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    VrwrtSeite 5

    Dglas RshkDER LEZE ARBEISAG

    Seite 10

    Ray HammdDIE REunGSAHR

    Seite 22

    Scarlett TmasABGEHnG

    Seite 48

    Marks HeitzAuGEnBLICK

    Seite 78

    ber die AtreSeite 82

    rschg bei ItelSeite 85

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    VrwrtDIALoGE BER DIE ZuKun

    ulm, Detschlad. 24. September 2007Es war ein ungewhnlich warmer Herbsttag in Ulm. Der Himmel war

    wolkenlos blau und der gotische Spitzturm des Ulmer Mnsters ragte hoch berder Stadt empor. In der Universitt, oben au dem Hgel, and die IntelligentEnvironments Conerence statt. Sie versammelte zahlreiche Disziplinen, vonder Inormatik ber Architektur, Werkstotechnik und knstliche Intelligenz

    bis hin zu Soziologie und Design reichte. Ich war eingeladen, ber meine Ar-beit bei Intel zu reerieren. So stand ich nun am Rednerpult des voll besetztenAuditoriums und begann mit meinen Vortrag D Digital Hmes Dream Electric amilies.

    Darin schlug ich vor, dass wir Science Fiction als Designwerkzeug r die Ent-wicklung von echnologien und neuen Produkten nutzen knnten. Die Idee

    war, Science Fiction-Storys au Basis wissenschatlicher Fakten zu schreiben,um deren Auswirkungen au Mensch und Kultur zu untersuchen. Ich hatte est-gestellt, dass sich eine Reihe der grten Wissenschatler des 20. Jahrhunderts

    von Science Fiction hatten inspirieren lassen. Und umgekehrt nutzen ScienceFiction-Autoren regelmig die neuesten wissenschatlichen Erkenntnisse undForschungen r Geschichten, Filmen und Comics. Doch was meinen Vor-schlag unterschied, war die Absicht: Die Beziehung zwischen wissenschatlicher

    Fiktion und wissenschatlichen Fakten sollte eine ganz spezische sein; beidessollte zusammen r eine tieeres Verstndnis eingesetzt werden, um mglicheChancen und Risiken zu untersuchen. Die Verbindung von Fiktion und Faktensollte eine Art Science Fiction-Prototyp schaen, der die Entwicklung der be-schriebenen echnologien beschleunigt bessere Resultate und erolgreichereProdukte inklusive.

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    Prtlad, uSA. 7. nvember 2010

    In den letzten drei Jahren habe ich mit Wissenschatlern, Forschern undStudenten aus der ganzen Welt zusammengearbeitet, die diese Science Fiction-Prototypen in unterschiedlichen Bereichen anwenden sei es knstliche In-

    telligenz, Robotertechnik, Cyber-Sicherheit oder das Gesundheitswesen. DiesePrototypen sind nicht nur zu einem serisen Entwicklungswerkzeug geworden,sondern sind auch eine neue Mglichkeit, Studenten und die breite entlich-keit r Wissenschaten und echnologie zu interessieren. Ich habe hierzu einLehrbuch mit dem itel Sciece icti Prttypig: A ramewrk r Desig

    verasst, dass bereits an Universitten gelehrt und ab 2011 auch entlich er-hltlich sein wird.

    Die Zukunt handelt von Menschen

    Alle vier Geschichten in dieser Sammlung beruhen au echnologien, die wirderzeit in den Intel Labs entwickeln. Und was daran besonders bemerkenswertist: Auch wenn es Science Fiction-Geschichten sind, sind es vor allem Geschich-ten ber Menschen. Jede Geschichte vermittelt eine einzigartige Vision, ein

    greibares Bild vom Leben in der Zukunt, doch jede schildert auch au hchstanschauliche Weise die menschlichen Dramen der Zukunt. Die Kurzgeschichtenhandeln nicht von echnologien, sondern vom acettenreichen, aszinierendenLeben ihrer Charaktere. Die echnologie ist nur ein eil des Geschehens.

    Abgehgt von Scarlett Tomas stellt uns eine Familie in einer Welt vor, dieganz alltglich und vertraut wirkt, jedoch geniale technische Mglichkeiten

    bietet. Ageblick von Markus Heitz ist eine aszinierende Geschichte mitwarnendem Unterton, die unseren menschlichen Bedrnissen und Wnschendie Fhigkeit gegenberstellt, eine Zukunt zu schaen, in der wir vielleichtnicht leben mchten. Douglas Rushkos Der letzte Arbeitstag beschreibt denletzten Arbeitstag von Dr. Leon Spiegel des allerletzten Menschen, der

    jemals arbeiten wird. Mit Intelligenz und Weitblick stellt Rushko letztlich dieFrage, was das Menschsein eigentlich bedeutet. Und schlielich schildert Ray

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    Hammond in Die Rettgsahrtdie dramatische, halsbrecherische Fahrt, die einPaar unternimmt, um einen geliebten Menschen zu retten: eine Fahrt, die voneiner komplexen Landschat von Gerten, Sensoren und Vernetzungen zugleicherleichtert und behindert wird. Schlussendlich zeigen uns diese Geschichten,

    dass unsere Zukunt nicht von echnologien, Megatrends oder Prognosen,sondern immer von uns Menschen handelt.

    Bei Intel nutzen wir uturistische Visionen wie in dieser Sammlung, um wichtigeErkenntnisse r unsere technologischen Entwicklungen und Experimente zugewinnen. Wir verwenden in unseren Forschungssttten viel Zeit darau, Men-schen zuzuhren und untersuchen, wie die echnologie ihr Leben berhrt und

    beeinusst. Wir tun das, weil wir glauben, dass nicht nur die Zukunt, sondernauch die echnologie letztlich eine Sache der Menschen ist, die sie einmalnutzen werden.

    Die Geschichten in dieser Sammlung erlauben Ihnen, sich mgliche Variantender Zukunt auszumalen genau wie wir es bei der Entwicklung von Zukunts-technologien tun. Jede Kurzgeschichte ist eine Art Dialog ber die Zukunt, ein

    Weg, eine Zukunt zu verstehen, die noch nicht gnzlich estgelegt ist, aber agr ag ein Stck nher rckt.

    Bria David Jhstrist ad Directr, tre Castig, Iteractis ad Experiece Research

    Itel Crprati

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    Last Day Wrk

    As dem Eglische v Rdl Hermstei

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    Dglas Rshk___

    Der letzte ArbeitstAg

    Jetzt ist es also soweit. Ich stemple zum allerletzten Mal aus.

    Es ist zwanzig Jahre her, seit sie damit angeangen haben, die Abndung an-zubieten, und ast ein Jahrzehnt, seit die Firma nur noch aus dem restlichen

    Beobachtungsteam besteht, und seit ber einem Jahr gibt es hier nur noch mich.Na ja, Curtis und mich, aber der war sowieso nie ganz da, und deshalb war es,als er das Bro verlie, eher so, als schaute man zu, wie einer sich in einem Netzaus- und in einem anderen einloggt.Ich reue mich richtig darau, ehrlich. Obwohl ich eigentlich gedacht hatte, derLetzte hier zu sein wre eine beachtlichere Leistung. Oder zumindest eine mehrbeachtete. Eine so preiswrdige Leistung wie etwas, was mein Vater htte tun

    knnen. Es ist von Bedeutung r die Menschheit, da bin ich mir sicher, aber ichtue es zu einem Zeitpunkt, da niemand da ist, den es interessieren wrde. Ich bindie Schlagzeile jeder Zeitung, die erste Seite jeder Website und die Nachricht in

    jedermanns Mailbox: Dr. Spiegel macht das Licht aus.Ich habe das Unvermeidliche (und, wie man mir sagt, meine eigene Freude, dieBereiung meines Egos, meine eilnahme an der nchsten Phase der menschli-chen Evolution) vor allem deshalb hinausgeschoben, weil es niemanden gibt, der

    wei oder den es kmmert, was ich mache. Ich zahle mir jeden ag mein Gehaltaus ich genehmige mir sogar den anderthalbachen ari, weil ich schlielichsowohl arbeiten als auch meine eigenen Fortschritte protokollieren muss. Es istkein Kinderspiel, der Letzte zu sein.Natrlich kann ich das Geld, das ich verdiene, nirgends mehr ausgeben. Dieletzten Geschte haben seit Anang vorigen Jahres keine Kreditkarten mehrakzeptiert, und auch vorher waren die meisten nanziellen ransaktionen nur

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    noch pro orma ausgehrt worden. Nachdem die Banken sich ber den ag derAusung einig geworden waren, hatte es nicht mehr viel Sinn, irgendwelche

    Whrungen zu horten. Es war, als htten wir Kredit um seiner selbst willen ge-braucht um uns und unseren Freunden zu beweisen, dass wir tatschlich etwas

    Sinnvolles taten. Irgendwie haben sie dann angeangen, ber den Kram nachzu-denken, den sie sich mit Geld gekaut hatten, und sich zu ragen, ob nicht dasmeiste davon immer denselben sinnlosen Zwecken gedient hatte.

    Wenn man wei, dass etwas wahr ist, kann man sich deshalb noch lange nichtleichter damit abnden oder das eigene Verhalten entsprechend ndern. Das

    war wohl die wichtigste Botschat der Arbeit meines Vaters. Nicht dass er eineArt Messias gewesen wre; er war nur der Bote. Aber in einem Land ohne Egos

    und ohne Autoritt ist das so ziemlich das Hchste, was einer erreichen kann.Was mich angeht: Ich bin auch ein Bote aber in einer Welt ohne Empnger.Auer Ihnen vielleicht, wenn Sie diesen Schrieb nden sollten. ritt dieser Fallein, haben wir die ganze Sache vermutlich vllig alsch gesehen.Doch schon allein die Mglichkeit war und ist r mich Grund genug, an dieserChronik weiterzuschreiben, in Arbeitsstunden, in denen ich rher die Systemekontrolliert und dar gesorgt habe, dass die Nano-, Robo-, Digital- und Ge-

    netik-Algorithmen innerhalb der vorgesehen Parameter unktionierten. Stetsbereit, den Stecker zu ziehen, bis zu dem Moment, in dem es keinen Steckermehr zu ziehen gab.

    atschlich ist jeder zumindest jeder, der etwas zu sagen hatte rbergegan-gen. Irgendjemand musste von der anderen Seite aus zusehen. Jemand musste alsLetzter gehen. Arbeiten bis zum letzten ag des letzten Jobs. Die r schlieen,das Licht ausmachen.

    Es passt, dass ich derjenige bin nicht nur, weil ich ein Spiegel bin. Als Kind hatmich Michael Collins immer am meisten asziniert der Pilot der Komman-dokapsel von Apollo 11 , nicht Neil Armstrong oder Buzz Aldrin, die Jungs,die tatschlich au dem Mond gelandet sind. Collins kreiste ganz allein ber derdunklen Seite, whrend die anderen beiden die historische Mondlandung rdie Fernsehzuschauer machten. Er hat einach nur in der Kapsel gesessen, auerReichweite unserer Kommunikationsmittel, whrend alle anderen unsere erste

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    wahrhat einigende planetare Leistung eierten. Er hatte die ganze Verantwor-tung und war mutterseelenallein.Also zugegeben, ich geniee das Erlebnis Letzter noch briger Mensch undziehe es ber jedes vertretbare Ma hinaus in die Lnge. Ich schlendere durch

    die verlassenen Shopping Malls, probiere Sachen an, die ich mir nie htte leistenknnen, schaue mir Filme au die altmodische Art an, lege Bndel von Geld-scheinen au hohe Stapel und schiee mit Maschinenpistolen au Autos. Esmacht Spa. Solange es mich nur als einzelnes Exemplar gibt, kann ich es mirleisten, genau so zu leben, wie wir, ginge es nach der Arbeit meines Vaters, ei-gentlich nicht mehr leben drten.Fr den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie nicht wissen, wovon ich rede (Wre

    das nicht zum Brllen? Dass ich die Leute ber seine Existenz auklren muss?),sage ich Ihnen hier, wie sich alles zugetragen hat:Ich habe, wie jeder andere auch, meine eigenen Teorien darber, wie es zu dergroen Wende kam. Welche echnologie, welche Politik, welcher Popstar oder

    welche Kombinationen dieser Faktoren zu der Groen Abwicklung gehrt ha-ben, lsst sich nicht mehr im Einzelnen nachvollziehen. Darber besteht kaumKonsens, aber ich glaube nach wie vor, dass es der P war, der elepathische

    Podster. Das war natrlich noch kein echtes telepathisches Universalgert. Diekamen erst zehn Jahre spter au. Der P war nichts weiter als eine Bioeedback-Schaltung. Die Sotware registrierte den neuralen Output einer greren Zahl

    von Menschen, die rechts oder links dachten, und nutzte diese Daten dannr die Vorhersage, wann jemand anderes den Cursor in diese Richtung bewegen

    wollte. Es war das erste Smartphone/Gamepad, das zu wissen schien, was wirvorhatten, ohne dass wir ihm irgendetwas mitteilten.

    Das klingt nicht besonders auregend, hrte aber zu einer radikal neuen Ent-wicklung der gesamten echnologie. Jetzt war es nicht mehr unser Job, uns aus-zudenken, wie wir irgendein neues Ding herstellen konnten, um uns dann zuberlegen, wor zum Henker man es gebrauchen konnte, sondern jetzt musstedie echnologie herausbekommen, was wir wollten, und es uns dann einachlieern.

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    Das erwies sich als ein Riesenproblem, denn was wir alle wollten, war immermehr von dem, was wir schon hatten. Die Konsumgter-echnologie lernte,sich die Menschen so vorzustellen, wie wir selbst sie bereits sahen: als absoluteKonsumenten. echnologien von Net Agents bis hin zu Nano-Bots wetteierten

    in allen Netzwerken darum, ihren Besitzern mglichst viele Gter so billig wiemglich zur Vergung zu stellen. Gleichzeitig spiegelten die echnologien imDienst von Unternehmen und Regierungen die gewinnorientierten oder bro-kratischen Ideale ihrer eigenen User wider. Sie entwickelten Handels-Algorith-men, intelligente Whrungen und selbstreerenzielle juristische Axiome, die inbeunruhigendem empo Kapital in ihre Kassen splten.Das alles war gut r die Wirtschat zumindest kurzristig, abzulesen am BSP.

    Je schneller die Wirtschat wuchs, desto strker konnte sie beschleunigen. Solange es immer neue Schwellen r die Beschleunigung gab, waren die Mglich-keiten unbegrenzt.Gebremst wurde das System nur durch den Faktor Mensch. Die Zeit, dieMenschen brauchten, um Entscheidungen r sich zu treen, bertra um einVielaches die Zeit, in der eben diese Wahlentscheidungen von den Annahme-Routinen der Sotware przise vorhergesagt und ausgehrt werden konnten.

    Unsere Impulse waren au dieser Stue der Evolution ja noch sehr einach. Siezielten alle au den Erwerb einer greren Menge von diesem oder jenem Gutab, je eher, desto besser.Sobald sie einmal der unmittelbaren Steuerung durch den Menschen entzogen

    waren, konnten die verschiedenen echnologien, vom P bis zur Nano-Sonde,die gesamte menschliche Nachrage darstellen und beriedigen, lange bevor unsdiese Nachrage bewusst wurde. Jedenalls unktionierte das so lange, bis die

    konomischen Systeme, au deren Basis das alles ablie, nach und nach zusam-menbrachen.Oenbar war es doch keine so brillante Idee gewesen, die Beriedigung dermenschlichen Nachrage allein der echnik zu berlassen, und das ungeprt.Die Ressourcen wurden knapp, vor allem bei Lieerungen an Einzelpersonen.Und das Kapital sammelte sich berwiegend im Zentrum, sodass viele Unter-nehmen niemanden mehr hatten, dem sie etwas verkauen konnten. Wir man-

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    vrierten uns in eine Sackgasse und waren nicht einallsreich und schnell genug,um uns aus der Klemme zu bereien. Unsere Programme lieerten uns genau das,

    wozu wir sie auorderten, und wir wussten nicht, wozu wir sie sonst auordernsollten. Umweltprognosen besagten, dass es, selbst wenn es uns irgendwie noch

    gelnge, das Ruder herumzuweren, bereits zu spt wre. Ressourcenverknappungund ungleiche Vermgensverteilung hatten den Punkt, an dem es noch ein Zurckgegeben htte, lngst berschritten.Man versuchte es mit diversen Ideen, mit ausgeklgelten Gesamtkonzepten. Einechinesische Firma entwickelte ein technisches Verahren, mit dem man alle Le-bewesen au ein Zehntel ihrer Gre htte reduzieren knnen. Diesem Szenariolag die berlegung zugrunde, dass die Menschheit dann nur noch ein Zehntel

    des Raums und somit nur noch ein Zehntel der Ressourcen beanspruchen wrde.Aber selbst so winzige Menschen htten aller Voraussicht nach die zu erwartendeStrahlung nicht berlebt, und deshalb lie man die Idee allen.Geangen in dem Szenario, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gab, schlugmein Vater als Ultima Ratio etwas ganz anderes vor: Interstellare Migrati-on. Nein, wir vergten nicht ber die echnologie, Menschen von der Erde aneinen sicheren Zuuchtsort zu iegen, wohl aber ber die Mglichkeit, unsere

    DNA au einem anderen Planeten auszusen. Und so begannen die Wissenschat-ler mit der Arbeit an dem gewaltigen Projekt, Roboter, Nanotechnologie und ge-netisches Material durch die Galaxien zu schicken, au der Suche nach einem Pla-neten, der r einen Neubeginn des Lebens in Frage kme.Um jedoch nicht einach den Evolutionsprozess zu wiederholen, der uns inunsere missliche Lage gebracht hatte, verel unsere Regierung au die Idee, eineBotschat in den DNA-Strang einzubauen: unseren kleinen Glckskeks r die

    nchste Runde der Menschheit. In dieser Botschat konnten wir, so gut es ging,erklren, was bei uns schiegegangen war. Wenn die nchste Zivilisation sich dannunserem Entwicklungsstadium nherte, wrden diese Menschen ver-mutlich dieBotschat in ihrer DNA nden, sie lesen und unserem Schicksal entgehen.

    Whrend die UNO noch darber stritt, was genau in dieser Botschat stehen soll-te, wurde mein Vater beautragt, ein unbenutztes oder berhaupt berssigesCodon zu suchen, in das man sie einbetten konnte. Er dachte lange darber

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    nach, welche tierischen und menschlichen Eigenschaten r unsere Entwicklungntig oder unntig gewesen waren, und durchsuchte die einzelnen Sequenzen desGenoms wie ein Ingenieur, der im New Yorker U-Bahnnetz nach unbenutzten

    unnelrhren ahndet.

    Dann dachte er sich, warum nicht gleich an die Wurzel des bels gehen? Denmenschlichen rieb nmlich, seinen eigenen Nutzen und den seines Stammes zumehren unentbehrlich in den Frhstadien der Entwicklung, aber brandgehr-lich, wenn man ihn die menschlichen Angelegenheiten in den Sptstadien derEvolution regeln lsst, in denen sich riebe so leicht durch echnologie verstrkenlassen. Er benutzte sein virtuelles Quark-Mikroskop, um sich sein Zielgebiet imGenom genau anzusehen, und erorschte das raktalartige Modell au der sub-

    atomaren Ebene, und dabei bemerkte er etwas Seltsames: Am Rand eines derNeutrinos in einem Atom des Cytosin-Nukleotids and sich ein kleines, dis-kretes Bndel aus Mesonen und einem einzelnen Baryon. Wie war das dorthingekommen?Er erriet es genauso schnell wie Sie. Es war eine Botschat. In hnlichem Geist

    verasst wie das, was die Menschheit gerade ihrer eigenen evolutionren Nach-kommenschat mitzuteilen versuchte. Nicht in Worte bersetzbar, aber dennoch

    die klare Darstellung der grundlegenden und scheinbar urchteinenden Wahr-heit: Die echnologie ist kein Spiegel, sie ist ein Partner.Die Position der Botschat lieerte den Hinweis au ihre Implementierung, diesich als viel einacher erwies als der Versuch, sie in irgendein Zukunt zeugendesProjekt einzubetten. Wir wrden einach unsere echnologie davon entbinden,die bestehende soziale Ordnung zu verstrken, und ihr gestatten, uns eine neue zulieern.

    Es dauerte eine Weile, bis alle begrien hatten, dass die Grundlagen unserer echnologie der Menschheit keineswegs remd waren, sondern vielmehr ihregroartigsten und bewusstesten Ausdrucksormen. Durch unsere vernetztenIntelligenzen hatten wir eine vollstndig dezentralisierte Modalitt r dieMaterie entwickelt, grere Komplexitt im Angesicht der Entropie zuerlangen. Wir konnten nicht mehr jagen und sammeln, nicht mehr erobern undbesitzen. Das industrielle Zeitalter verkehrte sich ins Gegenteil, denn grer war

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    nicht mehr besser, und zentralisierte Autoritt arbeitete gegen die Macht der Netz-werke. Unser Monopolisierungsdrang taugte nicht mehr dazu, unser Wissen undunsere Fhigkeiten zu vermehren. Statt dessen mussten wir lernen loszulassen.Und damit begann der Prozess, durch den wir die Menschheit retteten und,

    wichtiger noch, die Evolution der Materie hin zu hheren Ebenen der Selbst-wahrnehmung ortsetzten. Dazu mussten wir lediglich unsere echnologien indas groe Spiel einbringen, statt ihnen abzuverlangen, dass sie sich der Reali-tt unterordneten, wie wir es rher r richtig gehalten hatten. Sie waren nurinsoweit dar verantwortlich, unsere Gedanken zu lesen, wie wir dar

    verantwortlich waren, ihre zu lesen.Vom Mangelmodell dem Nullsummenspiel, in dem die Arten um die vorhan-

    denen Ressourcen konkurrierten , schritten wir ort zu einem berussmodell,in dem alles Notwendige geunden oder synthetisiert und dann von allengemeinsam genutzt werden kann.Die Erzeugung von Energie (lange Zeit au die alschen konomischen Prin-zipien der Ressourcenausbeutung beschrnkt) war so einach wie ein Ghnen.Das einzige Hindernis war eine Energiebranche gewesen, deren Gewinne aubegrenzten Vorrten und Nichterneuerbarkeit beruhten. Medizin, Landwirt-

    schat, Lut und Bildung waren allesamt so reichlich vorhanden wie unsereBereitschat, echnologien anzuwenden, die Werte aus der Peripherie schpten,und vervielltigten sich so mhelos, wie sie sich verbreiteten. Von Formverschie-bungen ber Mems bis zur Materieumwandlung. Alles wurde rei.

    Whrend unser rheres Sozialsystem durch die extreme Arbeitslosigkeit, diemit dem Zusammenbruch des industriellen Kapitalismus einherging, ausuerste belastet worden wre, sahen wir jetzt keine Notwendigkeit mehr,

    Wohlstand entsprechend dem eigenen Beitrag zu verteilen. Es war genug ralle da und kaum gengend Arbeit r irgendjemanden. Sobald die Synthesegeeigneter Materieormen echnologien berlassen blieb, die nicht durch die Er-ordernisse eines knstlich verknappten Marktes behindert waren, standen dieLeute Schlange, um den einen ag Arbeit pro Kop und Monat abzuleisten, dererorderlich war, um alles in Gang zu halten.Dann wurde die Arbeit selbst zum Ritual. Seit etwa zehn Jahren haben die-

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    jenigen von uns, die regelmig einen Arbeitsplatz ausuchten, dies aus purerGewohnheit oder als eine Art Historienspiel getan. Ein paar von den Robotern,

    wie mein Freund Curtis, blieben zurck, um die letzten administrativen Arbeiten

    zu erledigen Licht machen oder die wenigen noch vorhandenen uralten Server

    warten, die nur noch dazu da waren, die Illusion unktionierender Unternehmenaurechtzuerhalten. Und dann verabschiedeten sich sogar die Roboter, im Vollbe-

    wusstsein ihrer berssigkeit und bereit mitzueiern. Und zwar da drauen.Damit wir uns nicht alsch verstehen: Auch ich war eine Zeitlang dort. Materie,Energie, Bewusstsein, alles im selben anz. Die echnologie die Kugeln, dasLicht, die Inormationen nimmt keine Beehle mehr von irgendeinem Serverentgegen. Es gibt keine Mitte mehr. Keine Spitze. Alles nimmt einach Beeh-

    le von allem anderen entgegen. Das Netzwerk ist der Server, die Gene sind derOrganismus, die Nanos sind das Medium. Was wir im Industriezeitalter der ech-nologie beizubringen versuchten, entpuppte sich als das Gegenteil dessen, was die

    echnologie in der Groen Abwicklung schlielich uns beibrachte.Ich wei nicht, ob das auer mir noch jemand au anderer als rein intuitiverEbene begreit oder warum das berhaupt jemand r ntig hlt. Wenn manden anz sieht, muss man einach mitmachen. Und er ist genau das, als was ihn

    alle schildern: die Ekstase des Verbundenseins dass jeder alles ber jeden an-deren wei und dass das alle vllig in Ordnung nden. Ja, sich sogar unbndigdarber reuen. Nach wie vor einzigartig und individuell, und doch auch eileines greren Geistes eines kollektiven Bewusstseins, das sich endlich so weitentwickelt hat, dass es die Hand ausstreckt und endlich die anderen dort drauenndet.Ich habe lange gezgert. Aber nun ist es genug. Ich wollte einach keine

    Ahnung , ich wollte etwas genauso Bedeutendes tun wie mein Vater. Eine Spurhinterlassen. Anerkannt werden, belobigt, ja sogar belohnt r etwas, was ich getanhabe, ich allein.Das war nur noch hier mglich. Und wie jeder persnliche Erolg kann es mir aulange Sicht nur eins einbringen: dass ich noch lnger allein bleibe.Also werde ich jetzt auhren. Jahre spter, nehme ich an, als ich es htte tunmssen. Aber nach meinem Zeitempnden durchaus nicht zu spt. Und diesmal

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    bleibe ich wirklich dabei. Das ist mein letzter Arbeitstag. Ich werde den Rechnerabschalten, das Licht ausmachen und zu dieser r hinausgehen.Diesmal werde ich es tun. Ich wei es.

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    Weitere Inormationen zuRobotik und elematik

    http://personalrobotics.intel-research.net/videos.php

    http://www.youtube.com/watch?v=bbifmRBBN6Q

    http://www.youtube.com/watch?v=s27Yd5mwZKM

    http://www.youtube.com/watch?v=Vq08egobDCI

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    Te Mercy Dash

    As dem Eglische v Gabriele rer

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    Ray Hammd___

    D rufa

    Ich drehe nur vier Runden, Liebling, versprach Hlne, als sie sich von derStrandliege hochreckte. Sie beugte sich unter den Schatten des Sonnenschirmsund gab ihrem risch angetrauten Ehemann einen Kuss au die Wange.Er blickte lchelnd zu ihr hoch. Pass au dich au, antwortete er.

    Am Landesteg wartete schon das Schnellboot, dessen altmodischer Dieselmo-tor im Leerlau leise ratterte. Das risch verheiratete Paar beand sich in einemder angesagtesten Strandclubs von ganz Frankreich: im Club 55 am Strand vonPampelonne nahe St. ropez, der sein auerordentlich exklusives Image schonseit mehr als 75 Jahren zu wahren verstand. In den Anangsjahren des Clubshatten Frstin Grazia und Brigitte Bardot hier geeiert. Und jetzt, im Hochsom-mer des Jahres 2025, versammelten sich noch immer die schnsten Menschen

    aus ganz Europa an seinem weien Sandstrand und zahlten schwindelerregendePreise r die Drinks.

    Nur wenige der Gste waren allerdings so schn oder so elegant wie diePariserin Hlne Guenier. rotz ihrer 56 Jahre zog die groe, schlanke Hlnein ihrem Bikini immer noch bewundernde Blicke von Mnnern und auch vielenFrauen au sich, als sie nun au Zehenspitzen vorsichtig ber den heien Sand in

    Richtung Landesteg ging.

    Roger Guenier sttzte sich au den Ellenbogen und beobachtete, wie die Frau,die er vor n agen geheiratet hatte, dem Fahrer des Schnellboots ihre Wn-sche erklrte. Selbst aus einigen hundert Metern Enternung konnte Roger denMann lcheln sehen, als Hlnes natrlicher Charme seine Wirkung tat.

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    Dann verschwand Hlne kurz aus der Sicht, als sie hinter dem alten Holzstegins warme Wasser glitt und ihre Ski anlegte. Ein Angestellter des Strandclubs sprang

    hinterher, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich est und sicher saen.

    Der Motor heulte leise au, als der Kapitn startete und langsam vom Steg aus

    Meer hinaus uhr, um die Zugleine zwischen dem Boot und der Skiahrerin zuspannen. Roger wusste, dass seine Frau eine erahrene Wasserskiluerin war seit Beginn ihrer Flitterwochen war sie jeden ag geahren , und er lchelte, alsHlne sich mhelos aurichtete, ihre langen, schnen Beine streckte und sichzurcklehnte, whrend das Boot an Fahrt gewann. Er konnte ast selbst das Ver-gngen spren, das seine Frau empand, als eine Gischtwolke hinter ihren Skiernaustieg. Die Glser ihrer groen dunklen Sonnenbrille glitzerten im morgend-

    lichen Sonnenlicht, und ihr gestrhntes blondes Haar wehte in der Brise. In derFerne, nher zum Horizont hin, lag eine Reihe Riesenjachten vor Anker, ausdenen bald die milliardenschweren Eigentmer und ihre Gste strmen wrden,die im Clb Ciqate-Ciqzu Mittag essen und sich prsentieren wollten.

    Auch andere Gste am Strand sahen voll Bewunderung zu, als Hlne mit ih-rem Lieblingsmanver begann, einer Achterschleie, und ber die Heckwelle des

    Boots sprang, wenn sie ihren Weg kreuzte. Das strahlende Blau des Juli-Him-mels wurde nur von zwei Kondensstreien von Flugzeugen durchbrochen, die inast paralleler Formation eilends nach Sden strebten. Am anderen Ende des Strands

    vollhrte das Schnellboot eine weite Drehung, und Hlne legte sich tie in dieKurve, whrend sie von der Fliehkrat immer schneller ber die santen Wellengetragen wurde.Roger nahm seinen E-Book-Reader wieder au, konnte aber doch nicht wider-

    stehen, weiter Hlne zu beobachten, die jetzt wieder nher kam. Der Motoreines Jetboots, der in der Nhe auheulte, lenkte ihn kurz ab. Als er wieder zuHlne blickte, war sie ber dem Wasser und sprang mhelos ber die Heck-

    welle des Boots.

    Einen Moment spter bewegte sich die Skiahrerin gerade in weitem Bogenaus dem Kielwasser des Boots heraus, als sie pltzlich abrupt zum Stillstand

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    zu kommen und dann hoch in die Lut zu iegen schien, bevor sie in einerriesigen Gischtwolke verschwand. Roger sprang au, andere am Strand taten esihm gleich, und alle lieen zum Wasser, wo das Jetboot in die sich ausbreitendeGischtwolke raste.

    Ein Schrei war zu hren, das schrille Protestgerusch eines Jetboot-Motors, unddann war es still.

    * * *

    Der neue Diamantstecker in seinem linken Ohr sah zweiellos cool aus nicht

    zu gro, nicht zu klunkerig, nur ein geschmackvolles Statement zur urbanenMode und modernen Vernetzung. Und sehr retro sah er aus sehr nach Jahr-tausendwende. Doch Billy Becker kam es merkwrdig vor, Sophies Stimme jetzttie in seinem linken Ohr zu hren, statt im Kophrer oder ber den Lautspre-cher seines Mobilteleons. Auerdem hrte sich die Stimme seiner virtuellenAssistentin jetzt anders, weicher an. Billy and, dass diese VA sexier klang.Also, was nun? ragte Sophie, als Billy die ech-Care-Praxis verlie.

    Bei dem 15-mintigen Eingri war Billy ein winziger In-Ear-Verstrker und-Lautsprecher und der diamantene Multiunktions-Ohrstecker eingesetzt

    worden, der sein altes Smartphone ersetzte. Der Ohrstecker lieerte nun allepersnlichen Datenverarbeitungs- und Netzwerkmanagementdienste, die Bil-ly bentigte. Und das Coolste war, dass das Gert ausschlielich durch BillysKrperbewegungen gesteuert wurde.

    Um das System komplett zu machen, trug Billy eine neue lichtsensitive, bewe-gungsgesteuerte Wireles-Brille, die zugleich als Head-up-Datendisplay diente.Dass sie ein Edelstahlgestell hatte und denitiv bercool aussah, schadete auchnicht. Das neue System war mit dem aktuellsten Sotware-Upgrade ausgestat-tet worden, und als die VA jetzt ihre Frage in Billys Ohr sterte, wirkte siemenschlicher als je zuvor.

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    Zurck ins Studio, antwortete Billy. Ich muss die Designs r den Konerenz-raum ertig machen.Es kommt mir seltsam vor, dir so nahe zu sein, wisperte Sophie sant in seinerOhrmuschel. Billy nickte, wobei sich seine dunkle Lockenmhne einen Sekun-

    denbruchteil spter bewegte als sein Kop. Auch ihm kam es seltsam vor undein wenig beunruhigend. Billy hatte die Stimme seiner virtuellen Assistentinmittels Stimm-Samples seiner Freundin programmiert, und dank der verbes-serten natrlichsprachlichen Schnittstelle des Systems klang die virtuelle So-phie nun ast genauso wie die echte. Billy sagte gelegentlich im Scherz zu sei-nen Freunden, dass er seine virtuelle Assistentin nach seiner Lebensgehrtinbenannt hatte, um jegliche Missverstndnisse zu vermeiden, alls er einmal im

    Schla sprechen sollte.Als er zum Auto kam, meldete sich Sophie wieder. Kann Speedy mit dir reden?

    Jetzt? ragte Billy berrascht. Au dem er hatte sagen wollen au demHandy, doch dann el ihm ein, dass er ja kein Handy mehr besa.Das ist ein neues Feature, erklrte ihm Sophie. Und Speedy will schon seiteiner ganzen Weile au dein persnliches Netzwerk zugreien.Billy suchte in seiner asche nach der Fernbedienung r sein Auto.

    Also? ragte Sophie ast ungeduldig.Na gut, sagte Billy und lchelte ber die verbesserte Gehlssimulation, dieseine VA nach dem Upgrade an den ag legte.Au dem Ring gibt es eine Verkehrsstrung, berichtete Speedy, der integrierteRoboterchaueur, der r das Fahrmanagement des Wagens zustndig war. Insdlicher Richtung, gleich beim Kratwerk. Die Verkehrsbehinderungen werden

    voraussichtlich bis in den Nachmittag andauern. Ich schlage vor, dass wir die 36

    nehmen, aber da musst du manuell ahren.Die r au der Fahrerseite schwang au, Billy schlpte hinein und ergri dasSteuerrad der schnellen Limousine.Du kannst bernehmen, sagte Speedy. Der Roboterchaueur projizierte einetransparente Karte der Umgebung au die Innenseite der Windschutzscheibe.Eine Route war wei markiert.Sag mir einach immer, wie ich ahren soll, beahl Billy. Er wollte unbedingt

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    schnell ins Studio zurck. Billy war ein sehr erolgreicher Mbeldesigner, dessenArbeit in ganz Deutschland und darber hinaus geragt war. Im Augenblick warder 31-Jhrige dabei, ische und Sthle r den Konerenzraum einer Kunst-storma zu entweren, die ihren Sitz in der Nhe von Wien hatte. Natrlich

    wrden auch die Mbel aus diesem unbertroen anpassungshigen Materialbestehen. Billy drckte au die Anlassertaste am Lenkrad, und als sich der was-serstobetriebene Audi in Bewegung setzte, blendete Speedy die Karte aus.Obwohl der Verkehr au allen Autobahnen und groen Straen Europas mitt-lerweile durch ein intelligentes, vernetztes Computersystem gesteuert wurde,uhren au den kleineren Straen die Menschen weiterhin selbst. Deshalb kames au Nebenstraen immer noch ot zu Unllen und Staus.

    Bieg nach 200 Metern links ab, sagte Speedy. Da vorn ist eine Straenbaustelle,und ich schlage vor, dass wir sie umgehen.Sophie rut an, sagte VA Sophie in seinem Ohr. Gewohnheitsmig langteBilly nach dem Schalter am Steuerrad, um die Stimme seiner Freundin au dasSoundsystem des Wagens bertragen zu lassen. Dann erinnerte er sich wieder.Er nickte, und der Bewegungssensor in seinem Ohrstecker sorgte dar, dass dasGesprch ber sein neues System bertragen wurde.

    Hallo , sagte Billy.Meine Mutter hatte einen Unall, schrie die echte Sophie atemlos direkt insein rechtes Innenohr. Sie war beim Wasserskiahren, und Und was? rie Billy zurck. Vor sich sah er die Abzweigung, die er nehmen sollte.Sie ist im Wasser mit etwas zusammengestoen und dann hat ein Jetboot sieerasst. Sie ist am Rcken verletzt.Wie schwer? ragte Billy, whrend er abbog.

    Sie ist im Krankenhaus sie mssen sie operieren, antwortete Sophie. Und duweit ja, was mit ihrem Blut ist. Ich muss so schnell wie mglich nach Nizza.In Billys Kop jagten sich verschiedene Optionen. Am Wochenende zuvor warenSophie und er au der Hochzeit in Paris gewesen, und er wusste, dass Hlneund ihr neuer Mann die Flitterwochen in Sdrankreich verbrachten. Und ererinnerte sich auch an das, was Sophie ihm ber die ungewhnliche Blutgruppeseiner Mutter erzhlt hatte: Hlne hatte einen seltenen Antikrper, weswegen

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    gewhnliche Bluttransusionen gehrlich r sie waren.Ich bin schon au dem Heimweg, sagte Billy. Einen Augenblick.Er wies Speedy an, die Stau- und Verkehrslage zu pren. Dann beahl er demRoboterchaueur, den schnellsten Weg zur Wohnung vor den oren seiner Hei-

    matstadt Mannheim zu ermitteln, in der er mit seiner Freundin Sophie wohnte.Ich bin gleich da, es dauert nur Zwl Minuten, vervollstndigte Speedy den Satz.

    * * *

    Verixt noch mal, Paul, gib ihn schon her!

    Sophie riss dem Roboter den Pullover aus den Hnden und altete ihn selbst zu-sammen. Ihr war klar, dass ihre schlechte Laune von den Sorgen um ihre Mutterkam, aber die langsame und sorgltige Art, mit der Paul, der Butler-Bot, dasPacken besorgte, machte sie ganz verrckt.

    Alle Haushalts-Roboter waren so programmiert, dass sie langsam und vorsichtigarbeiteten, um die Menschen nicht zu gehrden, doch es gab Zeiten, in denen

    eine solche Arbeitsweise unangebracht war zum Beispiel jetzt. Paul interpre-tierte den on richtig, in dem seine Besitzerin sprach, und schaltete sich in denSicherheitsmodus.

    Sophie Ducasse studierte seit vier Jahren an der Universittsmedizin MannheimMedizin, und sie hatte mittlerweile genug gelernt, um sich grte Sorgen umihre Mutter zu machen. Sie war begeistert gewesen, als ihre Mutter ihr erzhlt

    hatte, dass sie wieder heiraten wrde, und obwohl Roger zehn Jahre jnger warals seine Braut, standen Sophies Meinung nach die Chancen ausgezeichnet, dassdie neue Beziehung ihrer Mutter halten wrde und dass sie sie glcklich ma-chen wrde. Die Hochzeit war wunderbar gewesen, und bis vor wenigen Augen-blicken hatte Sophie noch den Nachglanz dieses schnen Ereignisses genossen.

    Roger hatte Sophie angeruen, um sie vom Unall ihrer Mutter zu benachrich-

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    tigen, doch es war klar, dass ihm die rzte im Hpital Sait-Rch in Nizza ent-weder sehr wenig ber die Verletzungen der Patientin gesagt hatten oder dass sieselbst noch nichts Genaueres wussten.

    Sophie war sich bewusst, dass jede Verletzung des Rckgrats eine Schdigungdes Rckenmarks bewirken und dazu hren konnte, dass ihre Mutter ganz oderteilweise gelhmt blieb. Roger hatte nicht einmal gewusst, welche Wirbel imRcken seiner Frau verletzt waren. Seine neue Stietochter hatte ihn gebeten, esherausnden und sie hatte ihm auch gesagt, dass er die wichtige Inormationber den seltenen Antikrper im Blut ihrer Mutter weitergeben solle.Sophie stand vor dem Spiegel und band ihre langen blonden Haare zu einem

    praktischen Perdeschwanz zurck. Dann suchte sie rasch ein paar oiletten-artikel r sich und Billy zusammen und packte ertig, whrend Paul Abstandhielt wachsam, aber komplett unbeweglich, wie immer, wenn er sich im Sicher-heitsmodus beand.

    Es war kurz vor Mittag und Sophie schtzte, dass sie am rhen Abend in Nizzasein konnten, wenn es ihnen gelang, so schnell wie mglich durch Frankreich

    zu ahren. In Paris augewachsen, hatte Sophie ot die Ferien in Sdrankreichverbracht und war mit den Flug- und Zugverbindungen gut vertraut. Sie warsicher, dass es mit dem Auto am schnellsten gehen wrde.

    Was aber, wenn die rzte sich entschlossen zu operieren, bevor Sophie eintra?Als Medizinstudentin wusste sie, dass Rckenverletzungen schnell behandelt

    werden mussten aber sie wusste auch, was geschehen konnte, wenn ihre Muttergewhnliches Blut bekam.

    Sophie hatte den gleichen seltenen Antikrper im Blut, und vor ein paar Jahrenhatte sie Blut r eine ransusion gespendet, als ihre Mutter an der Gallenblaseoperiert worden war. Gewhnliche Bluttransusionen konnten dazu hren, dassihre Mutter hohes Fieber bekam oder gar ins Koma el.

    Mutter und ochter sagten ot im Scherz, es sei doch gut, dass Mannheim sonahe bei Paris liegt Wir knnen uns immer Blut spenden, alls es ntig sein

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    sollte, meinte Hlne gelegentlich, wenn sie au das Tema Gesundheit zusprechen kamen. Und jetzt brauchte ihre Mutter tatschlich dasBlut ihrer ochter, doch es lagen 650 Kilometer zwischen ihnen.Sophie hrte, wie Billy mit seiner ID-Karte das Schloss der Wohnungstr

    nete. Sie gri nach der groen Reisetasche, die sie gepackt hatte, und liedurchs Wohnzimmer.

    * * *

    Dem Scan nach sind bei Madame Guenier drei Wirbel verletzt, sagte der Arztund deutete au ein Bild au einem Wandmonitor. Hier, hier und hier.

    Roger Guenier el ein, dass seine Stietochter genauere Inormationen habenwollte. Haben diese Wirbel spezielle Namen? ragte er.Sie werden mit Buchstaben und Zahlen bezeichnet, erklrte der Arzt. Es sinddie Wirbel L2, L3 und L4 im Lendenbereich.Roger notierte sich die Bezeichnungen au seinem ablet-PC.Wir knnen natrlich die Frakturen behandeln, uhr der Arzt ort. Die Frageist jedoch, ob Madame Gueniers Rckenmark geschdigt ist.

    Sie mssen operieren? ragte Roger besorgt.Ja, und zwar so schnell wie mglich, besttigte der Notaunahmearzt. Unserleitender orthopdischer Chirurg ist gerade noch mit einem Eingri im OPbeschtigt. Danach wird er sich die Scans ansehen. Ich nehme an, dass MadameGuenier dann als Nchste operiert wird.Und nun erklrte Roger Guenier so gut er konnte, dass seine Frau einen seltenen Antikrper im Blut hatte und welche Komplikationen sich daraus ergeben

    konnten.

    * * *

    Welche Spur- und Geschwindigkeitsoptionen haben wir au der A35? ragte Billy.

    VA Sophie und Speedy antworteten ast gleichzeitig. 150 Kilometer und 120Kilometer.

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    Seit der gesamte Verkehr au den Autobahnen computergesteuert wurde, konnteman wesentlich schneller ahren als zu der Zeit, als noch unberechenbare Men-schen die Fahrzeuge gesteuert hatten.

    Wie sieht es sdlich von Straburg mit dem Verkehr aus? ragte Billy.Er uhr manuell, seine tie besorgte Freundin neben ihm. Au den Nebenstraenberschritt er die lokalen Geschwindigkeitsbegrenzungen, wohl wissend, dassdie Netzwerke ihn entdecken und automatisch Strazettel ausstellen wrden.Doch dies war zweiellos eine Notsituation. Wenn es ihnen gelang, eine Durch-schnittsgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometern zu halten, dann konnten sie

    bis zum rhen Abend in Nizza sein, hatte Speedy geschtzt.Flssiger Verkehr au den ersten 20 Kilometern, meldete Speedy. Aber rundum Dijon gibt es groe Baustellen.Lenk mich drumherum, wies Billy ihn an.Sophies altes prtable klingelte sie rstete ihr Handy nur selten au und ver-

    wendete noch immer die altmodische ranzsische Bezeichnung r solche Ge-rte. Billy lauschte, whrend sie lauschte, wenngleich er ihren Gesprchspartner

    nicht hren konnte.Ok, ich verstehe, sagte Sophie in ihr Handy. Sie schielte zu Billy hinber undormte mit den Lippen ein Roger.Ja, ja, uhr sie zu Roger ort. Wir hoen, dass wir gegen sieben da sein knnen.

    Sophie beendete das Gesprch und wandte sich ihrem Freund zu. Er hatte seineAumerksamkeit ganz au die Strae gerichtet, um so schnell wie mglich durchden unruhigen Mittagsverkehr zu ahren.

    Es gibt eine Aunahme von Mamans Unall von den Webcams am Strand vonPampelonne, sagte Sophie. Roger hat sie in unser Privatalbum eingegt.Billy nickte, ganz darau konzentriert, sich durch den Verkehr zu schlngeln.Er wusste, dass ihn eine solche Fahrweise zur leichten Zielscheibe r die Ge-darmerie natialemachen wrde, die ranzsische Verkehrspolizei, die nichtslieber tat, als auslndischen Autoahrern Strazettel auszustellen und sie au derStelle zur Kasse zu bitten.

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    Spiel es r uns ab, sagte Billy zu seiner VA Sophie. Frontsicht r mich.

    Kaum hatte er den Satz beendet, als seine VA auch schon zwei separate

    Anzeigen mit hochausendem Videomaterial au der Windschutzscheibeeinblendete die modernen Photonennetzwerke schickten Petabytes von Datenso mhelos rund um die Welt, als wren es altmodische extnachrichten. Auder Fahrerseite wurden die Videobilder transparent angezeigt, au der Beiahrer-seite undurchsichtig. Sophie und ihr Freund sahen sich die Auzeichnungen der

    Webcams an. Sie sahen, wie Hlne ihre Wasserski-Runde begann, wie sie amEnde des Strands kehrt machte und zurckuhr. Pltzlich schien sie im Wasser

    stehenzubleiben und dann hoch in die Lut zu iegen. Dann raste das Jetbootdonnernd in die Gischtwolke.Sie ist mit etwas zusammengestoen, sagte Billy. Er schielte abwechselnd audas Video und die vor ihm liegende Strae. Irgendwas im Wasser. Lass es nocheinmal lauen, ab der Stelle kurz vor dem Zusammensto.VA Sophie startete die Wiedergabe.Einrieren, beahl Billy. Selbst jetzt, wo er das Video ansah, schlngelte er sich

    immer noch mit ast 100 Stundenkilometern durch den Verkehr. Ranzoomen.Au dem Videobild waren die Umrisse von etwas Dunklem zu erkennen, dassich im Wasser vor der Skiahrerin beand.Zoom noch nher ran, sagte Billy.Das dunkle Etwas beand sich oenbar direkt unter der Wasseroberche.Sieht aus, als wre da ein Holzblock unter Wasser, sagte VA Sophie.Billy schttelte den Kop, und ohne den Blick von der Strae zu wenden, langte

    er zu seiner Freundin hinber und drckte ihre Hand.

    * * *

    Natrlich, sagte Roger Guenier, whrend die Ansthesistin die zahllosen Fra-gen au dem Operationsormular durchging. Wir haben unsere DNA-Proleabgeglichen, bevor wir geheiratet haben.

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    Planen Sie eine Familie? erkundigte sich die rztin lchelnd.Der rischgebackene Ehemann ragte sich, ob die rztin das Alter ihrer Patien-tin kontrolliert hatte, doch dann dachte er daran, dass heutzutage viele Frauen in

    den Fnzigern und Sechzigern mit medizinischer Hile noch Kinder bekamen.Roger schttelte den Kop. Nein. Wir haben beide Kinder aus rheren Ehen.

    Und Madames Genomprol ist wo ? ragte die Ansthesistin.Hier, sagte Roger. Er berhrte ein schmales Goldarmband an seinem linkenHandgelenk und bewegte die Hand dann zu dem Bildschirm an der Wand. DieDaten bewegten sich mit seinen Fingerspitzen mit.Ah ja. Ich werde gleich einen est zur Medikamentenvertrglichkeit r das

    Prol durchhren, sagte die rztin und berhrte ihren Bildschirm. Von demBlut-Antikrper abgesehen, weist die DNA Ihrer Frau Ihres Wissens nach sonstnoch irgendwelche Anomalien au?

    * * *

    Ok, ich ahre, sagte Billy, als er die Steuerung des Wagens von Speedy

    bernahm. Er uhr au die Auahrt zur A6 zu, wartete am intelligentenVerkehrssignal, und als es umschaltete, uhr er rasch au die Hochgeschwindig-keitsspur. Dann nahm er die Hnde vom Lenkrad. Jetzt bist du wieder dran,sagte er zum Roboter-Chaueur. Das Auto reihte sich in den netzwerkgesteuer-ten Verkehrsstrom au der Hochgeschwindigkeitsspur ein.

    Billy blickte nach rechts zu den Fahrern hinber, die sich r die langsameren

    Spuren entschieden hatten. Die meisten von ihnen sahen sich vermutlich dieNachrichten an, unterhielten sich mit jemand, zockten Spiele, gingen ihre E-Mails durch, sahen Videolme an oder widmeten sich ihrer Arbeit. Viele vonihnen besuchten Meetings in anderen Zeitzonen, Klimaverhltnissen, Jahres-zeiten; einige nahmen wahrscheinlich an mehreren Konerenzen gleichzeitigteil. Und manche Fahrer schlieen wohl ganz einach.Als das erste vollautomatisierte Verkehrssteuerungssystem au den europischen

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    Autobahnen eingehrt worden war, hatte es groe Proteste aus der Bevlke-rung und eine hitzige politische Debatte gegeben. Zwar hatte die EuropischeUnion den Autoahrern grozgige Steueranreize geboten, um die Kosten rdie Installation der ntigen automatischen Fahrsysteme mitzutragen, doch die

    Fahrer wollten die Kontrolle ber die Steuerung ihrer Fahrzeuge nur ungernan Computersysteme abgeben. Erst als der nicht-automatisierte Verkehr in denStozeiten komplett von den berholspuren verbannt wurde, begannen dieFahrer die AutoRide-echnologie wirklich zu akzeptieren. Die EU untersttztedas Experiment durch einen 80-prozentigen Bargeldzuschuss r die In-Car-Steuerungssysteme, und in den ersten Jahren wurde der Verkehrsuss mittelsFunksystemen und Positionsanzeigern am Straenrand gesteuert. Inzwischen

    erolgte die Steuerung durch eine Kombination aus GPS-Knoten und -Satelliten,zellularen Netzwerksensoren und Signalstationen am Straenrand, und obwohl

    doppelt so viele Fahrzeuge pro Stunde unterwegs waren, als zu Zeiten der ma-

    nuellen Steuerung mglich gewesen war, waren die Geschwindigkeiten au den

    Spuren um 40 Prozent gestiegen. Mittlerweile waren die Brger vom Netzwerk-

    Verkehrsmanagement und den robotergesteuerten Autos hellau begeistert.

    Was meinst du, Sophie, wann knnen wir rhestens da sein? erkundigte sich Billy.Ungehr um 19.30 Uhr, sagte VA Sophie in seinem Ohr, und gleichzeitigantwortete die echte Sophie: Ungehr um acht.Nein, ich habe mit Sophie geredet, erklrte Billy und langte an sein Ohr. Erschwenkte seinen Sitz zu seiner Freundin herum. Der Audi uhr weiter nachSden, mit einer Geschwindigkeit von 150 Kilometern in der Stunde.Du scheinst dich mit deiner virtuellen Assistentin ja blendend zu verstehen,

    sagte die echte Sophie in leicht vorwursvollem on. Wie ist dieses neue Systemdenn so?Sie versteht jetzt ast alles, was ich sage, antwortete Billy. Sie bezieht den se-mantischen Kontext meiner Worte in Echtzeit aus den Netzwerken.Er lchelte und gte hinzu: Und jetzt, wo sie in meinem Ohr sitzt, wirkt sieauch selbst sehr echt.Lass mich mal hren, verlangte seine Freundin.

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    Au die Lautsprecher legen, sagte Billy. Also Sophie, jetzt erzhl Sophie mal,wie das Wetter au dem Weg nach Nizza ist.Es ist durchgehend klar und sonnig, sagte die VA ber das Soundsystem des

    Wagens. Die Aussichten r die nchsten vier age sind gut.

    Das ist ja haargenau meine Stimme! rie die echte Sophie. Das ist gruselig! Ichglaube nicht, dass mir das gellt.Ich hatte schon immer deine Stimme, sagte die VA. Aber meine Sotware istaktualisiert worden so kann ich jetzt noch naturgetreuer sprechen.Aber so hat sie noch nie geredet! rie Sophie aus. Sie schlug Billy au dieSchulter, so est, dass er zusammenzuckte. Reiche ich dir vielleicht nichtmehr? ragte sie ihren Freund.

    In diesem Moment piepte Sophies altes Handy. Rogers Name und Gesichterschienen au dem Bildschirm.Was gibts Neues? ragte Sophie augeregt ins eleon. Das Auto raste unver-mindert weiter gen Sden.Ok, sehen wir sie uns an, meinte Sophie dann. Sie wandte sich Billy zu. Dierzte lassen mich die Scans sehen. Kannst du sie anzeigen?Billy nickte, und VA Sophie zeigte die bertragenen Bilder au der Windschutz-

    scheibe an.Ja, ich verstehe, sagte Sophie zu Roger. Der Lendenbereich.Sie blickte zu den Scans hoch. Knnen wir heranzoomen? ragte sie.Billy nickte, und seine VA vergrerte den zentralen Bereich des Bildes.Sophie starrte eine Weile au den Hauptscan. Drei Wirbel haben schwereBrche, sagte sie ruhig. Kann ich die 3-D-Ansicht haben?Das Bild au der Windschutzscheibe wechselte, und sie sahen einen mehrdi-

    mensionalen Scan, der sich von der Windschutzscheibe weit ins Innere des Wa-gens zu erstrecken schien. Sophie streckte die Hand aus und bltterte langsammit den Fingerspitzen durch die verschiedenen Bilder.Die Wirbelsule selbst kann ich immer noch nicht sehen, beschwerte sie sich.Ich hole mal meinen Modellierer, sagte Billy und schwang seinen Sitz noch

    weiter herum. Er lehnte sich zurck und zog einen groen, dicken, weienablet-PC vom Rcksitz.

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    bertrag die Daten darau, instruierte Billy seine VA. Wie von Zauberhand wuchsen aus dem Flachbett des Dynamic PhysicalRendering-Gerts kleine eilchen, die sich zu einem esten, halb lebensgoen 3D-Modell eines menschlichen Rckgrats ormten. rotz der ernsten Situation lchel-

    te Billy in sich hinein. Es machte ihm immer einen Riesenspa, den DPR-Model-lierer bei Prsentationen zu verwenden und den Kunden physische 3-D-Modelleseiner Mbelentwre vorzuhren. Eine coole und ausgesprochen ntzliche ech-nologie. Sophie nahm Billy das Modellierer-ablet aus der Hand und sah sich dieE-Skulptur des verletzten Rckens ihrer Mutter genau an.Diese Wirbel werden sie zusammengen mssen, wrde ich annehmen, sag-te sie halb zu Billy, halb zu sich selbst, whrend sie mit den Fingern ber das

    Modell der Wirbelsule uhr. Aber ich kann immer noch nicht erkennen,ob im Spinalkanal Knochensplitter stecken. Ich glaube nicht, dass sie das mitSicherheit werden sagen knnen, bevor sie operieren.Page in Sicht, meldete VA Sophie, und der Audi bremste ab, um an derMautstation zu halten.Ich ahre, sagte Billy, schwenkte seinen Sitz nach vorne und nahm das Lenkrad

    wieder in die Hand.

    * * *

    Knnen Sie denn nicht wenigstens noch ein bisschen warten? ragte RogerGuenier, als der orthopdische Chirurg die Voruntersuchungen r die Operationbeendet hatte. Die ochter meiner Frau studiert Medizin sie versteht etwas

    von diesen Dingen. Sie sagt, dass eine Bluttransusion r Hlne sehr gehrlich

    werden wird.Je lnger wir zu warten, desto grer ist das Risiko, dass es bei Ihrer Frau zu ei-ner Lhmung kommt, Monsieur, sagte der Arzt. Ich wei ber den AntikrperBescheid, und wir werden unser Bestes tun, um den Blutverlust bei ihrer Frau sogering wie mglich zu halten. Aber wir mssen jetzt operieren.Roger blickte au die Uhr. Es war kurz nach vier. Sophie wird in ein paar Stunden

    hier sein. Dann knnen Sie ihr Blut verwenden sie hat den gleichen Antikrper.

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    Der Chirurg sah den besorgten Ehemann an und schttelte den Kop.Es tut mir Leid. Wir mssen jetzt anangen.

    * * *

    Ich will nicht, dass sie wie ich klingt, blate die echte Sophie. Wo soll dasnoch hinhren?Sie stritten schon seit ast einer halben Stunde. Billy war klar, dass sich seineFreundin groe Sorgen um ihre Mutter machte, doch sie machte ihrem KummerLut, indem sie sich ber seine neu augerstete VA auregte.

    Du redest ja schon mit ihr, als ob sie echt wre und sie antwortet dann auchso. Hltst du das r normal? Ich bekomme dich manchmal tagelang kaum zuGesicht, aber dar kannst du jetzt den ganzen ag mit ihr reden, stimmts? Dubrauchst mich gar nicht mehr.Ich habe mir das Upgrade doch erst heute Vormittag geholt, protestierte Billy.Wenn du willst, gebe ich ihr eine andere Stimme.Sie waren au der A7 und uhren schnell nach Sden in Richtung Aix-en-Provence.

    Das wird dann wohl Julies Stimme sein, auchte Sophie.Das war ein Schlag unter die Grtellinie. Julie war Billys Ex-Freundin. Eini-ge Monate, bevor er Sophie kennen gelernt hatte, hatte Julie ihn wegen einesaustrebenden ennisstars verlassen und Sophie beschuldigte Billy ot, immernoch in seine Verossene verliebt zu sein.Baustelle voraus, kndigte Speedy an. Manuelle Steuerung au den nchstenzehn Kilometern.

    VA Sophie, die die Emotionen der Wageninsassen registriert hatte, sagte nichts.

    * * *

    Sophie ist schon au dem Weg, sagte Roger zu seiner Frau. Billy hrt sie her.Sie wird bald da sein.Hlne war vorsichtig ins Bewusstsein zurckgeholt worden, damit die

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    Ansthesistin die richtige Sedierungstiee r die Operation bestimmen konnte.Hlne blinzelte, um Roger zu signalisieren, dass sie verstanden hatte. Sie konn-te weder den Kop bewegen noch sprechen; sie war in einer Vakuummatratzeeingeschlossen, die jede Bewegung unmglich machte.

    Wir ahren sie jetzt in den OP, sagte die Ansthesistin und wies einen Pegermit einem Nicken an, das Bett hinauszurollen.Roger langte zwischen die Gitterstbe und berhrte die Hand seiner Frau.Ich liebe dich, sagte er. Bis spter.

    * * *

    MIR IS EGAL, WAS DU MACHS! schrie Sophie. Sobald wir wissen,dass es Maman gut geht, kannst du mit deiner verdammten VA einach

    verschwinden!Billy uhr mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch die Baustelle, wurde dabeiaber stndig von Wagen augehalten, die nur langsam Platz machten, obwohl er

    wie verrckt aublinkte. Und Sophie kochte jetzt vor Wut. Billy wusste, dass siesich Sorgen um ihre Mutter machte, doch dieser Streit geriet allmhlich auer

    Kontrolle. Pltzlich sah Billy im Rckspiegel Blaulicht blinken, und ihm wurdeau im Magen. Er hatte sich so aus Fahren konzentriert und aus Streiten ,dass er die Strae hinter sich nicht mehr im Auge behalten hatte. Er bremste,uhr an den Straenrand, stellte den Motor ab und sah zu, wie zwei Polizistenaus dem Auto stiegen.Ich bernehme das, sagte Billy.Nein, lass mich das machen, insistierte Sophie. Es ist meine Mutter.

    * * *

    Die Verkehrsmanagement-Netzwerke in den einzelnen Mitgliedsstaaten wur-den zwar vom EU-Kommissar r Verkehr grenzbergreiend gerdert und

    vereinheitlicht, doch ihr lauender Betrieb unterstand weiterhin der nationalen

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    Ausicht. Die beiden Beamten der Gedarmerie natiale die streng genom-men nicht eil der Polizei, sondern der ranzsischen Streitkrte ist hattenskeptisch zugehrt, als zuerst Sophie und dann Billy erklrt hatten, warum sieso schnell geahren waren. Die Beamten hatten nicht nur Auzeichnungen von

    Geschwindigkeitsberschreitungen au einer Distanz von 12 Kilometern, son-dern auch Bilder von sechs anderen Regelversten, die Billy begangen hatte,

    whrend er sich den Weg durch den Verkehr bahnte.Eigentlich sollten wir Ihnen soort den Fhrerschein abnehmen, hatte derltere Beamte zu ihm gesagt.Doch dann zeigte Sophie ihnen das DPR-Modell des Rckgrats ihrer Mutter,deutete au die gebrochenen Wirbel und erklrte noch einmal, warum nur sie

    allein Blut r die ransusionen spenden konnte. Beim Anblick des dreidimen-sionalen, so real wirkenden Modells schien in den Beamten eine Vernderung

    vorzugehen. Der ltere Polizist wies Billy und Sophie an, in ihrem Wagen zuwarten, und das Paar beobachtete voller Sorge durch den Rckspiegel, wie dieBeamten den Fall errterten.

    Dann sah Billy, wie die beiden Polizisten via Netzwerk zu sprechen begannen.

    *

    Ihr Blutdruck ist 80 zu 30. Sie braucht Blut, sagte die Ansthesistin.Der orthopdische Chirurg hob den Kop, klappte das elektronische Vergrerungs-glas vor seinen Augen hoch und blickte au die Monitore am oberen Ende des OP-

    isches. Es war noch viel zu tun, bevor er die Wirbelsule selbst reilegen konnte.

    Jeder Knochensplitter musste sorgltig enternt und erasst werden, und eswaren viele kleine Splitter. Das Jetboot musste sehr schnell geahren sein, als esber Hlnes Rcken hinwegegte.

    Also gut. Geben Sie ihr einen halben Liter, sagte der Chirurg, wenngleich ersich absolut bewusst war, dass er damit ein neues Problem schu eines, das dieHeilungschancen r seine Patientin ernsthat gehrden konnte.

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    * * *

    Au der Autobahn A8, die von Westen nach Osten parallel zur Mittelmeerksteverlut, kommt man in der Urlaubszeit uerst langsam voran. Nur au einigen

    wenigen Abschnitten wird der Verkehr von vernetzten Computersystemengesteuert, und ein groer eil der Autobahn zieht sich durch belebte Badeorte.Bei ihrer Schtzung der Fahrzeit hatten VA Sophie und Speedy bereits einbe-rechnet, dass dies der langsamste eil der Reise werden wrde alle gespeicher-ten historischen Verkehrsdaten lieen darau schlieen, dass sie allein r diesenStreckenabschnitt wohl zwei Stunden brauchen wrden.Aber nun rasten sie mit mehr als 100 Stundenkilometern au der A8 dahin! Sie

    olgten dem Polizeiwagen, der sie in der Nhe von Aix-en-Provence gestoppthatte und ihr Audi wurde whrend der Fahrt computergesteuert.

    Die Polizeibeamten hatten Sophies Geschichte bei der Notallaunahme desHpital Sait-Rch berprt. Und nachdem sie Sophies Erklrungen besttigtgeunden und die Genehmigung ihrer Zentrale eingeholt hatten, erklrten siedem Paar, dass sie sie den ganzen Weg eskortieren wrden bis zum Kran-

    kenhaus in Nizza. Au den computergesteuerten Abschnitten der Autobahnverwendeten die Beamten spezielle Codes, mit denen sich die Polizei ber dasVerkehrsmanagement hinwegsetzen und au reien Strecken bis zu 180 Stunden-kilometer ahren konnte.

    Doch hier war der Verkehr dicht. Mit Blaulicht und Sirene scheuchten diePolizisten die langsameren Fahrzeuge aus dem Weg, wie ein Bauer seine

    Hhner auseinandertreibt, und Speedy war an das Kontrollsystem des Polizei-autos angeschlossen worden, um sicherzustellen, dass Billys Audi stets genauzwei Meter hinter dem Polizeiauto blieb der Anweisung entsprechend. Anmanchen Stellen war die Autobahn so dicht, dass das Polizeiauto und BillysAudi au die Gegenahrbahn ausweichen mussten, um am stehenden Verkehr

    vorbeizukommen.Als sie sich Antibes nherten, wo au der A8 normalerweise am meisten Verkehr

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    herrscht, zeigte Billy au ein Autobahnkreuz. Ein rtlicher Polizist hielt den Ver-kehr au, bis sie vorbei waren! Dann merkten sie, dass an jedem Autobahnkreuz,das sie passierten, Polizisten den Verkehr stoppten. Sie erhielten sozusagen einePrsidenten-Eskorte bis zu ihrem Ziel.

    16 Kilometer bis Nizza, kndigte VA Sophie an, whrend sich Speedy daraukonzentrierte, exakt zwei Meter hinter der rckwrtigen Stostange des Polizei-autos zu bleiben.

    * * *

    Ihre emperatur steigt, sagte die Ansthesistin. Fast 40.

    Wie hoch ist der Blutdruck? ragte der Chirurg, ohne den Blick vom Rckender Patientin abzuwenden.Hat sich etwas verbessert. 85 zu 42.

    Der Chirurg richtete sich au, und eine Schwester wischte ihm den Schweivon der Stirn. rotz der Klimaanlage im Operationssaal schienen die Chirurgenbei der Arbeit immer stark zu schwitzen. Es war ein Symptom ihrer intensiven

    Konzentration.Ich will ihr kein Blut mehr geben, wies der Arzt die leitende OP-Schwesteran. Wir mssen versuchen, ohne Blut auszukommen. Machen Sie mit der Salz-lsung weiter.Das eleon des Operationssaals klingelte. Die Oberschwester hob den sterili-sierten Hrer ab.Ihre ochter ist da, sagte die Schwester zu ihren Kollegen. Sie nehmen ihr

    jetzt Blut ab. Aber sie mssen es erst noch verarbeiten.Der Chirurg schttelte den Kop. Er wusste, dass es eine halbe Stunde dauern

    wrde, eine Blutprobe au Inektionen zu pren und das Blut dann zusterilisieren.Sagen Sie ihnen, sie sollen das bleiben lassen, beahl er. Ich mchte esunverzglich hier haben.

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    * * *

    Billy war in einen kahlen Warteraum geschickt worden, der mit vier Sthlen,einem isch und einem alten Snackautomaten ausgestattet war. Er sa am isch

    und kaute an einem Schokoriegel, den er sich aus dem arg mitgenommenen Au-tomaten geholt hatte. Weder er noch Sophie hatten zu Mittag gegessen, und auder ganzen rasenden Fahrt in den Sden hatten sie nur einmal kurz angehalten,um au die oilette zu gehen. Wie bei allen wasserstobetriebenen Fahrzeugender neuen Generation mussten die Wasserstotanks von Billys Audi nur alle2000 Kilometer augeladen werden.

    Wir hatten Glck mit diesen Polizisten, sagte VA Sophie in seinem Ohr. IhreEskorte muss uns mehr als eine Stunde gespart haben.Billy nickte und gestattete sich ein schiees Lcheln; er begann sich tatschlichdaran zu gewhnen, VA Sophie als enge Gehrtin bei sich zu haben.Ich wrde mir ber Sophies Eiersucht keine zu groen Sorgen machen, mein-te VA Sophie, als htte sie seine Gedanken gelesen. Ich denke, es lag nur daran,dass sie solche Angst um ihre Mutter hatte.

    Billy nickte erneut. Dann blickte er au die alte Uhr an der Wand. Es war ast10 Uhr abends. Vor drei Stunden waren sie im Krankenhaus angekommen, undseit seine Freundin in aller Eile zum Blutspenden gebracht worden war, hatte ersie nicht mehr gesehen. Der Peger, der ihn in den Warteraum gehrt hatte,hatte ihm erklrt, dass die rzte Sophie vermutlich ein Bett anweisen wrden,damit sie in Bereitschat bleiben und noch mehr Blut spenden konnte, solangedie Operation andauerte.

    Wann haben sie Sophies Mutter in den OP gebracht? ragte Billy.Um circa 16 Uhr, sagte VA Sophie. Es kann nicht mehr lange dauern.Billy stand au und nete eine r, die au einen wei gestrichenen Flurhinaushrte. Im selben Augenblick kam seine Freundin um die Ecke.

    Sie ist aus dem OP, sagte Sophie atemlos, als Billy au sie zuging und sie in die

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    Arme nahm. Sie ist in Ordnung, aber es wird noch eine Weile dauern, bis siewissen, ob sie Billy hielt seine Freundin an den Armen von sich weg und sah ihr ragend insGesicht.

    Ob sie gelhmt ist, brachte Sophie den schweren Satz zu Ende. Pltzlich hobsie die Hand an die Stirn, und er hlte, wie sie zu taumeln begann.Billy hrte sie vorsichtig in den Warteraum und hal ihr au einen Stuhl.Sie haben mir mehr als einen Liter Blut abgenommen, erklrte Sophie. Sie

    wollten, dass ich mich noch eine Stunde ausruhe, aber ich hatte mein Handynicht dabei, um dir sagen zu knnen, was los ist. Ich glaube, ich habe es im Autogelassen.

    Billy wusste, dass sie ihr altes eleon nicht dabei hatte er hatte mehrmals ver-sucht, sie au dem Gert anzuruen.Ich hol dir was zu essen, sagte Billy und durchquerte das Zimmer. Das Cahat schon zu, also gibt es nur Chips oder Schokoriegel.

    * * *

    Billy Becker hielt seine ID-Karte ans Schloss der Wohnungstr und stie sie au.Es war Freitagabend, das Ende einer langen Woche. 14 age waren vergangen,seit Sophie und er ihre verzweielte Fahrt in den Sden unternommen hatten und soeben hatte er einen Anru von Hlne bekommen, die sich von ganzemHerzen bei ihm bedankte. Sie war aus dem Krankenhaus entlassen worden unddie ersten Schritte ohne Hile gegangen.Sophie? rie Billy und reichte Paul, dem Butler-Bot, seinen Rucksack. Wo

    bist du?Sie wei schon, dass du kommst, sagte die andere Sophie in seinem Innenohr.Billy hatte angeruen, als er das Studio verlie.

    In diesem Moment erschien die echte Sophie in der Kchentr. Sie hatte ihrlanges blondes Haar hochgesteckt, trug den rosa rainingsanzug, den sie in der

    Wohnung gerne anhatte, und hielt zwei Glser Champagner in der Hand. Billy

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    el au, dass auch sie jetzt eine ausgesprochen schicke Netzwerkbrille trug.olle Neuigkeiten von Maman, sagte sie mit einem breiten Lcheln, als sieber den Holzboden au Billy zuging. Sie kann wieder gehen!Noch immer die zwei Glser in der Hand, hob sie den Kop r einen Kuss. Billy

    nahm ihr Gesicht in beide Hnde und ksste sie langsam und mit wachsendemEier. Sophie machte sich lchelnd los, um Atem zu holen. Dann reichte sie ihmeines der Glser.Au Maman sie wird dich anruen. Um dir r alles zu danken, was du getanhast.Billy stie mit seiner Freundin an. Sie hat schon angeruen, sagte er. Wie sieaussieht und sich anhrt, ist sie wieder ganz die alte.

    Sie nippten am Champagner. Dann drehte Sophie den Kop zur Seite und blick-te zu ihrem coolen Freund au. Seine lichtsensitive Brille war ebenalls sehr mo-disch.Ich mchte dir jemanden vorstellen, Billy, sagte sie und rckte ihre neue Brillezurecht. Heute habe ich im ech-Center vorbeigeschaut. Ich habe mein Systemaktualisiert und mein neuer VA ist viel hilreicher und persnlicher als meinaltes System.

    Sophie wandte ihr schnes Gesicht zur Seite, sodass Billy einen kleinen Dia-manten in ihrem Ohr sehen konnte.Sehr hbsch, sagte Billy und blickte au ihr Ohr und die weiche Haut ihres Na-

    ckens. Aber ich kann keinen Unterschied zu deinen alten Ohrringen erkennen.

    Das sollst du auch nicht, sagte die virtuelle Sophie in seinem Innenohr, leichtgenervt von Billys Begrisstutzigkeit. Gib ihr einen Kuss dorthin.Billy tat wie beohlen, und die echte Sophie schlang ihren reien Arm um seinen

    Hals, um ihn erneut au die Lippen zu kssen. Er sprte, wie sich ihr weicherKrper warm gegen den seinen schmiegte, und pltzlich hlte er eine Welle derLust in sich austeigen.

    Ich habe meinen neuen VA Billy genannt, sagte Sophie und trat mit einemLcheln zurck. Mchtest du ihn begren?

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    Weitere Inormationen zuRobotik und Intelligentem Sensoren

    http://www.youtube.com/watch?v=Vq08egobDCI

    http://personalrobotics.intel-research.net/videos.php

    http://www.youtube.com/watch?v=c2sro8CrB0g

    http://www.seattle.intel-research.net/robotics/

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    Te Drp

    As dem Eglische v Alexadra Baisch

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    Scarlett Tmas___

    Abgehngt

    Heute Morgen lag mein biologisches Alter bei 28.Es ist nach n, und ich jogge die Uerpromenade entlang. Zu meiner Linkentauchen die Vergngungshallen blinkend au, zu meiner Rechten das Meer, da-rber Schlieren von pink- und grauarbenem Himmel. Ich halte ein gleich blei-

    bendes empo von neinhalb Minutenkilometern und laut meinem GSRcxstehe ich emotional kein bisschen unter Stress, was in Anbetracht der atsache,dass ich heute schon meinen Job wegen eines Salats hingeschmissen habe, an ein

    Wunder grenzt. Meine Herzrequenz liegt wahrscheinlich bei circa 70 Schlgenpro Minute, doch das wei ich nicht ich achte nie darau. Meine Herzrequenzmacht mich nur nervs. Ich will nur ber mein empo, mein Stresslevel und dieStrecke, die ich zurckgelegt habe, inormiert werden. Au die Anzeige der Lut-

    qualitt schaue ich auch nicht gern. Am Meer ist die Lut bestimmt gut, dazukommen die ganzen Verbesserungen im Netz, und auerdem will ich mich nicht

    verrckt machen, sollte dem nicht so sein. Ich hre Portishead.

    Der rmelkanal gleicht einer Badewanne voll Wasser, das herumschwappt, alswechselte sich eine ganze Familie stndig darin ab. Mein GSRcx inormiert michdarber, dass der Wind mit einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern

    aus Sd-Sd-Ost aurischt und ich spre, wie er mich vorantreibt, ich laueschneller als neinhalb Minutenkilometer. Au der Strae, die am Kai entlang-hrt, ahren Autos vorbei. Alle Autos sind jetzt ebenalls im Netz. Den Leutenscheint das zu geallen. Es bedeutet, dass die meisten Autos in der Stadt imMoment blau sind. Das eine rote und die zwei grauen Autos sind gerade oen-sichtlich dabei, die Stadt zu verlassen. Ich rage mich, wo sie wohl hinahren.Mein Bruder Danny sieht sich liebend gerne die beschleunigte Satellitenansicht

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    der Autos mit ihren kaleidoskopischen Mustern im Netz an. Er wrde sich dasdie ganze Zeit ansehen, msste er nicht auch Mindex III trainieren. Er sagt,man knne im Netz ganz besondere Dinge sehen, verrt aber nicht, was das rDinge sind. Es ist tatschlich au seltsame Weise schn, trotzdem habe ich es mir

    nie sehr lange angesehen.

    Ich komme am Ende des Kais an und mache kehrt. Soort werde ich langsamer.Starker Gegenwind hat die gleichen Auswirkungen au mein empo wie einBerg, obwohl mir der Wind immer noch lieber ist. Das hngt vielleicht auchdamit zusammen, dass ich es gewhnt bin, au Meeresspiegelhhe zu leben. Ichbin nicht die Einzige, die kmpt. Au dem Meer sitzen vier Mnner in einem

    Rennboot mit dem Rcken zum Wind und rudern hart. Es sieht so aus, alswrden nur zwei von ihnen die ganze Arbeit machen. Keine Ahnung, warumdie beiden anderen nicht mitrudern. Ich habe die Regeln beim Rudern noch nie

    verstanden. Momentan ist Flut, sind sie also nahe genug, dass ich ihre Mimikgerade so erkennen kann. Ich wei nicht, ob ich lcheln soll oder nicht, also seheich weg. Andere Luer lchele ich r gewhnlich an. Ich mache weiter. DasBoot auch. Die beiden Mnner mhen sich immer noch ab. Ich sehe, wie einer

    der beiden mir wieder einen Blick zuwirt. Er hat dunkle Locken und trgt eingrnes Shirt. Ich laue weiter.

    Nach einem halben Kilometer llt mir etwas au. Ich bin etwa genau so schnellwie das Boot. Es ist immer noch au gleicher Hhe. Der dunkelhaarige Mannwirt mir einen Blick zu, und ich sehe ihn kurz an. Wieder ein Blick, dann nocheiner, und ohne irgendetwas gesagt oder getan zu haben, wird mir klar, dass

    wir jetzt ein Wettrennen veranstalten. Ist das air? Keine Ahnung. Zwei gegeneinen ist nicht air. Aber die beiden mssen gegen die Strmung und gegen den

    Wind antreten. Ich habe nur den Wind gegen mich. Ich erhhe mein empo.Meinen leicht ramponierten alten iPod Shufe habe ich so programmiert, dasser die Songs passend zu meiner Schrittlnge auswhlt. Jetzt nimmt er Blur. MeinStresslevel nimmt etwas zu und ich spre, dass mein Herzschlag schneller wird.Eigentlich lcherlich, wenn ich versuche, ein Wettrennen gegen ein Boot zu

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    lauen, das von zwei Mnnern gerudert wird. Und vielleicht ist es ja auch garkein Wettrennen. Vielleicht habe ich die Blicke alsch verstanden. Kann es nichtsein, dass hier einach nur eine Joggerin und ein Boot im dunkler werdendenAbend unterwegs sind, und einer von beiden dann zuerst am Pier ankommt, und

    weiter nichts?

    Ich will aber als Erste am Pier ankommen.Das kann man schaen, wenn man nicht zu rh durchstartet. Wenn siemerken, dass ich mit ihnen um die Wette laue, also so richtig um die Wettelaue, und dass ich die Fhrung bernommen habe, knnten sie zu sehr an Fahrtauholen. Es ist besser, wenn sie denken, dass ich mich abmhe, um mit ihnen

    Schritt zu halten. Auerdem sollte das ein leichtes Lautraining werden und ichwre verrckt, wrde ich mich auspowern. In weniger als einer Woche ndet derZwanzig-Kilometer-Lau an der Uerpromenade statt, und ich reduziere geradeden rainingsumang, wie mein neues Buch mir rt. rotzdem blicke ich immer

    wieder zu den Mnnern hinber, wie sie auch immer wieder zu mir herber-sehen, und dann beschleunigen sie und ich auch, um mit ihnen mitzuhalten, unddann lchelt der yp mit den lockigen Haaren und sagt etwas zu seinem Freund

    und zeigt au mich. Sie legen noch einen Zahn zu. Ich ziehe mit. Als der Piernoch etwa 200 Meter enternt ist, hnge ich sie ab und lege einen Endspurt hin.Ich stelle est, dass ich sie ein ordentliches Stck hinter mir zurckgelassen habe.

    Wahrscheinlich hatten sie sich doch nicht au das Wettrennen eingelassen. Ichverlangsame mein empo, laue weiter und tue so, als ob ich gerade nur einenkurzen Sprint oder etwas in der Art hingelegt htte. Dann piepst mein GSRcx.

    Was, doch nicht schon jetzt ein weiterer Kilometer? Nein. Eine Nachricht. Du

    hast gewonnen. Lust au eine Revanche irgendwann? Teo.

    Als ich nach Hause komme, sieht alles ast so aus wie immer, aber eben nurast. Mum sitzt wie immer au dem Hometrainer und isst Schmalzgebck. Gabist au ihrer anzmatte, und Danny versucht seine Schaumstokugel durch einLabyrinth zu dirigieren, das ich noch nie zuvor gesehen habe. Dad ist anschei-nend gerade dabei, einen weiteren virtuellen Berg zu besteigen. Aber irgend-

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    etwas stimmt nicht. Zum einen hat heute keiner die apete ausgetauscht. Es istimmer noch dieselbe Nachmittagsstimmung am Mittelmeer, die wir schon ges-tern hatten. Und alle anderen Bildschirme sind ausgeschaltet. Nicht einmal dieFamilie akahashi lut bei irgendwem au der Box, soweit ich das sehen kann.

    Das ist ziemlich komisch. Sogar ich mchte wissen, ob Aki Bunko abschleppenwird und ob Mrs. akahashi ein weiteres Kilo abgenommen hat.Hallo Liebes, sagt meine Mutter. Wo bist du gewesen.Sie wei, wo ich war. Sie nennt mich nie Liebes. Und sie hat jedes Wort genaugleich betont, wie ein altes Satellitennavigationssystem.Gab schaut zu einer Zimmerecke hoch und sagt: Meine Schwester Agnes, diegerade von ihrem tglichen Lautraining zurckkommt, mit dem sie buchstb-

    lich NULL Energie r den Haushalt generiert.Ich sehe Danny an. Seine Kugel hrt au zu schweben und llt hinter eine roteSchaumstoplatte.Wir wurden angeklickt, so gegen zwei. Seitdem hatten wir nundzwanzigAurue. Etwa zwanzig sind immer noch bei uns drin.Im Ernst? Sie sind jetzt noch bei uns drin?Ich hole mein Handtuch und reibe mir damit das Gesicht ab.

    Gab sagt in die Zimmerecke: Meine Schwester Agnes ist zweiunddreiig, abersie wohnt immer noch zuhause. Das ist wirklich tragisch, meine Damen undHerren. Sie hatte genau EINEN Freund in ihrem GESAMEN Leben, undnachdem er Schluss gemacht hat, hat sie beschlossen, niemals wieder zu liebenund deshalb verbringt sie jetzt ihre gesamte Freizeit ALLEIN, stampt ber denAsphalt und baut ABSOSSENDE Muskeln au Gabriele, unterbricht meine Mutter langsam und laut. Du weit, dass das

    nicht stimmt. Agnes ist eine junge Frau mit einem Abschluss in Philosophie, diesich abrackert und ihr ganzes hart verdientes Geld dar auspart, ein eigenesRestaurant zu ernen. Vielleicht stellt uns Agnes spter noch ein Rezept vor.

    Wir knnten alle lernen, wie man dieses leckere Schmalzgebck zubereitet.Sie hlt einen eller hoch wie in einer Verkaussendung, tritt aber weiter in diePedale. Schmalzgebck besteht aus Schmalz, Mehl und Wasser. Mum sagt, siesind das Geheimnis, wie man mit Stromerzeugung einen Prot erzielen kann.

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    Ich mache sie r sie, aber ich mache sie nicht gerne. Schmalz macht michwahnsinnig.Sie hoen, davon den Urlaub bezahlen zu knnen, meint Danny.Oje.

    Dad versucht so langweilig wie nur mglich zu sein, damit sie alle wiederabhauen.Ich sehe zu Dad hinber. Er olgt mit den Augen einem Pad, der genausoaussieht wie der vor zwei Minuten. Die meiste Zeit trgt er Wanderschuhe.Hat er es berhaupt bemerkt?Danny schttelt den Kop und lacht. Oh, und wir haben brigens Bade-

    wasser.

    Wer war schon drin?Gab und ich.Hast du reingepinkelt?Nein.

    Nach dem Baden gehe ich in mein Zimmer und lade meine Vitaldaten vomheutigen raining hoch. Mit meinem Endspurt liege ich knapp unter sechs

    Minutenkilometern. Das ist langsamer als das empo eines Promarathonlu-ers, aber r mich ist das in Ordnung, und auerdem hat es gereicht, um Teound seine Freunde zu schlagen. Emotional war whrend des rainings allesziemlich gut: Ich lag bei 1,5, bis ich losgespurtet bin. Aber meine Vitaldatenr den restlichen ag sind nicht so gut. Ich warte immer noch darau, dass das

    eleon klingelt und Ursula, die Besitzerin des Hotels Marshall, anrut und mirmeinen Job wieder anbietet. Ich mchte, dass sie mir mitteilt, dass Paul geeuert

    wurde oder gegangen ist und ich alleinige Chekchin bin.Heute Nachmittag hatte ich Eier gepellt, einer der schlimmsten Jobs in derKche, weil die oberste Hautschicht der Finger von der Schale zerschnitten

    wird und man am Ende so aussieht, als htte man eine schlimme Hautkrank-heit. Verrckt, dass es ausgerechnet heute passiert ist, denn eigentlich hatte ichmir vorgenommen, wirklich zu versuchen, die Dinge in der Kche einacher zugestalten. Paul und ich wussten, dass das Kchenpersonal unsere Auseinan-

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    dersetzungen nicht ertrug, weil sie stndig kndigten. Letzte Woche ist ygegangen, und jetzt haben wir ein neues Mdchen: Rachel. Auch wenn jedemklar war, dass ich immer Recht hatte (ich wollte kleinere Portionen rausschicken,

    weil immer so viel zurckkam; ich wollte Butter statt Margarine verwenden,

    und ich wollte eine richtige Suppenbrhe) und Paul immer Unrecht (er warvergammelten Kopsalat nicht weg; er streute Zucker au omaten, verwendeteabgepackte Bratensoe und schaute sich immer Live-bertragungen vonAmateur-Autorennen au dem groen Bildschirm ber dem Backoen an), hattedas alles irgendwo unterwegs an Bedeutung verloren, und wir waren die zweigeworden, die sich stndig in den Haaren lagen. Aber egal, jedenalls war ichdabei, Eier zu pellen, als er herberkam und eine Aluminiumschssel voller Salat

    vor mich hinknallte.Was zum euel ist das?h, Salat?Fang jetzt blo nicht wieder an.ue ich nicht. Ich wei wirklich nicht, worau du hinaus willst.Warum hast du den Salat angemacht, nachdem ich dir ausdrcklich beohlenhatte, es nicht zu tun?

    Wie bitte? Ausdrcklich? Beohlen? Du bist doch nicht mein Boss.Sag mir einach warum.Himmel noch mal. Du bringst mich au die Palme. Ich habe ihn nicht ange-macht. Ich wei, dass du glaubst, die Kunden wollen ades Essen. Warum sollteich also etwas so Normales tun, wie eine Salatsoe zubereiten?Rachel kam vom Abwasch herber und sagte: Ich war das. Im Blue Moonhaben wir den Salat immer angemacht.

    Da siehst dus, sagte ich. Zu diesem Zeitpunkt schlug mein Stresslevel bereitsnach oben aus wie gut geschlagene Sahne. In unserer Hotelkche wird die Sahneallerdings nie geschlagen. Wir nehmen die aus der Sprhdose.Rachel seuzte. Ich musste aber erst rausgehen und etwas Balsamico-Essigkauen, ich konnte hier keinen nden. Ich habe den Kassenbon augehoben. Siedrckte au ihrer Box herum, damit der Kassenbon angezeigt wurde.Paul rieb sich die Augen. Du hast den Kassenbon augehoben.

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    Rachel sah mich an, und ich runzelte die Stirn.Du hast den verdammten Kassenbon augehoben, wiederholte Paul.Paul, setzte ich an.Er wandte sich an Rachel. Erstens, das bezahlst du von deinem Gehalt. Und

    zweitens, du bist geeuert. Hol deine Sachen und geh.Das ist lcherlich. Du kannst niemandem rausweren, nur weil er Balsamico-Essig gekaut hat, sagte ich.Wir. Mssen. Sparen.Rachel holte bereits ihren Mantel.Wenn sie geht, dann gehe ich auch.Sie ging, und somit ging ich auch. Ich musste ziemlich lange lauen, bevor ich

    mich wieder okay hlte. Jetzt in meinem Zimmer versuche ich Teos Nachricht auzuruen, aber ichkann sie nicht nden. Ich wusste gar nicht, dass man ber das Ding Nachrichtenempangen kann, und ich sehe keine Mglichkeit, eine zurckzuschicken. Dasist doch nur eine kleine Uhr ohne Buchstabentasten, nur welche r Stop, Start und Men. Ich gehe au Men, um herauszunden, ob es irgendeine Optiongibt, die ich nicht kenne, aber ich nde keine. Ich bin davon ausgegangen, dass

    der Mann mit den Locken mir die Nachricht geschickt hat, aber er ist gerudert.Es htte jeder der Mnner sein knnen. Vielleicht habe ich es mir auch nur ein-gebildet. Schlielich ist jetzt keine Nachricht mehr da.

    Frher sahen die Hallen an der Uerpromenade aus, als wren sie aus geschmol-zenen Gummibrchen hergestellt: leuchtendes Gelb, Pink, Blau und Rot. Jetzthaben sie die Farben der staubigen, biologischen Sigkeiten, die ich au meinen

    langen rainingsluen esse: Lavendel, Aquamarin, Eierschale und Meergrn.Schuld daran sind die Glhbirnen: Es sind keine Neonlampen mehr, aber darhalten sie im Gegensatz zu Neonlampen tausend Jahre, bevor sie ausgewechselt

    werden mssen. Ganz schn gewagt von diesem Unternehmen, sich so etwasauszusuchen. Es sah immer danach aus, als wrde das Unternehmen womglichnicht einmal den nchsten Monat berleben, ganz zu schweigen vom nchs-ten Millennium. Hier gibt es keine apete und auch kein erkennbares Layout.

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    In einer Ecke steht der isch r die MD&D-Spiele, direkt daneben lehnt einaltes Karussellperd und dann olgt eine komplett willkrliche Auswahl von Ar-cade-Automaten aus der gesamten Geschichte der Spielhallen, die die Wndemehr oder weniger auskleiden. George, der Besitzer, steht den ganzen Abend in

    einer kleinen Kabine und stapelt Wechselgeld au, whrend er sich die Familieakahashi anschaut. Jeder schaut die Familie akahashi. Sie haben tglich soum die nzig Millionen Aurue. Vor ein paar Jahren sind sie davon so reichgeworden, dass sie direkt vor okio ein Schloss bauen lieen. Den Leuten gelltihr Leben im Schloss sogar noch mehr als das zuvor in ihrer Wohnung, weilsie sich jetzt immer darber streiten, wer den Champagner vergossen hat, undauerdem kauen sie sich stndig sehr teure Welpen.

    Soweit ich das beurteilen kann, kommt hier niemand her, bis au Danny undseine Freunde und ein paar ltere Jugendliche, die hin und wieder ihr Air-Hockey-Spiel am Pier stehen lassen und ihre Freundinnen mitbringen, um die

    anzsimulationen auszuprobieren. Und dann gibt es da noch den Krbismann.Er trgt das ganze Jahr ber einen Krbis mit sich herum. Keiner wei, warum.Im August ist der alte Krbis immer vllig verschrumpelt, und wenn die Saison

    wieder losgeht, holt er sich einen neuen. Er geht immer nur in den Skisimulator.

    Dort ist er ast die ganze Zeit, und sein Krbis liegt oben au der Maschine,whrend seine Beine sich vor und zurck bewegen. Ich glaube, George lsst ihnumsonst spielen, weil die Maschine an einem Stromgenerator hngt. Zwischenzwei nzen gehen die Mdchen manchmal zum Krbismann hinber und

    versuchen, sich mit ihm zu unterhalten. Einmal haben sie seinen Krbis gestoh-len, aber Jerry vom Pier hat dar gesorgt, dass sie ihn wieder zurckbringen.Danny dar nur dann zur Uerpromenade, wenn ich mit ihm dorthin gehe, aber

    das dren seine Freunde nicht wissen, und auch die anderen nicht. Ich muss alsoso tun, als wre ich schtig nach dem billigsten Spiel und msste es jeden Abendmindestens eine Stunde spielen, ohne Blickkontakt mit Danny auzunehmen.Manic Mechanic ist ein ZX Spectrum Spiel aus den Achtzigern. Anang 2000hat George eine Arcade-Version davon au dem Flohmarkt erstanden. Fr zehnCents bekommt man n Spiele, was r mich gerade so in Ordnung ist. Diezehn Cent-Stcke dar sammle ich in einem Glas in meinem Zimmer und das

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    obwohl mir klar ist, dass Danny bald alt genug sein wird, allein herzukommenund ich dann nie wieder Manic Mechanic spielen werde.Danny und seine Freunde rhren die Arcade-Spiele nicht an. Sie spielenMD&D-Spiele: Das ist ihre Bestimmung im Leben, auch wenn ich denke,

    dass Danny es eigentlich vorzieht, zuhause in aller Ruhe den Autos im Netzzuzusehen. Der MD&D-isch ist ein bisschen wie die alten AD&D-ische,mit dem einen Unterschied, dass sie einen Bildschirm im Zentrum haben. Undstatt mit Wreln zu spielen, kmpt man, mit Hile von seinen Gedanken. DieDarstellungen sind etwas ltlich, aber darum geht es gar nicht. Wenn es zueinem Kamp kommt, dann erscheinen die Charaktere au dem Bildschirm und

    whlen abwechselnd aus, was sie tun wollen: jemanden verhexen, einen Zauber-

    trank verwenden, jemanden attackieren. Danny behauptet, es sei sehr schwer,diese Entscheidungen nur mit den Gedanken zu bertragen, aber durch seinstndiges ben mit Mindex III wird er darin immer besser. Factors, die Spiele-rma au der anderen Seite der Bucht, stellt gedankengesteuerte Spiele her undmanchmal kommt man an Beta-Versionen zum Ausprobieren, weil George

    jemanden kennt, der jemanden kennt. Fr die Erstellung des Originalprogrammsder Gedankenkontrolle, hat einer der Grnder von Factors mit Komapatienten

    gearbeitet. Damals gab es noch keine einachen Headsets. Die Patienten muss-ten in einen MR-Scanner gebracht werden und wurden dann beragt. Mansagte ihnen, sie sollen sich vorstellen, ennis zu spielen, wenn die Antwort ja sei,und wenn die Antwort nein sei, sollen sie nicht an ennisspielen denken. Alsman sie ragte, ob sie weiterleben wollen, stellten sich alle vor, sie wrden ennisspielen.Ash wird in letzter Zeit hug beim MD&D-Spiel gettet. Wenn das der Fall

    ist, kommt er zu mir, um zu reden, whrend irgendeiner aus seinem eam ver-sucht, eine Phnixeder zu nden, um ihn wiederzubeleben. Das scheint ihmaber ziemlich egal zu sein. Obwohl er erst zwl ist, wchst ihm schon ein kleinerOberlippenbart, und auerdem ragt er mich immer als wren wir verheiratet,

    wie mein ag war. Es ist ziemlich gut, dass er zum Reden rberkommt, dennso kann ich auhren, Manic Mechanic zu spielen, ohne dass es aullt, unddadurch etwas Geld sparen.

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    Wie war dein ag?Nicht so toll. Wie war deiner?Ich habe ein gedankengesteuertes Auto in Elektronik gebaut und es unktioniert.Also mehr oder weniger.

    Das ist ja antastisch. Nicht schlecht.Ash steckt mitten in einer langen Erklrung, wie er das bewerkstelligt hat, alsmein GSRcx piepst.Was war das? Es ist verrckt, dass er das in einer Welt, in der alles piepst, unddann auch noch in einem Raum innerhalb dieser Welt, in der immer alles piepst,bemerkt hat. Vielleicht lag es an meiner Reaktion. Das GSRcx piepst nur dann,

    wenn ich beim Lauen eine weitere vollstndige Runde abgeschlossen habe. Man

    kann es natrlich zum Beispiel auch dann piepsen lassen, wenn das Stresslevel zusehr nach oben ausschlgt, oder wenn die Lutverschmutzung zu stark wird, aberdas habe ich noch nie gemacht. Warum piepst es also jetzt?Das hier, sage ich zu Ash und wedle mit meinem Handgelenk vor ihmherum.Aha, und was ist das r ein eil?Es ist zum Lauen. Es gibt mir mein empo durch und so.

    Es sagt dir, wie schnell du lust?Genau.Macht das nicht schon deine Box? Meine macht so etwas.Kann schon sein. Aber meine wiegt 300 Gramm und ich msste sie mir an denArm binden. Da ist mir das lieber. Mit keinem Wort erwhne ich die Anzeiger elektrodermale Aktivitt, die mir mitteilt, wie entspannt ich bin, wenn ichlaue. Ach, egal, ich habe einach gern mehrere Apparate, die unterschiedliche

    Dinge tun knnen. Das erinnert mich an meine Kindheit.Verstehe, aber das, worum es bei der Box geht ist, alles in einem zu haben.Da sollte man kein anderes Gert mehr bentigen. Meine hat einen analogenLautstrkeregler. Und ein Radio. Ich nde es toll, dass man sie umbauen kann,

    wie man mchte. Und ich bin mir sicher, sie knnte auch alles das machen, wasdeine Uhr macht.Schon mglich. Ich habe brigens auch noch einen iPod Shufe, ge ich

  • 8/8/2019 ber Morgen

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    grinsend hinzu.Ash schttelt den Kop. Dir ist einach nicht mehr zu helen.Wo du gerade von Hile sprichst hast du eine Ahnung, wie man eineNachricht damit verschicken kann? Wieder wedle ich mit meinem Handgelenk

    vor ihm herum.Mit einer Uhr?Ja.h, das versuchst du gar nicht erst, du verschickst es stattdessen mit deiner Box,

    wie jeder normale Mensch.Ich seuze. Was, wenn du keine Box hast, oder ich suche nach etwasPassenderem. Oder was, wenn deine Box ins Meer geallen ist? Wre es theore-

    tisch mglich, auch mit so einem eil eine Nachricht zu verschicken?Ash runzelt die Stirn. Keine Ahnung, lass mal sehen.Die nchsten dreiig Sekunden verbringt er damit, in unterschiedlicher Abolgeau die Knpe zu drcken.Hier steht, dass jemand, der sich Teo nennt, in Reichweite sein muss. Deshalbhat es gepiepst. Wer ist das? Dein rainingspartner oder so was in der Art? Ach,dar ist das also, ja? Es verbindet dich mit anderen Luern, die in der Nhe

    sind?Ich spre, wie mein Stresslevel au ungehr 3,8 ansteigt.Ich glaube ja. Ich habe aber nie verstanden, was in Reichweite tatschlichbedeutet.Ash zuckt mit den Schultern. Wahrscheinlich so was um die hundert Meteroder so.Er drckt au weiter au den Knpen herum und murmelt dabei leise vor sich

    hin. Aha, okay. Er muss das also au dich bertragen haben und d