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Uber Pseudoatome und isostere Verbindungenl). Vergleichende Studien rnit Benzol, Thiophen und Furan von H. Erlenmeyer und Martin Leo. (31. X. 33.) (111. Mitteilung)?). In einer fruheren Arbeit wurde gemeinsam mit E. Beyger. iiber ein gleichartiges VerhaIten von Derivaten des Benzols, des Thio- phens3) und des E'urans4) bei immunologischen Versuchen berichtet. Dieser Befund erganzte nur die zahlreich vorhandenen Angaben iiber die ausserordentliche Ahnlichkeit, die Verbindungen des Benzols, tles Thiophens und z. T. auch des Furans in den Wirkungen zeigen5). duch rein chemisch lassen diese Stoffe ein sehr Bhnliches Verhalten bei den verschiedensten Reaktionen und Substitutionen erkennen6). Es liegt hier also ein fur die Brage nach den Beziehungen von Wirkung und Struktur ausserordentlich interessantes Beispiel vor, indem sich in zahlreichen Versuchen eine iihnliche Wirkungsweise bzw. ein Bhnliches Verhalten bei diesen Verbindungen feststellen lasst, wohin- gegen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, welche Ubereinstimmung in physikalischen Konstanten oder in tier Struktur die Ahnlichkeit clieser Stoffe betlingt. . Wahrend in den meisten, diesen Zusammenhangen gewitlmeten Untersuchungen Verbindungen mit einer deutlichen Strukturver- waridtschsf t auf ihre Wirkung hin gepriift wurden, besteht hier (lie Moglichkeit, von struktnrfremden Molekeln mit ahnlichen Wir- ltungen ausgehend, Erfahrungen zu sammeln iiber den Charakter, den eine strukturelle Verwandtschaft besitzen muss, damit die Molekel ahnliche Wirkungen zeigen. Um weiteres Material fiir eine solche Diskussion in der Gruype Eenzol, Thiophen, Furan beizubringen, schien es uns noch interessant, tlzls Verhalten dieser Stoffe als Losungsmittel zu vergleichen, ins- hesondere die katalytische Wirkung, die sie 21s solche auf die Rea'k- tionsgeschwindigkeit chemischer Umsetzungen ausiiben. Eine solche Untersuchung bedeutete einmal fiir diese Gruppe die Moglichkeit l) Die Untersuchungen wurden mit Mitteln ausgefuhrt, die der ilktnai92in~~-~'olz/~Is Sez!,kuwelz zur Verfiigung stellte. Wir niochten auch an dieser Stelle der Fonds-Iiom- mission unsern aufrichtigsten Dank fur diese Untervtutzung aussprechen. 2, 11. Mitteilung. Helv. 16, 897 (1933). 3, Helv. 16, 733 (1933). ') Unveroffentlichte Versuche. :) Zusammenstellung loc. cit. S. 73i. ") I,'. Ilcilstein, Htmdbuch der organischen Chemie, 3. Aufl., 3. Band, S. i37 (18Di).

Über Pseudoatome und isostere Verbindungen. Vergleichende Studien mit Benzol, Thiophen und Furan

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Uber Pseudoatome und isostere Verbindungenl).

Vergleichende Studien rnit Benzol, Thiophen und Furan von H. Erlenmeyer und Martin Leo.

(31. X. 33.)

(111. Mitteilung)?).

I n einer fruheren Arbeit wurde gemeinsam mit E. Beyger. iiber ein gleichartiges VerhaIten von Derivaten des Benzols, des Thio- phens3) und des E'urans4) bei immunologischen Versuchen berichtet. Dieser Befund erganzte nur die zahlreich vorhandenen Angaben iiber die ausserordentliche Ahnlichkeit, die Verbindungen des Benzols, tles Thiophens und z. T. auch des Furans in den Wirkungen zeigen5). duch rein chemisch lassen diese Stoffe ein sehr Bhnliches Verhalten bei den verschiedensten Reaktionen und Substitutionen erkennen6). Es liegt hier also ein fur die Brage nach den Beziehungen von Wirkung und Struktur ausserordentlich interessantes Beispiel vor, indem sich in zahlreichen Versuchen eine iihnliche Wirkungsweise bzw. ein Bhnliches Verhalten bei diesen Verbindungen feststellen lasst, wohin- gegen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, welche Ubereinstimmung in physikalischen Konstanten oder in tier Struktur die Ahnlichkeit clieser Stoffe betlingt. .

Wahrend in den meisten, diesen Zusammenhangen gewitlmeten Untersuchungen Verbindungen mit einer deutlichen Strukturver- waridtschsf t auf ihre Wirkung hin gepriift wurden, besteht hier (lie Moglichkeit, von struktnrfremden Molekeln mit ahnlichen Wir- ltungen ausgehend, Erfahrungen zu sammeln iiber den Charakter, den eine strukturelle Verwandtschaft besitzen muss, damit die Molekel ahnliche Wirkungen zeigen.

Um weiteres Material fiir eine solche Diskussion in der Gruype Eenzol, Thiophen, Furan beizubringen, schien es uns noch interessant, tlzls Verhalten dieser Stoffe als Losungsmittel zu vergleichen, ins- hesondere die katalytische Wirkung, die sie 21s solche auf die Rea'k- tionsgeschwindigkeit chemischer Umsetzungen ausiiben. Eine solche Untersuchung bedeutete einmal fiir diese Gruppe die Moglichkeit

l ) Die Untersuchungen wurden mit Mitteln ausgefuhrt, die der i l k t n a i 9 2 i n ~ ~ - ~ ' o l z / ~ I s Sez!,kuwelz zur Verfiigung stellte. Wir niochten auch an dieser Stelle der Fonds-Iiom- mission unsern aufrichtigsten Dank fur diese Untervtutzung aussprechen.

2, 11. Mitteilung. Helv. 16, 897 (1933). 3, Helv. 16, 733 (1933). ') Unveroffentlichte Versuche. :) Zusammenstellung loc. cit. S. 73i. ") I,'. Ilcilstein, Htmdbuch der organischen Chemie, 3. Aufl., 3. Band, S. i 3 7 (18Di).

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cines quantitativen Vergleichs einer IVirkung gegenuber den bis- herigen, mehr qualitativen Feststellungen, und ergab zuni anderen Material, um in der besonderen Frage der Abhangigkeit der kata- lytischen Eigenschaften eines Losungsmittels von bestimmten physi- kalischen Konstanten die .rorhandenen theoretischen Vors tellungen zii priifen.

Dieser Prage nach Zusammenhangen zwischen dem Bau cler Molekel und der katalytischen Wirkung als Losungsmittel s h d schon zahlreiche Arbeiten gewidmet worden. I n letzter Zeit hat insbeson- dere H . G. Grimml) systematische Untersuchungen iiber diesen Gegen- stand ausgefiihrt. Er benutzt bei seinen Versuchen als chemische Umsetzung die zuerst von iUenschut7cin in diesem Zusammenhang verwandte Additionsreaktion :

Um eine Vergleichsmoglichkeit rnit den Ergebnissen von Grimin zu haben, fiihrten wir unsere Versuche rnit Thiophen und Furan mit der gleichen Reaktion in einer ahnlichen Anordnung aus.

Aquivalente Mengen von Athyljodid und von Triathylamin2) in dem Losungsmittel werden getrennt in das ), gewinkelte Ver- suchsrohrchen eingefiihrt, das Versuclisrohrchen vorsichtig zuge- schmolzen und das Game bis zum Versuchsbeginn unter starker Kuhlung aufbewahrt. Zum Versuch wnrden die Rohrchen in eineni Thermostaten auf die pwiinschte Versuchstemperatur gebracht und alsdann die Liisungen durch Schiitteln vereinigt. Nach der gegehenen Zeit wurde die Reaktion durch Kiihlen unterbrochen un(1 der Inhalt des Rohrchens rnit Hexan untl Wasser hehandelt. Wir haben dann ohne weitere Trennungsoperation die Konzentration der entstandenen Jodionen potentiometrisch hestimmt. Wir priiften unsere Versuchsanordnungen rnit Benzollosungen untl erhielten hierbei Werte, die rnit den von iTIenschtct7cin gefiindenen ausgczeichnet iibereinstimmen. \Vie H . Euf3) in seiner Arbeit bemerkt, hat er mit einem besonders gereinigten Benzol etwas abweichende Werte erhalten, die bei dem hohen Reinheitsgrad des benutzten Eenzols ah giiltig angesehen werden miissen.

1. Versuche rnit Thiophen . I n der ersteii Versuchsserie rrurde das synthetische Thiophen von Kahlbaum nochnials durch Destillation gereinigt. Das erhaltene Produkt zeigte :

n,, - 1,5287')

C,H,. J + (C2H,):,S = (C2H,),S. J

s0,0 -

l) H . G. G'riwm, H . Ruf und H . W o l f / , Z. physikal. Ch. [B.] 13, 301 (1931); vgI. Diss. H. Ruf, Wiirzhurg 1931. Dart, auch iiltere Literatur.

$) Es wurden reine Praparate von Iinhlbarinz Terwendet und durch Destillation iin Vakuum gereinigt.

3, I I . Ruf. 1. c. S. 20 und S. 18. 4, C. Ziiiopa g ih t an ~'4:" = 1,5283, A. 248, 214 (1888).

1383 - - Spater ergab sich gelegentlich einer optischen IjTntersuchungl), class dieses Thiophen schon bei 3500 A E beginnt zu absorbieren, wahrend fiir reines Thiophen in der Literatur 2730 A E als Beginn der Absorp- tion angegeben werden. Wir reinigten daher das Thiophen nochmals iiber die Quecksilberscetatverbindung und erhielten daraufhin ein Praparat, das die geforderten Absorptionsverhaltnisse zeigte. Wir fanden n:,' = 1,5984. Wie die Versuche zeigen, hat diese weitere Reinigung nur einen geringen Einfluss suf die gefundenen Werte der Reaktionsgeschwindigkeit.

I n der folgenden Tabelle I bedeutet CL die Anfangskonzentrzltion, z die Menge des gebildeten (C,H,),N J und t die Beitdauer des Ver- suches in Minuten.

Tabelle I. Fur das Handelsthiophen entspricht a : 0,2842 Mol/L bzw. 56,83 cm3 0,02-n. AgXO,,.

70° 70° 70°

Fur das Reinthiophen ent:

60 90

150

0,1766 0,01033 0,2615 0,01022 0,4320 0,01013

50° ~ 60 50° ~ 90 50" ~ 150 50° 1 60

- Handehthiophen

1 ,

87O I 90 85O , 150

0,1647

&ht u : 0,2892 &fol/L bzw. 56,93 em3 0 ,024~ ,

0,00948 , Reinthiophen

:m3 0,02.n &NO,

.

8,53 11,78 17,14 8,05

0,0664 0,0942

333 4,90 7,41 3,14

0,00390 Handehthiophen 0,00368

21,36 28,72

0,1499 0,00352 0,0582 I 0,00332

99

Reinthiophen

0,02359 Handelsthiophen ;$2" I 0,02398 1 ,,

Aus den Werten von 7c fiir verschiedene Temperaturen liisst sich nach der Gleichung:

die Aktivierungsenergie E und nach der Gleichung : E

' + H T , In a = In X.

die Aktionskonstante cc ermitteln: Die Rechnung ergibt:

Tabelle 11. Eaiiio = 12 230 gcal xjoo = 298 000 E,o,50 = 11 150 gcal xioD = 285 OOO Eai/60 = 11 620 gcal agio = 295 000

In1 Mittel: EThioPllP,, = 11 670 gcal und aThioptlen = 292 700.

I ) Hrn. cand. phil. P. Preiswerk sind wir fur die Ausfuhrung der optischen Mes- sungen zu Dank verpfliclitet.

1384 - -

3. Versuche m i t F u r a n : Furan wurde nsch den Angsben von W. C,'. TV6Zson1) aus Brenzschleimsiiure hergestellt. Das Praparat zeigte tlirekt' nach der Destillation einen Brechungskoeffizienten von

"0 ,O n, = 1,42167 2,

Die Versuche wurden stets mit einem frisch destillierten Produkt auspefiihrt. Tsbelle I11 gibt die Ergebnisse wieder.

Tabelle 111.

700 500 700

600 600 M)O

6(J i 3,76 0,0707 0,00415

150 , 8.47 0,1751 0,00411

60 2,10 0,0441 0,00258 91 3,51 0,0658 0,00255

131 1 5,57 0,1087 0,00253

83 1 5,04 0,0973 0,00412

~ - , - -

500 150 1 3,41 0,0639 1 0,00150 I 50° 1 183 1 4,07 1 0,0772 1 0,00149

Die Werte fdr R, die Al~tivierun,Tsenergio untl ffir a, die Aktions- Itonstante in der angegebenen Weise ermittelt, betragen fiir Furan:

Tabelle IV. /<70,6,j == 10 850 gcal G(>,)" -7 100 300 h'70,.io :- 11 100 gcal G ( ( ~ ~ , , , = 0'3300 E,,,, jl) = 12 700 gcal ail,0 := 96 400

Mittclaert J;F,,r.,,, L 11 530 gcal untl aF,Ir.,I, = 98 700

Vergleicht mmn die so erhdtenen Werte mit den Angaben von H . G . Gr imm fiir Benzol, so ergibt sich folgende liSnsammenstellung (Tab. V).

Tabelle V.

Furan 11 110 000 292 500 98 700

Die Reaktion verlhuft in Thiophen bedeutend schneller als in Benzol und Furan. Es ist bemerkenswert, dass die in anderen Wir- kungen beobachtete Ahnliehkeit Benzol-Thiophen hier in der ksta- _____

A) Organic Syntheses, Saninielband I, 270 (1932). ') {'. P. ,S'n!yth und I?'.S. Il'irIZsgeh~n an n ~ ~ ) 3 0 = 1,42150. h i . SOC. 54, 3'231 (193").

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lytischen Beeinflussung der untersuchten Reaktion nicht in Erschei- nung tritt. Die Aktivierungsenergie ist fiir alle drei Losungsmittel praktisch die gleiche. Die Unterschiede in den Werten von k sind rlemnach in dem zweiten, die k-Werte bestimmenden Faktor, der Aktionskonstanten u') zu suchen. Sucht man nach Zusammenhangen zwischen diesen Daten und den physikalischen Konstsnten der drei Stoffe unter besonderer Berucksichtigung der von anderen Autoren ausgesprochenen theoretischen Vorstellung, so lBsst sich einmal feststellen, dass keine Beziehungen der Reaktionsgeschwindigkeiten ( k ) zu dem Dipolmoment ( p ) der Losungsmittel (Tab. VI) gefunden werdea konnen, Beziehungen, wie sie besonders yon P. WaZden2) vermutet worden sind.

Tabelle VI.

I 1 Benzol 1 Thiophen 1 Furan 1

I I lola j l 0,63 0,71 ki:;ooX lo4 1 .57 1 102,3 I 41,3

Auch ein deutlicher Einfluss der inneren Reibung, wie er zuerst von vun t' Hoff sngenommen worden ist3), lasst sich nicht erkennen. Fur das Furan musste der Wert der inneren Reibung erst bestimmt werden . Wir f anden :

Temperatur 20,OO. Durchlaufzeitfiir Furan t = 196 Sek.4). Dichte: D Y = 0,93785). Durchlaufzeit fur Wasser f,, = 468 Sek.4). Dichte: D:" = 0,9982. Reibungskoeffizient ?/,, = 0.01016).

OF. t I ) = '/" . -- = 0,00397. u,,. to

Die Xusammenstellung der Werte ergibt folgendes Bild :

Tabelle VII.

I ) Siehe 1V. Hiickel, Theoretische Grundlagen der organischen Chenlie, Band 2, S. 230, Leipzig 1931.

2, P. TVaZden, Elektrochemie nicht-wassriger Lbsungsmittel, Leipzig 1924, S. 406. 3, vn98 t' Hoff. Vorlesungen uber theoretische und physikalische Chemie, I ,

4, Mittelwert aus mehreren Versuchen. j) C. P. ,%?aytk und W. S. Waits, Am. Soc. 54, 3231 (1932). 6, Abgerundeter Wert aus Lnndolt- Riinasteiii, Tabellen.

210ff. (1898).

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Auf Grund dieser Busammenstellungen und cler yon antleren Autoren ermittelten Ergebnisse in dieser Frsge wird man zu der Amahme gefuhrt, dass die kstslytische Wirkung der Losungsmittel in keiner Weise sich irgendeiner physikalischen Konstante dieser Stoffe zuordnen liisst.

Neben diesen Wirkungen, bei denen Thiophen und Benzol sich sehr verschieden verhalten, gib t es sber nun unzweifelhaft eine Gruppe von Wirkungen, bei denen sich eine ausgesprochenc Ver- wandtschaft der beiden Stoffe bzw. ihrer Derivate feststellen IAsst. Es sol1 im folgenden versucht werden, diese Gruppe von Wirkungen, bei welchen eine iihnlichkeit Benzol-Thiophen auftritt, gegeniiher den Wirkungen, wo diese Ahnlichkeit fehlt, zu charakterjsieren untl sie auf Struktureigentiimlichkeit der beiden Ringsysteme zuruck- zuf uhren.

Einen Weg hierzu bietet eine Zusammenstellung folgender Eigen- schaften der beiden Stoffe. Zum Vergleich fiigen wir noch womiiglich die entsprechenden Werte von Furan hinzu.

1. Grosse und Form der fliissigen Xolekel, gemessen nach Rontgenringenl) : 11

$9 5.7 5,55

2. Krystallogrsphische Dsten, gemessen bci - 170° ?) : Benzol: System orthorhombisch rc = 7,B.C b = 9,52

Thiophen: System tctragonal (c = i ,22 c = 9,51

c = f i , i + v = 551 x cnil D = 1,099

1, = 498 X lo-" ~111.' D = 1,11

Die beiden Verbindungen kiinnen sich isomorph im Krys tall-

3. Psrschor:

4. Molekularrefrslrtion :

gitter vertreten.

Benzol = L92,I Thiophen = 18 i ,4

Benzol Thiophen Furan M, . . . - - 26,l 24,3 1S,28

-5. Siedepunkte von Derivaten (Fig. l), wo B den Benzol- hzw. Thiophen-Rest bedeutet.

Verbindungen des Benzols : Verbindungen des Thiophens: - - - - o - - - - e ~ - .

l ) J . Iiutr, Z. Physik 45, 97 (192i). ') G. U n m und G. N n t t n , Atti Acc. Lincei [6] I I, 929, 1058 (1930); s. a. R. 48,

860 (1929).

320 3w 280 260 240 2w 2w IS0 160

140 120 100

c I 2a 26 2c 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 1-5 16

Fig. 1.

Insbesondere die aus der Fig. 1 sich ergebenrle i;'hereinstimmung in den Siedepunkten bei einer so grossen Zahl T-on Derit-aten ist ausserordentlich auffsllend und so21 zum Ausgangspunkt der Ujber- legungen dienen, d. h. die Analyse der Faktoren geben, die die Ahn- lichkeit bedingen. Der Siedepunkt einer Fliissigkeit kann als an- naherndes Mass der zwischen den Molekeln herrschenden Kohiisions- lrrsfte angesehen werden. Uber die Natur dieser Krafte geben neuere Untersuchungen von P. London1) Auskunft, die die Ciltere Theorie der Kohasionskrafte von Eeesom und Deb ye wesentlich erganzen. Diese London'sche Theorie wird von IV. HuckeZ2) mit fol- genden Worten gekennzeichnet :

,,Der wesentlich neue Gesichtspunkt, der sich bei der von Londm mit Hilfe der neuen Quantentheorie gegebenen Entwicklung einer Theorie der Kohasionskrafte ergibt, ist folgender: Wie bei der Einwirkung von Licht auf ein Molekid nicht nur der angen- blickliche Zustand des Molekiils massgebend ist, sondern alle Zustande mitsprechen. die das Molekul annehmen kann, so aind auch bei der Einwirkung zweier Molekule auf- einander alle moglichen Zustzinde der Molekule massgebend. '.

Dieses E'eld, in dem sich alle moglichen Zustiinde der Molekel auswirken, ist eine fur die Molekel sehr chsrakteristische Ausserung und ist fur Benzol und Thiophen, wie die Ubereinstimmung der Siedepunkte bei fast allen Derivaten zeigt, in einem seltenen Masse ahnlich. Die Untersuchungen von London lassen zudem erkennen,

l) Z. physikal. Ch. [B] I t , 222 (1930); Z. Physik 63, 243 (1930). 2, TV. Hiiekel, loc. cit., Bd. 11, S. 119.

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(lass bei den Kraften tlieses Feldes die g le ichen Grossen cler Molekcll) in Erscheinung treten wie in tler Dispersionsforme12).

Dieser Zusammenhang fiihrt zu dem Schluss, dass es (lie Ahn- lichkeit tles Feldes ist, tler bei den Molekeln Benzol untl Thiophen (lie iihnlichkeit der Hohiisionskriifte, (2. i. der Siedepnnkte, der Moldis- persion untl auch die isomorphe Vertretbarkeit im Brystallgitter entspricht .

Die Annahme einer solchen E'eldahnlichkeit dient nuch H . G. Griwim bei seiner1 umfassenden systematischen Studien nber Pseudo- ibtome auf Grund des Hydritllverschiebungssatzes, um die zwischen 3lolekeln bzw. Radikalen vorhandenen ubereinstimmungen bz-w. Gesetzmiissigkeiten in den erwiihnten Eigenschsften zusammenzu- fassen3). Rei einigen tlieser Gruppen konnte auch noch mit Hilfe von langsitmen Elektronen ( Ramsauw-Effekt ) die Ahnlichkeit des Feldes direkter verglichen werden4).

Dies& Studien legen es daher nahe, zu versuchen, rtuch Thiophen ills ein Pseudobenzol aufzufassen, d. h. zu untersuchen, wie eine -CH =CH-Gruppe des Beiizols sich ah Pseudoschwefel formulieren Iiisst. Einen Versuch in tlieser Richtung hat schon A. N~zthaz1.v~) unternommen, tler die ausseren Elektronen tler -CIF =CH-Gruppc verteilt :

.,Die Uesanitznhl der vorhandenen Elcktronen betriigt: 1 + 4 + 4 + 1 = 10. DLL jedoch 4 Elektronen innerhalb der Gruppe in Gestalt der doppeltcn I3indunq vcr- hraucht werden, so blciben fur die aussere Hulle also ebcrifalls 6 ilbrig."

Hiertlurch tritt die jihnlichkeit zum Schwefel mit ciner 3,8,6- Verteilung in Erscheinung. Noglicherweise muss nwh cler E:. HiidZschen6) Benzolformel Schwefel nur eine - CH-CH-Gruppe init insgcsamt 12 Elektronen vclrtrcten, also -- PH-C'H- in der Form ; 6 51s Pseudoschwefel gesehrieben werclen. Wichtig ist in tliesem Zusammenhang nur noch die Feststellung, tlass die, fcir tlic Dispersionsformel und die Formel der Kohiisionskriifte, wichtigc Grosse tler Resonan~spannung~) fiir S und CH-CR gleich gross ist, aber rerschieden fiir 0 ist. Die Werte betragen*) flir:

2

H G C H = 6,s V; 6 = 6 3 V; 0 = 9.1 V

I ) Tn beiden Fallen gelien hauptsachlich die Werte fur die ~bergangs\r.nhruclieinlich-

') Eine physikalische Untersuchung uber diese ZusamnienhBnge bei Benzol, Thiophen

.*) Handbuch der Physik, Bd. 24, 519 (1927). ') E. Nrtiehe, Ann. Physik [4] 81, 537 (1926); 82, 23. 912 (1927); 83, 1063 (1927);

j) Cheniie der Erde 5, 348 (1930). ') Z. Physlk 70, 204 (1931); 72, 310 (1931). 7, Tritt auf als pin Hauptwcsrt der tiber~Lngsfrequenzen. ') 1;. Ilniri, Structure des rnol&nle~, S. 69 (1925)

lieit und die Obergangsfrequenzen in die Forniel ein.

und Furan erscheint in einer spateren Arbeit von Hm. P. Prezsuerk.

[A] I, 93 (1929).

1389 - -

Hierin Igsst sich eine direkte Regriindung when, w-aruni ein Ersatz der -CH : CH-Gruppe durch Schwefel eine so feldBhnliche Molekel erzeugt, wiihrend der Ersatz der -CH : CH-Gruppe durch Sauerstoff im Furan schon zu starkeren Abweichungen fiihrt.

Zusanimenfassend liisst sich an Hand dieser Eherlegiingen fest- stellen, dass das Beispiel Benzol-Thiophen-Fnren f iir die Frege nac.11 Beziehungen zwischen Wirkungen und Struktur von besondereni Interesse ist, indem hier zwei Molekel, Benzol-Thiophen, in einer susserordentlich seltenen Weise in ihrem ,,Feld" iibereinstimmen. Eine Priifung der Wirkung dieser Stoffe bzw. ihrer Derivate fuhrt dam, eine Gruppe von Wirkungen zusammenzufassen, die im wesent- lichen durch die Feldwirknng der Molekel bedingt sind. Dieser Gruppe von Wirkungen stehen rlenn sndere Wirkungen - mie der in dieser Arbeit geprufte Einfluss als Losungsmittel - gegeniiber, bei denen man vermuten darf, dass die speziellen Verhaltnisse an bestimmten Gruppen cler Molekel von ausschlaggebender Bedeutunp sind. Ganz entsprechend wie das Feld der Kohiisionskrifte in der Wechselwirkung der Molekel mit rlem Licht den optischen Disper- sionserscheinungen entspricht, so dmf man vermuten, dass diese spezifischen Resonanzwirkungen knzelner Gruppen in cler Molekel optisch dem selektiven Ahsorptionsvermiigen entsprechen. Weitere Untersuchungen werden zu zeigen hnben, wie beim Beispiel Thiophen- Benzol die verschiedenen Wirkungen sich auf tliese beiden, vermiiteten Gruppen verteilen und wie weit diese Gruppen auch fiir andere , ,iihnliche" Molekel ihre Rerlentung haben.

Basel, Anstnlt fiir Anorganische Chemie.