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(Aus der II. Med. Klinik der Charit6 Berlin [Direktor- Prof. G. c. Be~ymann].) i)ber rot und gelb gef/irbte Reduktionsstufen des Methylenblaus. Von Dr. med. habil. ~V. Seitz, Berlin. (Eingegangen am 25. Juli 1941.) Die Hydrierung eines Redoxsystems besteht bekanntlieh nicht allein in der Aufnahme von Wasserstoff, sondern verl/tuft oft in mehreren Stufen, wobei sehrittweise Elektronen aufgenommen werden mtissen. Es gibt Redoxsysteme, bei 'denen diese mehrstufige Reduktion sehon dureh eine Farb/gnderung ~ugenf/tllig ist. So wird z.B. blau gef/irbtes Janusgriin zuerst in eine rote und dann erst in sine wei6e Stufe reduziert. Im folgenden soil auf g.ul~erlieh /~hnlieh erscheinende ]~eduktionsstufen des Methylenblaus aufmerksam gemacht werden, die im Ablauf der Reduktion ihren Platz zwisehen dem Methylenbl~u und dem weil3en Leukomethylenblau einnehmen. Sehiittelt man Methylenblau in einer alkalisehen (ab n/100) w/isserigen LSsung kurz mit ungef/thr dem gleiehen Volumen Chloroform oder Benzol, so geht das ganze Methylenblau ins Chloroform, wobei die blaue F/irbung der w/~sserigen Phase allm/~hlich verschwindet, w/thrend der Chloroform- anteil allmS~hIieh seine blau-lil~ Farbe verliert und eine intensiv rote, konstante F/J, rbung annimmt. Wenn man Methylenblau in Substanz in Chloroform 15st, so weist es eine blaue Farbe auf. Schiittelt man mit etwas Natronlauge, so tritt wieder die Verf/irbung des Methylenblaus naeh rot hin auf. Das rot gewordene im Chloroform gelSste Methylenblau 15A3t sieh bei S/£uerung wieder in die w/tsserige Phase iiberfiihren, wobei wieder prompt Blau- f/trbung erfolgt. Nun 1/tl3t sich aber auch ohne Verschiebung des Ph das rot gewordene Methylenblau ~4eder blau f/irben, wobei aber das blaue Methylenblau in Chloroform gelSst bleibt. Man braueht nur z. B. Oxydoreduktionssysteme, wie (neutralisierte) Ascorbins/iure oder Adre- nalin hinzuzufiigen und zu schiitteln, so wird d~s ,,rots" Methylenbluu wieder gebl/tut. Wenn man von vornherein Methylenblau in einer n/100 alkalisehen w/isserigell LSsung bei Anwesenheit eines Uberschusses neutralisierter Aseorbins/~ure schiittelt, so geht zwar das Methylenblau auch vollst/~ndig in das Chloroform, es behiilt abet seine blaue Farbe. Ein ~bersehu6 yon Natriumhydrosulfit f/~rbt das rote Methylenblau nach gelb bzw. weiB um.

Über rot und gelb gefärbte Reduktionsstufen des Methylenblaus

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Page 1: Über rot und gelb gefärbte Reduktionsstufen des Methylenblaus

(Aus der II. Med. Klinik der Charit6 Berlin [Direktor- Prof. G. c. Be~ymann].)

i)ber rot und gelb gef/irbte Reduktionsstufen des Methylenblaus.

Von

Dr. med. habil. ~V. Seitz, Berlin.

(Eingegangen am 25. Ju l i 1941.)

Die Hydrierung eines Redoxsystems besteht bekanntlieh nicht allein in der Aufnahme von Wasserstoff, sondern verl/tuft oft in mehreren Stufen, wobei sehrittweise Elektronen aufgenommen werden mtissen. Es gibt Redoxsysteme, bei 'denen diese mehrstufige Reduktion sehon dureh eine Farb/gnderung ~ugenf/tllig ist. So wird z .B. blau gef/irbtes Janusgriin zuerst in eine rote und dann erst in sine wei6e Stufe reduziert. I m folgenden soil auf g.ul~erlieh /~hnlieh erscheinende ]~eduktionsstufen des Methylenblaus aufmerksam gemacht werden, die im Ablauf der Reduktion ihren Platz zwisehen dem Methylenbl~u und dem weil3en Leukomethylenblau einnehmen.

Sehiittelt man Methylenblau in einer alkalisehen (ab n/100) w/isserigen LSsung kurz mit ungef/thr dem gleiehen Volumen Chloroform oder Benzol, so geht das ganze Methylenblau ins Chloroform, wobei die blaue F/irbung der w/~sserigen Phase allm/~hlich verschwindet, w/thrend der Chloroform- anteil allmS~hIieh seine blau-lil~ Farbe verliert und eine intensiv rote, konstante F/J, rbung annimmt.

Wenn man Methylenblau in Substanz in Chloroform 15st, so weist es eine blaue Farbe auf. Schiittelt man mit etwas Natronlauge, so tr i t t wieder die Verf/irbung des Methylenblaus naeh rot hin auf. Das rot gewordene im Chloroform gelSste Methylenblau 15A3t sieh bei S/£uerung wieder in die w/tsserige Phase iiberfiihren, wobei wieder prompt Blau- f/trbung erfolgt. Nun 1/tl3t sich aber auch ohne Verschiebung des Ph das rot gewordene Methylenblau ~4eder blau f/irben, wobei aber das blaue Methylenblau in Chloroform gelSst bleibt. Man braueht nur z. B. Oxydoreduktionssysteme, wie (neutralisierte) Ascorbins/iure oder Adre- nalin hinzuzufiigen und zu schiitteln, so wird d~s ,,rots" Methylenbluu wieder gebl/tut. Wenn man von vornherein Methylenblau in einer n/100 alkalisehen w/isserigell LSsung bei Anwesenheit eines Uberschusses neutralisierter Aseorbins/~ure schiittelt, so geht zwar das Methylenblau auch vollst/~ndig in das Chloroform, es behiilt abet seine blaue Farbe.

Ein ~bersehu6 yon Natriumhydrosulfit f/~rbt das rote Methylenblau nach gelb bzw. weiB um.

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Vollkommen analog wie das Methylenblau verh~lt sich das Kresyl- blauchlorid and das Kresylviolett, dessen Redoxpotential wesentlich negativer liegt. Andere basische Redoxfarbstoffe, wie das Janusgriin, gehen zwar bei leieht alkaliseher geakt ion quanti tat iv ins Chloroform hinein, weisen aber keine Farb~inderung auf.

Die untersuehten sauren Redoxfarbstoffe gehen in saurer LSsung ohne Farb~inderung ins Chloroform, aber nieht so quanti tat iv wie die basischen Farbstoffe.

Dekantiert man die weil~e w~sserige Phase und l~il3t einige Kubik- zentimeter des Chloroformanteils mit dem ,,roten" Methylenblau durch ein troekenes Filter laufen, so ist das Fil trat dunkelblau. Das Filter ist blau gef~rbt, nur die obersten Partien rosa. Bei Zusatz yon etwas Natron- lauge wird das Fil trat sofort wieder rot. Das trockene Filter hat also die w£sserige Phase mit der Natronlauge abgefangen und damit die Wiederblaufiirbung bedingt.

Es sei noch bemerkt, dab bei der Entstehung der roten Form des Methylenblaus die Anwesenheit von freiem Chlor (durch Zersetzung des Chloroforms) keine Rolle spielen kann, well auch Benzol s tat t Chloroform verwendet werden kann, aullerdem, well der Zusa tz von Chlorwasser zum Chloroform keineswegs das Methylenblau in seine rote Zustandsform iiberfiihrt.

Das ,,rote" Methylenblau liil3t sich ebenso aus einer LSsung yon Methylenblau in Methyl-, ~thyl- oder Isobuthylalkohol stabil erhalten, wenn man etwas Natronlauge (normal oder st~irker) zugibt, schiittelt und stehen 1/~13t. Aus einer w~isserigen LSsung von Methylenblau erh~ilt man die rote Zustandsform des Methylenblaus erst bei viel st~rkerer Alkalisierung (ab 4n), und zwar nicht als stabile Form, sondern in einer violetten Mischfarbe. Aul3erdem erfolgt baldige Ausf~llung (der sehwache Base Methylenblau). In w/isseriger LSsung ist also das rote Methylenblau nicht stabil zu erhalten.

Ein besonders deutliehes Beispiel fiir die versehiedenen Reduktions- stufen erh/tlt man, wenn man durch eine konzentrierte LSsung von Ascorbins~iure (Hydrochinon, Adrenalin) das in einem Alkohol gelSste Methylenblau reduziert. Fiihrt man zu dieser LSsung yon Leuko- methylenblau, die also im Uberschul3 das Reduktans enth~ilt, einige Tropfen konzentrierter Natronlauge zu, so ist die F/irbung vor allem yon der Sauerstoffwirkung abh~ngig. Sehiittelt man stark, so t r i t t die blaue Farbe des Methylenblaus auf; l~ti3t man etwas stehen, so versehwindet die blaue Farbe, um in eine rote iiberzugehen. Bei weiterem Stehen verschwindet auch die rote Farbe, es t r i t t eine weiit-gelbliche Farbe auf, die unter anaeroben Bedingungen bestehen bleibt. Schfittelt man dagegen die rote Stufe, so t r i t t wi'eder Blaufiirbung auf. Schiittelt man die weil3e Reduktionsstufe, so oxydiert der Luftsauerstoff das Leukomethylenblau

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zuerst rot und dann weiterhin blau. Bei l~ngerem Stehenlassen erfolgt allm/ihlich eine Stabilisierung auf die rote Reduktionsstufe. Wie gesagt, entsteht aus dem roten Methylenblau unter der Einwirkung von redu- zierenden Substanzen eine bald mehr gelb, bald mehr weiB gef/£rbte Reduktionsstufe des Methylenblaus. Die rein weil~e ist mehr bei neu- traler, die gelbe bei alkaliseher Reaktion zu beobachten. Daf~ es sich um zwei getrennte, im Verlauf der Reduktion hintereinander entstehende Stufen des Methylenblaus handelt, ist aus folgendem Versuch zu erkennen : Man braucht nur mit Chlorwasser (DAB. 6) eine blau gef/irbte alkoholische (Methyl-,)~thylalkohol-) LSsung yon Methylenblau so weit zu entf/~rben, dab nicht eine totale (oxydative, irreversible) Entf/irbung, sondern nur eine ann/~hernde graublaue F/£rbung entsteht. Gibt man nun tropfen- weise eine frische 1%ige NatriumhydrosulfitlSsung hinzu, so tr i t t eine intensiv gelbe Farbe auf; bei Zugabe eines grof3en ~berschusses erfolgt vollkommene Entf/~rbung. Setzt man dcm gelb gef/~rbten Ansatz Wasser oder den entspreehenden Alkohol zu, so tr i t t nur eine der Verdiinnung entspreehende Aufhellung des gelben Farbtons auf. Wenn man dagegen den mit NatriumhydrosulfitlSsung vollkommen entf/~rbten Ansatz durch Zusatz yon Alkohol wieder weitgehend in ein alkoholisches Milieu tiber- fiihrt, t r i t t eine rote oder lilarote Farbe auf. Verdfinnung mit Wasser dagegen liiBt den gleichen Ansatz farblos. Die Schwierigkeit bei der Anwendung des Oxydationsmittels Chlorwasser mit der naehfolgenden Kombinat ion eines Reduktionsmittels zur Erhaltung von Reduktions- zwischenstufen liegt darin, dab Chlorwasser das Methy]enblau durch eine irreversible Oxydation entf/irbt. Alkoholisehes Milieu schfitzt zwar das Methylenblau vor der Oxydation, mit dem stSrenden Auftreten weiterer, tieferer Oxydationsstufen ist trotz dem sofortigen Hinzuffigen der Reduk- tionsmittel zu rechnen. Die gelbe Stufe kann aber auch ohne Verwendung eines Oxydationsmittels auf andere Weise (s. unten) erreieht werden.

Der Einwand, dab die Gelbf£rbung durch ein Reaktionsprodukt des Chlorwassers mit dem Natriumhydrosulfit bedingt sei - - /~hnlich wie z. B. die Gelbf£rbung in den oben erwghnten Ans/~tzen durch die gelbe Dehydroascorbins/£ure bedingt sein kSnnte - - 1/~Bt sich dadurch entkr/~ften dab das ,,gelbe Methylenblau" auch dadurch entsteht, dab man eine alkoholische LSsung von Methylenblau mit dem gleichen Volumen Alkohol in ,,rotes Methylenblau" umwandelt und dann tagelang anaerob im Thunberg-RShrchen im Zimmer stehen 1/£f~t. Da nur Alkohol, Natron- lauge und Methylenblau im Ansatz vorhanden sind, muB diese gelb- gef/irbte Stufe durch eine Umwandlung des Methylenblaus bedingt sein. Hier entsteht die gelbe Stufe bei stark alkalischer Reaktion, in den Ans/~tzen mit Chlorwasser dagegen bei saurer Reaktion.

Das hier beschriebene ,,rote Methylenblau" l~l~t sieh also einerseits zum blauen Methylenblau oxydieren, andererseits durch Reduktions- mittel fiber eine ,,gelbe" Stufe zu Leukomethylenblau reduzieren. Diese

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beiden Formen des Methylenblaus stehen also in ihrer Reduktionsstufe zwisehen dem Methylenblau und dem ,,Methylenweil~". Nach M i c h a e l i s 1

wird das in w~sseriger LSsung vorliegende Kation des Methylenblaus erst dureh die Zufiihrung yon zwei Elektronen in das einwertige Anion iiberftihrt. Erst dann erfolgt (lurch die Aufnahme eines Protons die eigentliche Hydrierung. Es ist dabei anzunehmen, dal~ die Aufnahme des ersten Elektrons das Kation Methylenblau zum MethylenblaumolektiI, das zweite Elektron zum Methylenblauanion aufl~tdt. In w/~sseriger LSsung ist auch bei st~rkerer alkalischer Reaktion das Methylenblau- molekfil nicht existenzfi~hig (s. oben). Infolgedessen ist es verst~ndlich, dal] dieses instabile MethylenblaumoIekiil, das als Durchgangsform bei der Hydrierung des Methylenblaukations zu postulieren ist, bei Unter- suchung in w~tsserigen LSsungen bisher nieht beobachtet werden konnte. In Chloroform oder Benzol dagegen ist in leieht alkalischer, in einigen Alkoholen bei starker alkaIischer Reaktion diese erste Reduktionsstufe des Methylenblaus stabil. Die Anwendung einer alkalischen Reaktion ist notwendig, um die Dissoziation des basischen Farbstoffes zuriick- zudr£ngen, und um ihn aus der w~sserigen LSsung in Chloroform iiber- fiihren zu kSnnen. Es ist anzunehmen, da~ die rote Farbe dem Methylen- blaumolekiil entspricht, wofiir ja auch die gute Existenzf~higkeit in organischen LSsungsmitteln spricht.

Dureh Aufnahme des zv~eiten Elektrons wird das Methylenblau- molekiil zum Methylenblauamon, das der gelb gef£rbten Stufe ent- sprechen diirfte. Diese Stufe steht mit Sicherheit zwischen der roten und der weil]en Re.duktionsstufe, sie kann bei saurer und alkaliseher Reaktion erhalten werden. Allerdings gelingt die Umwandlung der roten in die gelbe Stufe nur unter der Anwendung yon reduzierenden Agentien, zum mindesten erwies sich die Anwendung eines Alkohols als notwendig, so dait nicht ausgesehlossen werden kann, dal] die Entstehung der gelben Stufe bereits etwas mit der Hydrierung im engeren Sinne, der Proton- aufnahme zu tun hat. Die weil]e Stufe entspricht dem Leukomethylen- blau, das ja dureh die Aufnahme eines Protons aus dem Methylenblau- anion, der gelb gef£rbten Stufe, wie hier angenommen wird, entsteht. Die einzelnen Stufen des Methylenblaus lieBen sich nur durch die An- wendung organischer L6sungsmittel sichtbar machen. Auf die Bedeutung des LSsungsmilieus ftir das Redoxpotential wird noch gesondert ein- gegangen 2.

Zusammenfassung. Aus einer leicht alkalischen w~sserigen LSsung l~l~t sich Methylenblau

(und andere basische l~edoxfarbstoffe) durch kurzes Schiitteln unter Rot- f~rbung in Chloroform oder Benzol fiberffihren. Dieses ,,rote Methylen- blau" l ~ t sich durch Dehydroascorbins~ure wieder in blaues Methylen- blau unter Verbleib im Chloroformanteil oxydieren, durch Reduk- tionsmittel aber in Leukomethylenblau iiberfiihren. Ebenso entsteht

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754 W. Seitz: Rot und gelb gefhrbte l~eduktionsstufen.

aus einer alkoholischen L6sung von Methylenblau bei alkalischer Reaktion die rote Reduktionsstufe des Methylenblaus, die je nach den Versuchs- bedingungen sich zur blauen Farbstufe oxydieren l£Bt oder sich fiber eine weitere gelbe Reduktionsstufe zur weil~en Leukostufe reduzieren li~Bt.

Es wird angenommen, dab diese rote Zustandsform des Methylen- blaus der ersten Reduktionsstufe des Methylenblaukations zum Leuko- methylenblau dem Methylenblaumolekfil entspricht, whhrend die gelbe, zweite Stufe nach der Aufnahme (Jines zweiten Elektrons dem Methylen- blauanion entsprgche. Erst aus dieser gelben Stufe entsteht dutch Auf- nahme eines Protons das Leukomethylenblau.

Schrif t tum. 1 Michae l i s , L . : Oxydations-Reduktionspotentiale. Berlin: Springer 1933. - -

2 Se i t z , W.: Z exper. Med. 109, 750 (1941).