimpfung setzen wir kiinstlich einen Prim/irinfekt zu einer Zeit, die wir bestimmen, und mittels einer genau eingestellten Bacillendosis. Wir nehmen der ~atur sozusagen die Prim~rinfektion voraus, und zwar

x Siehe Mo~ccoP~PS und KAL:KHOYF: Med~ Klin. 1947,. Nr 21/22.

31"

474 FaA.~Z IC~KEI~T :

mSglichst zum gfinstigsten Erstansteckungstermin, wenn dem Orgauismus am wenigsten dutch die ]mpftuberkulose geschadet werden kalm. Das diirfte nach derAlterserkrankungs~ und Sterblichkeitskurve unbedingt das Schulalter sein, was nicht hindern dfirfte, auch die anderen Jahrg~nge schutzzuimpfen, wenn sie tuberkulosegef~hrdet und noch tuberkulin- negativ sind. Bei der Beur~3ilung des Erfolges der Schutzimpfung miissen wir aber ein- gedenk sein, daft wiz der~rt gerade die gegen die Tuberkulose ~bsohtt Resistenten erfassen , die sowieso niche an Tuberkulose erkranken wfirden, welctle aber als AngehSrige tuber- kuloseresistenter Familien recht lange nichtinfiziert und damit tuberkulinnegativ zu bleiben pflegeal. ~Vir kommen in unserer derzeitigen Zwangslage, in welehgr wir nicht genfigend die Tuberkulose mit den iibliehen sozialhygienisehen Mitteln bek~mpfen kSnnen, nieht um die Tuberkulose-Sehutzimpfung herum. Wit dtirfen uns abe t ~rotz dieser Zwangslage nicht der notwendigen Kri t ik verschlieBen. Die Praxis der Sctm~impfung zur Zeit in Sch]eswig-ttolstein wird hinsiehtlich der teehnischen Durehffihrung manchen Finger- zeig geben.

Absch l ie l ]end mSchte ich nochma]s b e t o n e n , dal] ge rade d ie G l i ede rung de r TuberkulosefM]e nach den Ges ich~spunkten des T h e m a s in de r N a c h k r i e g s z e i t uns wer tvo l l e E inb l i eke ifi das Tube rku losegesehehen g e b r a c h t ha t . A b e r d ie raseh fo r t s ch re i t ende E n t w i e k l u n g der Phys io log ie , de r P a t h o p h y s i o l o g i e , de r Chemie des in~ermedi~tren und des Zel ls toffwechsels und de r K o n s t i t u t i o n s l e h r e , we i t e rh in d ie E r k e n n t n i s s e be t r e f f end die v e g e t a t i v e bzw, zeh t r a lne rv6se S t eue rung a l le r Lebensvorg~nge kSnnen Zweifel ausl6sen, ob d ie im T h e m a g e n a n n t e n G e s i c h t s p u n k t e d ie endgiiltigen sind, u n t e r welehen wi t das Tube r - ku losegeschehen zu ver fo lgen haben . Vie l le ieh t seh~l t s ieh noch eine f i b e r g e o r d - ne te Be t r ach tungswe i se aus de r Ff i l le de r neue ren E f f a h r u n g e n heraus , wo d ie m i t d e m A u s d r u e k , , I m m u n i t ~ t " u n d , ,Al le rg ie" be l eg t en Vorg~nge n u t Ms Sonderfi t l ie yon f ibe rgeordne ten Reak t i onswe i sen s ich erweisen (wie d i e , , A n t i g e n - A n t i k 6 r p e r - R e a k t i o n " be i der ' Al lergie) . Wir . h a b e n grol~e gedank! i ehe U m - s te l lungeu in de r Wissenseha f t sehon 6fter e r l eb t ; d ie W a s s e r m a n n - R e a k ~ i o n z. ]3. wurde gem/~l] de r EHRr,TCHschen S e i t e n k e t t e n t h e o r i e als ganz spezi f i sche K o m p l e m e n t b i n d u n g s r e a k t i o n ge funden ; ohne jeg l iches lu isehes A n t i g e n is~ sie je~zt led ig l ieh eine b io log isch-chemisehe R e a k t i o n auf b e s t i m m t e EiweiBkSrper , welche vorzugsweise be i de r Lues s ieh f inden. Vorl~tufig s ind wi t indessen be rech t ig t , an den a l t en Bet raeht ,ungsweisen f e s t zuha l t en .

L i t e r a tu r .

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