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Uber Lebensdauer und Handlungsfiihigkeit Schwerverletzter 1. Von P~of. Dr. Georg Strassmann, Breslau. In seinem ausffihrlichen und erschSpfenden Referat fiber die Hand- lungsfi~higkeit Schwerverletzter hat Meixner betont, dab jeder erfahrene Gerichtsarzt F~lle erlebt, in denen trotz rasch t6dlicher Verletzung der Betroffene noch hat handeln kSnnen, obwohl dies n~eh Art und Sehwere der Verletzung nieht anzunehmen war. Die Lebensdauer hi~ngt nicht unmittelbar mit der Handlungsfi~higkeit zusammen und ist in seltenen F~tllen genau zu ermitteln. Denn die Beobachtungen yon Laien fiber den Eintritt des Todes sind mit Vorsicht zu verwerten und der zuge- zogene Arzt stellt oft nur noch den Tod fest. So ist es meis~ nut m6g- lieh, aus Zeugenbekundungen und dem Leichenbefund einen SchluB uuf die vermutliehe Lebensdauer zu ziehen. Unmittelbar tSdlich sind im allgemeinen Verletzungen und Zerst6rungen des verli~ngerten Markes und d~mit des Atem- und Gef~l]zentrums, wenn man yon sonstigen sehwersten Zerreil~ungen des K6rpers und der inneren Organe und grol~en Gefi~Be absieht. Die Lebensdauer nach einer Verletzung ist davon abhs wie raseh die lebenswichtigen Zentren zum Er- l~hmen kommen, sei es dureh direkte Schs Verletzung, Er- sehfit, terung, Blutung, Druck oder durch m~ngelhafte Blur- und Sauer- stoffversorgung, z.B. bei Verletzungen des Herzens, der Gef~Be oder blutreicher Organe, soweit nicht der Herzmuskel selbst geseh~digt oder gels wird. Mit Handlungsf~higkeit is~ aufgehobenes Bewul~tsein, Bewul~tlosigkeit nieht vereinbar, wohl aber sind Itandlungen bei ge- trfibtem Bewul~tsein mSglieh. Fiir eine I-Iandlungsfs ist ein Funktionieren der lebenswiehtigen nerv6sen Zentren erforderlleh, ebenso wie die F~bigkeit, die Glieder bewegen zu kSnnen. Die sehwer- sten Seh~tdel- und Gehirnzertrfimmerungen dutch stumpfe Gewalt oder dureh Sehul~ ffihren in der Regel zu sofortiger Aufhebung des Bewui~tseins und Handlungsunfs Diese Bewul~tlosigkeit wird mit dem Eintritt des Todes leieht verweehselt. Auch solche raseh tSdlichen Verletzungen Ifihren nicht unmittelbar zum Tode, sondern es finden noch einige Atembewegungen und Herzkontraktionen start. Man erkennt das daran, dab zumeist eine mehr oder weniger ausgedehnte Fettversehleppung in die Lungengefs stattfindet, und dM~ Blur in die feineren Luftwege eingeatmet wird und Blutatmungsinseln im Lungen- gewebe zustande kommen. Ein ls ~berleben wird Mlerdings dureh diese Befunde nieht bewiesen. Meixner berichtet fiber einen Fall 1 ~Ierrn Prof. Fritz Reuter zu seinem 60. Geburtstage gewidmet. 28*

Über Lebensdauer und Handlungsfähigkeit Schwerverletzter

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Page 1: Über Lebensdauer und Handlungsfähigkeit Schwerverletzter

Uber Lebensdauer und Handlungsfiihigkeit Schwerverletzter 1. Von

P~of. Dr. Georg Strassmann, Breslau.

In seinem ausffihrlichen und erschSpfenden Referat fiber die Hand- lungsfi~higkeit Schwerverletzter hat Meixner betont, dab jeder erfahrene Gerichtsarzt F~lle erlebt, in denen trotz rasch t6dlicher Verletzung der Betroffene noch hat handeln kSnnen, obwohl dies n~eh Art und Sehwere der Verletzung nieht anzunehmen war. Die Lebensdauer hi~ngt nicht unmittelbar mit der Handlungsfi~higkeit zusammen und ist in seltenen F~tllen genau zu ermitteln. Denn die Beobachtungen yon Laien fiber den Eintr i t t des Todes sind mit Vorsicht zu verwerten und der zuge- zogene Arzt stellt oft nur noch den Tod fest. So ist es meis~ nut m6g- lieh, aus Zeugenbekundungen und dem Leichenbefund einen SchluB uuf die vermutliehe Lebensdauer zu ziehen. Unmittelbar tSdlich sind im allgemeinen Verletzungen und Zerst6rungen des verli~ngerten Markes und d~mit des Atem- und Gef~l]zentrums, wenn man yon sonstigen sehwersten Zerreil~ungen des K6rpers und der inneren Organe und grol~en Gefi~Be absieht. Die Lebensdauer nach einer Verletzung ist davon abhs wie raseh die lebenswichtigen Zentren zum Er- l~hmen kommen, sei es dureh direkte Schs Verletzung, Er- sehfit, terung, Blutung, Druck oder durch m~ngelhafte Blur- und Sauer- stoffversorgung, z .B. bei Verletzungen des Herzens, der Gef~Be oder blutreicher Organe, soweit nicht der Herzmuskel selbst geseh~digt oder gels wird. Mit Handlungsf~higkeit is~ aufgehobenes Bewul~tsein, Bewul~tlosigkeit nieht vereinbar, wohl aber sind Itandlungen bei ge- trfibtem Bewul~tsein mSglieh. Fiir eine I-Iandlungsfs ist ein Funktionieren der lebenswiehtigen nerv6sen Zentren erforderlleh, ebenso wie die F~bigkeit, die Glieder bewegen zu kSnnen. Die sehwer- sten Seh~tdel- und Gehirnzertrfimmerungen dutch stumpfe Gewalt oder dureh Sehul~ ffihren in der Regel zu sofortiger Aufhebung des Bewui~tseins und Handlungsunfs Diese Bewul~tlosigkeit wird mit dem Eintr i t t des Todes leieht verweehselt. Auch solche raseh tSdlichen Verletzungen Ifihren nicht unmittelbar zum Tode, sondern es finden noch einige Atembewegungen und Herzkontraktionen start. Man erkennt das daran, dab zumeist eine mehr oder weniger ausgedehnte Fettversehleppung in die Lungengefs stattfindet, und dM~ Blur in die feineren Luftwege eingeatmet wird und Blutatmungsinseln im Lungen- gewebe zustande kommen. Ein ls ~berleben wird Mlerdings dureh diese Befunde nieht bewiesen. Meixner berichtet fiber einen Fall

1 ~Ierrn Prof. Fritz Reuter zu seinem 60. Geburtstage gewidmet.

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yon ungewShnl ich l angem (?ber leben bei schwers ter Sch/ tdelver le tzung. E in /~hn l icher Fa l l , bei dem der behande lnde Arz t , der noch zugezogen wurde, die Todesze i t genau bes~immte, wurde yon uns beobach te t .

Ein 22jghriger Treiber wurde dutch einen Schrotschul3 aus 2 m En~fernung getroffen, wodurch die gesamte rechte Stirn- und Schlgfengegend in grol3er Aus- dehnung aufgerissen und Gehirn~eile herausgeschleudert wurden. Die noch iibrig- gebliebenen Gehirnreste der rechten Gehirnhglfte w~ren yon Schrotkugeln durch- siebt und zertriimmert, die Knochen der Sch~de]grundfl~che der rechten Seite auseinandergesprengt. Der Verletzte leb~e mit dieser Verletzung 20 ~inuten. Es fanden sich reich]ich erbrochene 5Iassen aspirier~, Blutatmungsinseln und eine erhebliche Fettembolie, kein verschlucktes Blu~ im 1gagen.

Der Befund yon ve r sch luck tem Blur soll m i t e iner gewissen W a h r - scheinl ichkei t ffir erhMtenes oder kurze Zei t wiederkehrendes Be- wuBtsein sprechen (Walcher), w/ihrend re ine B]utasj?i ra t ion auf sofor t e inse tzende Bewul~tlosigkeit h inweis t . Tats / tchl ich finde~ sich bei rasch tSdl ichen Schi~delzer t r t immerungen du tch s tumpfe GewMt oder SchuB fas t s te t s 131utatmen, sel ten aber verschlucktes Blur im Magen. Es g ib t aber auch A u s n a h m e n yon der Walcherschen l~egel.

Eine 25jghrige Linkshgnderin wird erschossen aufgefunden mit NahschuB in die linke Schlgfe aus einem Jagdgewehr. Der Schgdel ist vSllig zertriimmert, der grSl~te Teil des Gehirns aus der geborstenen SchgdelhShle herausgeschleuder~ bis auf Teile yon Briicke und verl/ingertem Mark. Neben Blutatmen linden sich 30 ccm fliissiges Blu~ im Magen.

Ein 15jghriger ha~ sich durch Schul~ in die rechte Schl~tfe get5tet. Er hat nach der Verletzung angeblich in bewu~tlosem Zustand 3 Stunden gelebt. Der Schul3 durchsetzt beide Schlgfenlappen, es finden sich Schgdeldach- und Schgdel- basisspriinge, Blutatmen und verschlucktes Blur im Magen. Ob inzwischen nicht doch eine Aufhellung des Bewu/~tseins stattfand, lg/~ sich allerdings wohl nicht ausschliel3en.

Ein 56jghriger wird bewu~tlos mit einem MundschM~ aufgefunden und lebt danach noch 1 Stunde. Gesamte Lebensd~uer nach der Schu/3verletzung etwa l~/s--2 Stunden.

Die Waffe, ein 5-mm-Kaliber betragendes Tesching finder sich 3--4 m von dem Bewul~tlosen entfernt. Der Schul~ dring~ yon der linken Gaumensei~,e durch die linke, mittlere Schgdelgrube in den linken Schl/~fenlappen ein, under dessen I~inde sich das Geschol~ findet. Hirnhautblutungen. Blutatmen und Blutgerinnsel im Magen.

D a die Waffe sich in einiger E n t f e r n u n g yon dem Ver]e tz ten fand , k a n n m a n annehmen , dab der Mann n ich t sofor t bewul3tlos war, sondern noch zu der S~elle h ink r i echen konnte , an der er aufgefunden wurde .

Bei den me i s t en rasch tSdl ichen Kopfschi i ssen besteh~ keine H a n d - lungsf/~higkeit mehr . Die Ver le tz ten s inken nach dem Schul~ urn. W e n n es sich u m Se lbs tmord hande l , , so ent fg l l t die Waffe der H a n d und l iegt neben der Leiche oder sie wird yon der H a n d festgehal~en. Bewegungen f i ihren die Getroffenen n ich t mehr aus. A u s n a h m e n yon dieser Regel s ind bekann t .

Ein 21jghriges Mi~dchen erhielC von ihrem Liebhaber einen SchuB in die rechte Schl~fe, der an der linken ~range austrat. Sie machte danach noch einige

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Schritte, brach zusammen und erhielt dann erst den tSdhchen Schug in die linke Brust, der die Lunge durehbohrte und zu einer Verblutung fiihrte. Die Lebens- dauer betrug etwa 1/4 Stunde. Dabei hatte der erste Schug den reehten Schl~fen- lappen durchbohrt, zu Hirnhautblutungen und Sch~tdelspriingen geffihrt.

F i i r eine t tandlungsf /s spr icht , wenn der Se lbs tm6rder nach d e m KopfschuB noch einen zwei ten SchuB auf sich abgib t .

Ein 39j/~hriger Matin wird mit einer Kopfsehugwunde auf einer Bank sitzend aufgefunden, wobei er die Pistole in der reehten Hand auf den Oberschenkel gelegt h~It. Ein Zeuge hSrte einen zweiten Schug fallen, die Waffe f/~llt zur Erde. Der erste tSdliehe Schuft ist ein querer Gehimdurehschug mit Einsehug in der reehten und AusschuB in der linken Sehl/~fe, der zweite SehuB durchsetzt rechten und linken Oberschenkel, die 6,35-mm-Kugel steckte im linken Kniegelenk. - - Um eine bewugte Handlung bmucht es sich allerdings bei dent zweiten Sehug dureh den Oberschenkel nicht gehande]t zu haben, da ein leichter Fingerdruck zum AuslSsen dieses Schusses geniigte.

Ein 35j~hriger Mann wird im Walde ersehossen ~uigefunden, die Waffe liegt neben der Leiche. Es linden sieh 2 Nahsehiisse. Der eine in der Stirnmitte, der andere in der rechten Schl/~fe. Dieser ist offenbar der letzte, hat das Hirn quer durchsetzt. Im gesplitterten linken Sehl~fenbein steekt d~s 6,35-mm-GesehoB, das andere Gesehog vom Stirnschug wird in der KeilbeinhShle gefunden. Naeh dem ersten, nieht tSdliehen Stirnschug mug der Verletzte sieh noch den zweiten, tSdlichen Sehl/~fensehuB beigebracht haben.

Ein Einbreeher wurde naeh lebh~ftem Feuerk~mpf, in jeder Hand eine 7,65-mm-Pistole haltend, tot aufgefunden. Er hgtte 2 unmittelbare Nahschiisse auf sich selbst abgegeben, yon denen der erste in die reehte Schl~fe eingedrungen war und das Gehirn quer durchsetzt hatte, der andere war in die reehte Brnst- seite eingedrungen. Augerdem hatte er durch Polizeibeamte Riicken-, Bein- nnd Armsehfisse erhalten, 1600 ecru Blur fanden sich in den BrusthShlen.

Ob der Tod durch die eigenen oder die f r emden Schtisse ve rursgch t war, ]ieB sich n ich t feststel len, der Mann mul] te ~ber n~ch dem Kopf- schuB noch den Brus tschuB ~uf sich selbst ubgegeben h~ben.

Bei den SchuB- und S t ichver le tzungen des Herzens und der groBen v o m Herz ausgehenden GefaBe hang t die t I and lungs fah igke i t und Le- bensdauer d a v o n ab, wie rasch das Blur aus der Herz- oder GelaB- wunde aus s t r6mt u n d in welcher Zei t daher die Blur- und S~uerstoff- versorgung der lebenswicht igen nerv6sen Zen t ren oder des I-Ierzens selbst vers~gt. D~ bei den Herzver l e t zungen grSBere B lu tmengen aus der Herzbeu te lwunde meis t auss t r5men, spiel t als Todesursache im wesent l ichen die Verb lu tung , sel tener die mech~nische Beh inderung der H e r z t a t i g k e i t durch H e r z t a m p o n a d e eine Rolle. Ungew6hnl iche Fa l l e yon l angem Uber leben, yon erh~l ten gebl iebener Handlungsf~thig- ke i t u n d yon Hei lung yon Herz- u n d Gef~tBverletzungen s ind be oba c h t e t worden (Meixner). ] )as ger ich tsarz t l iche Le ichenm~te r i a lwe i s t demgegen- i iber h~tufiger die r~seh t6d l ichenVer le tzungsfa l le auf. Bei Durehschi issen durch die H e r z k a m m e r n oder die A o r t a s inken vie l fach die Getroffenen u n m i t t e l b a r nach dem SchuB urn, ohne handlungsfah ig zu sein.

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Die Blu tmenge , die zur t6dl iehen Verb lu tung f t ihrt , sehwankt . Man k a n n diese Menge nu t d a n n genau fests tel len, wenn ke in B ln t nach augen abgef lossen i s t - - me i s t i s t dies abe r der Fa l l - - oder u m die Gef/il~- scheiden, in Organe oder h in te r die serSsen H/ tu te sich ergossen ha t , we sieh die B lu tmenge sehwer abseh/~tzen l~tgt. D~zu k o m m t das a sp i r i e r t e oder ve rsch luck te Blur . W e n n d~her be im Verb lu tungs tod in den K6rpe rhSh len Mengen u n t e r 1500 ecru gefunden werden, was durch~ns n i ch t so se l ten ist , so wi rd doeh der B l u t v e r l u s t meis t ein grSgerer gewesen sein. N~eh Seydel und Bornt~'@er-Berg waren die ge- fundenen B lu tmengen bei Verblu tungs todesf / i l len 1500--1800 ecru, naeh Sury s chwank ten sie zwischen 1100 und 3000 ecru. Auch in un- seren Fa l l en s chwank ten die in den K6rpe rhSh len gefundenen Blut - mengen yon 1200--2500 ecru und dar i iber , wobei sieh jedoeh n ich t aussehl ieBen ls dM3 der t~ts~tehliehe Blu~verlust gr613er war als den meBbaren B lu tmengen en tspraeh . Die im Herzbeu te l bei t6dl iehen I-Ierzschttssen und -s t iehen gefundene B lu tmenge weehsel te zwischen 50 nnd 200 com. Neben fl / issigem Blur f anden sich s te t s aueh bei fas t sofor t t6d l ichen Ver le tzungen Blu tger innse l in den KSrperh6hlen .

Sofort n~ch dem Schul3 sunk der 53j~ihrige F. D. ran, der aus etwa 1 m Ent- fernung einen SehuB in die tinke Brustseite aus einem 6,35-ram-Revolver erhMten hatte. Die linke Herzkammer war durchsehossen, es fanden sieh 2000 corn Blur in der linken BrusthShle. Der Puls sell noch 5 iViinuten l~ng naeh der Verletzung fiihlb~r gewesen sein.

Die 19j~hrige G.K., die dureh unmittelbaren NahschuB in die Brust ~us einer 9-mm-ArmeeFistole getroffen wurde, sank gleiehfMls sofort urn. Reehte iLIerzk~mmer und Aorta waren durehsehossen, der Herzbeutel mit Blur ~ngeffillt, 1200 ecm Blur fanden sieh in der linken ]~rusth6hle.

Der aus 50 m Entfernung dureh K~rabinersehul~ getroffene 50j/ihrige O. ]3. stiirzte nach dem SehuB sofort hin. Kleiner EinschuB in der linken Hiifte, groBer 3 • 4 em betragender Ausschul~ in reehter Unterbauehgegend mit herausgerissenen Diinndarmschlingen, Durchschul) der Bauchaorta und Vena caw, 1200 ecm ]31ut in der Bauehh6hle.

Unmittelbar naeh den Sehiissen brach der 49j~hrige A.L. zusammen, der 3 Brustschiisse und 2 Armsehiisse aus versehiedenen Waffen, einer 9-ram- und einer 7,65-mm-Pistole erlitten hatte. Beide Lungen, 5Iagen, Leber, linke Ilerz- kammer und linker Vorhof waren durchschossen. Reiehlieh Blur im Herzbeutel, 1400 ecru zum Teil locker geronnenes Blur in beiden Brusth6hlen.

Auf wei tere yon uns beobaeh te t e F/~lle u n m i t t e l b a r e r Hand lungs - unf / ihigkei t naeh Herzsehug sell, da sic sonst keine Besonderhe i t en bieten, nur kurz hingewiesen werden. W e eine Hand lungs fah igke i t bei Herzsehug bes tand , besch rank te sie sieh in der Regel auf die W o r t e : ,,Ieh bin ge t ro f fen" und einige wenige Sehr i t te , woraufh in dann die Ver le tz ten zusammenbraehen . Der Ted t r a t racis t innerha lb yon 20 Minuten n~eh der Ver le tzung ein.

Eine 30jahrige Frau wird dureh linksseitigen ]3rustschul3 getroffen, ruff ,,ieh bin getroffen", 1/~ufg aus der Stube, f~llt um und stirbt naeh etwa 10 Minuten.

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Linke Lunge und linke Herzkammer sind durehsehossen, 1700 ecru Blut in beiden BrusthShlen.

Frau K. sehleppt sieh gleichfalls naeh 2 Brustsehiissen aus geringer Ent- fernung in eine Kammer, bricht dort zusammen. Der Tod t r i t t nueh etwa 5 bis 10 Minuten ein.

Der tSdliehe Sehug hat linke und rechte Lunge, SpeiserOhre, Aorta dureh- bohrt, 1900 ecru Blur in den BrusthOhlen, Blutatmen und verseMucktes Blnt im l~agen.

Dureh einen SehrotschuB aus 18 m Entfernung wird ein 16j/~hriger Treiber getroffen, der naeh dem SchuB sieh noch erhebt, mit Unterstiitzung ein paar Sehritte geht, mit den Worten ,,ieh blute" zusammenbrieht und naeh etwa 10 Minuten stirbt.

Die in die lh~ke Br~stseite eingedrungenen Itiihnerschrote bat ten fast s~mt- liehe iimeren Org~ne durehsehlagen, so d~s tterz, die Aorta, Ven~ caw, beide Lungen, Leber, Milz, Magen und D~trme. Der Herzbeutel war mit Blur angefiillt (I00 ecru). In den K6rperh6hlen verh~ltnism~Sig wenig Blur.

Die yon ihrem Liebh~ber aus geringer Entfernung dutch einen Bauehschul~, der Leber und Baueh~orta durehsetzte, getroffene 19j~hrige Z. konnte mit dem Sehug noch 25 m laufen, ehe sie leblos zusammenbr~eh. Der T~ter, der sieh naeh- her dutch unmittelbaren Sehl~fennahsehug ersehossen hat, war dagegen sofort bewugtlos am Tatortplatz zusammengebroehen. Die Tatwaffe Ia~d sieh neben seiner Leiehe. Bei dem M~dehen fanden sieh 1500 ecru g lu t in der freien Baueh- hSMe, aul3erdem grol3e Blutgerinnselmassen hinter der Aorta.

Naeh einem Sehug dutch die Arteri~ subelavia konnte der Verletzte noeh mit Unterstiitzung sieh zum Arzt sehleppen, verstarb naeh etwa 20 Minuten. Der am linken Ober~rm eingedrungene SehuB aus einer 9-mm-Armeepistole hatte die linke Arteri~ snbelavia und den 7. I-I~lswirbelkSrper durehsehlagen.

N a e h Stichverletzungen des H e r z e n s u n d der grol~en Gef/~Be i s t d ie

H a n d l u n g s f g h i g k e i t u n t e r U m s t ~ n d e n lgnge r e r h a l t e n als n a e h Schul~-

v e r l e t z u n g e n .

2 FiirsorgezSgIinge gerieten in Streit, wobei der 18i~hrige G. einen Stieh in die linke Brustseite erhielt. Der Gestoehene rief noeh, ,,warum hast du reich ge- stoehen ~.~", hob einen Stuhl, lieg ihn ~ber dann fallen, lieI in seine Kammer, holte einen Sehlagring aus seinem Spind, mit dem er dreimal gegen das Spind sehlug, um d~nn zusammenzubreehen. Er verst~rb etwa 10 Minuten naeh der Vet- letzung. Der Stieh war in die linke Herzkammer eingedrungen, der Herzbeutel mit 150 ecru Blur angefiillt. In der Hnken BrusthSMe 4~50 ecru Blur. Todesursaehe: lterztamponade, I-Ierzwunde dureh ein Blutgerinnsel zum Teil versehlossen.

Ein 23j~hriger M. erhielt 2 Stiehe in die Brust, yon deuen der eine durch den Magen in die Aorta, der undere dureh das Zwerchfell in die Leber fiihrte. Der Verletzte ]1el noeh mit erhobenen H~tnden eine Streeke weit~ um d~nn zusammen- zubrechen und nach etwg 20 Minuten zu sterben. Grot]e Blutm~ssen fanden sich hinter dem Bauehfell, die sieh aus der Stiehwunde der Aortg dorthin ergossen hatten.

Ein 26]~hriger K . T . tStete sieh durch Stieh mit einem Brotmesser in die linke Brustseite. Die Fr~u hSrte ihn ~ufschreien, sah ihn blutend auf einem Stuhl sitzen; Ms die Naehbarn hinzukamen, war er bereits bewuBtlos und verstarb naeh etwa 1/4 Stunde. Eine I-Iandlungsf&higkeit best~nd nieht. Der Einst[eh f~nd sieh in der rechten Herzkammer, der Herzbeutel war mit 100 eem Blur ~ngeflillt, linl~e Lunge vollstgndig mit der Brustwand verwgehsen, kein Blut in den Brust- hShlen. Die Gewichte s~tmtlicher Orgune gegenliber der Norm verkleinert. Jede

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Lunge wog 480 g, das Herz 225, die Milz 80 g, jede Niere 90 g, die Leber 1090 g. Todesnrsaehe: Verblutung naeh aul3en nnd tterztamponade.

Ein 18jghriger erhielt 2 Messerstiche in die linke Brustseite, yon denen der eine die linke Lunge, der andere die rechte Kerzkammer durchsetzte. 200 ccm Blur im Herzbeutel. Uber Handlungsfghigkeit naeh der Verletzung war nichts zu ermitteln. Der Tod soll 20 Minuten nach dem Stich eingetreten sein.

Ein 18jghriges Mgdehen wurde durch Stich in die linke Brustseite getroifen, der das Pankreas und die Aorta verletzte. 2200 cem Blur in der Bauchh6hle. Die Verletzte sag'te noch: ,,Ich bin gestochen, holt die Polizei und den Arzt", braeh dann aber zusammen und verstarb nach etwa 20 Minuten.

Nach einem Durchsehug der Arteria poplitea aus einem Jagdgewehr soll der Tod erst nach 1 Stunde eingetreten sein, ohne dab die Wunde verbunden worden war. Der Verletzte jammerte, konnte sieh aber deshalb nicht mehr fort- bewegen, well dureh den SchuB der Obersehenkelknochen zertriimmert worden war.

Den Schiissen durch Herz u n d grol3e Gef~tl3e, die zur Verb lu tung Ii ihren, w/~ren Sehiisse du tch die b lu t re ichen Organe der BauchhShle a n die Seite zu stellen, in denen die Todesursache gleichfalls eine Vet- b lu tung darstell t . DaB Bauchschtisse eine l angdauernde /-Iandlungs- f/~higkeit bedingen kSnnen, wenn n u t die Dgrme verletzt worden sind, braueht , da bekann t , n ich t n~her er6rterC zu werden.

Von 2 durch denselben Tater V. kurz naeheinander erschossenen Mannern, bei denen die Leber durchsehossen war, sank der 35jahrige R. nach dem Sehu6 soforC bewnl]tlos zusammen und verstarb nach kiirzester Zeit. Auger dem Leber- durchsehul3 fanden sich 2000 ecru Blur in der Bauchh6hle. Dagegen konnte der 60jahrige R. dem einen Tater naeh dem SchuB mit dem I~uf: ,,Du hast gesehossen", noch einen Faustschlag versetzen, durch den der Tater seine Niitze verlor und eine Blutunterlaufung am Auge erlitt, dureh die er erkannt wurde. Der Verletzte wurde noch operiert, verstarb aber nach 11/2 Stunden. Leber, Magen und Diinn- darm waren durchschossen, 500 ecru Blur fanden sich bei der Sektion noch in der Bauchh6hle.

Anschl ie6end sollen 2 F~lle yon Tod durch t t a l s schn i t t erw/~hnt

werden, bei denen eine Handlungsf~higkei~ bzw. l~tngere Lebensdauer bes t anden hat , wobei allerdings die grogen Halsschlagadern n icht ver-

le tz t waren.

Ein 70j~hriger W/iehter fiigte sieh im betrunkenen Zustand eine quere Hals- sehnittwunde zu, dureh welche der Kehlkopf durchtrennt wurde. Er lebte damit noeh 8 Stunden. Das Messer hatte er in einen Brunnen geworfen. Er wurde in sein Zimmer gebracht, konnte zwar nicht mehr spreehen, aber auf Befragen des Arztes noch mit dem Kopf niekende oder sohiittelnde t~ewegungen maehen. Die langsame Verblutung war aus der durehtrennten, wohl zeitweise dutch Gerinnsel verschlossenen rechten Arteria thyreoidea erfolgt. Augerdem fand sieh Luft i r a tterzen, sowie versehlucktes B h t im Magen und Diinndarm. Der Verletzte besag nur einen linksseitigen Armstumpf.

Ein 47jghriger K. S. wird mit einer Ilalssch~xittwunde und daneben liegendem zusammengeklapptem Messer tot aufgefunden.

Es linden sich zahlreiehe horizontal und parallel geriehtete tIalssehnitte, die den Bandapparat zwisehen Sehildknorpel und Zungenbein durehtrennen. Ein Schnitt hat die Speiser/ihre verletzt und reieht bis in den seitlichen ]~andapparat tier Halswirbels~ule. Naeh dem Blutbefund an den Kleidern hat der Mann in

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sitzender Stellung sich die HMsschnitte beigebracht, das Mcsser Zugekl~ppt und ist d~nn nach hinten umgesunken. Die groI~cn H~lsgef~13c waren nicht verletzt. Blutatmen, reichlich geronncncs Blut im Magcn und noch etw~s im ZwSlffinger- darm. Der Tod ist ~n Verblutung uus kleineren durchtrennten Ge~i~13en eingetretcn.

Sehliel31ieh sollen noch 2 Verletzungen der ttalswirbels~ule erw~hnt werden.

Ein 32ji~hriger P.B., der durch ein Fenster in einen L~den einzusteigen versuchte, wurde yon dem Besitzcr getroffen, kletterte herunter, lief 40 m fort, um dann leblos zus~mmenzubrechen. Der Einschul~ f~nd sich im Nasenrficken. Das 6,35-mm-Gescho~ fiel ~us dem verletzten 2. Halswirbelk5rper heraus. Die Blutung im WirbelkanM h~tte ullmi~hlich durch Druck ~u~ das Atemzentrum den Tod bedingt.

Mit einer Stichverletzung des Halsm~rkes, die zu sofortiger L~hmung und Bewegungslosigkeit geffihrt h~tte, lebtc Bin 23j~hrigcr W.B. noch 3 Tage, war bei Bewul3tscin und konnte fiber T~t und T~ter Auskunft gcben. Ein nicht tSd- lieher Stich bctraf die rechte Hinterhauptsgegend und h~tte eine leichte An- splitterung des Knochens bedingt. Der tSdliche Stich in der Nackengegend hatte den Band~pparat zwischen 3. und 4. HMswirbel und das Riickenmark an dieser Stelle vollst~ndig durchtrennt. Der l~iickcnmarkskanal w~r mit locker geronne- nero Blur angeffillt, das sich aueh obcn an dcr Hirnbasis, in der 4. und 3. Kummer fand, sod~13 tSdlichcr Druck auf d~s Atemzcntrum erfolgt war. Bcginnende ent- ziindliche Horde in den Lungen. Trotz dieser hohen Durehtrennung des ]~ficken- m~rkes und dcr aufsteigenden Blutung, die in die Hirnkammern eindrang, war der Tod erst n~ch 3 Tagen eingetreten.

Zusammen/assung. Das Thema der Handlungsfs und Lebens- dauer Schwerverletzter sollte um einige eigene Beobuchtungen vermehr t werden. Es k o m m t dabei, wie sehon Meixner betont hat, doch im all- gemeinen auf eine Sammlung von EinzelfMlen her~us. Auch bei grol3em Sektionsmateri~l ist Genaues fiber die wirkliche Lebensd~uer und die Art der Handlungsfi~higkeit bei raseh tSdlichen Verletzungen nur in einer besehri~nkten Anzahl yon F~llen zu ermitte!n.

3 Fi~lle yon Selbstmord wurden mitgeteilt, wo n~ch dem ersten Kopf- sehul3 der Selbstm5rder noeh einen zweiten Sehul3 auf sich abzugeben vermoehte. Bei den meisten tSdliehen Kopfschfissen bestand jedoch keine H~ndlungsf~higkeit m e h r . Der Tod t ro t wohl sehr rasch, aber nieht unmit te lbar ein, d~ ~hnlieh wie bei den r~sch tSdliehen Kopfver- letzungen durch s tumpfe Gewalt B lu ta tmen oder Fet tembolie fast regelm~13ig gefunden wurden. Es ist dies ein Beweis dafiir, dai3 zum mindesten kurze Zeit d~s Leben nach der Verletzung ~ngedauert haben mul3. Verschlucktes Blut im Magen fand sieh bei t5dlichen Kopfsehfissen selten, es m~g dieser Be~und mit einer gewissen Wahrscheinliehkeit da~iir spreehen, dagt das Bewu~tsein nieht sofort oder nicht st~ndig ge- sehwunden war (Walcher), es land sich aber such versehluektes Blut bei sicher sofort Bewul3tlosen. Die t t~ndlungsfs bei Sehfissen and Stiehen dureh Herzkammer , HerzvorhSfe, die grol3en, vom t terzen ausgehenden Gefs insbesondere die Aorta, h~ngt yon der Sehne]lig-

Page 8: Über Lebensdauer und Handlungsfähigkeit Schwerverletzter

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ke i t und GrSl3e des Blu tve r lus tes ab. Sie fehl t vielf~eh, jedoch ver- moch t en sowohl bei H e r z - w i e Aortensehf issen und -st iehen einige Ver- l e tz te zu sprechen, zu gehen, Gegens t~nde zu heben. Al lerdings schwand die tIandlungsf~Lhigkeit meis t innerha lb weniger Minu ten und aueh der Tod dureh Verb lu tnng oder durch H e r z t a m p o n a d e oder Zusammenwi r - ken be ider t r a t in 10- -20 Minuten nach der Ver le tzung Gin. DiG in den KSrperhSh len gefundene, ergossene B lu tmasse be t rug im Mitte] 1800 bis 2000 ccm, doch wurden aueh ger ingere Mengen yon 1200 und ande- rerse i ts yon fiber 2500 cem gefunden. Der wirkl iche B l u t v e r l u s t mag jedoeh in den meis ten Fi~llen grS~er gewesen sein, da Blur sowohl nach aui~en abgef lossen war , wie in n ieh t me~ba re r Menge sich u m die Ge- fi~i~scheiden und un te r die serSsen H~u te ergossen ha t t e . Die bei Herz- t a m p o n a d e gefundene Menge schwank te zwischen 50 und 200 ccm. Al lgemeine Regeln fiber die Hand lungs f~h igke i t und Lebensdaue r bei Schwerver le tz ten werden sich n i ch t aufs te l len lussen, jede Ver le tzung is t anders zu beur te i len , aueh wenn sie dasselbe Organ betr i f f t . Von vorn- here in k a n n jedenfa l l s aueh bei der schwers~en Sehui~- oder St ieh- ver le tznng eine Hand lungs f~h igke i t n i ch t ausgeschlossen werden.

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