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zo. SEPTEMBER1926 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 5. JAHRGANG. Nr. 37 I7o3 der Blutarten sdbst -- hiermit kommen wir zu der eingangs aufgewor/enen Frage nach der Mitwirkung konstitutioneller Besonderheiten bei dem therapeutischen E/]ekt der Salvarsan- pr~parate. Die Ver~nderungen, welche der Blutfarbstoff unter dem EinfluB der Salvarsane zeigt, sind nach den obigen Ans- ffihrungen zwei voneinander verschiedene: Eine Reduktion bei den Hyralditverbindungen mit naehfolgender Methgmo- globinbildung und direkte Methgmoglobinbildung, ohne dab eine Reduktion deutlich erkennbar ist bei den hyralditfreien K6rpern. Prtift man das Verhalten des Oxyhgmoglobins verschiede- net Tiere ant seine Ver~ndernngen in neutralisierten L6snngen yon Altsalvarsan und in solchen yon Neosalvarsan, so zeigen sich erhebliche Unterschiede in der Geschwindigkeit sowohl der Reduktion als auch der Meth~moglobinbildung. Blutlbsungen, aus gewaschenen 131utk6rperchen vom Mensehen hergestellt, werden in bestimmten Mischungs- verhgltnissen mit Neosalvarsanl6sungen (Konzentrationen wie sub. III) nach 8--10 Stunden reduziert, wghrend anaIoge Gemisehe mit Gdnse- oder HiihnerblutlSsungen bereits nach wenigen Minuten gelatin6s werden und eine dunkelviolette ],~a.rbe annehmen. Eine Mdiuseblutl6sung wird nach 15 bis 20 Minuten, eine solche yon Hammelblut nach unge/dihr 1 his 2 Stunden, wn Kan.inchenblut nach 3 bis 5 Stunden, yon Rinder- blut nach 7 bis 10 Stunden reduziert. Durch Kochsalz- oder Normosalzusatz lassen sich diese Zeiten erheblich verkfirzen. Bei der Analyse dieser Vorg~nge steltte sich heraus, dab dieses verschiedene Verhalten durch Differenzen im H~mo- globin selbst begrfindet sind. Die Art der Hamolyse (destillier- tes Wasser, Saponin, Gefrieren) hatte keinen Einflug ant die Unterschiede; Aufhebung der Zeltatmung und der Atmung der in den plasmolysierten Vogelblutl6sungen suspendierten K6rnchen durch Narkotica und Blaus~iure verringerte die Methgmoglobinbildung nicht, im Gegenteil, es trat hierbei eine erhebliche Beschleunigung tin. Durch scharfes Zentri- fugieren wurden die Kerntrfimmer nnd sonstigen Form- bestandteile des plasmolysierten Vogelblutes yon der Hgmo- globinl6sung getrennt -- eine solche, nut noch geringe Atmung zeigende L6sung wurde ebenso schnell ver~ndert wie eine niche zentrifugierte sowohl ohne als auch mit Zusatz yon Ather oder Blausgure. Beim Zusatz yon Blaus/~ure trat die Reduktion erheblich schneller ein, gleichzeitig aber nahm die reduzierte Blut- 16sung eine dunklere, brgunliche Farbe an. Da durch ent- sprechenden Blaus/iurezusatz (etwa ~/500-KCN und ~/s00-Sal- varsan) eine Beschleunigung der Neosalvarsanoxydation an der Luft nicht festzustellen war, muBte dieselbe in einer Ein- wirkung auf den Blutfarbstoff setbst beruhen. In dec Tat fanden sich die gleichen Erscheinungen auch bei der Reduktion der Blutl6sungen dutch Hydrosul]it: Beschleunigung unter br~unlich-roter Verf~rbung (diese hat fibrigens nichts mit Meth~mogtobin zu tun) bei Blaus~urezusatz. Auch bei der Hydrosulfitreduktion war Vogelblut ganz erheblich leiehter reduzierbar als Menschen- oder Rinderblut. Wie das Neosalvarsan verhielt sich auch das Hyralditsalz des Arsinoxydes; bier trat zum Teil die Reduktion etwas sp/~ter ein nnd die Differenzen zwischen den einzelnen Blut- arten waren noch gr6gere. tgei ann~ihernd neutralen, nut schwach getrfibten Salvar- sanl6sungen ergaben sich ]~r die Geschwindigkeit tier 2~ieth4mo- globinbildung bei den verschiedenen Blutarten die gleicl~en Di//erenzen; hier ist das Ausmag der Meth~tmoglobinbildung allerdings nicht sehr grog. Solche annfihernd neutrale L6sungen des Salvarsans sind ja an und ffir sich nur schwer und lang- sam autoxydabel, so dab hieraus diese verlangsamte Ver- ~tnderung des H~moglobins erklfirt wird. Vergleieht man die in gleichen Zeiten bei gleich zusammengesetzten Gemisehen entstehenden Meth~moglobinmengen bei den einzelnen Blut- artennach dem Verdfinnungsgrad, bei welchem der Streifen gerade verschwindet, so war die Methiimoglobinbih~tung bei Hi~hnerblut etwa ~]ach so stark wie bei Hammelblut, wdhrend bei Pdnderblut nach der gleichen Zeit noch keinerlei Umq~and- lung zu konstatieren war. Nach weiteren 24 Stunden wird das so gebildete Meth~moglobin teilweise wieder zurfick- verwandelt. Es ist nach diesen Versuchen anzunehmen, dab daa ver- schiedene Verhalten der einzelnen Hdmoglobinarten nicht dutch spezifische Eigenscha[ten gerade der Salvarsane bedingt ist; es ist ja auch z. t3. vom Hfihnerblut bekannt, wit verschieden es yon Phosphor beeinflulgt wird im Gegensatz zum Sgugerblut. Andererseits ist auch in zahlreichen Versuchen nachgewiesen, dab die einzelnen auch chemisch differenten HXmoglobinarten gegen Zersetzungsvorggnge ganz ungleich resistent sind. Da abet bis jetzt noch die Ansicht zu Recht besteht, nach welcher erst das bzw. die im K6rper entstehenden Umwandlungs- produkte wirksam werden, so d/Xrfte der therapeutische Effekt zum Teil auch abh~ngig sein yon der Geschwindigkeit, mit welcher diese Stoffe entstehen. (Die Meth~tmoglobinbildung als solche kommt bei den geringen Mengen, die sich nach einer Salvarsaninj ektion im K6rper bilden k6nnen, als Sch~di- gung nicht in Frage; in diesen hier mitgeteilten Versuchen spielt sit ja nur die Rolle eines Indicators.) Nun w/iren diese Befunde zun~chst nut yon theoretischem Interesse, wenn sich nicht auch die therapeutische Beein- flussung der Spirillosen durch Salvarsane bei S~tugern und V6geln ebenso verschieden verhielte wie die Reduktion ihres H~moglobins durch Neosalvarsan und die Meth~moglobin- bildung durch Salvarsan selbst. So ist der therapeutische i Index bei Hfihnerspirillosen ftir Salvarsan ~g, wXhrend er i beim M~usertickfalliieber ~ betr~gt; iiir Neosalvarsan ist er entsprechend etwa ~ und Z. 30 2 Solche Analogien, die auch in ihrer Gr613enordnung zu- einander stimmen, 1assert an einen Zusammenhang zwischen der Schnelligkeit der pharmakologischen Beeinflussung des Blutfarbstoffes und dem therapeutischen Effekt des Sal- varsans denken. Weitere Versuche mfigten entscheiden, ob auch andere Reaktionen des Salvarsans im Organismus oder mit K6rperbestandteilen mit diesen Befunden in Einklang zu bringen sind. Wenn aueh diesen Momenten gewig nicht die alleinige Rolle bei dem Wesen der Salvarsanwirkung zukommt, 8o glaube ich in ihnen doch einen ersten Sch~itt zu sehen zu einem Ferstdndnis der Wirkung des Sa~varsans auJ den K6rper. OBER MEDIAVERKALKUNG UND KALKGICHT. ~ron Dr. HEINRICH MULLER. Aus dem Pathologischen Institut des St~dt. Krankenhauses in Mainz (Prosektor: Dr. HEINRICHM~LLER). Das Verh~tltnis der Mediaverkalkung zur Arteriosklerose ist umstritten. I~AUFMANN rechnet die Mediaverkalkung, wie man sie vornehmlich an den Arterien vom muskul/iren Typ, insbesondere den Extremit~ttenarterien beobachtet, zur ,,Arteriosklerose irn weiteren Sinne". Die an den Arterien yore elastischen Typ wie der Aorta auftretende sklerotische Verdickung und breiige Degeneration der Intima entspricht dem fiblichen Begriff der Arteriosklerose (,,Arteriosklerose und Atherom im engeren Sinne"). Beide Formen, die Intima- erkrankung und Mediaverkalkung, fagt ~AUFNANN als eine ~tiologische und pathogenetische Einheit zusammen. Demgegenfiber hat M6NC~EBERG Yon jeher die grund- s~tzliche Trennung der beiden Erkrankungen betont. Die GefXge des elastischen Typus sind hinsichflich ihrer Funktion streng yon den Gefitlgen des muskul6sen Typs zu trennen. \V~hrend jenen lediglich die Aufgabe zufMlt, den vom Herzen tibermittelten Druck fortzupflanzen und mittels ihrer EIasti- zit~it einen Druckverlust nach M6glichkeit einzuschr~nken, wird in den muskelstarken peripheren Arterien der Druck er- neuert, sie wirken gewissermaBen als peripheres Herz, das in der Lage ist, in einer sicher nicht geringen Akkommodationsbreite genau wie das (centrale) Herz dureh Erweiterung und Vet-

Über Mediaverkalkung und Kalkgicht

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zo. SEPTEMBER 1926 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr. 37 I7o3

der Blutarten sdbst - - hiermit kommen wir zu der eingangs aufgewor/enen Frage nach der Mitwirkung konstitutioneller Besonderheiten bei dem therapeutischen E/]ekt der Salvarsan- pr~parate.

Die Ver~nderungen, welche der Blutfarbstoff unter dem EinfluB der Salvarsane zeigt, sind nach den obigen Ans- ffihrungen zwei voneinander verschiedene: Eine Reduktion bei den Hyraldi tverbindungen mit naehfolgender Methgmo- globinbildung und direkte Methgmoglobinbildung, ohne dab eine Reduktion deutlich erkennbar ist bei den hyralditfreien K6rpern.

Prtift man das Verhalten des Oxyhgmoglobins verschiede- net Tiere ant seine Ver~ndernngen in neutralisierten L6snngen yon Altsalvarsan und in solchen yon Neosalvarsan, so zeigen sich erhebliche Unterschiede in der Geschwindigkeit sowohl der Reduktion als auch der Meth~moglobinbildung.

Blutlbsungen, aus gewaschenen 131utk6rperchen vom Mensehen hergestellt, werden in bestimmten Mischungs- verhgltnissen mit Neosalvarsanl6sungen (Konzentrationen wie sub. III) nach 8--10 Stunden reduziert, wghrend anaIoge Gemisehe mit Gdnse- oder HiihnerblutlSsungen bereits nach wenigen Minuten gelatin6s werden und eine dunkelviolette ],~a.rbe annehmen. Eine Mdiuseblutl6sung wird nach 15 bis 20 Minuten, eine solche yon Hammelblut nach unge/dihr 1 his 2 Stunden, w n Kan.inchenblut nach 3 bis 5 Stunden, yon Rinder- blut nach 7 bis 10 Stunden reduziert. Durch Kochsalz- oder Normosalzusatz lassen sich diese Zeiten erheblich verkfirzen.

Bei der Analyse dieser Vorg~nge steltte sich heraus, dab dieses verschiedene Verhalten durch Differenzen im H~mo- globin selbst begrfindet sind. Die Art der Hamolyse (destillier- tes Wasser, Saponin, Gefrieren) hatte keinen Einflug ant die Unterschiede; Aufhebung der Zeltatmung und der Atmung der in den plasmolysierten Vogelblutl6sungen suspendierten K6rnchen durch Narkotica und Blaus~iure verringerte die Methgmoglobinbildung nicht, im Gegenteil, es t ra t hierbei eine erhebliche Beschleunigung tin. Durch scharfes Zentri- fugieren wurden die Kerntrfimmer nnd sonstigen Form- bestandteile des plasmolysierten Vogelblutes yon der Hgmo- globinl6sung getrennt - - eine solche, nu t noch geringe Atmung zeigende L6sung wurde ebenso schnell ver~ndert wie eine niche zentrifugierte sowohl ohne als auch mit Zusatz yon Ather oder Blausgure.

Beim Zusatz yon Blaus/~ure trat die Reduktion erheblich schneller ein, gleichzeitig aber nahm die reduzierte Blut- 16sung eine dunklere, brgunliche Farbe an. Da durch ent- sprechenden Blaus/iurezusatz (etwa ~/500-KCN und ~/s00-Sal- varsan) eine Beschleunigung der Neosalvarsanoxydation an der Luft nicht festzustellen war, muBte dieselbe in einer Ein- wirkung auf den Blutfarbstoff setbst beruhen. In dec Tat fanden sich die gleichen Erscheinungen auch bei der Reduktion der Blutl6sungen dutch Hydrosul]it: Beschleunigung unter br~unlich-roter Verf~rbung (diese hat fibrigens nichts mit Meth~mogtobin zu tun) bei Blaus~urezusatz. Auch bei der Hydrosulfitreduktion war Vogelblut ganz erheblich leiehter reduzierbar als Menschen- oder Rinderblut.

Wie das Neosalvarsan verhielt sich auch das Hyralditsalz des Arsinoxydes; bier t ra t zum Teil die Reduktion etwas sp/~ter ein nnd die Differenzen zwischen den einzelnen Blut- arten waren noch gr6gere.

tgei ann~ihernd neutralen, nu t schwach getrfibten Salvar- sanl6sungen ergaben sich ]~r die Geschwindigkeit tier 2~ieth4mo- globinbildung bei den verschiedenen Blutarten die gleicl~en Di//erenzen; hier ist das Ausmag der Meth~tmoglobinbildung allerdings nicht sehr grog. Solche annfihernd neutrale L6sungen des Salvarsans sind ja an und ffir sich nur schwer und lang- sam autoxydabel, so dab hieraus diese verlangsamte Ver- ~tnderung des H~moglobins erklfirt wird. Vergleieht man die in gleichen Zeiten bei gleich zusammengesetzten Gemisehen entstehenden Meth~moglobinmengen bei den einzelnen Blut- a r t e n n a c h dem Verdfinnungsgrad, bei welchem der Streifen gerade verschwindet, so war die Methiimoglobinbih~tung bei Hi~hnerblut etwa ~]ach so stark wie bei Hammelblut, wdhrend bei Pdnderblut nach der gleichen Zeit noch keinerlei Umq~and- lung zu konstatieren war. Nach weiteren 24 Stunden wird

das so gebildete Meth~moglobin teilweise wieder zurfick- verwandelt.

Es ist nach diesen Versuchen anzunehmen, dab daa ver- schiedene Verhalten der einzelnen Hdmoglobinarten nicht dutch spezifische Eigenscha[ten gerade der Salvarsane bedingt ist; es ist ja auch z. t3. vom Hfihnerblut bekannt, wit verschieden es yon Phosphor beeinflulgt wird im Gegensatz zum Sgugerblut. Andererseits ist auch in zahlreichen Versuchen nachgewiesen, dab die einzelnen auch chemisch differenten HXmoglobinarten gegen Zersetzungsvorggnge ganz ungleich resistent sind. Da abet bis jetzt noch die Ansicht zu Recht besteht, nach welcher erst das bzw. die im K6rper entstehenden Umwandlungs- produkte wirksam werden, so d/Xrfte der therapeutische Effekt zum Teil auch abh~ngig sein yon der Geschwindigkeit, mit welcher diese Stoffe entstehen. (Die Meth~tmoglobinbildung als solche kommt bei den geringen Mengen, die sich nach einer Salvarsaninj ektion im K6rper bilden k6nnen, als Sch~di- gung nicht in Frage; in diesen hier mitgeteilten Versuchen spielt sit ja nur die Rolle eines Indicators.)

Nun w/iren diese Befunde zun~chst nu t yon theoretischem Interesse, wenn sich nicht auch die therapeutische Beein- flussung der Spirillosen durch Salvarsane bei S~tugern und V6geln ebenso verschieden verhielte wie die Reduktion ihres H~moglobins durch Neosalvarsan und die Meth~moglobin- bildung durch Salvarsan selbst. So ist der therapeutische

i Index bei Hfihnerspirillosen ftir Salvarsan ~g, wXhrend er

i beim M~usertickfalliieber ~ betr~gt; iiir Neosalvarsan ist er

entsprechend etwa ~ und Z . 30 2

Solche Analogien, die auch in ihrer Gr613enordnung zu- einander stimmen, 1assert an einen Zusammenhang zwischen der Schnelligkeit der pharmakologischen Beeinflussung des Blutfarbstoffes und dem therapeutischen Effekt des Sal- varsans denken. Weitere Versuche mfigten entscheiden, ob auch andere Reaktionen des Salvarsans im Organismus oder mit K6rperbestandteilen mit diesen Befunden in Einklang zu bringen sind. Wenn aueh diesen Momenten gewig nicht die alleinige Rolle bei dem Wesen der Salvarsanwirkung zukommt, 8o glaube ich in ihnen doch einen ersten Sch~itt zu sehen zu einem Ferstdndnis der Wirkung des Sa~varsans auJ den K6rper.

O B E R M E D I A V E R K A L K U N G U N D KALKGICHT.

~ron

Dr. HEINRICH MULLER. Aus dem Pathologischen Institut des St~dt. Krankenhauses in Mainz

(Prosektor: Dr. HEINRICH M~LLER).

Das Verh~tltnis der Mediaverkalkung zur Arteriosklerose ist umstritten. I~AUFMANN rechnet die Mediaverkalkung, wie man sie vornehmlich an den Arterien vom muskul/iren Typ, insbesondere den Extremit~ttenarterien beobachtet, zur ,,Arteriosklerose irn weiteren Sinne". Die an den Arterien yore elastischen Typ wie der Aorta auftretende sklerotische Verdickung und breiige Degeneration der In t ima entspricht dem fiblichen Begriff der Arteriosklerose (,,Arteriosklerose und Atherom im engeren Sinne"). Beide Formen, die Int ima- erkrankung und Mediaverkalkung, fagt ~AUFNANN als eine ~tiologische und pathogenetische Einheit zusammen.

Demgegenfiber hat M6NC~EBERG Yon jeher die grund- s~tzliche Trennung der beiden Erkrankungen betont. Die GefXge des elastischen Typus sind hinsichflich ihrer Funkt ion streng yon den Gefitlgen des muskul6sen Typs zu trennen. \V~hrend jenen lediglich die Aufgabe zufMlt, den vom Herzen tibermittelten Druck fortzupflanzen und mittels ihrer EIasti- zit~it einen Druckverlust nach M6glichkeit einzuschr~nken, wird in den muskelstarken peripheren Arterien der Druck er- neuert, sie wirken gewissermaBen als peripheres Herz, das in der Lage ist, in einer sicher nicht geringen Akkommodationsbreite genau wie das (centrale) Herz dureh Erweiterung und Vet-

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~7o4 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . N r . 37 IO. SEPTEMBER 1926

enge rung , Z u n a h m e u n d A b n a h m e der E las t i z i t~ t , H y p e r - t r oph i e und , w o r a u f ich be sonde r s hinwies, auch d u r c h A t r o p h i e au f K r e i s l a u f ~ n d e r u n g e n zu a n t w o r t e n . W i t k f n n e n MONCKE- BERa n u r be ip f l i ch ten , w e n n er die p a t h o l o g i s c h - a n a t o m i s c h e Gleichstel- lung zweier n a c h B a u u n d F u n k t i o n so versehie- d e n e r G e f ~ g a b s c h n i t t e a b l e h n t .

N u n h a t FABER bei se inen a u s g e d e h n t e n U n t e r s u c h u n g e n fiber Ar te r iosk le rose naehgewiesen , u n d fiber gleiche B e f u n d e b e r i e h t e t e v o r i h m 1RIBBERT, d a b die Media der A o r t a schon in f r f ihem Al te r regelnl~igig K a l k enth~ilt. Der K a l k g e h a l t i s t i m a l lgemeinen gering, n u r in S p u r e n n a c h w e i s b a r . I m m e r - b in f a n d FABER al le in u n t e r 24 bis zu 15 J a h r e n a l t en K i n d e r n in v e r s c h i e d e n e n Tei len de r A o r t a n i c h t weniger als 2o ma l Kalk . Meist , wie gesagt , in ger ingen lVfengen, n u r m i t t e l s der L a p i s l i c h t r e a k t i o n n a c h K o s s A nachwe i sba r , da se lbs t be i n i c h t u n b e d e u t e n d e m K a l k g e h a l t (wie in se inem Beispiel 5) d ie D a r s t e l l u n g m i t H ~ m a t o x y l i n ve r sag te . FABER z ieh t aus se inen U n t e r s u c h u n g e n den Schlug, d a b die V e r k a l k u n g de r Media de r A o r t a in j eder B e z i e h u n g der M e d i a v e r k a l k u n g p e r i p h e r e r Gef~ge en t sp reche . W e n n FaBER neue rd ings (1924) seine F o l g e r u n g e n aus den g le ichen U n t e r s u c h u n g e n d a h i n e rwei te r t , d a b die zen t ra l e M e d i a v e r k a l k u n g n i c h t n u r h~iufiger, s o n d e r n a u c h stdrker sei als die der peri- p h e r e n Ar te r i en , so h a k e ich das n i e h t ffir bewiesen, i n ih re r S t h r k e de r p e r i p h e r e n M e d i a v e r k a l k u n g ve rg l e i chba re Grade de r A o r t e n v e r k a l k u n g geh6ren s icher zu d e n g r 6 g t e n Se l ten- he i t en , w e n n sie , , re in" , ohne gleichzei t ige I n t i m a e r k r a n k u n g , f i b e r h a u p t v o r k o m m e n . Der F a b e r s c h e n Ans ich t , d ag zwischen den V e r k a l k u n g e n de r b e i d e n A r t e r i e n t y p e n ke in W e s e n s u n t e r s c h i e d bes tehe , schliel3t s ich I3. FlSCHEF; an. N a c h se iner Auf fa s sung e n t s p r i c h t die V e r k a l k u n g de r Media a o r t a e in j eder H i n s i c h t der M 6 n c k e b e r g s c h e n Mediaver - k a l k u n g de r E x t r e m i t ~ t e n a r t e r i e n . Sie sei n i c h t d a v o n zu t r e n n e n , s o n d e r n derse lbe Prozeg . Demgegenf ibe r m 6 c h t e JORES die M e d i a v e r k a l k u n g ffir die B i l d u n g d e s Ar te r io- sk lerosebegr i f fes n i c h t h e r a n z i e h e n , er sch l ieg t s ich der A n s i c h t MONCKEBERGS an, d a b n e b e n der Ar te r iosk le rose eine y o n ihr zu t r e n n e n d e M e d i a e r k r a n k u n g v o r k o m m t .

Meines E r a c h t e n s dfirfen a u c h a b g e s e h e n yon d en pr inz i - piell b edeu tUngsvo l l en a n a t o m i s c h e n u n d f u n k t i o n e l l e n U n t e r - s ch i eden de r b e i d e n in F r a g e k o m m e n d e n Gefgggeb ie te bei de r B e u r t e i l u n g de r V e r k a l k u n g e n die q u a n t i t a t i v e n Ver- ~ n d e r u n g e n n i c h t a u g e r a c h t gelassen werden . W e n n m a n bei j u g e n d l i c h e n P e r s o n e n in 8o% der Fgl le m i t t e l s e iner v e r f e i n e r t e n T e c h n i k K a l k in der Med ia der A o r t a n a c h - weisen k a n n , d a n a v e r d i e n e n doch e igen t l i ch das H a u p t - in t e resse die r e s t i e r e n d e n 2o%, in d e n e n der Nachwe i s n i c h t gel ingt . U n d w e n n FABeR mi t t e l s der L a p i s l i c h t r e a k t i o n u n t e r 48 ( 2 o - - 3 6 J a h r e a l ten) P e r s o n e n 45 ma l K a l k in der Media de r A o r t a n a c h w e i s e n k a n n , so l~Bt sich d a r a u s ffir die P a t h o g e n e s e de r Ar te r iosk le rose f i b e r h a u p t ke in Sch lug ziehen, sofern m a n n i c h t die Ar te r iosk le rose als pa tho log i sche S t e i g e r u n g e ines phys io log i schen V o r g a n g s a n s e h e n will. Aus d e n E r g e b n i s s e n de r F a b e r s c h e n U n t e r s u c h u n g e n m f c h t e ich n i c h t folgern, dab die V e r k a l k u n g de r E x t r e m i t a t e n - a r t e r i e n g le ichzus te l len is t der Ar te r iosk le rose de r Aor ta , d e n n das wfirde vo rausse t zen , dab die h ie r a!s B indeg l ied d i e n e n d e M e d i a v e r k a l k u n g z u m W e s e n der Ar te r iosk le rose gehSr t . Das i s t z u m m i n d e s t e n zweife lhaf t . JoR~s, MONCKE- BER~ U. a. r e c h n e n sie n i c h t dazu. I ch l a n d wiederhol t , d a b bei s c h w e r s t e n a r t e r i o s k l e r o t i s c h e n I n t i m a v e r ~ i n d e r u n g e n eine n e n n e n s w e r t e M e d i a v e r k a l k u n g fehlte , n o c h h~tufiger sah ich h o c h g r a d i g e pe r iphe re M e d i a v e r k a l k u n g ohne auff~ll ige Ar te r iosk le rose de r Aor ta . Der A n n a h m e y o n FABER (Virch. Arch . 251 , 14o), d a b bei h o h e m B l u t d r u c k eine dicke I n t i m a , s t a r k e A t h e r o m a t o s e u n d s t a r k e M e d i a v e r k a l k u n g en t s t ehe , bei n i e d r i g e m B l u t d r u c k f iberal l schwfichere De- genera t ionsprozesse , b e g e g n e n doch r e c h t viele A u s n a h m e n . Die F a b e r s c h e n U n t e r s u c h u n g e n erweisen die V e r k a l k u n g e n sogar d i r e k t als . e twas Phys io logisches . Ganz a n d e r s s t e h t es m i t de r Frage , ob n i c h t die u n a b h ~ n g i g v o n d en a r t e r io - sk l e ro t i s chen Y e r X n d e r u n g e n v o r k o m m e n d e n K a l k a b l a g e - r u n g e n in de r Med ia de r z e n t r a l e n a n d p e r i p h e r e n Ar t e r i en g le ichen U r s p r u n g s s ind.

E ine Sonde r s t e l l ung n e h m e n n a c h a l lgemeiner A n s i c h t die a u s g e d e h n t e n V e r k a l k u n g e n ein, welche yon VIRCHOV~7 als K a l k m e t a s t a s e n a n d y o n M. B. SCHMIDT als K a l k g i c h t b e z e i c h n e t wurden . I ch m 6 c h t e zun~chs t ku rz eine h i e r h e r g e h f r e n d e B e o b a c h t u n g anfi~.hren:

Die Beobachtung betr i ff t einen 2ojahr. Lehrling, dem vor 7 ~]ahren wegen einer tuberkul fsen Osteomyelitis der rechte Ober- schenkel amput ie r t wurde. Je tz t Ieidet er seit Jahren an einer eitrigen Pyelocystitis, bei der bakteriologiseh nur Streptokokken, niemals Tuberkelbacillen gefunden wurden. Klinisch bestand Verdacht auf Alnyloid. Der Pa t ien t ging unter dell Zeichen einer Uramie zugrunde. Die pathologisch-anatomische Diagnose lautete:

Chronische Cystitis and eitrige Pericystitis. Linksseitige Ureteritis and schwielige Periureteritis. Linksseitige Pyonephrose. Rechtsseitige Amyloidschi amp fniere, Verk~ster tuberkul6ser PrimXrherd im Iinken Unterlappen, mi t verk~tsten Lymphkno ten an der LungenwurzeI. Chronisehe Mi!iartuberkulose der Milz mit amyloider Entar tung. Amyloid der Leber. Kalkgicht mlt aus- gedehnter Kalkablagerun~ in tier Media der Aa. ]emorcdes, herd- ]frmiger Verkalkung in der rechten N@re und im Myokard. Ampu- ta t ionss tumpf des rechten Oberschenkels mit Atrophie der rechten A. femoralis. Allgemeine Abmagerung.

Besonders bemerkenswert war der Befund an den Arterien des Oberschenkels. W~hrend die Innenwand der Aorta, abgesehen von kleinen schwieligen Verdickungen an d e n Abgangsstellen

Abb. i.

gr6Berer Aste, nament l ich in der Bauchaorta, v611ig glat t und von weiBlichgrauer Farbe ist, finden sich an den Iliacae externae, und weiterhin an den Aa. femorales, ganz erhebliche Veranderungen. Diese beginnen gleich nach dem Abgang der Hypogastr ica und sind links und rechts in ihrer Intensit~tt ziemlich gleich. Zun~tchst f~llt als Nebenbefund die erhebliche Atrophie der rechten A. femoralis auf (entsprechend dem Amputat ionsstumpf) . In gleicher H6he gemessen be t rag t der Ar te r ienumfang links 9 und rechts. 6 ram, also eine Atrophie, die den Umfang um 1/a verminderte. Die Innenwand (Abb. I) zeigt nun etwa I 2 mm voneinander entfernt liegende, kantig gegen die Lichtung vorspringende Quer- leisten, die den ganzen Umfang oder einen groi3en Teil des Ure ranges einnehmen. Vielfach erkennt man dentlieh, dab diesF Riffelungen sich fiach mit der Stromrichtung erheben und dann steil abfallen. Zwisehen den Erhebungen erscheint die Wand aus- gebnchtet, so dab man yon schalenf6rmigen miliaren Aneurysmen reden k6nnte. In der Umgebung der Abgangsstellen der feinen Muskel~stchen finder sich eine feine schwielige Verdickung der Innenwand. Abgesehen yon dieser durch die Querriffelnng be- dingten Unebenhei t erkennt man mit der Lupe, vielleicht auch schon mit dem blol3en Auge, eine feine l ine,re Langsriffelung. Irgendein Defekt, auch ein etwa kflnstlich bei der Gef~Ber6ffnung erzeugter, l~Bt sich an der Innenwand nicht nachweisen. Die Ver~nderung wurde beiderseits auf eine Strecke yon 3 ~ era, ge- messen vom Abgang der Hypogastricae, verfolgt. So weir reichte der rechte Obersehenkelstumpf. Eine gleichartige Querriffelung bemerkt man am Stamm der A. hypogastr, nicht, wohl am Ab- gang ihrer Aste.

Mikros~opisch entspricht an den Aa. ]emorales (Abb. 2) die Unebenhei t der Innenflache einer wechselnden Dicke der Media. Die innerste (h6ehstens x/3 der Dicke umfassende) Schicht der nluskul~ren Media ist deutlich kern~rmer, ihre Muskeifasern sind auseinandergedrangt durch eine homogene, yon reichlich elasti- schen F~serchen durchsetzte Zwischensubstanz. In dieser Schicht l inden sieh herdweise Einlagerungen yon Kalk in Form ilacher, ziemlich scharf begrenzter Plat ten, die eine neugebildete ~las t ica in terna einschlieBen. In diesen Pla t ten sind Iloch deutlich Muskel- kerne zu erkennen. Die ursprflngliche Elastica int. erseheint als ein vieKach unterbrochenes, s tark l ichtbrechendes homogenes Band, das streekenweise verkalkt ist, besonders im Bereich der Kalkplatten, die sie seitlich Ms feiner Kalkstreifen verl~iBt. Nach innen schlieBt sich die erw~hnte neugebildete elastisehe Membran an, die allen Erhebnngen und Einsenkungen der Innenfl~che folgt, so dab man den Eindruck gewinnt, dab die Erhebungen durch Hochpressen der zwischen den Einsenkungen gelegenen Mediamassen bedingt sind. Die In t ima zeigt vereinzelte schwielige kernarme Verdickungen. An den augeren \u nichts Auff~lliges.

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zo. SEPTEMBER 1926 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Die Aorta zeigt in 13bereinstimmung mit dem makroskopischen Befund auch bei der Lapislichtreaktion nur wenig staubf6rmig verteilten Kalk in der Media. Dagegen sieht man an den Aa. hypogastricae neben einer polsterartigen Intimaverdickung eine strichf6rmige Verkalkung der Elastica .int. Im Myokard sail man makroskopiseh auf dem Flachschnitt .trfibe, hellgraue Fleckchen, die sieh naikroskopisch als Grnppen verkalkter Muskelfasern er- weisen. Die Kerne dieser Fasern sind entweder pyknotisch oder zugrunde gegangen, die Querstreifung in kleinen Resten oder gar nicht zu erkennen, vielfach ist sogar die ganze Faser schollig zer- fallen. Die Herde sind ungleich durchsetzt mit wechselnd groBen

Abb, 2.

Kalkk6rnchen. An einzelnen leidlich erhaltenen Muskelfasern er- scheinen die entsprechend dem Sarcolemm in L~ngs- und Quer- reihen angeordneten Kalkk6rnchen ringf6rmig, als wenn es sich um die schalenf6rmige Verkalkung eines FetttrSpfchens handelte. Die kleinen Myokardarterien besitzen Amyloidm~ntel. In der A~nyloidschrumpJnlere Iinden sich herdweise Verkalkungen, die vornehmlich das Zwischengewebe, aber auch die Epithelien atro- phischer gerader KanMchen und die -vyandung kleiner GefXBe betreffen. In Lungen und Magenschleimhaut konnten Verkalkungen nicht nachgewiesen werden.

Die Sonderstellung des beschriebenen Falles gegeniiber der einfachen Mediaverkalkung erscheint begrfindet mit dem jugendlichen Alter des Betroffenen, da bei einem 2o-J~hrigen sonst derartig hohe Grade von Mediaverkalkung nicht vor- kommen, sowie mit der St~rke und der Ausbreitung der Ver- kalkung, die sich nicht beschr~nkt auf die Aa. femorales, sondern gleichzeitig die Arterien des Beckens, das Myokard und die Niere betrifft. Wir werden diesen Fall also wohl mit Recht als Kalkgicht im Sinne yon M. B. SCHMIDT bezeichnen. Der Unterschied gegenfiber"der" Kalkmetastase (VIRCHOW) besteht darin, dab hierbei noch ein groBer Kalk~bbau etwa dureh eine tuberkul6se Knochencaries oder einen mit rare- ficierender Osteomyelitis verbundenen Knochentumor als Quelle der Kalkverschleppung stattfindet. Im fibrigen ist beiden Erkrankungen (Kalkgicht und Kalkmetastase) ge- meinsam eine mehr oder weniger ausgedehnte Kalkablagerung in bestimmten, besonders bevorzugten Organen (Gef~Bwand, Magenschleimhaut, Lurigen und Nieren), die offenkundig mit einer chronischen Nierenerkrankung in Zusammenhang steht.

Ob es beim Menschen eine echte Kalkmetastase gibt, ob, mit anderen Worten, Kalktiberladung des Blutes allein zur Kalkablagerung in die Gewebe fiihrt, ist zum mindesten zweifelhaft, da selbst bei schweren Knocheneinschmelzungen durch Tumormetastasen trod bei l~inger dauerndem Kalk- verlust der Knochen bei Rachitis und Osteomalacie Kalk- metastasen ausbleiben kSnnen. Eine notwendige Bedingung stellt offenbar die Nierenerkrankung dar. DaB bei bestehender Kalkgicht die ektopische Knochenablagerung dutch Knochen- abbau gef6rdert wird, ist selbstverstiindlich.

Es erhebt sich nun die weitere wichtige Frage, ob wir berechtigt sind, lediglich aus den oben angeffihrten Grfinden

Klinlsche Wochenschrift, 5- ]ahrg.

RIFT. 5. JAHRGANG. Nr. 37 1705

(Jugend des Betroffenen, St~rke und Ausdehnung der Ver- kalkung) die F~lle yon Kalkmetastase und Kalkgicht im Sinne einer StoffwechselstSrung yon den Fiillen reiner Media- verkalkung zu trennen. Nach allgemeiner Anschauung handelt es sich bei einer Kalkgicht und Kalkmetastase um eine St6rung des Kalkstoffwechsels. Der springende Punk% ffir eine Unterscheidung wfir'de also in dem Nachweis liegen, dab es sich bei der reinen Mediaverkalkung nicht um eine solch einfache Stoffwechselst6rung, sondern um eine dystro- phische Verkalkung hande l t Dieser Nachweis wird nun yon einige n Untersnchern geffihrt, aber yon anderen in Zweifet gezogen.

So nimmt MONCKEBERG nach seinen Untersuchungen an, dab der Verkalkung degenerative Ver~nderungen vorangehen in Gestalt einer partiellen Verfettung, Anh~iufung feinster lipoider TrSpfehen in den zirkulXren glatter/MuskeKasern und einer H yali- nisierung der kollagenen Fasern.

HUEBSCHMANN beschreibt vor allem eine Auflockerung der ganzen Media, eine Vermehrung der bindegewebigen Elemente und degenerative Quellung. Es treten Lt~cken im Bindegewebe auf, und vielleicht kommt es auch zum ZerfalI elastischer Fasern. Eine Degeneration yon Muskelzellen mOchte t~UEBSCHMANN ablehnen.

HUECK drfickt sich vorsichtig aus. Er h~lt es ftir sehr Iraglich, ob in allen Fiillen granullirer Kalkablagerung in der Grur/dsubstanz der Media eine sichtbare Ver~inderung der Grundsubstanz not- wendig ist, wohl m6chte er glauben, dab zum mindesten der Verkalkung der Membranae elasticae internae eine sichtbare Ver- Xnderung der Grundsubstanz vorausgeht.

LANGE, tier jede Verkalkung im K6rper fiir etwas Sekund~ires hitlt, schlieBt aus seinen Untersuehungen, dab die Muskelfasern zunlichst keine Ver~nderung aufweisen, dab abet die kollagenen Fasern verdickt und vermehrt sind und dab gleichzeitig das Zwisehengewebe aufgelockert ist.

FABE~ wiederum gelang es nicht, sichtbare Vorstadien zur Mediaverkalkung nachzuweisen.

Es besteht also zun~ichst keine Klarheit darfiber,, ob bei der reinen Mediaverkalkung regelm~iBig degenerative Ver- iinderungen der Grundsubstanz bestehen. Und wo sie nach- gewiesen werden, ergibt sich die weitere und grSBere Schwierig- ke i t , die zeitliehe und die ursS~chliche Folge zwischen De- generation und Verkalkung zu bestimmen, eine Schwierigkeit, die in gleicher Weise auch bei der Kalkgicht besteht, die, wie in unserem Fall, deutlich degenerative Ver~inderungen an den St~itten der Kalkablagerung aufweisen kann. Meines Erachtens spricht die yon FABER und RIBBERT erwiesene Tatsache, dab Kalk in der Media bereits bei Jugendlichen mit groBer Regelm~13igkeit (physiologisch) nachgewiesen werden kann, gegen die Notwendigkeit urs~chlicher degenerativer Ver~nderungen, die wir doch auch bei der Knocher/verkalkung nieht annehmen.

Wenn aber der 6rtliche Gewebsbefund die Abtrennung der reinen Mediaverkalkung durch ihren dystrophischen Charakter yon der Kalkgicht nicht erm6glicht, dann f~llt meines Er- achtens auch das Hauptunterseheidungsmerkmal zwisehen den beiden Erkrankungen fort. Wit k6nnen dann einen Unterschied nur sehen in quanti tat iven Verh/~ltnissen und in der Entstehungsdauer. DaB die klinischen Symptome der Kalkgicht sich sehr rasch ausbilden kSnnen, das erhellt vor allem aus dem Fall KOTTNER. Hier t rat in 5 Wochen eine mit jedem Tag deutlicher werdende Rigidit/~t an allen der Pal- pation zug/~nglichen Arterien ein.

Unsere heutigen Kenntnisse erm6glichen also eine sichere Scheidung yon Mediaverkalkung und Kalkgicht nieht. Bei einer genetischen Gleichstellung der beiden Erkrankungen, eine Annahme, die mit tatsS.chlichen Befunden nicht in Wider- spruch steht, wtirde man die reine Mediaverkalkung, wie man sie vornehmlich in vorgeriicktem Alter sieht, als Ausdruck einer ehronisehen Stoffwechselst6rung auffassen kSnnen, wiihrend die Kalkgicht eine schwere akute Stoffwechset- st6rung darstellt. Dem wtirde auch nicht der Niaehweis widersprechen, dab etwa voraufge~angen6 Degenerationen .die Bevorzugung bestimmter Niederschlagstel:len mitbedingten. Eine solche Auffassung wtirde ihr klinisches Analogon finden im Diabetes ju.gendlicher und ~lterer Personen, der hier eine chronische, weniger schwere, dort eine akute, stiirmisch

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ver laufende, sich rasc!a s te igernde Stoffwechsels t6rung dar- stell t .

Ffir die D e u t u n g der zugrundel iegenden Stoffwechsel- s t6rung v e r d a n k e n wir neue Ges ich tspunkte den Unte r - suctmngen yon RABL. E r geh t yon der Ta tsache aus, dab die L6sl ichkei t der Kalksalze im Blur e rh6ht wird durch den Gehal t an Kol lo iden und durch die Wassers toff ionenkonzen- t ra t ion . Die ~Vassers totf ionenkonzentrat ion sckwank t 6r t l ich und al lgemein. Gewebe, welche S~ure abgeben, werden durch diese S~ureabgabe na turgem~B s~uregrmer, ihre Kalkl6sl ich- keit , die ja yon der Wassers tof f ionenkonzent ra t ion abh~ngig ist, muB also geringer werden. Solche Gewebe m i t geringerer Kalkl6s l ichkei t sind die Magenwand, die Salzs~ure ausscheidet , die Nieren, durch Ausscheidung yon PhosphorsXure, die Lungen und ihre Venen, bzw. die K6rperar te r ien , die in der Lunge CO.~ ver loren haben. Auf dieser Ta t sache be ruh t die in den F~l len yon Ka lkg ich t i m m e r wieder gemach te Beobachtung , dab die genann ten Organe bei der Ka lkab lage rung bevorzug t werden.

Al lgemeine S t6rungen der Wassers to f f ionenkonzent ra t ion k6nnen nun nach RABL dadurch zus tande kommen, dab en tweder die genann ten 1Regulierungsorgane erkranken, oder dab es im I~6rper aus i rgende inem anderen Grunde zu einer f iberm~gigen S~ure- oder Alka l ip rodukt ion k o m m t . RABL n a h m nun die Wassers to f f ionenkonzent ra t ion zum Ausgangs- p u n k t seiner Versuche. W e n n es r icht ig ist, dab sich m i t der Wassers to~f ionenkonzent ra t ion die Kalkl6s l ichkei t gndert , dann muB es gel ingen durch willkfirliche Beeinflussung, Ste igerung nnd Senkung der Konzen t r a t i on e inmal das L6sungsverm6gen fiir Ka lk s ta rk zu erh6hen und dann, wenn gleichzeif ig reichl ich Ka lk ver f f i t t e r t wurde, durch Senkung der Kalkl6sl ichkei t (durch Herabse t zung der Wassers toff ionen- konzent ra t ion) den zuviel gel6sten Ka lk zur Ausscheidung zu br ingen. Das gelang IRABL tats~ichlich im Tierversuch, i ndem er Mgusen bei kalkre icher Nah rung abwechselnd Siiure und Alkal i zuffihrte. Das Ergebnis war eine Ka lkab lage rung an den pr~disponier ten Stellen.

R.~BL legt besonderen W e f t auf die Fests te l lung, dab bei seiuen Versuehen eine Nierensch~idigung unterbl ieb. E r te i l t aber mit , dab bei reiner Phosphors~iureffi t terimg in den Nieren Kalkzy l inder gefunden wurden, ohne dab in diesen Zyl indern Res te yon Epi the l ien nachweisbar gewesen w~ren. Wenn auch solche Epi the l res te fehlten, die Ver i inderung also n ich t der Subl imatn ie re verg le ichbar war, so stel l t meines Erach tens doch die (vielteicht frfihzeitige) Vers topfung der abff ihrenden Kan~lchen eine schwere Beein t r i ich t igung der Nie renfunk t ion dar, die m a n n ich t aul3er ach t lassen dart . Jedenfal ls ist es n ich t berecht igt , yon dem Fehlen jeder Nieren- schgdigung zu sprechen und die Ka lkab lagerungen allein auf einfache L6s l ichkei t sschwankungen zurfickzufiihren.

I m m e r h i n bedeu ten die Versuche RABLS eine sehr wert- volle E rggnzung der frfiheren Exper imen te , die yon TANAKA nnd KATASE angeste l l t wurden, wobei durch gleichzeit ige Nierenschgdigung und Kalkf iber ladung ~ihnliche Bi lder e rzeugt werden konnten .

Die ]3eobachtungen der menschl ichen Pa thologie und die i i l teren E x p e r i m e n t e sprechen daftir, dab der Angr i f f spunkt der ursgchl ichen Stoffwechsels t6rung bei der Ka lkg ich t sehr wahrscheinl ich in den Nieren gelegen ist. Ob dabei ta tsgchl ich, wie m a n aus den Versuchen RAILS folgern k6nnte , S t6rungen der Wassers to f f ionenkonzent ra t ion eine he rvor ragende Rol le spielen, das miil3te erst durch Un te r suchungen der Kl in iker an Nie renkranken festgestel l t werden. I ch m6eh te abe t den wei te ren SchluB ziehen, dab alle lViediaverkalkungen, soweit sie n ich t erwiesenermaBen als dys t rophische anzusprechen sind, auf die gleiche ursgchliche Stoffweehsels t6rung bezogen werden mfissen, n u t m i t dem Unterschied , dab die re inen Verka lkungen MONCKEB~RGS einem chronischen, l angsamen Verlauf entsprechen, wghrend die Ka lkg ich t und die Kalk- me tas tase die acute F o r m der gleichen K r a n k h e i t darstel len.

L i t e r a t u r: AI~NE, FABgR, Die Arteriosklerose. Jena 1912. - - ARNE FABER, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 251. 1924 . -- 13. FISCHER, Mfmch. reed. Wochenschr. 1919, S. 61. -- HUEBSCHMANN, Zieglers 13eitr~ge z. allg. Path. u. pathol. Anat. 39.

R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr . 37 lO. SEPTEMBER 1926

19o6. -- W. Hu~cx, Mtinch. illed, Wochenschr. 192o, Nr. 19 u. 20. -- L. JoREs in HENKE-LUBARSC:-I, Handb. d. path. Anat., II. Bd. 1924. -- t{ATASt~, Zieglers 13eitr~ge z. allg. Path. u. pathol. Anat. 57. 1914 . -- KATASE, ~ber exp. Kalkmetastase. :Bern 1916. -- ]~. KAU~MANN, Lehrbueh d. spez. path. Anat. 7. u. 8. Aufl. 1922. -- Kt3TTNER, Virehows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 55. 1872. -- F. LANGE, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 248. 1924. -- J. G. M6NCKEBERG, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. zTI. 19o 3. -- J. G. M6NCKEBERG, Virchows Arch. f. pathol. Anat. n. Physiol. 216. 1914. -- HEINRICH ~V~OLLER, Verhandl. d. dtsch, pathol. Ges. 19. 1923. - - RABL, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 249. 1924. - - t~.IBBERT, Sitzungsber. d. nieder,. Ges. f. Natur- u. Heilkunde. :Bonn. Med. Abt. 15. Mai I911. -- M. t3. SCHMIDT in KREHL-MARCHAND, Handb. d. allg. Pathol. I I I , 2. 1921. - M. ]3. SCHMIDT, Dtsch. reed. Wochenschr. 1913, Nr. 2. -- TANAKA, Biochem. Zeitschr. 35. 1911.

Z U R P R U F U N G DES O H M S C H E N V E N E N P U L S -

Z E I C H N E R S .

Won

Prof . Dr . REINHARD OHM, Leiter der Inneren Abte~lung des St.-Hildegard-Krankenhauses, Berlin-Charlottenburg.

In einer kr i t ischen Besprechung der photographischen Reg is t r i e rmethod ik des Venenpulses (Li teratur) l ) , habe ieh darauf hingewiesen, dab das mi t der H a u t fiber der Vene ve rbundene S t rohha lmende meines Venenpulszeichners keine Schleuderungen vollf i ihrt , wie das yon STRAUB f~ilschlicher- weise b e h a u p t e t worden war.

An b e s t i m m t e n mi t me inem Zeichner gewonnenen t (u rven l~tBt sich das zeigen, n~imlich an solchen, die im AnschluB an den diastol ischen Anst ieg nicht den durch den K a m m e r - e ins t rom bedingten diastol ischen Abfal l aufweisen, wie das normalerweise der Fal l ist, sondern bei denen infolge Sistie- rung des Kammerabf lusses dieser Abfal l Iehl t und s ta r t dessen eine hor izonta le Linie verze ichne t wird. Auf eine Reihe einschlggiger K u r v e n als Beispiele wurde schon frfiher hin- gewiesen; hier sei im Zusammenhang eine wei tere Abbi ldung gebracht , die die Verh~ltnisse klar zeigt.

Abb.

Man sieht in der un te ren Kurve , in der d e r m i t dem Ohmschen Verfahren pho tograph ie r t e Venenpuls abgebi lde t ist, auI den diastol isehen Anst ieg eine wagerech te Linie ~olgen. Der Anst ieg bedeu t e t Aufw~r t sbewegung des StXb- chens; der Ums tand , dab Anst ieg nnd nachfolgendes P la teau einen scharfen Winke l ohne Zacken bilden, weis t da rauf hin, dab Schleuderungen n ich t auf t re ten . Denn, wfirde das St~ib- chert weiterfl iegen, als der zu verze iehnende Bewegungsvorgang geht, so mtiBte eine naeh aufw~irts ger ichte te Zacke s ichtbar

Abb. i a.

sein, und wenn das dann zurfickfallende St~ibchen die Vene eindrficken wfirde, so mfiBte erst noch eine nach abw~rts ger ichte te Zacke folgen, ehe die gerade Linie zur Verzeich- nung k o m m t . Mit andern Worten , die un te re K u r v e yon Abb. ~ mfiBte dann naeh ,,STRAIJB" e twa Io lgendermagen aus- sehen (vgl. Abb. I a).