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Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

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Page 1: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

I? Fraedrichs. i jber kyitische Evscheinungen in b i n a r e n Sgstemen. 37 3

Uber kritische Erscheinungen in binaren Systemen. Von

FRITZ FRIEDRICHS. Mit 11 Figuren im Text.

I n Verbindung mit einem eingehenden Studium von Solvaten, insbesondere von Ammonaten, erwies es sich als erwiinscht uber das Verhalten dieser Verbindungen, sowie ihrer Losungen nahe der kritischen Temperatur des fluchtigeren Komponenten naheren Auf- schluB zu erlangen.

Die ersten Forscher, die sich mit den kritischen Temperaturen von Gemischen beschaftigten, waren HANNAY, CAILLETET und VIL- LARD, sowie deren Mitarbeiter.l Das Hauptziel ihrer Untersuchungen war die von ANDREW aufgestellte'rhese der Kontinuitat des flussigen und gasformigen Zustandes auch fur Losungen zu beweisen. Eine ausfiihr- liche Diskussion der alteren Literatur befindet sich in der unten ge- nannten Arbeit CENTNERSZWERS, weshalb ich glaube, mich mit diesem kurzen Hinweis begniigen zu diirfen. Reiches Tatsachenmaterial von Ge- mischen zweier fluchtiger Komponen ten verdanken wir KUENEN,~ der die kritischen Erscheinungen an Gasgemischen auf Grund der von VAN DER WAALS gegebenen Grundlagen studierte. I n neuerer Zeit wurde das Gebiet von WALDEN, CENTNERSZWER, SMITS, BUCHNEB, EWINE und N I ~ G L I weiter bearbeitet. WALDEN und CENTNERSZWER

HANNY und HOOARTH, Proc. Roy. Soo. 29 (1879), 324; 30 (1880), 178; Chem. News 41 (1880), 103. - HANNAY, Proc. Roy. Soc. 30 (1880), 484. - CAILLETET und COLARDEAU, Compt. rend. 108 (1889), 1280; Ann. Chim. Phys. [6], 18, 269. - VILLARD, Journ. de Phys. [3], 3. Okt. 1894; Compt. rend. 120 (1895), 182; Ann. Chim. Phys. ["I, 10 (1897), 409; Journ. de Phys. 131, 6 (1897), 453; Ann. Chim. Phys. [7], 11 (1897), 289. - PICTET, Compt. rend. 120 (1895), 60.

KUENEN, Zeitschr. phys. Chem. 2 (1893), 38; 24 (1897), 667. WALDEN und CENTNERSZWER, Zeitsehr. phys. Chem. 39 (1902), 513-596;

42 (1903), 432-468, - CENTNEXSZWER, Zeitsehr. phys. Chem. 46 (1903), 427 his 501. - CENTNERSZWER und PAKALNEET, Zeitschr. phys. Chm. 56 (1906), 303 bie 314. - CENTNERSZWER und ZOPPI, Zeitschr. phys. Chem. 54 (1906), 689-706. - SYITS, Zeilschr. phys. Chem 51 (1905), 193-221; 52 (1905), 587-601. - B ~ ~ C H N E R , Zeilschr. phys. Chem. 54 (1906), 665-688; 56 (1906), 357-318. - E G G I N K , &itsc'!r. phys. Ckem. 64 (1908), 449-505. - NIOQLI, Z. anorg. c/iem. 75 (1912), 161-188; 7 7 (1912), 321-34. - MOREY und NraaLr, Journ. Amer. Chern. soc. 36 (1913), 1086-1130.

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374 F. Friedrichs.

untersuchten das Verhalten von Systemen mit einer sehr schwer fiuchtigen Komponente niiher und zeigten, da8, wiihrend das Losungs- vermogen in den meisten Fallen auch nach Ubergang in Dampfform erhalten blieb, die Ionisation nahezu den Wert 0 erreicht. Eine Abnahme der Leitfahigkeit war schon von FRANKLIN und KRATJS' an Losungen einiger anorganischer Salze in Ammoniak beobachtet worden. Ferner waren WALDEN und CENTNERSZWER die ersten, die die kritischen Erscheinungen an Losungen anorgani scher Salze ein- gehender studierten und die vollstandige T X - Kurve des Systemes K1-SO,, auf welches spater zuriickgekommen werden soll, aus- arbeiteten. CENTNERSZWER zeigte , daB die molekulare Erhohnng der kritischen Temperatur von der Natur des gelosten Stoffes un- abhangig ist. Die vollstandigen Zustandsdiagramme von Systemen mit unbegrenzter Mischbarkeit des Komponenten in flussiger Form wurden von SMITS fur die Falle, da6 die Loslichkeitskurve in ihrem ganzen Verlaufe unterhalb der kritischen Kurve liegt, und daB eine Uberschneidung der beiden Kurven eintritt, aufgestellt und von BUCHNER auf Systeme beschrankter Mischbarkeit ausgedehnt. F u r den Fall, daB Verbindungen oder Mischkristalle auftreten , wurde von EQOINK die Ableitung der Kurven gegeben.

Uber die Loslichkeit der verschiedensten Stoffe in Ammoniak wurden ausgedehnte qualitative Versuche von QERE,~ FEANELIN und KRAUS 3 bei tiefen Temperaturen, wie auch bei Temperaturen wenig iiber Zimmertemperatur ausgefiihrt.

Systematik. I n den t 2- Diagrammen binarer Systeme siiid zwei Kurven-

typen zu unterscheiden , die Loslichkeitskurve und die kritische Kurve, erstere als Grenze zwischen fest und flussig, letztere zwischen fliissig und gasformig. Bei Systemen, deren Komponenten in fliissiger Form beschrlnkte Mischbarkeit aufweisen , tritt hierzu noch als dritter Typus die Entmischungskurve. Hieraus ergibt sich ohne weiteres die Einteilung der Systeme in zwei Hauptgrupperi, je nachdem die Komponenten in flussigem Zustande in allen Verhalt- nissen mischbar sind oder nicht.

A. Fur den Fall der u n b e g r e n z t e n M i s c h b a r k e i t , wenn

FRANKLIN und KRAUS, Anzer. Chem. Jozcnt. 24 (1900), 88. GERE, Proc. Roy. SOC. 20 (1872), 44.

a FRANKLIN urirl I ~ A I J S , Amer. Cherr6. .Journ. 20 (1898), 820.

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Uber kritische Bscheinungen in binaren Systemen. 375

also nur die beiden ersten der oben erwahnten Kurventypen auf- treten konnen, sind mit SMITB zwei Untergruppen zu unterscheiden.

1. Die Loslichkeitskurve liegt in ihrem ganzen Verlaufe unter- halb der kritischen Kurve, so da8 kritisehe Erscheinungen nur bei verdiinnten Losungen, zwischen Fliissigkeit und Gas, auftreten konnen. Die kritische Kurve kann entweder die geradlinige Ver-

/ /

Fig. 1.

bindung der kritischen Temperaturen der beiden Komponenten dar- stellen, negativ oder positiv veriaufen oder aber ein Maximum oder Minimum bilden, in welchen letzteren Punkten die Zusammensetzung von fliissiger und gasformiger Phase identisch werden.

Dieser Fall (A 1) ist in Fig. 1 dargestellt, und zwar ist hier, wie bei allen den folgenden Skizzen, auf die mannigfaltigen Formen der Loslichkeitskurve keine Rucksicht genommen , sondern diese

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376 3’. Friedrichs.

Kurve in ihrer . einfachsten Gestalt rein schematisch dargestellt worden. Die Gebiete der flussigen Phasen sind in den Skizzen schraffiert.

2. Die Loslichkeit des Systemes ist so gering, da6 die Loslich- keitskurve mit der kritischen Kurve zum Schnitte kommt. Die

I

/’ ,‘ / ’ ‘ ,’ ’ /

I ‘

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I/

.. Fig. 2.

beiden Schnittpunkte stellen dann kritische Endpunlite der ge- sattigten Losung dar.

Diese Moglichkeit ist von SMITS im System Anthrachinon-Ather realisiert und in Fig. 2 schematisch dargestellt.

B. Mannigfaltiger werden die Erscheinungen, wenn die beiden Komponenten in fliissigem Zustande b e s c h r a n k t e M i sch ba rke i t zeigen, also alle drei der genannten Kurventypen auftreten konnen. J e nach der Lage der einzelnen Kurventypen zueinander, ist hier eine Einteilung in vier Untergruppen moglich.

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U b w bitische Erscheinungen. in binarm Systemen. 377

1. Das von der heterogenen Flussigkeitskurve eingeschlossene Entmischungsgebiet liegt vollstandig im Gebiete der verdiinnten Losung, wird also weder von der Loslichkeitskurve, noch von der kritischen Kurve geschnitten , so daB beide Mischpunkte stabil bleiben. Fur diesen Fall, skizziert in Fig. 3, ist als Beispiel das von HUDSON beschriebene System Nikotin-Wasser zu erwahnen.

Fig. 3.

2. Wird das Entmischungsgebiet von der LBslichkeitskurve ge- schnitten, so daB der maximale Mischpunkt stabil bleibt, S O er- halten wir:

a) bei symmetrischem Schnitt den weitverbreiteten Fall des Schmelzens unter der Losung (Fig. 4) - als Beispiel sei das System p-Toluidin-Wasser erwahnt ;

HUDSON, Zeitschr. phys. Chew. 47 (1904), 113.

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378 F. Eriedrichs.

b) bei asymmetrischem Schnitt das Diagramm Fig. 5. Wie aus der Skizze ersichtlich ist, geht die eine flussige Phase am unteren Schnittpunkt in feste Form, iiber, um beim oberen wieder unter der Liisung zu schmelzen. Fur eine derartige Erscheinung ist bis jetzt noch kein Beispiel bekanmt, wie ihre Realisierbarkeit uberhaupt fraglich erscheint.

I i I \ I \ I \ /

Fig. 4.

3. Wenn das Entmischungsgebiet nur von tler kritischen Kurve geschnitten wird (Fig. S), so bleibt der minimale Mischpunkt stabil. Die Zahl der hierhergehorigen Beispiele ist eine verhaltnismagig geringe, so da6 es moglich ist, eine Ubersicht uber dieselben xu geben. Der erste Fall dieser Art wurde von GIJTHRIE~ an den Systemen Ui- und Triathylamin -Wasser entdeckt. ROTHMUND

GUTHRIE, Phil. Mag. [5], 18 (1884), 500. ROTHPUND, Zeitschr. phys. Chew. 26 (1898), 433.

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konnte in seiner eingehenden Arbeit iiber die T X - Diagramme zweier fliissiger Phasen nur das System p-Kollidin --Wasser hinzu- fiigen , wahrend KUENEN dieselbe Erscheinung bei den Systemen Athan-, Athyl-, Propyl- und Butylalkohol, ATEN bei den Systemen Pyridin-Methyljodid, BuCEINER3 bei den Systemen Chrysen-Ather, Thymol-, Nitrobenzol-, o-Nitrophenol-Kohlendioxyd, und FLASCH-

Fig. 5.

N E R ~ bei den Systemen Methyl- und Athylpiperidin - Wasser an- trafen.

4. Als vierte Klasse laf3t sich der Fall unterscheiden, in welchem das Entmischungsgebiet sowohl von der Loslichkeitskurve,

KUENPN, Zeitschr. phys. Chem. 28 (1899), 342. * ATEN, Zeitschr. phys. Chens. 64 (1905), 124. * BUCENEB, Zeitschr. phys. Chern. 64 (1906), 665. FLASGENER, Zeitschr. phys. Chern. 62 (1908), 493.

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380 F. Friedrichs.

wie auch von dcr kritischen Kiirve geschnitten wird. J e nach der Lage der Schnitte zu den Punkten, an welchen die koexistierenden flussigen Phasen die geringste gegensei tige Loslichkeit aufweisen, mit anderen Worten die Entmischung einen M'aximalwert erreicht, und j e nach Lage der Schnitte kann diese Klasse wieder in Unter- abteilungen eingeteilt werden.

I I I I I I 1 \ \ \ \ \

'>

Fig. 6.

a) Die Schnittlinien liegen auf beiden Seiten der Temperaturen maxirnaler Entmischung , so dab mit steigender Temperatur die gegenseitige Loslicbkeit der flussigen Phase erst ab- und dann wieder zunimmt (Fig. 7). Beispiele unbekann t.

b) Die Schnittlinien liegen oberhalb dieser Entmischungsmaxima. Die Loslichkeit nimmt dann mit steigender Temperatur zu (Fig. 8). Beispiel: Rromoform-Koh1endioxyd.l

BUGFINER, 1. c.

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iiber kritische Erscheinungen in binaren Systemen. 381

c) Die Schnittlinien liegen unterhalb der Entmischungsmaxima; die Lijslichkeit mu6 danri mit steigender Temperatur abnehmen (Fig. 9). Beispiele: 0 - Chlornitrophenol- , m- Chlorphenol- und Urethan-Kohlendioxyd.

d) Hei Annahme eines asymmetrischen Schnittes bleibt , wie ftus Fig. 10 ersichtlich, der minimale Mischpunkt stabil. Wie in

I Fig. 7.

Gruppe B 2 b (Fig. 5), geht die eine fliissige Phase beim Schnitt- punkte der Entmischungskurve mit der Loslichkeitskurve in festen Zustand uber, um beim zweiten Schnittpunkte wieder zu schmelzen. Schneidet die Loslichkeitskurve nicht nur die Entmischungskurve, sondern auch die kritische Kurve (Fig. ll), so ist der untere Schnitt- punkt der eimige Quadrupelpunkt, wahrend an Stelle des oberen ein kritischer Endpunkt der gesattigten Losung tritt, ganz analog

BUCHNEB, 1. c.

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382 F. Friedrich.

dem oberen Schnittpunkte der Gruppe A 2 (Fig. 2). Als Beispiel fur diese Qruppe ist das von WALDEN und CENTNERSZWEB Bus- gearbeitete System Kaliumjodid-Schwefeldioxyd anzufuhren.

5. Kommt die Loslichkeitskurve mit der kritischen Kurve zum Schnitte, so daB das ganze Entmischungsgebiet metastabil wird, SO

Al I

Fig. 8.

sind die Diagramme in ’ ihren T X - Projektionen vom Fall A 2 (Fig. 2) nicht zu unterscheiden.

In allen den eben angefiihrten Fallen ist annahernde Symmetrie des Entmischungsgebietes vorausgesetzt, was jedoch in vielen Fallen nicht zuzutreffen scheint. Die Entrnischungsmaxima konnen auch bei verschiedenen Temperaturen liegen, so da8 in dem Temperatur- interval1 zwischen beiden die Kurve fur die heterogene Fliissigkeit im gleichen Sinne verlaufen kann. Ferner ware es moglich, daB mehr als ein Entmischungsgebiet mit paarweise mischbaren fliissigen

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Vber kritische Erscheimngen in binaren Systemen. 383

Phasen auftreten konnte. Aus der groBen Zahl der dann moglichen Uberschneidungen wiirden sich vielleicht manche der gefundenen unregelmaBigen Formen von Entmischungsgebieten leicht lassen.

erkltiren

Fig. 9.

Experimentelles.

Die bei den Versuchen angewendete Apparatur war im Prinzip dieselbe , wie die von WALDEN und CENTNERSZWEB gebrauchte. Eine Probe des trockenen Salzes wurde in ein einseitig geschlossenes Rohrchen eingebracht , sorgfiiltig getrocknetes Ammoniak reap. Schwefeldioxyd in der von den genannten Autoren beschriebenen Weise mittels Alkohol und festem Kohlendioxyd kondensiert und nach Abpumpen der ersten, etwaige Fremdgase enthaltenden Dampfe abgeschmolzen. Die Rohrchen bestanden aus einem Glase der Firma Gre ine r & Fr ied r i chs , Stutzerbach, und hatten einen

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384 F. B’riedrichs.

Durchmesser von ungefahr 7 mm bei einer Wandstarke von 1 mm. Dersrtige Rohrchen widerstehen einem Drucke von ungefahr 120 bis 130 Atm. ohne betrachtlicherem Bruche. Nacli Fullung der Rohrchen wurden dieselben an einem Rade befestigt, welches mit Hilfe einer endlosen Schuur in einem Glyzerinbade nach Belieben langsam gedreht werden konnte. Die meisten Versuche wurden mit

Fig. 10.

verschiedenen konzentrierten Losungen ausgefuhrt ; doch wurde auf die genaue Konzentration kein Wert gelegt , da fur diese Versuche in erster Linie die Konzentration der fliissigen Phase von Interesse ist, dieselbe aber aus der Gesamtkonzentration nur bei Kenntnis des Druckes und der Zusammensetzung des Dampfes mit genugender Genauigkeit berechnet werden kann. Die Versuche sind daher von vornherein nur rein qualitativ angelegt worden, mit dem einzigen Zwecke, zu entscheiden, in welche der genannten Gruppen das be- treffende System einzuordnen ist. Die genauen Zustandsdiagramme

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i%er kritische Bscheinungen in binaren Systemen. 385

der Systeme werden mit Hilfe eines CAILLETETsChen Apparates, welcher sich in Konstruktion befindet , ausgearbeitet werden, und der Verfasser hofft, in balde auf diese Erscheinungen zuriickkommen zu konnen.

d

Fig. 11.

Als Kriterium fur die LSslichkeit resp. Unloslichkeit der Systeme diente in den vorliegenden Versuchen die kritische Temperatur der Losung und die Korrosion an einzelnen Kristallen.

Versuchsdaten.

Jod.

Jodkristallc zerfallen beirn Zusammenbringen mit Ammoniak bei tiefer Temperatur zu einem rotbraunen Pulver , welches sich beim Anwarmen mit schwachgelber E'arbe lost, beim Abkuhlen auf - 80° aber nicht wieder zur Ausscheidung gebracht werden konnte. Bei

Z. anorg. Cham. Bd. 84. 25

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386 E. Friedrichs.

einer Temperatur wenig uber der kritischen des Ammoniaks geht die Losung unverandert in Dampfform uber.

I n Schwefeldioxyd ist Jod in der Kalte wenig loslich, sehr leicht dagegen bei hoherer Temperatur. Die Losung besitzt eine leuchtend karmoisinrote Farbe, die mit steigender Temperatur all- miihlich blaustichiger wird, um bei der kritischen in die fur Jod- dampf charakteristische violette Farbe uberzugehen. Beim Abkuhlen scheidet die Losung reichlich Kristalle aus, die nach Form und Farbe zu urteilen, aus freiem Jod bestehen. Das Absorptions- spektrum weist eine breite Absorptionsbande zwischen Rot und Viole t t auf.

Schwefel.

Aus Schwefelkohlenstoff umkristallisierter, rhombischer Schwefel zeigt bei tiefer Temperatur weder Reaktion noch Loslichkeit in dem auf ihm kondensierten Ammoniak. Erst beim Anwarmenlassen des geschlossenen Rohrchens geht zuerst ein Teil des Schwefels mit blaugriiner Farbe in Losung, der Rest des Schwefels zerflietlt beim ruhigen Stehenlassen des Rohrchens unter Bildung ejner tiefroten Fliissigkeit, die sich mit der uberstehenden blaugriinen zu einer schmutzig rotgriinen Losung mischt.

Diese Losung, welche mehr den Eindruck einer kolloidalen (Sus- pension) Losung, wie den einer homogenen Phase machte, wurde, in der Hoffnung, die oben erwahnte rote Losung wieder zur Ausscheidung zu bringen, mit etwas Ammoniumchlorid a19 Elektrolyten versetzt und 15 Minuten mit einer Tourenzahl von 2400 Umdrehungen pro Ninute zentrifugiert, doch ohne jeden Erfolg. Eine Untersuchung rnit dem Ultramikroskop und das Fehlen des Tyndallphanomens zeigte, daB die Losung optisch leer und deshalb als echte Losung zu betrachten ist, soweit das Fehlen des Tyndalleffektes als Beweis fur die Echtheit einer Losung angesehen werden kann., Ganz ver- dunnte Losungen weison rein blaue Farbe auf, bei steigender Schwefelkonzentration geht die Farbe der Losung uber Griin, und dem erwiihnten schmutzigen Rotgriin in Tiefrot uber. Die Absorp- tionsspektren dieser Losungen zeigen bei hoher Verdiinnung eine schmale Absorptionsbande in Gelb, welche sich mit steigender Kon- zentration mehr und mehr bis Griin verbreitert. Bei sehr hohen Schwefelkonzentrationen tritt neben der aufgehellten, breiten Bande eine zweite scharfe Bande an ungefahr derselben Stelle auf, an welcher die erste bei groBer Verdiinnung zuerst beobachtet wurde.

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ober kritische Erscheinungen in binaren Systemen. 387

Beim Abkuhlen bis - 8 O O konnte weder eine Ausscheidung noch eine wesentliche Farbanderung beobachtet werden. Wurden die Rohrchen erhitzt , so zeigten die blaugriinen Losungen keine Ver- anderung und gingen unter Beibehaltung der Farbe in Dampfform uber, anders die schmutzig rotgrunen Losungen, welche mit steigen- der Temperatur langsam eine blaugriine Farbe annahmen und mit derselben Farbe wie die verdunnten Losungen in Dampfform uber- gingen.

Unter den friiheren Arbeiten iiber das System Schwefel- Am- moniak sind die von GORE, FRANKLIN u. KRAUS, HUGOT u. MOISSAN~ anzufiihren. Alle beobachteten die rote Farbe der konzentrierteren Losung, wahrend HUGOT auch die oben erwahnte blaue Losung be- schreibt. MOISSAN fand, daB beim Erhitzen der Losung auf hohere Temperaturen eine zweite fliissige Phase unter allmahlicher Ent- farbung der Losung auftritt und bei der kritischen Temperatur des Ammoniaks die eine flussige Phase in Dampfform iibergeht.

In Schwefeldioxyd ist Schwefel bei Zimmertemperatur sehr wenig loslich, betrachtlich jedoch bei hohen Temperaturen, so daB er beim Abkuhlen aus der Losung in langen Nadeln, wahrscheinlich in der monoklinen Modifikation, wiederauskristallisiert. Die Losung geht unverandert in Dampfform uber.

Phosphor (gelb).

Gelber Phosphor ist in Ammoniak auch bei hoherer Tempe- ratur nur sehr wenig loslich. Bei Stehen findet jedoch eine Reak- tion statt, unter Bildung einer erst roten, spater vollstandig undurch- sichtigen rotbraunen Losung. Uber die Art dieser Reaktion kann bis jetzt noch nichts Bestimmtes ausgesagt werden, ebensowenig iiber den EinfluB des Lichtes auf dieselben.

In Schwefeldioxyd ist gelber Phosphor kaum loslich, etwas jedoch bei hoherer Temperatur, da bei Erkalten des Rohrchens die Ausscheidung kleiner gelber Tropfchen an den Wandungen beobachtet werden konnte. Bei Temperaturen nahe der kritischen trubt sich die Losung etwas unter Abscheidung eines weiBen Niederschlages. Ob es sich hier um retrograde Loslichkeit, oder um eine Reaktion handelt, konnte nicht entschieden werden.

GORE, Proc. Boy. Sac. 20 (1872), 44. - FRANKLIN u. KRAUS, Am. Chem. Joum. 20 (1898$ 820-836. - HUQOT, An%. chim. phys. [7] 21 (1900), 5-87. - MOI~SAN, Compt. rend. 1386 (1901), 510-518.

25 *

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388 I? Yriedriohs.

Phosphor (rot). Roter Phosphor ist unliislich in Ammoniak und auch bei Tem-

peraturen ; oberhalb der kritischen koriilte lieine Reaktion beobachtet werden.

I n Schwefeldioxyd dagegen scheint er bei hohen Temperaturen etwas loslich zu sein, denn beim Abkiihlen wurde eine geringe Aus- scheidung eines roten Pulvers (Waf-irscheinlich unreranderter roter Phosphor) an dcr Wand des Riihrchens erhalten.

Wasser. W-asser ist sehr leicht in Ammoniak loslich. Bei Temperaturen

bis - 80 O konnte keine Kristallausscheidung beobachtet werden, sondern die Losung wurde sehr viskos und erstarrte endlich zu eineni Gel. Beim Erhitzen geht die Liisung ohne Veranderung in Dampfform uber.

Die Mischbarkeit von Wasser mit flussigem Schwefeldioxyd ist eine beschrankte, so daB bei hohereii Schwefeldioxydkonzentrationen zwei fliisssige Phasen erscheinen, deren maximaler Mischpunkt hei ungefahr 40° liegt. Beim Abkulilen sclieidet sich ein festes Hydrat, nacli ROOZEBOOM von der Zusamrneiisetzung S0,.7 H,O aus, welches bei ungefiihr 12" schmilzt. Die Losung geht unverandert in Dampf- form uber.

Schwefelsaure. Die reine ungefahr 95O/,ige konzentrierte Schwefelsaure zeigt

mit Schwefeldioxyd bei Zimmertemperatur beschrankte Mischbarkeit. Der maximale Mischpunkt der beiden Liisungen liegt bei ungefahr 140 O . Bei der kritischen Temperatur geht die Losung unverandert in Dampfform iiber.

Athylather. Athylather und Ammoniak zeigen bei tiefen Temperaturen be-

s c h r b k t e Mischbarkeit; der maximale Misclipunkt der beiden flussigen Phasen liegt unter Zimmertemperatur, so daB die Kornponenten bei hoherer Temperatur also vollstandige Mischbarkeit aufweisen; das- selbe ist auch bei der kritisclien Temperatur der Fall.

RUPERT, Joz~rn. Am. Chem. Soc. 31 (1909), 866; 32 (1910), 748. - SMITS und POSTXA, Chem. Ccszlrbl. 1910 I, 1217.

Ree. Pays-Bas 3 (1884), 29; Zeitsciw. phys. Cizem. 2 (1888), 449; Ree. Pays-Bas 4 (1885), 6G. - OSTWALD, Lehrbuch d. allgem. Chemie 11, 2, s. 894 bis 901.

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Uber kvitische Erscheinungen in binaren Systemen. 389

Natriumchlorid. Natriumchlorid ist in Ammoniak bei Zimmertemperatur ziemlich

loslich. Bei steigender Temperatur scheidet sich das Salz in Form spitzer Oktaeder aus. Nach JOANNISI sol1 das Salz mit Ammoniak die Verbindung NaCl. 5NH, eingehen, nach Versuchen Herrn LEES im hiesigen Laboratorium kommt jedoch der Verbindung die Formel 2 NaCl. 5 NH, zu.

Natriumchlorid ist unloslich in Schwefeldioxyd.

Natriumbromid. Natriumbromid ist in Ammoniak bei tieferen Temperaturen

sehr wenig, bei hoheren dagegen sehr leicht loslich und geht mit dem Losungsmittel in Dnmpff'orm iiber.

Natriumjodid. Natriumjodid ist in Ammoniak bedeutend loslicher als das Bro-

mid und geht wie dieses bei der kritischen Temperatur unveriindert in Losung iiber.

Beim An- warmen scheidet sich die Losung in zwei flussige Phasen. Bei hoheren Temperaturen tritt eine irreversible Reaktion ein.

In Schwefeldioxyd ist das Salz betrachtlich loslicb.

Natriumazid. Natriumazid ist in Arnmoniak leicht loslich und verhalt sich

In Schwefeldioxyd ist dieses Salz unloslich. bei der kritischen Temperatur wie Natriumbromid.

Natriumsnlfit. Natriumsulfit ist unlijslich in Schwefeldioxyd.

Kaliumchlorid. Bei Zimmertemperatur ist, Kaliumchlorid betrachtlich loslicher

a19 bei tiefer. Bei hoheren Temperaturen scheidet sich das feste Salz aus, so daB die Liislichkeit als eine retrograde zu betrachten ist.

In Schwefeldioxyd ist dieses Salz sehr wenig loslich.

Kaliumbromid. Kaliumbromid ist in Ammoniak loslicher als das Chlorid und

Sehr wenig laslich in Schwefeldioxyd. scheidet bei hoherer Temperatur wie dieses festes Salz aus.

JOANNIS, Compt. rend. 112 (1891), 337-339. 393.

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390 l? lG-iedrichs.

Kaliumj odid. In Ammoniak sehr leicht loslich und geht mit demselben in

Dampfform uber. I n Schwefeldioxyd ist dieses Salz sehr leicht mit tief gelber

Farbe loslich. Das Absorptionsspektrum zeigt au6er der Absorption von Blau und Violett keine besonderen Eigentiimlichkeiten. Bei tiefen Temperaturen scheiden sich RUS der Losung rotgelbe Kristalle aus, denen nach WALDEN und CENTNERSZWER~ die Zusammen- setzungen K J . 4 SO, resp. K J . 15 SO, zukommen, bei hoherer Tem- peratur trennt sich die Losung in zwei fliissige Phasen, deren kritisches Uinimum nach den eben genannten Autoren bei 77.3O liegt. Bei weiterem Steigen der Temperatur erstarrt die eine Fliissig- keit zu einer hellgelben Kristallmasse, die sich beim Erkalten wieder verfliissigt. Konzentrierte Losungen dieses Salzes triiben sich schon nach wenigen Tagen, wahrend verdunntere wesentlich stabiler sind.

Kaliumazid. Die Loslichkeit von Kaliumazid in Ammoniak und das Ver-

halten der Losungen steht dem des Kaliumbromids sehr nahe. In Schwefeldioxyd ist das Salz nur sehr wenig loslich, bei 120n

farbte sich das Salz gelb und unter Feuererscheinung trat eine heftige Explosion ein.

Kaliumcyanid. Kaliumcyanid ist in Ammoniak wenig loslich, beim Erhitzen

trat bei 65O Ausscheidung von Kristallen ein. I n Schwefeldioxyd ist dieses Salz unloslich, bei Erhitzeo iiber-

ziehen sich die unveranderten Kristalle mit einem leichten braunen Anflug, der beim Erlralten nicht wieder verschwindet.

Kaliumcyanat . In Ammoniak schwer, in Schwefeldioxyd unloslich.

Kaliumthiocyanat. Leicht loslich in Ammoniak und geht mit demselben in Dampf-

form uber. Die Loslichkeit in Schwefeldioxyd ist recht bedeutend. Bei

65O scheidet die Losung eine zweite flussige Phase in Gestalt eines

' 1. c.

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Vber kritische Erscheinungen in binaren Systemen. 391

Bei 150° tritt eine leichte Trubung der Losung gelben Oles ab. auf, die beim Abkuhlen nicht mehr verschwindet.

Kaliumferrocyanid. Unloslich in Ammoniak. Die feste Substanz uberzieht sich in

der Kalte mit einem rotbraunen Uberzug, der bei hoherer Tem- peratur in einen blauen ubergeht.

Kaliumnitrat. KNO, ist in Ammoniak verhaltnismaBig schwer loslich, beim

Erhitzen der Losung findet Ausscheidung des festen Salzes statt.

Kaliumchlorat. KC10, ist in Ammoniak wenig loslich und scheidet bei looo

das Salz in Kristallen wieder aus.

Ammoniumchlorid. NH,Cl ist in Ammoniak von gewohnlicher Temperatur ziemlich

leicht loslich, wenig dagegen bei tiefer Temperatur. Die Losung trennt sich beim Erhitzen bei ungefahr 80° in zwei flussige Phasen.

I n SO, ist das Salz unloslich.

Ammoniumbromid. NH,Br ist bei gewohnlicher Temperatur in Ammoniak sehr

leicht loslich und geht mit dem Ammoniak in Dampfform uber. NH,Br ist in Schwefeldioxyd ziemlich loslich. Bei 120° scheidet

die Losung eine zweite flussige Phase aus, die eine flussige Phase verdampft bei 155 O, wahrend die andere bei l6Oo in festen Aggre- gatzustand ubergeht.

Ammoniumjodid. NH,J ist in Ammoniak auBerordentlich leicht loslich (bei Zim-

mertemperatur im Ammoniakstrom unter Atmospharendruck zer- flieBlich).

In Schwefeldioxyd ist NH,J ebenfalls sehr leicht mit schwach gelber Farbe loslich. Aus der Losung scheiden sich bei 40° gelbe Kristalle aus, doch, nach der gelben Farbe der Losuug zu urteilen, ist dieses Salz auch bei hohen Temperaturen noch betrachtlich 16s- lich. In der Nahe der kritischen Temperatur farbt sich die Losung schwach violett und geht mit dieser Farbe in Dampfform uber. Nach Erkalten des Rohrchens verschwindet diese violette Farbe wieder vollstandig.

Die Losungen gehen unverandert im Dampfform uber.

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392 I;: Friedrich.

Ammoniumazid.

NH,N, ist in Ammoniak leicht loslich.1 Die Lijsung scheidet sich bei l l O o in zwei fliissige Phasen.

Mit Schwefeldioxyd bildet dieses Salz ein gelbes 01, welches mit einem UberschuB des Losungsmittels nur beschrankte Misch- barkeit zeigt. Bei tiefer Temperatur erstarrt dieses 01 zu gelben Kristallen. Der maximale Mischpunkt der beiden fliissigen Phasen konnte wegen einer bei 90 eintretenden irreversiblen Reaktion nicht ermittelt werden. Bei dieser Temperatur verwandelt sich das gelbe 01 in eine weiBe, feste Masse, die beim Abkiihlen nicht wieder in Losung geht.

Ammoniumthiocyanat. NH,SCN ist auBerordentlich leicht in Ammoniak loslich (zer-

flieBlich bei gewohnlicher Temperatur unter Atmospharendruck)2 und geht zusammen mit diesem in Dampfform iiber.

I n Schwefeldioxyd ist dieses Salz ebenfalls recht leicht loslich. Beim Erhitzen auf looo scheidet die Losung ein gelbes 01 aus; bei 150 O findet eine Reaktion unter Ausscheidung einer orangefarbigen festen Masse statt, die beim Abkiihlen nicht wieder in Losung geht.

Ammoniumnitrat. Die Losung dieses in Ammoniak auBerordentlich leicht loslichen

(zerfliefilichen) Salzes, ist schon seit langer Zeit unter dem Namen DIVERS sche Fliissigkeit bekannt. Beim Erhitzen ging die Losung unverandert in Dampfform iiber.

Ammoniumcarbonat. Ammoniumcarbonat ist bei tiefen Temperaturen praktisch un-

loslich in flussigem Ammoniak, wie schon von FRANELIN und K R A U S ~ gezeigt wurde, bei hoheren Temperaturen ist die Loslichkeit jedoch betrachtlich. Die Losung geht unverandert in Dampfform iiber. Beim Erkalten der Losung kristallisiert das Salz in schonen Kri- stallen wieder aus. Ein UberschuB an festem Salz schmilzt bei hoherer Temperatur unter Bildung einer zweiten fliissigen Phase. Der maximale Mischpunkt d.er beiden Fliissigkeiten ist metastabil, da die eine Losung schon vorher ihren kritischen Punkt erreicht.

BROWNE und HOULEHAN, Journ. Am. Chem. Soe. 33 (1911), 1742; 36 (1913), 649.

BRADLEY und ALEXANDER, Journ. Arner. Chenz. SOC. 35 (191), 15-24. 1. c .

Page 21: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

uber kritische Erscheinungen in binaren Systemen. 393

Ammoniumsulfat. Bei gewohnlicher Temperatur ist das Salz vollstandig unlos-

lich in Ammoniak, bildet aber mit ihm eine Verbindung (NH,),S04. 3NH,, welche bei Temperaturen bis zu 145O bei Gegenwart yon flussigem Ammoniak keine Veranderung zeigt, die auf einen Zerfall der Verbindung schlieBen IieB. Bei hohen Temperaturen scheint das Salz etwas loslich zu sein.

Mit Schwefeldioxyd bildet das Salz unter den herrschenden Be- dingungen weder eine Verbindung noch zeigt dns Salz irgend welche Loslichkeit.

Hydroxylaminhydrochlorid. NH,OH.HCl ist leicht in Ammoniak loslich. Die Losung trennt

sich bei 1200 in zwei iliissige Phasen.

Hydrazinmonohy drochlorid. N,H4.HCI ist in Ammoniak leicht loslich und bildet mit dem-

selben bei 105O zwei fliissige Phasen.

Hy drazinsnlfat. N,B,.H,SO, geht mit Ammoniak die Reaktion:

N,H,..EI,SO, + 2NH, (NH,), .H,SO, + N,H,

ein, die wie schon friiher gezeigt wurde,, eine reversible ist. Bei groBem UberschuB an Ammoniak liegt das Gleichgewicht auf Grund der gro5en Laslichkeit des Hydrazins und der auBerordentlich gem ringen des Ammoniumsulfats fast vollstandig auf der rechten Seite der Gleichung. Der Versuch wurde mit geringer Ammoniakkon- zentration ausgefuhrt und es zeigte sich, da5 das als voluminoser Niederschlag ausgeschiedene Ammoniumsulfat bei hoherer Tempera- tur zum Teil wieder in Losung ging, das Gleichgewicht also unter diese Bedingungen wieder nach links verschoben wurde.

In Schwefeldioxyd konnte weder Reaktion noch Loslichkeit be- obachtet werden.

FRANKLIN und KRAUS, 1. c. BROWNE und WELSH, Jozcrn. Amer. Chem. SOC. 33 (1911), 1728-1734. --

BROWNE uud HOULEHAN, Journ. Amer. Chew. SO~. 33 (1911), 1743-1742. - FBIEDRICHB, Joura. Amer. Chem. Soc. 3b (1913), 244-241 : Zeitschr. angew. Chem. 26 (1913), 201-203.

Page 22: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

394 E'. fiiedriohs.

Calciumchlorid. CaCl, bildet mit Ammoniak die Maximalverbindung CaCI, .

8NH3, welche sich auch bei hohen Temperaturen als unloslich in Ammoniak erwies. Irgend eine Veranderung des Ammonates, die auf eine Umwtlndlang deuten wurde, konnte nicht beobachtet werden.

Bariumnitrat. Ba(NO,), reagiert mit dern auf ihm kondensierten Ammoniak

unter starkem Aufquellen zu einer Verbindung, deren Zusammen- setzung noch nicht ermittelt werden konnte. Dieses Ammonat ist bei tiefer Temperatur nur schwer, bei Zimmertemperatur dagegen leicht loslich in Ammoniak. Beim Erhitzen der verdiinnten Losung scheidet sich bei looo eine zweite fliissige Phase ab.

Strontiumnitrat. Strontiumnitrat ist in Ammoniak leicht loslich. Die Losung

trennt sich bei 80° in zwei flussige Phasen.

Merkurichlorid. HgC1, lost aich verha1tnismaSig leicht in Ammoniak, doch ist

diese Losung nur in engen Grenzen mit Ammoniak mischbar, so dab bei Verwendung eines t'berschusses von Ammoniak bei Zimmer- temperatur zwei fliissige Phasen auftreten. Bei tiefen Temperaturen scheidet die eine fliissige Phase Kristalle aus denen nach FRANKLIN~ die Zusammensetzung HgCI,. 12NH3 zukommen soll, doch nach in nachster Zeit zu veroffentlichenden Versuchen des Verfassers als ein Hexammonltt erkannt wurde, wahrend dem Quadrupelpunkte, bei welchem die beiden fliissigen, die erwahnte feste Phase und Gas sich im Gleichgewicht befinden, ungefahr die von FRANKLIN be- hauptete Zusammensetzung entspricht. Bei hoherer Temperatur oder Konzentration tritt Ammonolyse ein nach der Oleichung:

HgCl, + 2 NH, TI? NH,HgCl + NB,CI l.

Aus dem eben erwahnten Umstande war es auch nicht ohne weiteres moglich die maximale kritische Ternperntur der beiden fliissigen Phasen zu erreichen. Durch geringes Ansauern der Losung mit Ammoniumchlorid gelang es die beiden fliissigen Phasen bei 55 O z u r vollstandigen Mischung zu bringen ohne bedeutendere

FBANKLIN, Joum. Amer. Chem. SOC. 47 (13121, 361-397.

Page 23: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

Uber kritisehe Erscheinzlrzgen in binaren Systemen. 395

Ammonolyse. Bei Erhitzen auf 60° traten zwei neue Aiissige Phasen auf. Durch Zusatz von sehr vie1 Ammoniumchlorid gelang es das Maximum soweit zu erniedrigen, dab die beiden Komponenten bei Zimmertemperatur in allen Verhaltnissen mischbar waren.

Merkurijodid. HgJ, ist bei gewohnlicher Temperatur in Schwefeldioxyd sehr

wenig loslich, mehr bei hoherer Temperatur. Bei ungefahr 130° wandelt sich das rote Salz in seine gelbe Modifikation um, ein Vorgang , der erst nnch langerem Stehen bei Zimmertemperatur riickltiufig wurde. Beim Erkalten des Rohrchens schieden sich wenige erst gelbe spater rote Nadeln aus.

Merkuricyanid. Hg(CN), ist in Ammoniak sehr leicht lijslich (zerfliefilich). Eine

Ausscheidung einer zweiten 5iissigen Phase konnte nicht beob- achtet werden.

I n Schwefeldioxyd ist das Salz unloslich.

Merkuronitrat. HgNO, lost sich bei gewohnlicher Temperatur teilweise unter

Die Losung scheidet bei 75 O Bildung eines grauen Niederschlages. eine zweite flussige Phase aus.

Cadmiumchlorid. Unloslich in Ammoniak und Schwefeldioxyd.

Stannochlorid. SnCI, bildet mit Ammoniak eine gelbliche Verbindung von ge-

Die Losung trennt sich bei 120° in zwei fliissige Ein UberschuS des festen Salzes schmilzt bei ungefahr

ringer Loslichkeit. Phasen. looo unter der Losung.

Bleijodid. Unloslich in Ammoniak. Wenig in Schwefeldioxyd mit schwach violetter Farbe. Ver-

bindungen konnten nicht beobachtet werden.

Bleinitrat. Pb(NO,), ist in Ammoniak leicht loslich. Die Loeung entmischt

sich bei 45O unter Bildung einer zweiten fliissigen Phase.

Page 24: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

396 I? Frkdrichs.

Cuprinitrat. An Stelle des wasserfreien Salzes wurde hier vom Ammonat

desselben (CuNO, .4NH,) ausgegangen. Es wurde erhalten durch Umkristallisieren des wasserhaltigen Nitrats erst aus konzentrierter wiisseriger Ammoniakl6sung und darauf aus wasserfreiem Ammoniak. Das so erhaltene blaue Pulver wurde um die letzten Spuren Wasser zu entferrien im Ammoniakstrom 4 Stunden auf looo erhitzt und in demselben erkalten lassen. Das so erhaltene Produkt loste sich leicht in Ammmoniak, Die tiefblaue Losung trennt sich bei 50° in zwei fliissige Phasen, von denen die eine bei steigender Tempe- ratur immer lichter die andere dagegen dunkler wird. In der Nahe der kritischen Temperatur ist die obere Lasung fast farblos. Bei 60° geht die tiefblaue Losung in eine dunkelblaue, feste kristalline Verbindung, wahrscheinlich das Tetrammonat uber. Beim Ab- kiihlen schmilzt diese Verbindung bei 60° wieder unter der Lasung, unter Bildung der zuerst erwahnten zweiten fliissigen Phase.

Cuprichlorid. Die beiden hochsten Ammonate dieses Salzes sind das hell-

blaue Hexammonat CuCI, .6 NH, und das tief indigoblaue 'retram- monat CuC1,.4NH3. Da hierdurch eine Umwandlung unter dem reinen Losungsmittel (das System ist ein unlosliches) sich in einer Vertiefung der Farbe des Bodenkorpers bemerkbar machen muBte, uud bis 145O keine derartige Erscheinung beobachtet werden konnte, sind auf den Dissoziationskurven dieses Systemes wenigstens unter- halb dieser Temperatur keine Umwandlungspunkte zu erwarten. Unter einer Liisung von Ammoniumchlorid in Ammoniak bildet sich jedenfalls infolge des niedrigeren osmotischen Ammoniakdruckes, nur das tiefblaue Tetrammonat. Auch hier konnte beim Erhitzen keine Umwandlung in das nachst niedrigere , griine Diammonat nachgewiesen werden.

Cuprisulfat. Dieses Salz bildet mit Ammoniak Verbindungen mit 5 , 4, 2

und I Mol. Ammoniak. Das Penta- und Tetyammoniakat besitzen anntihernd dieselbe ultramarinblaue Farbe. Das Pentammonat ist nur wenig heller , aber , nach der auBerordentlichen Volumen- vermehrung bei Absorption des letzten Molekuls Ammoniak zu ur- teilen, von bedeutend geringerer Dichte. Beim Erhitzen konnte weder Lsslichkeit noch irgendwelche Anzeigen eioer Umwandlung beobachtet werden.

Page 25: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

Uber kritische Erscheinungen in binaren Systemen. 397

I n Schwefeldioxyd ist das Salz unloslich und scheint keine Ver- bindung mit demselben einzugehen, da das weiBe Salz weder eine Volumenvermehrung noch Farbenanderung unter Schwefeldioxyd zeigte.

Cupro thio cyanat.

Dieses reinweiBe Salz farbt sich mit Ammoniak unter Ab-

I n Schwefeldioxyd bleibt das Salz weiB und erwies sich als sorption von 6 Molekulen braun und zeigt keine Loslichkeit.

unloslich. Cobaltnitrat.

An Stelle des wasserfreien Salzes wurde hier wie beim Cupri- nitrat vom Ammonat ausgegangen , welches in derselben Weise hergestellt wurde. Das rotbraune Ammoniakat lost sich bei Qer- wendung von nur wenig Ammoniak teilweise mit tief roter E'arbe, bei Verwendung eiries groBen Ammoniakuberschusses ging nur ein ganz geringer Teil desselben in Losung; stets entstand ein brauner Niederschlag. Da es moglich war durch Ansiiuern mit Ammonium- nitrat vollstandige Losung zu erzielen, ist diese Erscheinung als Ammonolyse aufiufassen. Bei hoherer Temperatur vermehrte sich der braurie Niederschlag unter Entfarbung der LBsung.

Nickelnitrat.

Auch dieses Nitrat wurde wie Kupfer- und Kobaltnitrat als Ammonat verwendet, welches in einer der oben geschilderten (S. 398) analogen Weise in wasserfreiem Zustande erhalten worden war. Das violette, kristalline Pulver, im Qegensatz zu den Sngaben von FRANKLIN und K R A U S , ~ welche das Salz als mit Purpurfarbe loslich bezeichnen, vollstandig unloslich in Ammoniak. Auch bei hoheren Temperaturen konnte weder Loslichkeit noch irgendwelche Veranderung beobachtet werden.

Silberchlorid.

AgCl ist in der Kalte wenig, leicht dagegen bei hoherer Tem- peratur in Ammoniak loslich. Bei 75O scheidet die verdiinnte Losung eine zweite flussige Phase aus. Uberschussiges Silberchlorid oder vielmehr AgC1.3NHS schmilzt bei 80° unter der Losung unter Bildung einer zweiten fliissigen Phase.

1. c.

Page 26: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

3 98 F. Friiedrichs.

Silb erbr omid. L

AgBr ist in Ammoniak leichter als das Chlorid loslich. Die Losung trennt sich bei 105O in zwei fliissige Phasen.

Silberj odid. AgJ ist das in Ammoniak lijslichste Haloid des Silbers, und

zwar ist die Loslichkeit auch bei tiefen Temperaten eine recht be- trachtliche. Das Auftreten zweier fliissiger Phasen konnte bis 145O nicht beobachtet werden. Verdiinntere Losungen gehen unverandert in Dampfform iiber, wahrend konzentrierte sich bis zu den erreich- baren Temperaturen langsam einengen.

Silberazid. AgN, steht in Bezug auf seine Loslichkeit zwischen Bromid

und Jodid. Die verdiinnte Losung scheint bei hoherer Temperatur sehr wenig stabil zu sein, denn erst nachdem drei Rijhrchen mit groBer Heftigkeit bei ungefahr looo explodiert waren, gelang es in einem vierten bei 11 O o die Ausscheidung einer zweiten fliissigen Phase zu beobachten.

Bei hoherer Temperatur farbt sich das Salz unter Gasentwickelung scbwnrz und explodiert mit groBer Heftigkeit.

Silbernitrat.

In Schwefeldioxyd ist dieses Salz kaum loslich.

AgNO, ist i n Ammoniak in der Kalte wenig, leichter bei Bei l l O o entmischt sich die verdiinnte hoherer Temperatur loslich.

Losung unter Bildung zweier fliissiger Phasen.

Diskussion der Resultate. Die oben angefuhrten Versuchsdaten lassen sich wie folgt in

das erwahnte Schema einreihen:

A 1. U n b e s c h r a n k t e M i s c h b a r k e i t be i grol3er Los l i chke i t : Jod-, Wasser-, Natriumbromid-, Natriumazid-, Kaliumjodid-,

Kaliumthiocyanat-, Ammoniumbromid-, Ammoniumjodid-, Silber- cyanid- Ammoniak.

Jod-, Schwefel-Schwefeldioxyd.

B 2. B e s c h r a n k t e Mischba rke i t , m a x i m a l e r Mischpunk t s t ab i l :

Ather- Ammoniak. Wasser-, Schwefelsaure-Schwefeldioxyd.

Page 27: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

ober kritische Bscheinungen in binaren Systemen. 399

B 3. B e , s c h r a n k t e M i s c h b a r k e i t , m i n i m a l e r M i s c h p u n k t s t a b i l :

Schwefel-, Ammoniumchlorid-, Ammoniumazid-, Hydroxylamin- hydrochlorid-, Hydrazinhydrochlorid-, Bariumnitrat-, Strontiumnitrat-, Bleinitrat-, Stannochlorid-, Silberbromid-, Silberazid-, Silbernitrat- Ammonia,k.

Ammoniumjodid-, Ammoniumthiocyanat-, Kaliumjodid-, Schwefel- dioxyd.

B 4. B e s c h r a n k t e M i s c h b a r k e i t , b e i d e M i s c h p u n k t e m e t a s t a b i l :

Ammoniumcarbonat-, Silberchlorid-Ammoniak. Ammoniumazid-Schwefeldioxyd.

B 4. d) B e s c h r a n k t e M i s c h b a r k e i t , m i n i m a l e r M i s c h p u n k t s t a b i l , a s y m m e t r i s p h e r S c h n i t t :

Cuprinitrat- Ammoniak. Ammoniumbromid-, Kaliumjodid-Schwefeldioxyd. Schwierigkeiten entstehen bei der Klassifikation der Spteme,

welche eine retrograde Loslichkeit zeigen, bei denen also das Salz beim Anwarmen der Losung schon bei Temperaturen weit unter der kritischeri Temperatur des Losungsmittels wieder auszukristallisieren beginnt. Diese Erscheinung konnte unter bestimmten Bedingungen iu dreien der genannten Gruppen der Systematik auftreten. In Gruppe A 2 ware die Ausscheidung des festen Salzes uriterhalb der kritischen Temperatur des Losungsmittels und eine mit steigender Temperatur abnehmende Loslichkeit moglich, wenn die geschnittene kritiscbe Kurve ein Minimum aufweisen wiirde. Dasselbe ware auch bei Gruppe B 5 moglich. Eine dritte Erklarung dieser Erscheinung kann aus der Annahme asymmetrischer Schnitte abgeleitet werden. W enn namlich der untere Schnittpunkt der Loslichkeitskurve mit der Entmischungskurve (vgl. Fig. 10 u. 11) sehr nahe an den mini- malen Mischpunkt heranriickt oder, praktisch wenigstens mit diesem zusammenfallt, so dab das untere Entmischungsgebiet unendlich klein wird, so tritt an Stelle der einen fliissigen Phase eine feste und die LGslichkeit fallt mit steigender Temperatur. I n Fig. 10 wiirde die ausgeschiedene feste Phase bei steigender Temperatur wieder unter der Losung schmelzen miissen, da aber eine derartige Er- scheinung bis jetzt bei keinem der Systeme beobachtet werden konnte, wiirde ein gegenseitiges Uberschneiden aller drei Kurven-

Page 28: Über kritische Erscheinungen in binären Systemen

400 lil Priedrichs. Ubeber kritische Erscheinungen in binaren Systemen.

typen, ahnlich wie in Gruppe B 4 d wahrscheinlicher erscheinen, Dieser letzte Fal l bildet den abergang zwiscben den Gruppen B 4 d und B5.

Bei den meisten Systemen, welche begrenzte Mischbarkeit der Komponenten in fliissiger Form zeigen, konnte ein fast horizontales Stuck in der Loslichkeitskurve beobachtet werden, eine Erscheinung, auf die schon BUGEWER und EGGINK aufmerksam machten. Diese Erscheinung scheint jedoch keineswegs eine allgemeine zu sein, so besitzt das System NH,N,-NH, ein Entmischungsgebiet bei an- scheinend normaler Loslichkeitskurve.

Znsammenfassung.

1. Es wurde eine Systematik binarer Systeme unter Beruck- sichtigung der kritischen Erscheinungen aufgestellt.

2. Eine Anzahl von Losurigen anorganischer Salze in Ammoniak und Schwefeldioxyd wurde untersucht und in obige Systematik ein- gereiht.

3. Das Verbalten von in Ammoniak unliislicben Ammonaten bei der kritischen Temperatur des Ammoninks wurde studiert, aber keine Veratiderung derselben konnte wahrgenommen werden.

Ithaca N. Y., Cornell Upaiversity.

Bei der Redektion eingegangen am 4. November 1913.