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Uber. Metall-Thionitrosylverbindungen. IV Der Thionitrosylkomplex des Eisens Von MARGOT GOEHRING und KARL-WOLFGANG DAUM Professor Walter Hiebei. zum 60. Geburtstaye gewidmet Inhaltsubersicht Durch Umsetzen von Eisenpentacarbonyl, Fe(CO)5,mit S,N4 in benzolischer Losung wurde schwarzes, festes Fc(NS), hergestellt. Die Substanz ist hydrolyseempfindlich, aber sonst chemisch sehr bestandig. Das magnetische Moment zeigt, da8 es sich um einen Durchdringungskoniplex des Eisens mit zwei ungepaarten d-Elektronen handelt. In friiheren Arbeiten hatten wir zeigen konnen, dalj sich Ni(CO), sehr leicht mit S4N4 zu dem Durchdringungskomplex [Ni(NS),] l) um- setzt, und analog kann man aus Co,(CO), [Co(NS),] 2, gewinnen. Damit war eine Gruppe von Komplexverbindungen aufgefunden worden, die offenbar dadurch zustande kam, da13 die GO-Gruppe des Metallcarbonyls durch die NS-Gruppe als Ligand ersetzt wird. Die grolje Stabilitat der Verbindungen und vor allem das magnetische Moment von [Co(NS),], das fur ein ungepaartes d-Elektron im Komplex s p r i ~ h t ~ ) ~ ) , lieljen es uns denkbar erscheinen, dalj in den Thionitrosylkomplexen das Ring- system des Tetraschwefeltetranitrids (I) erhalten geblieben ist4). Vielleicht konnten dann die Elektronen, die die Mesomerie in S4N,5) verursachen, zur Stabilisierung der Komplexverbindung in ahnlicher Weise beitragen, wie das etwa bei den Cyclopentadienylverbindungen der Fall ist6). Zu diesen Fragen muljte besonders die Umsetzung von Eisenpentacarbonyl rnit S,N4 interessieren. Wir lieljen in benzolischer 1) M. GOEHRINQ u. A. DEBO, Z. anorg. allg. Chem. 273, 319 (1953). 2) K.-W. DAUM, M. GOEHR~NQ u. J. WEISS, Z. anorg. allg. Chem. 278, 260 (1955). 3) M. GOEHRING, K.-W. DAUM u. J. WEISS, Z. Naturforsch 10 b, 298 (1955). 4) Da8 dies prinzipiell denkbar ist, zeigteHerstellung undverhalten vonLi[Al(NS),], 6) Zum Nachweis dieser Mesomerie vgl. M. GOEHRING u. J. EBERT, Z. Naturforsch.. 6) Vgi. z. B. E. 0. FISCHER u. W. PFAB, Z. Naturforsch. 7b, 377 (1952). M. GOEHRING u. G. ZIRKER, Z. Naturforschg. lob, 58 (1955). lob, 241 (1955). 6*

Über Metall-Thionitrosylverbindungen. IV. Der Thionitrosylkomplex des Eisens

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Uber. Metall-Thionitrosylverbindungen. IV

Der Thionitrosylkomplex des Eisens

Von MARGOT GOEHRING und KARL-WOLFGANG DAUM

Professor Walter Hiebei. zum 60. Geburtstaye gewidmet

Inhaltsubersicht Durch Umsetzen von Eisenpentacarbonyl, Fe(CO)5, mit S,N4 in benzolischer Losung

wurde schwarzes, festes Fc(NS), hergestellt. Die Substanz ist hydrolyseempfindlich, aber sonst chemisch sehr bestandig. Das magnetische Moment zeigt, da8 es sich um einen Durchdringungskoniplex des Eisens mit zwei ungepaarten d-Elektronen handelt.

In friiheren Arbeiten hatten wir zeigen konnen, dalj sich Ni(CO), sehr leicht mit S4N4 zu dem Durchdringungskomplex [Ni(NS),] l) um- setzt, und analog kann man aus Co,(CO), [Co(NS),] 2, gewinnen. Damit war eine Gruppe von Komplexverbindungen aufgefunden worden, die offenbar dadurch zustande kam, da13 die GO-Gruppe des Metallcarbonyls durch die NS-Gruppe als Ligand ersetzt wird. Die grolje Stabilitat der Verbindungen und vor allem das magnetische Moment von [Co(NS),], das fur ein ungepaartes d-Elektron im Komplex s p r i ~ h t ~ ) ~ ) , lieljen es uns denkbar erscheinen, dalj in den Thionitrosylkomplexen das Ring- system des Tetraschwefeltetranitrids (I) erhalten geblieben ist4). Vielleicht konnten dann die Elektronen, die die Mesomerie in S4N,5) verursachen, zur Stabilisierung der Komplexverbindung in ahnlicher Weise beitragen, wie das etwa bei den Cyclopentadienylverbindungen der Fall ist6). Zu diesen Fragen muljte besonders die Umsetzung von Eisenpentacarbonyl rnit S,N4 interessieren. Wir lieljen in benzolischer

1) M. GOEHRINQ u. A. DEBO, Z. anorg. allg. Chem. 273, 319 (1953). 2) K.-W. DAUM, M. GOEHR~NQ u. J. WEISS, Z. anorg. allg. Chem. 278, 260 (1955). 3) M. GOEHRING, K.-W. DAUM u. J. WEISS, Z. Naturforsch 10 b, 298 (1955). 4) Da8 dies prinzipiell denkbar ist, zeigteHerstellung undverhalten vonLi[Al(NS),],

6 ) Zum Nachweis dieser Mesomerie vgl. M. GOEHRING u. J. EBERT, Z. Naturforsch..

6 ) Vgi. z. B. E. 0. FISCHER u. W. PFAB, Z. Naturforsch. 7b, 377 (1952).

M. GOEHRING u. G. ZIRKER, Z. Naturforschg. lob, 58 (1955).

l o b , 241 (1955).

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84 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 282. 1955

Losung bei 75-76' S,N, mit Fe(CO), reagieren, und wir erhielten neben Kohlenmonoxyd in praktisch 1 OOproz. Ausbeute in Benzol unlosliches, schwarzes, pulveriges Fe(NS),. Dieses Fe(NS), erwies sich als bei Zimmer- temperatur unter trockenem Stickstoff sehr bestandig, als unemp- findlich gegen Schlag, als oberhalb 100" langsam zersetzlich. Die Sub-

- - [ S=N-S I

I.

stanz besa13 eine Dichte bei 25" von 2,27. Sie verbrannte beim raschen Erhitzen an der Luft explosionsartig. Beim Versetzen rnit Wasser trat Hydrolyse ein, und es schied sich, besonders rasch beim Erwarmen, Fe(OH), ab. Die Substanz war in Formamid rnit tiefbrauner, etwas violettstichiger Farbe loslich und in Pyridin oder Pyridinabkommlingen mit olivgruner Farbe loslich ; in anderen organischen Losungsmitteln war die Substanz unloslich. Eine Molekulargewichtsbestimmung ergab, da13 sich die Verbindung in Formamid offenbar monomer lost. Es zeigte sich, daI3 die Verbindung paramagnetisch ist rnit einem Moment peff =

2,94 BoHRsche Magnetonen. Diese Eigenschaften zeigen, da13 es sich bei Fe(N S), um einen Durchdringungskomplex des Eisens rnit unge- wahnlicher Bindungsfunktion und Struktur handelt. Das magnetische Moment zeigt 2 ungepaarte d-Elektronen in der Verbindung an; es konnte danach entweder mit Fe" und Bindung der Liganden uber eine sp3-Funktion oder rnit Fe2+ und Bindung uber eine dsp2-Funktion ge- rechnet werden. Die raumliche und elektronische Struktur von S,N, (I) ist offenbar in der Lage, dem Eisen diesen ungewohnlichen Bindungs- zustand aufzuzwingen.

Experimentelles Zur Herstellung von Fe(NS), benutzten wir einen 250 ml fassenden Dreihalskolben,

der mit einem KPG-Riihrer, cinem Tropftrichter mit seitlichem Gaseinleitungsrohr und einer G3-Fritte vcrsehen war. An die Fritte, die mit einem Schliff auf den Reaktions- kolben aufgesetzt war, schloB sich ein Absaugstiick an, das einerseits uber ein mit CaCI, und P,O, gefiilltes Trockenrohr mit einem Gasometer oder mit der AuDenluft verbunden werden konnte und andererseits einen zweiteii Kolben trug. Durch das seitliche Gas- einleitungsrohr am Tropftrichter konnte die Apparatur mit trockenem Stickstoff gespiilt werden. Wir fiillten die Apparatur zunachst mit Reinstickstoff und brachten dann in den Dreihalskolben 2 g reines S4N4 und etwa 100 ml trockenes Benzol ein. Das Benzol wurde zweckmaBig direkt iiber Natrium in den Kolben hineindestilliert. Wir erwarmten dann im Stickstoffstrom unter Riihren auf 75-76'. In den Tropftrichter brachten wir unter AusschluB von Feuchtigkeit 50 ml mit trockencm Stickstoff gesattigtes Benzol und 1,17 ml Fe(CO),. Wir verschlossen die GefaDe und stellten die Verbindung vom Reakt,ionskolben

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zum Gasometer her. Wir lieWen dann die Carbonyllosung innerhalb von ctwa 2 Stunden langsam zur S,N,-Losung tropfen. Der Tropftrichter blieb hierbei fest gegeniiber der AuBenluft verschlossen; der Dampfdruck der Losung ist groB genug, um diese aus dem Tropftrichter bei geoffnetem Hahn langsam austreten xu lassen. Wenn etwa I/, der Car- honyllosung zugetropft war, setzte die Realrtion ein. Es ent,wickelte sich CO, die Losung farbte sich braun, und es fie1 tin schwarzer Niederschlag Bus. Wir riihrten und erhitzten so lange, bis das Kohlenmonoxyd quantitativ in Freiheit gesetzt war, was wir durch Messen der sich im Gasometer sammelnden Gasmengen feststellten. Dann lieBen wir das Reak- tionsgemisch abkiihlen und noch etwa 12 Stunden im verschlossenen Kolben stehen. Dann leiteten wir Stickstoff ein und filtrierten die Losung durch die angesetzte Fritte. Zum Auswaschen des Niederschlags fullten wir den Reaktionskolben mit Benzol und driickten auch dieses Benzol mit Hilfe von Stickstoff durch die Fritte. Es wurde so lange mit Benzol gewaschen, bis der Niederschlag frei von S,N, war. Zum SchluB wuschen wir rnit Ather nnd entfernten den Ather durch langeres Uberleiten von reiuem Stickstoff. Die Substanz konnte dann im Hochvakuum bei Ziinmertemperatur vollstindig getrocknet werden. Die Substanz wurde in Ampullen, die mit reiuem Stickstoff gefiillt waren, auf- hewahrt.

Zur Analyse auf Eisen liisten wir die Substanz in Eisessig, der mit einigen Tropfen Perhydrol versetzt war. Wir verkochten das H,O,, verdiinnten rnit Wasser und fallten dann Eisenhydroxyd mit NH,. Fe wurde als Fe,O, gewogen. Zur Schwefelbestimmung schlossen wir in der Parr-Bombe mit Na,O, auf. Wir befreiten die Analysenlosung vom Eisen, indem wir zunachst die Losung durch einen Austauscher (Lewatit KS) durchlaufen lieWen und dann das Resteisen noch mit NH, fallten. Dann konnte der Schwefel als BaSO, gefallt werden. Zur Stickstoffbestimmung gabeu wir die Substanz zunachst in etwa 40proz. Schwefelsaure und erwarmteu etwa 4 Stunden auf dem Sandbad bis nahe zum Sieden. Wir bestimmten dann das entstandene NH: nach dem Abtreiben als NH, acidimetrisch.

Die Analyse ergab 23,4% Fe, 53,3% S und 22,9% N als Mittelwerte von mehreren, gut iibereinstimmenden Analysen; theoretisch berechnet sich fur Fe(NS), 23,3% Fe, 53,4% S und 23,3% N.

Zur Bestimmung des Molekulargewichts verwendeten wir mehrfach im Hochvakuum destilliertes Formamid vom Schmelzpuukt + 2,3". Wir bestimmteu die kryoskopische Konstaute mit Harnstoff und mal3en dann die Schmelzpunktsdepression einer Losung von Fe(NS),in Formamid. Aus dieser Depression errechnete sich ein Molekulargewicht von 270.

Die magnetsiche Untersuchung nahm Herr P. J ~ N C K im Anorganisch-chemischen Institut der Universitat Kiel vor. Die Messungen bei 4-22", bei -78" und bei -183" C ergaben x. zu 3,110. 4,210. und 7,68. low3. Es gilt das CURIE-WEIsssche Gesetz mit 0 = -53'JC. p berechnet sich zu 2,94 BoaRschen Magnetonen.

M

Wir haben Herrn Professor Dr. R. JUZA sehr fur die magnetische Untersuchurig

Der Deutschen Forschunsgemeinschaft danken wir fur eine Sachbeihilfe. zu danken.

Heidelberg, Chemisches Institut der Universitat, I . Abteilung fur an- organische umd analytische Ghemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 20. Mai 1955.