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JUSTUS LIEBIG'S ANNALEN DER CHEMIE. Untersnchungen aus dem chemischen Institut der Universitat S trafsburg. (Eingelaufen den 15. September 1889.) Ueber Lactons'riuren , Lactone und ungesiittigte Sauren ; von Rudolph Fittig. I. Synthese von Lactonsauren durch Condensation von Aldehyden mit zweibasieche~ Sauren nnd Verhalten der- selben bei der trockenen Destillation. In Verbindung mit H a r r y W. J a y n e habe ich vor sieben Jahren *) gefunden , dafs Benzaldehyd und Bernstein- saure sich glatt zu einer Lactonsaure, der Phenylparacon- saure vereinigen lassen. Nachdern dann weitere Versuche **) ergeben hatten, dah das Benzaldehyd durch andere Aldehyde und die Bernsteinsaure durch ahnliche zweibasischc Sauren ersetrt werden konnen , ohne dafs dadurch der allgemeine Charakter der Reaction verandert wird, habe ich mich mit einer grofseren Anzahl nieiner Schuler zur gemeinsamen Durchforschung dieses Gebietes vereinigt. Bei dieser um- fangreichen Untersuchung, die eine Reihe von Jahren in An- - *) Diese Annalen 816, 97. **) 6. daselbst B29, 85. Annalen der Chemie 265. Bd.

Ueber Lactonsäuren, Lactone und ungesättigte Säuren

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JUSTUS LIEBIG'S ANNALEN DER CHEMIE.

Untersnchungen aus dem chemischen Institut der Universitat S trafsburg.

(Eingelaufen den 15. September 1889.)

Ueber Lactons'riuren , Lactone und ungesiittigte Sauren ;

von Rudolph Fittig.

I. Synthese von Lactonsauren durch Condensation von Aldehyden mit zweibasieche~ Sauren nnd Verhalten der-

selben bei der trockenen Destillation. In Verbindung mit H a r r y W. J a y n e habe ich vor

sieben Jahren *) gefunden , dafs Benzaldehyd und Bernstein- saure sich glatt zu einer Lactonsaure, der Phenylparacon- saure vereinigen lassen. Nachdern dann weitere Versuche **) ergeben hatten, dah das Benzaldehyd durch andere Aldehyde und die Bernsteinsaure durch ahnliche zweibasischc Sauren ersetrt werden konnen , ohne dafs dadurch der allgemeine Charakter der Reaction verandert wird, habe ich mich mit einer grofseren Anzahl nieiner Schuler zur gemeinsamen Durchforschung dieses Gebietes vereinigt. Bei dieser um- fangreichen Untersuchung, die eine Reihe von Jahren in An-

-

*) Diese Annalen 816, 97.

**) 6. daselbst B29, 85.

Annalen der Chemie 265. Bd.

2 Fit t ig , Lactonsiiuren, Lactone, unges. Xauren.

spruch Iiahm, hat sich ergeben, dafs die obige Reaction eine Fundgrube von neuen interessanten Thatsachen und eines der wichtigsten Hulfsmittel zur synthetischen Gewinnung von Lac- tonsauren, Lactonen und ungesattigten ein- und zweibasischen Sauren von bestimmter, durch ihre Bildungsweise gegebener Constitution ist. Das reichhaltige Material wird in den folgen- den Abschnitten detaillirt mitgetheilt werden. Um unnothige Wiederholungen zu vermeiden, erscheint es mir aber nothig, hier zunachst eine Uebersicht und eine kurze Zusarnmenfassung der gewonnenen Resultate xu gehen.

Alle Aldehyde, mit denen wir arbeiteten, gleichgultig ob sie der aromatischen oder der Fettkorper-Gruppe angehoren, reagiren leicht mit Bernsteinsaure und Brenzweinsaure. An- dere zweibasische Sauren liaben wir bis jetzt nicht in den Kreis der Untersuchung gezogen.

Die Methode, welche wir befolgten, war fast immer die gleiche. Den Moleculargewichten entsprechende Mengen von Alduhyd, bernsteinsaurern resp. brenzweinsaurem Natrium und Essigsaure- Anhydrid wurden moglichst innig gemischt und langere Zeit auf Temperaturen zwischen 80 und 120°, meistens auf 100 bis 120O erhitzt. Zur Erzielung guter Ausbeuten ist es durchaus erforderlich, dafs Wasser so viel, wie nur mog- lich, ausgeschlossen werde. Die Natriunisalze wurden deshalb regelmafsig bei i40° bis zum constanten Gewicht getrocknet, die Aldehyde nach vorheriger sorgfaltiger Entwasserung und Destillation und auch das Essigsaure-Anhydrid frisch destillirt angewandt. Das Reactionsproduct ist immer eine dem An- sehen nach ganz feste, mehr oder weniger braun gefarbte Masse. Die weitere Behandlung desselben richtete sich nach den Urnstanden und schon aus dein Grunde mufste ein ungleiches Verfahren eingeschlageri werden , weil die entstandenen Lac- tonsluren in der mit Wasser behandelten Reactioasmasst: bald frei, bald als Natriurnsalze vorhanden waren. Die aus

Synthese von Lactonsauren. 3

Benzaldehyd , Acetaldehyd und dessen nachsten Homologen entstehenden Lactonsauren sind namlich so starke Sauren, dafs sie durch die viele vorhandene Essigsaure entweder gar nicht oder nur zu einem geringen Theil aus ihren Natrium- salzen frei gemacht werden. Sie lassen sich deshalb nicht direct rnit Aether ausschiitteln. Mit zunehmendein Kohlen- stoffgehalt wird aber auch bei diesen Sauren der Saure- charakter abgeschwacht und die niit Valeraldehyd und Oenan- tho1 bereiteten Lactonsauren sind daher in dem mit Wasser behandelten Prodnct der Reaction ganz oder wenigstens nahezu ganz in freiem Zustande enthalten.

In allen Fallen aber bietet die Gewinnurrg der leicht und schon krystallisirenden Lactonsauren aus dem Reactionsproducb keine erhebliche Schwierigkeiten.

Bei Anwendung von Aldehyden der Fettkorpergruppe oder von Benzaldehyd verlauft die Condensation mit dem bern- steinsauren Natrium inimer nach der Gleichung :

CO-OH CO-OH I I

A*)-CHO + CH*-CHs = A-CH-Ctl-CHs + HSO. I I I CO-OH 0- co

Der groheren Einfachheit wegen schreibe ich in den Gleichungen freie Bernsteinsaure statt des bernsteinsauren Natriums. In Wirklichkeit findet ja die Reaction mit dem Natriurnsalz statt und in dem Producte ist wahrscheinlich ein durch directe Vereinigung (Aldol-Condensation) des Aldeliyds mit dem bernsteinsauren Natrium entstandenes Natriumsalz

CO-ON& I

A-CH-CH-CHp 1 I

OH CO-ONa cnthalten. Beim Behandeln der Masse mit Wasser aber wird das Essigsaure-Anhydrid in Essigsaure verwandelt und diese

") A = Alkyl.

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wirkt auf das Natriumsalz ein, indem sie entweder die zwei- basische Oxysaure frei macht oder das saure Natriurnsalz derselben erzeugt. in beiden Fallen tritt dann die Lacton- bindung zwischen dem CO-OH und dem in y-Stellung be- findlichen OH ein.

Bei der Anwendung von bernsteinsaurem Natrium ent- stehen aufser der Lactonsaure keine wesentlichtn Producte. Allerdings ist die Ausbeute niemals auch nur eine annahernd quantitative , imnier bilden sicb harzige niclit krystallisirende Korper, uber deren Natur wir trotz mehrfacher Versuche keinen Aufschlufs erhalten haben, aber es fragt sich ob diese nicht Condensations- und Polymerisirungsproducte der Alde- hyde allein sind. Es hat sich namlich immer wieder heraus- gestellt, dafs die Ausbeute an Lactonsauren urn so geringer wird, j e grofser die Tendenz des betreffenden Aldehyds, sich zu polymerisiren, ist. Aus diesem Grunde werden mit Benz- aldehyd weitaus die besten Ausbeuten erzielt und aus dern- selben Grunde verlauft die Reaction mit dem Chloral aufser- ordentlich vie1 glatter und giebt erheblich grofsere Ausbeuten als mit Acetaldehyd. - Es ist bekannt, dafs bei der Reaction niit Benzaldehyd neben der Pbenylparaconsaure noch die Phenylisocrotorrsaure entsteht, aber die letztere ist unzweifel- haft als ein secundares, vielleicht aus zuerst gebildeter Phenyl- paraconsaure entstandenes Product aufzufassen, denn man kann ihre Bildung durch blofse Herabsetzung der Temperatur bei der Reaction auf 100" ganz oder nahezu ganz verhindern. Bei Anwendung der Aldehyde der Fettkorpergruppe haben wir niemals das Auftreten einbasischer ungesattigter , der Phenylisocrotonsaure entsprechender Sauren beobachtet. Ich will nicht behaupten, dafs sie gar nicht entstehen, dam durften die n u r in einzelnen Fallen angestellten Versuche, sie zu isoliren, wohl nicht exact genug durchgefuhrt sein, denn es liegt auf der Hand, dafs die Trennung sehr kleiner

Fit t i g , Lactonsauren, Lactone, unges. Sauren.

Synthese von Lactonsauren. 5

Mengen von fliissigen fliichtigen Sauren von der grofsen Menge yon Essigsaure keine ganz leichte Operation ist. Mit Sicher- heit aber labt sich sagen, dafs sie, wenn iiberhaupt, nur in aufserst geringen Mengen auftreten.

Die Lactonsauren, welche auf diese Weise erhalten werden, stehen in einfachster Beziehung zu der Paraconsaure

CO-OH

CHS-CH-CH,. I I o+co

Ich bezeichne sie deshalb als Nethyl-, Aethyl-, Phenyl-

Bei Anwendung von bernsteinsaurem Natrium entsteht stets nur eine Lactonsaure , wahrend rnit brenzweinsaurem Natrium ausnahmslos - die Reaction wurde mit Valeraldehyd, Oenanthol und Benzaldehyd ausgefuhrt - zwei isomere, in ihrem Verhalten aufserordcntlich ahnliche und deshalb in der Regel recht schwierig von einander trennbare Lactonsauren gebildet werden. Das steht im vollkornmenen Einklang mit der Theorie , denn wegen der unsymmetrischen Constitution der Brenzweinsaure kann die Condensation mit den Aldehyden auf zweierlei Weise stattfinden, entweder :

u. S. w. Paraconsauren.

CO-OH CO-OH 1 I

I. A-CHO + CHg-CH-CHs = A-CH-CH-CH-CH3 + HSO 1 I I CO-OH 0- co

oder : CH, CO-OH CH, CO-OH

I I I CO-OH 0-co

Von den beiden gleichzeitig gebildeten zweifach substi- tuirten Paraconsauren tritt nun, ebenfalls ausnahrnslos, die eine in bei weitem hervorragender Menge auf und der Schmelz- punkt dieser Saure liegt irnrner erheblich hoher als derjenige der in geringer Menge entstehenden isomeren Verbindung.

\/ \/ 11. A-CHO + CH-CHI = A-CH-C-CH, + HSO.

6 F i t t i g , Lactonsauren, Lactone, unges. Sauren.

Ich bezeichne diese hoher schmelzenden Sauren als a-, die niedriger schmelzenden als p- und glaube, dafs die das Haupt- product bildenden a-Sauren riach der Gleichung I, die 8-Sauren aber nach I1 gebildet und dem entsprechend constituirt sind. Einen einwurfsfreien Beweis dafur zu liefern, ist mir allerdings im Augenblick noch nicht moglich und diese Beweisfuhrung wird auch nicht ganz leicht sein. Trotzdem aber beruht die obige Annahme nicht auf blofsen Vorstellungen uber die ,Tendenzu gewisser Atome in Verbindung zu treten, uber ,bevorzugtere oder weniger bevorzugte Configurationen der Molecule" u. dgl. Ich habe auf eine derartige, im Grunde genommen, deductive Beweisfuhrung bei chemischen . Fragen von jeher einen sehr geringen Werth gelegt und imrrier vor- gezogen, unvoreingenommen von solchen Speculationen, das Experiment zu befragen. So ist es auch hier eine bestimmte Thatsache, welche mich zu der Annahme gefuhrt hat. Die aus Benzaldehyd und Brenzweinsaure entstehenden beiden MethyZphelzyZlOuraconsuuren liefern bei der trockenen Destil- lation zwei verschiedene PhenyZ6utyZelze CIOHlB, von denen das aus der a-Saure entstehende wohl unzweifelhaft mit dern von A r o n h e i m dargestellten Kohlenwasserstoff

identisch ist *), wiihrend das aus der p-Saure gebildete utn etwa 4O hoher siedet und sehr wahrscheinlich rnit dem zuerst von P e r k i n aus Benzaldehyd und Isobuttersaure und spater von J a y n e und rnir durch Erhitzen der Phenyloxypivalinsiiure erhaltenen Kohlenwasserstoff :

CGH5-CHZ-CH=CH-CHB

identisch ist. Unglucklicherweise sind aber von den bekannten Phenylbutylenen gerade diese beiden am wenigsten scharf

") Vergl. dieso Annalen 216, 125.

Synthese von Lactonsauren. 7

oharakterisirt, sie geben beide flussige Dibromide und verhalten sich auch sonst aufserordentlich ahnlich. Das ist der Grund, weshalb ich die obige Annahrne wohl als wahrscheinlich, aber nicht als sicher bewiesen ansehe.

Einen etwas anderen als den oben entwickelten Verlauf nimmt die Reaction rnit den Oxyaldehyden der aromatischen Gruppe. SalicyIaldehyd und Bernsteinsaure condensiren sich ohne Bildung wesentlicher Nebenproducte nach der Gleichung :

zu Dicurnarin, einern sehr indifferenten, ini chemischen Ver- halten dern Curnarin sehr ahnlichen Korper. Da Salicylaldehyd mit essigsaurem Natriurn glatt Cumarin liefert, war es zu er- warten, dafs die eigenthumliche, so sehr bestandige Cumarin- bindung auch hier eintreten und die gewohnliche Lactonbindung verhindern wurde. Ueberraschend ist nur die Leichtigkeit, mit welcher die gleiche Condensation noch einmal mit einem zweiten Molecul Salicylaldehyd eintritt. Ich habe wiederholt versucht , auch zwei Molecule der einfachen Aldehyde, be- sonders Benzaldehyd mit einern Molecul Bernsteinsaure zu Dilactonen zu condensiren, allein diese Versuche haben keinen gunstigen Erfolg gehabt. Es ist miiglich, dafs in den harzigen Nebenproducten, welche sich, zumal bei hoherer Ternperatur, in nicht unbetrachtlicher Menge bilden , derartige Conden- sationsproducte enthalten sind, aber sie daraus zu isoliren, ist bis jetzt nicht gelungen.

Sehr interessant ist ferner die Reaction des Salicylaldehyds mit der Brenzweinstiure. Die unsymmetrische Constitution dieser Saure macht die Bildung eines dern Dicurnarin ent- sprechenden Korpers unmoglich, aber die Neigung zur Cuma-

8 F i t t ig, Lactonsauren, Lactone, unges. Sauren.

rinbindung iiberwiegt noch und verhindert die gewohnliche Lactonbindung. Die Hauptreaction verlauft nach der Gleichung

OH CO-OH 0-co

und es entsteht eine Curnarinpropionsaure, welche sich beim Erhitzen uber ihren Schmelzpunkt glatt in Aetlaylcumarin und Kohlensaure spaltet.

Daneben kommt freilich auch die andere Reaction in untergeordneter Weise zur Geltung, allein unter den obwal- tenden Versuchsbedingungen bleibt sie nicht bei der Bildung der Lactonsaure stehen, sondern liefert das Zersetzungsproduct dieser, die einbasische ungesattigte O~yphenylnzethylisocroton- saure :

C8H4(~:=CH-CH/CHS oder GH4<Z:=c/CHs ‘40-OH \cH,-CO-OH‘

Es hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit fur sich, dafs die Saure nach der zweiten Forrnel constituirt ist, denn nachge- wiesener Mafsen findet ja die Condensation der CHO-Gruppe der Aldehyde sowohl rnit dem CH,, wie init dem CH im Mo- lecul der Brenzweinsaure statt. Im ersteren Falle wiirde das erste Reactionsproduct die zweibasische Oxysaure :

OH CO-OH C H / I CH, ‘ ‘\CH(OH)-CH-CH/

‘CO-OH

sein, welche zum Eintritt der Cuniarinbindung wohl geeigneter sein durfte, als die in] zweiten Falle entstehende Saure

OH GO-OH

bei welclier die Abspaltung des in der Seitenkette befindlichen Hydroxyls nur unter gleichzeitigem Verlust der zur Curnarin- bindung erforderlichen Carboxylgruppe moglich erscheint. Es bedarf jedoch weiterer Beweise fur die Constitution dieser bei der Reaction nur in geringer Menge auftretenden Saure.

Synthese von Lactonsauren. 9

Versuche mit Paraoxybenzaldehyd haben zu glatten Re- sultaten bis jetzt nicht gefiihrt. Ich beabsichtige dieselben aber gelegentlich zu wiederholen.

Dagegen bietet das Verhalten des Methylathers dieses Aldehyds, des Anisaldehyds, wieder manches Interessante. Die Reaction mit der Bernsteinsaure geht wieder uber die Bildung der Lactonsaure hinaus und fuhrt zu der ungesattigten Anisy lisocrotonsaure

,CH8 CO-OH C H + I ’ %HO CH,-CH*-CO-OH

CHS = C H ” -1- Ha0 + COP

*‘CH=CH-CH,-CO-OH

aber gleichzeitig nimmt , wie bei der Einwirkung von Salicyl- aldehyd, ein zweites Molecul Aldehyd an der Reaction theil und es wiederholt sich der gleiche Condensationsvorgang

c o - O H

CH,-O-C~HI-CHO CHp

CH3-O-C,Hd-CHO CHB + I

I CO-OH

CHs-O-ChHd- CH=CH

CH,-O-CeH,-CH=C-CO-OH - - I + CO, + 2H90.

In Folge dawn entsteht eine gut charakterisirte einbasische Saure, die Dianisykentolsaure.

Selbstverstandlich kann man auch annehmen , dafs zuerst nur Anisylisocrotonsaure entsteht und diese sich mit einem zweiten Molecul Anisaldehyd zu Dianisylpentolsaure con- densirt :

C1330C6H*-CH=CH CH,OC,H,-CH=CH 1

I I COOH COOH

- - CHBOC,H*-CH=C + HsO. + I CH,OC6H,-CHO CH,

Die letztere Saure spaltet schon wahrend der Reaction zu einem geringen Theile nocti wciter Kohlensaure ab und geht in das ganz neutrale Dianisyltetrylen

10 Fit t ig, Lactonsauren, Lactone, unges. Sauren.

CH3-O-C6H,- CH=CIT

CHa-O-C,H4-CH=CH I

uber. Alle diese Verbindungen sind, soweit wie nioglich , ein-

gehend studirt worden. Bei den Lactonsauren hat besonders das Studium der

Producte, welche bei der trockenen Destillation derselben auf- treten, zur Kenntnifs zahlreicher neuer Verbindungen gefuhrt. Die aus der Bernsteinsaure entstehenden einfach substituirten Paraconsauren verhalten sich dabei in mehr als einer Beziehung anders, als die aus der Brenzweinsaure gebildeten substituirten Methylparaconsauren, aber in beiden Fallen erfolgt die Zer- setzung ohne wesentliche Abscheidung von Iiohle, und regel- niafsig destillirt ein nicht unbetrachtlicher Theil der Lacton- sauren unverandert mit uber. Nur bei der Phenylparacon- saure haben wir dies bisher nie beobachtet.

In qualitather Hinsicht liefern alle einfach substituirten Paraconsauren gleichartige Zersetzungsproducte, namlich :

1) eine um 1 Mol. COz armere einbasische ungesattigte Saure ;

2) ein mit dieser ungesattigten Saure isomeres gesattigtes Lacton ;

3) eine oder (bei der Methylparaconsaure) mehrere mit der angewandten Lactonsaure isomere zweibasische ungesattigte Sauren.

Das puantitcative Verhaltnifs, in welchem diese drei ver- schiedenartigen Producte auftreten , ist etwas abhangig von der Zusammensetzung der Saure - die in der homologen Reihe hoher stehenden verhalten sich etwas anders als die niedrigeren - aber auch davon, ob die Saure rasch oder langsam destillirt wird. Bei sehr rascher Destillation geht in der Regel die grofste Menge der Lactonsaure unverandert uber. Siebt man von dieser ah , so ist unter allen Verhalt-

Synthese von Lactonsauren. 11

nissen und bei allen Sauren die ungesattigte einbasische Saure wohl als das Hauptproduct anzusehen. Die Frage nach der Constitution dieser einbasiscben Sauren hat mich vie1 beschaftigt. Es kann ja keinem Zweifel unterliegen, dafs die aus der Phenylparaconsaure entstehende Phenylisocrotonsaure nach der Formel

CEHS-CH=CH-CHa-CO-OH constituirt, also eine By-ungesattigte Saure ist und es ist die Annahme gewifs berechtigt, dafs alle aus analog constituirten Lactonsauren durch den gleichen chernischen Procefs ent- stehenden unqesattigten Sauren ebenfalls der py-Reihe ange- horen. In der That verhalten sie sich auch in allen wesent- lichen Reactionen gleich. Sie addiren sammtlich sehr leicht Bromwasserstoff und die so gebildeten gebromten Sauren gehen beim Erwarinen mit Wasser glatt in y-Lactone uber, in welche sich die ungesattigten SHuren auch direct durch kurzes Erwarmen mit rnabig verdunnter Schwefelsaure um- wandeln lassen. Das sind vollkommen die Eigenschaften der By-ungesattigten Sauren, aber so weit meine in den letzten Jahren gesammelten zahlreichen Erfahrungen reichen, zeigen alle yd-ungesattigten Sauren in dieser Beziehung durchaus das gleiche Verhalten, sie gehen bei beiden Reactionen eben- falls in y-Lactone iiber. Die neuen Sauren konnten danach also recht wohl auch der yd-Reihe angehoren urid die Bildung der Phenylisocrotons~ure konnte rnoglichcr Weise nicht mafs- gebend sein, wed in diesem einen Falle die Bildung einer yd-Saure unmoglich ist. Bei der Methylparaconsaure und allen homologen Saureri ist aber die Bildung einer $y-unge- sattigten Saure kaum ein einfacherer Procefs als die einer yd:

CO-OH I

I I 0-- co

CH8-CH-CH-CH, = CHI-CH=CH-CHP-CO-OH $- CO,

oder = CH,=CH-CH,-CH,-CO-OH + COP.

12 Fi t t i g , Lactonsauren, Lactone, unges. Sauren.

Zu diesen Erwagungen wurde ich veranlafst, als sich herausstellte, dafs die aus der Aethylparaconsaure entstehende ungesattigte Saure identisch mit der Hydrosorbinsaure ist. Die Hydrosorbinsaure aber giebt beim Sahmelzen mit Kali Butter- saure und Essigsaure und diese Spaltung wurde auch bei der Saure aus Aethylparaconsaure von neuem constatirt. Wenn aber die Spaltung der ungesattigten Sauren immer an der Stelle der doppelten Bindung stattfindet, so kann einer Saure mit 6 Kohlenstoffatomen, die normale Buttersaure und Essig- saure giebt, nur eine der beiden Formeln

CHs-CH=CH-CHS-CHE-CO-OH oder CH3-CH2-CHz-CH-CH-CO-OH

zukommen ; von diesen ist aber die zweite ausgeschlossen, weil die Hydrosorbinsaure ganz glatt in ein y-Lacton umge- wandelt werden kann. Deshalb hatte ich bisher immer die Hydrosorbinsaure fur eine nach der ersten Formel constituirte ybSaure gehalten.

Es kam mir also wesentlich darauf an, noch andere auf gleiche Weise aus den Paraconsauren entstehende ungesattigte Sauren auf ihre Constitution zu untersuchen. Ein untrugliches Unterscheidungsmerkmal fur By- und yd-ungesattigte Sauren aufzufinden, hat mich in den letzten Jahren vielfach beschaftigt und diese Arbeit hat zu manchen neuen interessanten Ergeb- nissen gefuhrt, uber welche ich in Kurzem berichten werde, aber den Zweck, zu welchern sie unternoinrnen wurde, hat sie bis jetzt nicht erreicht. Die Frage, um welche es sich hier handelte, mufste indefs durch das Studium der unge- sattigten Saure aus der Methylparaconsaure zu entscheiden sein, weil die y8-Saure mit funf Atornen Kohlenstoff, die Ally lessigsa’ure

gut bekannt und namentlich durch ihr gut krystallisirendes Dibromid zum Vergleich ausgezeichnet geeignet ist. Nun hat

CHZ=CH-CH~-CHZ-CO-OH

Synthese von Lactonsauren. 13

die sorgfaltige Vergleichung ergeben, dafs die Saure aus der Methylparaconsaure nicht identisch mit der Allylessigsiure ist, aber eben so glatt wie diese in gewohnliches Valerolacton ubergefiihrt werden kann. Ihr nmfs danach die Formel

zukommen. Seitdem glaube ich, dafs alle aus den Paraconsauren bei

der Destillation entstehenden ungesattigten einbasischen Sauren, die Hydrosorbinsaure nicht ausgenommen, der Py-Reihe an- gehoren und dafs die Spaltung beim Schmelzen mit Kali un- geeignet zu Schlussen auf die Constitution der ungesattigten Sauren ist. Die Richtigkeit der letzteren Behauptung wird im Augenblick im hiesigen Institut mit Sauren von bekannter Con- stitution gepruft. Ich habe ja schon vor langerer Zeit*) den Beweis geliefert, dafs die a-Hydropiperinsaure, welche un- zweifelhaft eine By-ungesattigte Saure ist, durch blofses Iiochen mit Natronlauge in die isomere afi-Saure iibergeht, und B a e y e r **) hat vor Kurzem ahnliche Beobachtungen ge- macht. Vielleicht zeigen alle py-Sauren ein analoges Ver- halten und dann ware die Spaltung der Hydrosorbinsaure in Buttersaure und Essigsaure verstandlicher, als sie es im Augenblick ist.

Fur die fly-ungesattigten Sauren ist somit durch diese Reaction eine vorzugliche Darstellungsmethode gewonnen.

Neben diesen Sauren treten bei der Destillation der ein- fach substituirten Paraconsauren stets auch die mit den ein- basischen Sauren isomeren Lactone auf. Die Bildung der- selben ist bei allen untersuchten Lactonsauren nachgewiesen, aber sie entstehen immer in so geringer Menge, dafs wir sie

CHS-CH=CH-CH2-CO-OH

*) Vergl. diem Annalen ale, 171 ; 2 2 V , 31 ; und Ber. d. deutsch. chem. Ges. 20, 414.

**) Diese Annalen B61, 257.

14 Fit t i g , Lactonsauren, Lactone, unges. 8auren.

ubersehen haben wiirden, wenn wir nicht jedesmal besonders darauf gepruft hiitten. Diese Lactone sind identisch niit denen, welche man aus den gleichzeitig gebildeten ungesattigten ein- basischen Sauren mit Bromwasserstoff oder Schwefelsaure erhalt.

Die Spaltung der Lactonsauren in die Lactone und Kohlen- siiure ist leicht verstandlich

CO-OH I

A-CH-CH-CH, = A-CH-CHX-CH* I I I I + co2 0- co O--CO

und man hatte erwarten sollen, dafs sie die eigentliche Haupt- reaction sein wiirde. Das ist sie bekanntlich bei der Terebin- saure, welche nach meinen fruheren Untersuchungen als Di- methylparaconsawe

CO-OH

0-CO

aufzufassen ist, aber diese Saure giebt bei geeigneter Destil- lation ebenfalls eine grofse Menge von Brenzterebinsaure. Der Unterschied liegt nur darin, dafs die Brenzterebinsaure schon bei der Destillation fur sich grofsentheils in das isomere Isocaprolacton ubergeht, eine Eigenschaft, welche wir bei keiner der yon uns untersuchten By-Sauren wiedergefunden haben. Vielleicht ist sie charakteristisch fur alle aus zweifach substituirten Paraconsauren entstehenden By-ungeslttigten SIuren von der Formel

~C=CH-CH,-CO-OH.

Von groberern Interesse als die so sehr untergeordnete Bildung der Lactone ist die bei der Destillation erfolgende theilweise Umwandlung der Lactonsauren in die isorneren un- gesattigten zweibasischen Sauren , welche offenbar als An- hydrid uberdestilliren. Auch diese Reaction ist schon bei der Terebinsaure beobachtet worden und hat hier zur Entdeckung

Synthese von Lactonsawen. 15

der isomeren Teraconsuure”) gefiihrt. Sie ist jetzt von uns nicht bei allen untersuchten Lactonsauren, aber doch bei mehreren derselben, namlich der Methyl-, der Propyl- und der Isobutylparaconsaure nachgewiesen worden und es unter- liegt wohl keinem Zweifel, dafs sie ganz allgemein stattfindet und bei der Aethyl-, Isopropyl- etc. Paraconsaure von uns deshalb nur nicht beobachtet ist, weil wir nicht darauf unter- sucht haben. Als wir niit diesen Sauren arbeiteten, kani es uns wesentlich darauf an, die Natur der ungesattigten ein- basischen SBuren aufzuklaren und urn moglichst vie1 davon zu gewinnen, wurde die unzersetzt mit iiberdestillirte Lacton- saure immer gleich wieder gewonneu und von Neuem destil- lirt. Auf diese Weise mufste eine in geringer Menge ent- standene zweibasische Saure unserer Beobachtung entgehen. Erst spater haben wir auf sie geachtet und dann sie auch regelmafsig gefunden.

Die Urnwandlung in das Anhydrid der isomeren zwei- basischen ungesattigten Saure ist bei dern Anfangsglied dieser ganzen Keihe von Lactonsauren, bei der Paraconsaure, die tlauptreaction und bei dieser yon S w a r t s *+() zuerst beob- achtet. Ich habe den Versuch mehrmals wiederholt und kann die Angabe von S w a r ts , dafs die Paraconsaure bei der Destillation in Citraconsaure-Anhydrid ubergeht, nicht allein bestatigen, sondern noch hinzufugen, dafs dabei keine nach- weisbare Menge von Butyrolacton entsteht und eine unge- siittigte einbasische Saure, wenn uberhaupt, nur in aufserst mininialer Quantitat auftritt. Es ist nun sehr interessant, dafs die gleiclie Umwandlung auch bci der Destillation der Methyl- paraconsaure noch in erheblichem Mafse stattfindet, aber es geht nur rroch ein Theil der Saure in die isoinere Methyl-

*) Diem Annalen 206, 50. *) Zeitschrift fur Cheniie 5, 651.

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citraconsaure iiber, wahrend der grofsere Theil in Kohlen- saure, die ungesattigte Aethylidenpropionsaure

und Valerolacton gespalten wird. Wir haben aus dem Destillat der Methylparaconsaure nach dem Behandeln mit Wasser, aufser der Methylcitraconsaure, auch die isomere Methylitaconsaure isoliren konnen. Zwischen diesen beiden Sauren finden in jeder Hinsicht die gleichen Beziehungen wie zwischen Citraconsaure und Itaconsaure statt, namentlich geht auch die Methylcitraconsaure beim Erhitzen rnit Wasser in Rohren iiber 100° glatt in die Methylitaconsaure iiber. Es ist moglich, dafs diese Urnwandlung theilweise auch schon bei langerem Kochen mit Wasser stattfindet und dafs die von uns isolirte Methylitaconsaure erst bei der langeren Destillation iui Dampfstrom, die zur Trennung der fluchtigen Producte von den nicht fluclitigen erforderlich war, aus der Methyl- citraconsaure entstanden ist.

Bei den homologen Paraconsauren tritt diese isomere Umlagerung gegen die Spaltung in Kohlensaure und unge- slttigte Sauren zuriick und wird urn so mehr zur Neben- reaction, j e hoher die betreffende Saure in der homologen Reihe steht. Schon bei der Propylparaconsaure wurden unter den giinstigsten Versuchsbedingungen nur i bis i,5 pC. in Propylitaconsaure urngewandelt. Sauren, welche der Citra- consaure und der Methylcitraconsaure in ihren Eigenschaften entsprechen, sind uns dabei nie begegnet, aber damit sol1 nicht gesagt sein, dafs sie uberhaupt nicht entstehen. Ich glaube vielmehr, dafs, wenn diese Sluren, wie die Citracon- saure und Methylcitraconsaure sich mit den Wasserdampfen verfluchtigen, sehr geringe Mengen davon nothwendig von uns haben iibersehen werden mussen, denri diese blieben dann bei den ungesattigten einbasischen Sauren und gingen bei der ersten Destillation dieser verloren. Moglicherweise gehen

Pit t i g , Lactonsawen, Lactone, unges. Sauren.

CHa-CH=CH-CH2-CHa-CO-OH

Doch das ist nebensachlich.

Synthesa von Lactonsawen. 17

diese Siuren, wenn sie iiberhaupt entstehen, aber auch beim Hochen mit Wasser leicht in die entsprechenden Itaconsauren uber. Dafs die yon uns aus der Propyl- und Isobutylparacon- saure gewonnenen ungesattigten zweibasischen Sauren der Jtaconsaure und nicht der Citraconsaure entsprechen, kann keinem Zweifel unterliegen.

Es ist bereits oben bemerkt worden, dafs die aus der Bsenzweinsaure bereiteten Lactonsauren sich bei der Destil- lation etwas anders verhalten als die einfacher constituirten Sauren aus der Bernsteinsaure. Sie spalten beim Erhitzen zwei Molecule Kohlensaure ab und gehen in ungesattigte Kohlenwasserstoffe iiber. Diese Zersetzung ist weitaus die Hauptreaction, ungesattigte einbasische Sauren und Lactone treten bei der Destillation gewissermafsen nur als Neben- producte auf, dagegen findet ausnahmslos, wenngleich in be- schranktem Mafse, auch eine der Synthese entgegengesetzte Spaltung in Brenzweinsaure (oder Brenzweinsaure-Anhydrid) und die Aldehyde, aus welchen sie dargestellt waren, statt.

Die der aromatischen Gruppe angehorenden Paracon- siiuren liefern bei der Destillation aber aufser den angefuhrten Zersetzungsproducten auch noch Naphtalinderivate. Es ge- lang uns leicht zu constatiren, dafs die so interessante Bildung von a-Naphtol aus der Phenylparaconsaure *) in analoger Weise auch bei den beiden Methylphenylparaconsauren aus Benzaldehyd und Brenzweinsaure stattfindet. Wir erhielten so zwei isornere, in ihren Eigenschaften deutlich verschiedene fl-Hethyl-a-Naphtole :

CH CH CH CH /\ 5- P\ /’\

I II I HC C CH HC C C-CH,

HC C C-CH. und I / I I .

HC C CH \/- \/ CH C-OH

\/ \/ CH C-OH

*) Diese Annalan 321, 242.

hnnalen der Chemie 265. Bd. 2

18 Pitt i g , Lactonsauren, Lactone, unges. Sauren.

Die erstere Formel kommt, wenn meine oben entwickelte Ansicht uber die Constitution der a- und B-Sauren richtig ist, dem aus der a-Saure, die zweite dem aus der 0-Saure entstehenden Methylnaphtol zu. Beide Verbindungen geben mit Zinkstaub dcstillirt, glatt /?-MethyZnaphtaZin, welches bis- her nur S c h u l z e " ) einmal in annahernd reinem Zustande aus dern Theerol abgeschieden hat. Der Schmelzpunkt der reinen Verbindung liegt aber immerhin noch 5O hoher, als von S c h u l z e angegeben worden ist.

1) Acetaldehyd und Bernsteinsaure ; von I g n a z F r a n k e l .

Methylparaconsiiure, GO-OH i

CeHeO, = CHa-CH-CH-CHI,. I

0- ' co Es wurde kaufliches reines Aldehyd angewandt. Die

grofse Tendenz des Acetaldehyds, sich zu polymerisiren , be- eintrachtigt die Ausbeute sehr. Aus diesem Grunde erwies es sich als vortheilhaft, einen Ueberschufs von Aldehyd - auf 1 Mol. bernsteinsaurem Natrium und i Mol. Essigsaure- Anhydrid etwa 11/2 Mol. Aldehyd - anzuwenden. Das Ge- misch wurde in zugeschmolzencn Rohren zuerst 12 Stunden auf 100° und darauf noch 24 Stunden auf 115 bis i20° erhitzt. Nach dem Erkalten war der Rohreninhalt fest und von gelb- brauner Farbe. Er wurde mit heifsem Wasser behandelt, ein aufschwimmendes dunkel gefarbtes Oel, welches aus Paraldehyd und harzigen Korpern bestand, abgehoben und die wasserige Flussigkeit zuerst durch Destillation init Wasserdampfen von dem noch darin gelfisten Aldehyd befreit, dann auf ein kleines

*) Ber. d. deutsch. chem. Ges. lv, 843.