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97 ober spezifische Kohlenhydrate der Blutgruppen. I1 '); Von Karl Freudenberg nnd Helmut Eichel. (Eingelsufen am 12. April 1935.) In der ersten Mitteilnng konnten wir in Uberein- stimmnng mit F. Schiff zeigen, da5 das im Harn von lndividaen der Blntgruppe A ansgeschiedene S-Merkmal ein stickstoffhaltiges Polysaccharid ist, das 9-10 Proc. N-Acetyl enthalt nnd bei der Hydrolyse Galaktose liefert. Dnrch Farbreaktionen wnrde Aminohexose wahrscheinlich gemacht. Bei der Acetylierung werden Hydroxyle ver- estert, die schonende Entacetylierung fuhrt zu der wirk- samen Snbstanz mit dem urspriinglichen Gehalt an X-Acetyl znriick. Wir tragen in dieser Abhandlung die Beschreibung des Darstellungsverfahrens nach. Unter den Produkten der Sanrehydrolyse wurde jetzt Glucosamin gefaI3t nnd als Anisal- verbindung identifiziert. Die friiher festgestellte Inakti- vierung dnrch Alkalien bernht znr Hanptsache anf der Ab- spaltnng von N-Acetyl, was durch folgenden Versnch bewiesen wird. Wenn mit warmem Alkali bis zum Verschwinden der serologischen Wirksamkeit erwiirmt und alsdann acetyliert wird, entsteht ein inaktives chloroformlosliches Acetat, aus dem die 0-Acetylgrnppen abgespalten werden konnen unter Erhaltung des wieder eingefiihrten N-Acetyls. Dieses Pro- dukt hat wieder dieselbe oder nahezn dieselbe Wirksamkeit wie vorher. Unrch Keten, das in Wasser nach bisherigen Erfah- rungen nur Aminograppen acetyliert, wird die Wirksamkeit des dnrch Alkali inaktivierten Praparates unmittelbar und sofort wiederhergestellt. %-;iihrend friiher festgestellt wurde, dall Diastasen nnd Amylasen nicht angreifen, wnrde jetzt im Verdanungsferment I) 1. Mitteilung: A. 610, 240 (1934). 3 M. Bergmsnn, F. Stern, B. 63, 437 (1930). Annslen der Chemle. BIB. Band. 7

Über spezifische Kohlenhydrate der Blutgruppen. II

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Page 1: Über spezifische Kohlenhydrate der Blutgruppen. II

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ober spezifische Kohlenhydrate der Blutgruppen. I1 ');

Von Karl Freudenberg nnd Helmut Eichel. (Eingelsufen am 12. April 1935.)

In der ersten Mitteilnng konnten wir in Uberein- stimmnng mit F. Schi f f zeigen, da5 das im Harn von lndividaen der Blntgruppe A ansgeschiedene S-Merkmal ein stickstoffhaltiges Polysaccharid ist, das 9-10 Proc. N-Acetyl enthalt nnd bei der Hydrolyse Galaktose liefert. Dnrch Farbreaktionen wnrde Aminohexose wahrscheinlich gemacht. Bei der Acetylierung werden Hydroxyle ver- estert, die schonende Entacetylierung fuhrt zu der wirk- samen Snbstanz mit dem urspriinglichen Gehalt an X-Acetyl znriick.

Wir tragen in dieser Abhandlung die Beschreibung des Darstellungsverfahrens nach. Unter den Produkten der Sanrehydrolyse wurde jetzt Glucosamin gefaI3t nnd als Anisal- verbindung identifiziert. Die friiher festgestellte Inakti- vierung dnrch Alkalien bernht znr Hanptsache anf der Ab- spaltnng von N-Acetyl, was durch folgenden Versnch bewiesen wird. Wenn mit warmem Alkali bis zum Verschwinden der serologischen Wirksamkeit erwiirmt und alsdann acetyliert wird, entsteht ein inaktives chloroformlosliches Acetat, aus dem die 0-Acetylgrnppen abgespalten werden konnen unter Erhaltung des wieder eingefiihrten N-Acetyls. Dieses Pro- dukt hat wieder dieselbe oder nahezn dieselbe Wirksamkeit wie vorher.

Unrch Keten, das in Wasser nach bisherigen Erfah- rungen nur Aminograppen acetyliert, wird die Wirksamkeit des dnrch Alkali inaktivierten Praparates unmittelbar und sofort wiederhergestellt.

%-;iihrend friiher festgestellt wurde, dall Diastasen nnd Amylasen nicht angreifen, wnrde jetzt im Verdanungsferment

I) 1. Mitteilung: A. 610, 240 (1934). 3 M. B e r g m s n n , F. Stern, B. 63, 437 (1930).

Annslen der Chemle. BIB. Band. 7

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der Weinbergschnecke ein Mittel des teilweisen Abbans nnd der volligen ZerstoruIig der Wirksamkeit gefunden. Dabei wird N-Acetyl-glucosamin abgespalten. SchlieSlich wurde ein geringer Gehalt an Uronsaure nachgewiesen.

In der A-Substanz sind somit sicher festgestellt: GaZuR- tore und N- Acetyl-ylucosarnin. Ob die Uronsaure zu derselben Substanz oder einer Beimengung gehiirt, stelit noch nicht fest. Aus der Stickstoffbilanz muD auf die Anwesenheit eines weiteren stickstoff haltigen Bausteins - wahrschein- lich rnit hijherem Stickstolfgehalt - geschlossen werden.

Aus der friiher beschriebenen ent~prechendeu Substanz aus Harn der Individuen der Blutgruppe Null wurde bei der Saurehydrolyse gleichfalls Galaktose isoliert.

Versuche. 1. UarsteZluny.

25 Liter Urin von Individuen der Gruppe A (stark) werden i. V. auf 2 Liter eingedampft. Zur Bekiimpfung der Schaumbildung wird ein Gemisch hoherer Alkohole (CIS- Gemisch der I. G.-Farbenindustrie) zugesetzt. Das Konzentrat wird mit Natronlauge neutralisiert und mit einer warmen Losung von nentralem Bleiacetat (etwa 500 g in 1 Liter Wasser) versetzt. Dae Filtrut, das iiberschiiiasiges Blei cnthalten soll, wird mit Schwefelwasseretoff in der Kiilte behandclt, '/, Stnnde zur Entfernung des Schwefelwasserstoffs erhitzt, i. V. auf 800 ccm eingeengt nnd im Riihrdialysator in Schleicher-Schiill-Hiilseu gegen Leitungs- wasscr 5 Tage dialysiert. Die Innenfliissigkcit wird i. V. auf 20 ccrn eingeengt. Bei der Dialyse wird mit Chloroform-Thymol unterschichtet und mit Toluol-Thymol uberschiehtet.

4 solcher Aufarbeitungen werden vereinigt und mit Tannin (etwa 2 g in 50 ccm Wasser) versetzt, bis im Filtrat Tannin durch Eisen- chlorid nachweisbsr wird. Die Mischung bleibt einige Stunden bci 3 O stehen. Das Filtrat wird i. V. auf 10 ccm eingeengt, mit 5 ccm 2 n- Salzsiiure und mit absolutem Alkohol versetzt, bis eine Triibung eintritt (etwa 10 ccrn); der entstsndene Niederschlag wird abgeschleudert, und die Losung in 150 ccni absoluten Alkohol eingegossen. Der jetzt entstandene Niederschlag (2-3 6) wird in 5 ccm 2 n-Salzsiiure geltist, mit Alkohol bis zur beginnenden Triibung versetzt und in uberschussigen Alkohol (50 ccm) eingegossen. Der rnit Alkohol- Ather gewaschene h'iederschlag wird in 10 ccm Wasser gelost, rnit Ammoniak neutralisiert, rnit 10 ccm Bleiacetatlosung (bei 20" ge- siittigt) vereetzt und nach einiger Zeit abgeschlrudert. Nach Zusatz einiger Tropfen verdunntcr SalzsXure wird mit Schwefelwasserstoff kalt

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gesiittigt, heiB filtriert und i.V. auf 5 ccm cingeengt, mit Alkohol bie zur Triibung versetzt, zentrifugiert und die LGsung in iiberschiissigen Alkohol eingeriihrt.

Die Ansbente an nahezu farblosem Polysaccharid be- tragt etwa 1,5 g. Wir nennen es im folgenden ,,Ro?~produkt~'. Im serologischen Test ist '/,,, y dieses Praparates unmittel- bar nachweisbar. Die weitere Reinigang hat bisher zu keiner entscheidenden Erhohnng der Wirksamkeit gefuhrt. Kleine Unterschiede sind wegen der geringen Qenanigkeit des Testes nicht wahrnehmbar.

Es empfiehlt sich, die bisher angefallenen alkoholischen Mutter- laugen in die niichste Urin-aufarbeitung zuriickzugeben, wlihrend die bei den folgenden Operationen gewonnenen Waschfliissigkeiten zu- sammen rnit den Dialysaten eingeengt und dcr Tanninfallung unter- worfen werden.

Das Rohprodukt enthalt 5-10 Proc. Asche, die auf 3-4 Proc. herabgedruckt wird dnrch 2 -malige Fallnng rnit Alkohol aus verdunnter Salzsaure (einmal 2 n , einmal 5 n) und einmalige Fallung aus Wasser. Uie Ansbente betragt etwa 1 g. In diesem Zustande diente das Poly- saccharid fur die folgenden Versuche. Es wird ,,Rein- produkt I" genannt.

Durch Dialyse gegen starke Kollodiummembran wird der Asche- gehalt auf 1,5 Proc. geseukt; nachfolgende Elektrodialyse driickt ihn unter 1 Proc. herab. Auf aschcfreie Substanz bezogen, werden gefnnden

45,5 Proc. C, 5,9 Proc. H, 5,4 Proc. N 9,5 Proc. Acetyl. DaB es sich tatsiichlich um Acetylgruppen handelt , wurde

dadurch bewiesen, da8 die durch Alkali abgespaltene iiberdestillierte Siiure bei erneuter Bestimmung nach dem Chromsiiure -Verfahren I)

denselben Wert ergab.

2. Glucosamin. 1 g Rohprodukt wurde in 15 ccm 20-proc. Salzsaure gelost und darin 6 Stunden anf 100, erhitzt; danach wurde rnit 10 ccm Wasser verdunnt und rnit Tier- kohle aufgekocht. Das Fil trat lieferte bei der Konzen- tration i. V. Krystalle. Sie wurden abgetrennt, in wenig Wasser gelost und rnit 30 ccm Alkohol bei 3 O zur Ab- scheidnng gebracht (190-220 mg). Zur Reinigung wnrde

R. K u h n u. H. R o t h , B. 66, 1274 (1933). 7*

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100 Freudenberg und Eichel ,

das schwach gelbe Krystallpulver in heil3em 70-proc. Alkohol gelost (Tierkohle), and nach Zugabe von wenig konzen- trierter Salzsaure der Krystallisation uberlassen.

5,170mg Subst.: 0,299 ccm N, (22O. 744mm). - 5,015mg Subst: 3,235 mg AgC1. C,Hl,O,N.HC1 Ber. IS 6,50 C1 16,45 Gef. N 6,55 Cl 15,96.

Mutarotation in 8-proc. wiiBriger Liisung ([a]&,).

Minuten . . . . . . 0 60 90 960 1020 Priiparat aus Harn . . 91,5 81,4 72,5

Vergleichepriiparat . . 94,s 76,5 72,O. ,l 2, ,, . . 88 75 70,2

Die Anisnl- verbindunyl) zersetzte sich bei 164-170° (Praparate ans Harn), 161-170° (Praparate aus Glucos- amin); die Mischproben ergaben keine Depression.

1 g Substanz wird in 40 ccm kalt gesattigter Bariumhydroxydlosnng 6 Stunden im siedenden Wasserbad erhitzt. Znnlichst wurde das iiberschussige Barium rnit Kohlensiinre bei 50° gefallt und der Rest rnit Schwefelsaure entfernt. Das Produkt war serologisch unwirksam. Der Acetylgehalt der einge- trockneten Masse (durch Verseifen mit methylalkoholischer Natronlauge nach R. K n h n nnd H. Ro th2) bestimmt) war von etwa 10 Proc. auf 5 Proc. gesunken. Ein Teil des Praparats wurde nach dem friiher beschriebenen Verfahren acetyliert und in der iiblichen Weise in Chloroformlosung rnit Natriummethylat entacetyliert. Der Acetylgehalt betrug jetzt etwa 13 Proc., die Wrksamkeit war nahezu vollstandig znrii ckgekehrt.

Ein anderer Teil wnrde in waBriger Losung 10 Minuten rnit Keten behandelt. Die Wirksamkeit war vollstiindig wiedergekehrt.

\Venn die A - Substanz rnit n- Salzsaure hydrolysiert wird, so ist nach 3 Stunden das Maximum der Reduktions-

3. B a s Perhalten der Acetylgruppen.

l) IIergestellt nach M, Bergmann u. L. Zervas, B. 64, 975 (1931); (is, 1201 (1932).

2, B. 66, 1274 (1933). Die Bestilnmung rnit Chromsiiure fiihrt zu etwas hoheren Werten. Demnach sind andere CCH,-Gruppea anwesend.

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kraft erreicht. Auf Glucose berechnet, ergeben sich etwa 50 Proc. freier Zucker. Wenn jedoch vorher m i t Alkali oder Baryt bis zur Inaktivierung erwarmt und dann mit SLure hydrolysiert wird, erreicht der Gehalt an freiem Zucker nur etwa 30 Proc. Demnach beruht die Wirkung des Alkalis nicht nur auf einer Absyaltung von Acetyl- gruppen. Diese Feststellung wird bestatigt durch folgende Beobachtung. Wenn das durch Baryt inaktivierte Material nach Entfernung des Bariums in einen alkoholl6slichen nnd unloslichen Tail zerlegt wird, so enthalt der weniger los- liche Teil fast kein durch Natronlauge abspaltbares Acetyl, wLhrend der losliche Teil etwa den urspriinglichen Gehalt aufweist una wesentlich reicher an Stickstoff ist (8,7 Proc.).

Das aus Magen, Darm und Leber der Weinbergschnecke nach P. K a r r e r und A. Hofmannl ) bereitete Verdauungsferment wurde in Collodiumhulsen dialysiert. Der Gehalt an reduzierenden Substanzen war minimal und wurde bestimmt.

Die Losung von A-Substanz wurde mit Fermentlosung versetzt und auf p,4 angesluert. Nach 2 Tagen (360) war die serologische Rirksamkeit auf 5 Proc. gesunken, nach 10 Tagen war sie fast vollig verschwunden. Die Reduk- tionskraft betrug soviel, als wenn aus dem Polysaccharid 25 Proc. Glucose abgespalten waren. Bei langerem Stehen vermehrt sich der reduzierende Zucker nicht.

I n der Reaktionsflussigkeit ist durch Farbreaktion (F. Z u c k e r k a n d l und L. Mess ine r -Klebe rmaSZ) Acetyl- glucosamin nachweisbar.

Furfurdbildung. Bei der Destillation nach Tol len s 3,

(erst 5-stiindige Hydrolyse, d a m wiederholte Destillation mit 12-proc. Salzslure) werden aus 600 mg Substanz 17 mg Phloroglucid erhalten = 3 Proc. Pentosan oder 9 Proc. Uronsaurelacton. Dieselben Werte erhalt man bei dem

4. Schnechenferment.

1) Diseertstion A. Hofmann, Univeraitiit Ziirich 1929. *) Bio. Z. 236, 19 (1931). s, Nach A. W. v. d. Haar , Nachweis, Trennnng und Beatimmung

der Monosaccharide und Aldonaliuren, Berlin 1920, S. 63.

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102 Preudenberg und Jacobi,

Mikroverfahren nach G. E. Yo un g b u r g '). Das Furfurol entstammt ganz oder zum Teil anwesender Uronsaure, denn die Farbreaktion auf Urons&ure nach B. T o l l e n s z ) ist positiv.

Ober Schardingers Dextrine aus Stiirke; von Karl Preudenberg und Kichard Jacobi8).

(Eingelanfen am 12. April 1935.)

Als in den Jahren um 1922 der erste Angriff auf die Polysaccharide erfolgte - der zweite fand etwa 6 Jalire spater statt -, versprach man sich vie1 AufschluS von den krystallinen Dextrinen, die F. S c h a r d i n g e r 1903 beim Bbbaa der Starke m i t Bacillus macerans entdeckt hatte4f. I n diesen Sacchariden schienen Uepolymerisationsprodukte der StLrke vorzaliegen, und sie schienen ihrerseits weiterer Depolymerisation bis zum Biose- nnd Trioseanhydrid f lh ig zu sein K). Diess nachtraglichen Depolymerisationsvorgange sind teils von P. K a r r e r 6), teils von A. Miekeley') be- stritten worden. Wir bestatigen ihre Kritik vollauf. Die von H. P r i n g s h e i m eingefiihrte Nomenklatur eriibrigt sich daher.

S c h a r d i n g e r h a t ein leichter losliches Dextrin gefunden, das er a-Dextrin, und ein schwerer losliches, das er F-Dex- trin nannte. Dam hat e r unter der Bezeichnung ,,SchlammK ein noch schwerer losliches Produkt beschrieben, das jedoch,

l) J. biol. Chem. 73, 599 (1927). 9 Vorlhfige Mitteilnng: Z. Ang. 47, 675 (1934). Von den An-

gaben der Tabelle stammen die Drehwerte in 50-proc. Schwefelsaure am MeSreihen der Herren W. Rapp u. G. B l o m q v i s t , die Molekular- gewichtsbestimmungen nach dem Dialysierverfabren(nach Brintzinger) von Frl. L. Ewald.

') H. 66, 114 (1908).

9 Z. f. d. Unters. d. Nahr.- u. GenuSmittel El, 874 (1903). 5, H. Pringsheim, Polysaccharide, 3. Anfl., Berlin 1931. 9 P. Karrer, Polymere Kohlenhydrate, Leipzig 1925. 3 B. 63, 1957 (1930); 66, 69 (1932).