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CH E M I E - IN GENIE U R -TECH N I K ZeitschriR fur technische Chemie, Verfahrenstechnik und Apparatewesen 28. Jahrgmg Nr. 11 Seite 689 - 752 November 1956 Uber technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher TemperatuP) Von Prof. Dr. W. FlJCHS und Dr. F. GLASER Aus dem Chemisch-technischen Institut der Technischen Hochschule Aachen An Hand einer neuen Synthese von Benzonitril durch Umsetzung von Anilin mit Kohlenoxyd wird gezeigt, wie man in der modernen chemischen Technologie eine chemische Reoktion von ihren ersten Anfangen bis zur Projektierung eines geeigneten Reaktors entwickeln konn, indem man die Reaktion als chemisch- technisches Verfahren auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen zuruckfuhrt, wie sie durch Thermo- dynamik, Kinetik und Quantenmechanik gegeben sind. Die Resultate der theoretischen Arbeit konnen nach ihrer Bestatigung im Loboratoriumsversuch durch dimensionale Analyse fur die Zwecke einer tech- nischen Reaktionsfuhrung extropoliert werden. Vorgeschichte und Grundreaktion (Unit process, U. P.) der Synthese Die Voraussetzungen der neuen Synthese liegen in Arbeiten uber die Herstellung von Cyanwasserstoff aus K o h l e n o x y d und A m m o n i a k , eine Aufgabe, mit der man sich in Wissenschaft und Technik schon seit mehr als einem Jahrhundert befafit*). Vor 25 Jahren studierten wir die Synthese des Cyanwasserstoffs, wobei wir einen besonderen Katalysator entwickelten und durch Anwen- dung eines Uberschusses an Kohlenoxyd gunstige Aus- beuten erzielten. Der Katalysator war ein nach besonderen Erfahrungen uber die Zwischenstufe des Bohmits erhalte- nes pAluminiumoxyd2).Statt der Gleichung NH, + CO 2 HCN + H,O NH, f 2CO + HCN f CO, + H, (1) (2) I verwendeten Fuchs und Verbeek') die Gleichung wobei CO bis zum lOfachen UberschuD angewendet wurde. Schon damals faate ich die Idee, die Synthese durch Anwendung auf Amine zu einer N i t r i 1 - S y n t h e s e auszugestalten. Die Richtigkeit der Idee konnte in einer Arbeit mit H. Heumann gezeigt werden,), wobei aus Anilin und CO geringe Mengen Benzonitril entstanden. Aber erst jetzt gelang uns die Synthese mit hohen Ausbeuten. Diese Untersudung bildet ein typisches Beispiel fur die Arbeits- weise der modernen chemischen Technologie (Chemical Engineering), welche unter Heranziehung von Thermo- dynamik, Kinetik und Quantenmechanik die Bedingungen feststellt, linter denen der technischen Reaktionsfuhrung der Erfolg gewahrleistet ist. Die neue Synthese bedeutet eine Bereicherung der Methoden zur Darstellung von Nitrilen; sie findet sich an- scheinend nicht unter den rund 100 Methoden, die im neuen Houben-WeyP) aufgefuhrt sind. Neben Benzonitril haben wir z. B. auch Tolunitril (und yon da aus auch Terephthalsaure) erhalten, ferner Dinitrile aus aliphati- schen und aromatischen Diaminen, schliealich auch Benzo- nitril und Phenol aus Diphenylamin. Die Synthese eroff- net auch den Weg zum Aufbau langerer Ketten im Sinne der Formeln: *) Vortrog auf der 31. Dechema-Jahrestagung vom 6. bis Y. Juni 1956 in Frankfurt a. M.; vgl. Bericht in dieser Ztschr. 28, SY4 [1956;1. Ausfiihrlicher Wortlaut des Vortrags in Dechema- Monographie Ed. 29, Verlag Chemie GmhH., TNeinheimlBergstr. N i t r i l s y n lhesen: C,H,. NH, 4- 2CO = C,H, ' CN + CO, + H, C,H4 : (NH,), I- 4CO = C,H,: (CN), + 2C0, -I- 2H, CH, . C,H, ' NH, + 2CO = CH, . C,H,. CN f CO, -1- H, HIN. CH, . CHp ' NH, f 4CO = = NC . CH2 * CH, . CN ZCO? 4- ZH,. Kettensynthesen: R.NH, f 2CO = R.CN -k CO, + H, R.CNfZH,=R.CH,.NH, R ' CH, ' NH, -1- 2CO = R . CH, ' CN t CO, + Hr R . CH, . CN + 2H, = R. CH, ' CH, ' NH; usw. Phyoikalische Eigenschaften der Kornponenten des Reaktionsgernisches der Benzonitril-Synthese Urn ein Bild uber die bei der Umsetzung zu erwarten- den Produkte zu erhalten, setzten wir nach einer vorlau- figen thermodynamischen Berechnung A n i 1 i n und K o h 1 e n o x y d im Verhaltnis 1 : 12 bei einer Kontakt- verweilzeit von 1 s, bei 448' C und 300 atii um. Wir erhiel- ten neben Benzonitril auch Phenol, Cyan- was s e r s t o f f und etwas D i p h e ny 1 am i n. Auf Grund dieses Ergebnisses wurden fiir die genauere Rech- nung die wichtigsten physikalischen Eigenschaften der flussigen Komponenten des Reaktionsgemisches in Tab. 1 zusammenges tell t. Tabelle 1 Physikalische Eigenschaften der flussigen Reaktionsteilnnhmer Substanz I - I Anilin I Benzonitril I 1,001 1 - 12,9 1 IYO,? 1 1,526 I Phenol I 1,071 I 43,O I 181,4 1 1 , : I 1 Diphenylamin 1 1,159 1 - 54,O 302,O ~~ ~_________ Ferner ist es fur Hochdruckarbeiten wichtig, die 11 a m p f d r u c k k u r v e n der einzelnen Reaktionsteil- nehmer zu kennen. Die meisten Werte konnen aus Perrys Handbuch,) entnommen werden. Lediglich fur das Diphenyl- amin findet man in der Literatur keine Dampfdruckanga- ben uber 1 at. Da sowohl fur die praktischen Arbeiten, als auch fur die thermodynamischen Berechnungen die Cliemie-Ing.-Teclin. 20. ,Jahrq, 1956 1 NI 11 689

Über technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher Temperatur

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CH E M I E - IN GENIE U R -TECH N I K ZeitschriR fur technische Chemie, Verfahrenstechnik und Apparatewesen 28. Jahrgmg Nr. 11 Seite 689 - 752 November 1956

Uber technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher TemperatuP) Von Prof. Dr. W. FlJCHS und Dr. F. GLASER

Aus dem Chemisch-technischen Institut der Technischen Hochschule Aachen

An H a n d einer neuen Synthese von Benzonitril durch Umsetzung von Anilin mit Kohlenoxyd wird gezeigt, wie m a n i n der modernen chemischen Technologie eine chemische Reoktion von ihren ersten Anfangen bis zur Projektierung eines geeigneten Reaktors entwickeln konn, indem man die Reaktion als chemisch- technisches Verfahren auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen zuruckfuhrt, wie sie durch Thermo- dynamik, Kinetik und Quantenmechanik gegeben sind. Die Resultate der theoretischen Arbeit konnen nach ihrer Bestatigung im Loboratoriumsversuch durch dimensionale Analyse f u r die Zwecke einer tech-

nischen Reaktionsfuhrung extropoliert werden.

Vorgeschichte und Grundreaktion (Unit process, U. P.) der Synthese

Die Voraussetzungen der neuen Synthese liegen in Arbeiten uber die Herstellung von Cyanwasserstoff aus K o h l e n o x y d und A m m o n i a k , eine Aufgabe, mit der man sich in Wissenschaft und Technik schon seit mehr als einem Jahrhundert befafit*). Vor 25 Jahren studierten wir die Synthese des Cyanwasserstoffs, wobei wir einen besonderen Katalysator entwickelten und durch Anwen- dung eines Uberschusses an Kohlenoxyd gunstige Aus- beuten erzielten. Der Katalysator war ein nach besonderen Erfahrungen uber die Zwischenstufe des Bohmits erhalte- nes pAluminiumoxyd2). Statt der Gleichung

NH, + CO 2 HCN + H,O

NH, f 2 C O + HCN f CO, + H,

(1)

(2) I

verwendeten Fuchs und Verbeek') die Gleichung

wobei CO bis zum lOfachen UberschuD angewendet wurde.

Schon damals faate ich die Idee, die Synthese durch Anwendung auf Amine zu einer N i t r i 1 - S y n t h e s e auszugestalten. Die Richtigkeit der Idee konnte in einer Arbeit mit H . Heumann gezeigt werden,), wobei aus Anilin und CO geringe Mengen Benzonitril entstanden. Aber erst jetzt gelang uns die Synthese mit hohen Ausbeuten. Diese Untersudung bildet ein typisches Beispiel fur die Arbeits- weise der modernen chemischen Technologie (Chemical Engineering), welche unter Heranziehung von Thermo- dynamik, Kinetik und Quantenmechanik die Bedingungen feststellt, linter denen der technischen Reaktionsfuhrung der Erfolg gewahrleistet ist.

Die neue Synthese bedeutet eine Bereicherung der Methoden zur Darstellung von Nitrilen; sie findet sich an- scheinend nicht unter den rund 100 Methoden, die im neuen Houben-WeyP) aufgefuhrt sind. Neben Benzonitril haben wir z. B. auch Tolunitril (und yon da aus auch Terephthalsaure) erhalten, ferner Dinitrile aus aliphati- schen und aromatischen Diaminen, schliealich auch Benzo- nitril und Phenol aus Diphenylamin. Die Synthese eroff- net auch den Weg zum Aufbau langerer Ketten im Sinne der Formeln:

*) Vortrog auf der 31. Dechema-Jahrestagung vom 6. bis Y. Juni 1956 in Frankfurt a. M.; vgl. Bericht in dieser Ztschr. 28, SY4 [1956;1. Ausfiihrlicher Wortlaut des Vortrags in Dechema- Monographie Ed. 29, Verlag Chemie GmhH., TNeinheimlBergstr.

N i t r i l s y n l h e s e n : C,H,. NH, 4- 2CO = C,H, ' CN + CO, + H, C,H4 : (NH,), I- 4CO = C,H,: (CN), + 2C0, -I- 2H, CH, . C,H, ' NH, + 2CO = CH, . C,H,. CN f CO, -1 - H, HIN. CH, . CHp ' NH, f 4CO =

= NC . CH2 * CH, . CN ZCO? 4- ZH,.

K e t t e n s y n t h e s e n : R.NH, f 2CO = R . C N -k CO, + H, R . C N f Z H , = R . C H , . N H , R ' CH, ' NH, - 1 - 2CO = R . CH, ' CN t CO, + Hr R . CH, . CN + 2H, = R . CH, ' CH, ' NH; usw.

Phyoikalische Eigenschaften der Kornponenten des Reaktionsgernisches der Benzonitril-Synthese

Urn ein Bild uber die bei der Umsetzung zu erwarten- den Produkte zu erhalten, setzten wir nach einer vorlau- figen thermodynamischen Berechnung A n i 1 i n und K o h 1 e n o x y d im Verhaltnis 1 : 12 bei einer Kontakt- verweilzeit von 1 s, bei 448' C und 300 atii um. Wir erhiel- ten neben B e n z o n i t r i l auch P h e n o l , C y a n - w a s s e r s t o f f und etwas D i p h e n y 1 a m i n. Auf Grund dieses Ergebnisses wurden f i i r die genauere Rech- nung die wichtigsten physikalischen Eigenschaften der flussigen Komponenten des Reaktionsgemisches in Tab. 1 zusammenges tell t.

T a b e l l e 1 P h y s i k a l i s c h e E i g e n s c h a f t e n d e r f l u s s i g e n

R e a k t i o n s t e i l n n h m e r

Substanz I- I Anilin

I Benzonitril I 1,001 1 - 12,9 1 IYO,? 1 1,526 I Phenol I 1,071 I 43,O I 181,4 1 1,: I 1 Diphenylamin 1 1,159 1- 54,O 302,O

~~ ~ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Ferner ist es fur Hochdruckarbeiten wichtig, die 11 a m p f d r u c k k u r v e n der einzelnen Reaktionsteil- nehmer zu kennen. Die meisten Werte konnen aus Perrys Handbuch,) entnommen werden. Lediglich fur das Diphenyl- amin findet man in der Literatur keine Dampfdruckanga- ben uber 1 at. Da sowohl fur die praktischen Arbeiten, als auch fur die thermodynamischen Berechnungen die

Cliemie-Ing.-Teclin. 20. ,Jahrq, 1956 1 N I 11 689

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T a b e l l e 2

P h y s i k a l i s c h c E i g e n s c h a f t e n d e r g d s f o r rn i g e n R e a k t i o n s t e i 1 1 1 e h m e r

100

af

10

P

7 -

-

-

b

70080 40

kcal p a Formel- urnsatz

5

- r 600 60 40 20 500 ao°K60

__/ ---- -.-----

/ ----- -- ," /-

4 \

!,2.103

Bild 1. Dampfdruckkurven der wichtigsten Reaktionsteilnehmer

Kenntnis der Dampfdruckkurve unerlaRlich ist, wurde sie nach der Methode von Riedel7) berechnet, nachdem die kritische Temperatur nach der Regel von Eotvos abge- schltzt worden war. Bild 1 zeigt eine Zusammenstellung der in Frage kommenden Dampfdruckkurven.

Die physikalischen Eigenschaften der gasformigen Reaktionsteilnehmer Kohlenoxyd, Kohlendioxyd, Wasser- stoff und Cyanwasserstoff sind in Tab. 2 zusammengestellt.

Bild 2, in welchem das Produkt aus Druck und Volu- men gegen den Druck aufgetragen ist, zeigt das Verhalten des Kohlenoxyds bis zu 400 "C und 400 atu.

Bild 2. pip-Diagramm fur Kohlenoxyd

Thermodynamische Rechnungen

Fur die wichtigsten in Betracht kommenden Reaktio- nen wurde die i r n d e r u n g d e r f r e i e n E n t h a l p i e mit der Temperatur unter Benutzung der Inkrementen- methode von van Krevelen und Chermins) berechnet. In Bild 3 ist das Ergebnis dieser Rechnungen graphis& dar- gestellt; in Bild 4 sind die naturlichen Logarithmen der Gleichgewichtskonstanten gegen die reziproke Tempera- tur aufgetragen.

Vom Standpunkt der idealen Gasgesetze sollte der Druck bei konstanter Molzahl ohne EinfluR auf die Aus- beute sein. Die Komponenten des Reaktionsgemisches ge- horchen aber den idealen Gasgesetzen nicht, sondern mussen durch Fugazitatskoeffizienten gekennzeichnet werden, die nach Berechnung der reduzierten Temperatur und des reduzierten Drudres einem bekannten Diagramm entnommen werden konnen.

Unter Berucksichtigung der Fugazitatskoeffizienten yi herechnet sicb die m a x i m a l e A u s b e u t e p fur die Reaktion A + B = C f D nach:

Yc Y r ) K , = - YA

13)

(4)

B' UberschuR (1-B) (10-P) K , einer Komponente

_. Om2 *2u) + 0". CO,* H2

2 0% F= oNHo *NH, NH3 +2cO + HCN'CO, +H7 NH3 f CO + HCN+H,O CJW +H2t .== CP'+titi3

p 2 * c o e I y " y 0 _-- .. . . . .... ........ _. -

_ _ - - --

Bild 3. Freie Enthalpie der Konkurrenzreaktionen bei der Um- setzung von Anilin mit Kohlenoxyd

690 Chemie-Ing.-Techn

2R. . l ~ h n . 1956 / Nr. 11

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Em Bild 4 . In K , der Konkurrenzreaktion in Abhkgigkeit VOII 1/T

(Zeichen wie bei Bild 3)

P Bild 5. Drudtabhangigkeit der Reaktion C,H, . NH, 4 CO + C,H, . CN + H,O

(Verhaltnis C,,H,NH, : CO = 1 : 10)

50

% 40

2 2 2 30 T 2 20

10 0 700 200 a t 300

Esa P Bild 6. Drudrabhangigkeit der Reaktion C,H, . NH, + H,O & C,H,. O H + NH, (Verhaltnis C,H,NH2 : H,O = 1 : 1,5)

90 % 80

2 70 %

y 60

Q ...

T

Q 50

I I I 200 300 a t

'0° P Bild 7. Druckabhangigkeit der Reaktion 2 C,H, . NH, s+ C,H,. NH . C,H, + NH,

750°K

0 100 200 a t 300 86

187srr.8( P Bild 8. Druckabhangigkeit der Reaktion

C,H, . NH . C,H, $- CO * C6H5 ' OH + C P , CN

I I I J 200 a? 300

loo P 0

84l

L82h41hi Bild 9. Drudcabhangigkeit der maximalen Ansbeute der Reaktion

N H J + 2 C O S H C N + C 0 , + H , (Verhaltnis NH, : CO = 1 : 100)

Bild 5 zeigt die maximale Ausbeute der Reaktion

CBH,. NH, -t CO = C,H, * CN 'r H,O (6 1 bei verschiedenem Drudr mit der absoluten Temperatur als Parameter. Diese Ausbeuten lassen si& steigern, weii das entstandene Wasser mit iiberschussigem Kohlenoxyd zu Kohlendioxyd und Wasserstoff reagiert. Berechnet man aus den erhaltenen K,-Werten die Reaktionsenthalpie, so ergibt si&, daD diese im Gegensatz zur Cyanwasserstoff- Bildung negativ, die Reaktion also exotherm ist. Dieser rechnerische Befund konnte praktisch bestdtigt werden, was fur die Brauchbarkeit der Jnkrementenmethode von van Krevelen und Chermin spricht.

Bild 6 zeigt die von uns beredmete, von Patat experi- mentell behandelte Abhangigkeit der maximalen Ausbeute an P h e n o 1 aus Anilin und Wasser.

C hemle- lng . -Te&n. 20. . l ahrg . 1956 Nr. 11 69 1

Page 4: Über technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher Temperatur

Wie wir fanden, kann sich Phenol auch aus D i p h e - n y 1 a m i n bilden. Die primare Reaktion

ist in Bild 7 berechnet; bei Temperaturen unter 750°K spielt sich die Reaktion nicht mehr in der Gasphase ab. Wie man sieht, fallen die maximalen Ausbeuten mit steigen- dem Druck und fallender Temperatur. Bild 8 zeigt die Abhangigkeit der maximalen Ausbeuten an B e n z o n i t r i l und P h e n o l aus Diphenylamin und Kohlenoxyd, eine Reaktion, die wir ebenfalls erzielen konnten. - SchlieDlich zeigt Bild 9 die Verhaltnisse fur die alte Cyanwasserstoff-Synthese.

Die Tab. 3 faRt die theoretischen Ergebnisse zu einer schnellen Orientierung uber die Wirkung von Druck und Temperatur auf die Ausbeute zusammen.

2 C,H, . NH, = C,H5 . NH . C,H, 4- NH, (7)

T a b e 11 e 3. W i r k u n g v o n D r u c k u n d T e m p e r a t u r

a u f d i e m a x i m a l e A u s b e u t e

1

1

1

0

0

Reaktion

__---__ ~ ~ - - -

1

1 0 __-__-__ --__-

0 :: 2

0 1

1 1

0 0

1 0

0 0

- C,H,. NH, + CO = C,H,CN f H,O + - - -- __ ~. ~

(C&,),NH i- CO = C,H,CN 4- C,HSOH - C,H, 9 NH, f H,O = C,H,OH + NH, -

2 C,H,NH, = (C,H,),NH + NH,

NH, f 2 CO = HCN + CO, f H, -

Nach den Ergebnissen unserer thermodynamischen Untersuchung erschien es noch erforderlich, die S i - m u l t a n g l e i c h g e w i c h t e fur Anilin, Kohlenoxyd, Benzonitril, Phenol, Diphenylamin, Cyanwasserstoff, Kohlendioxyd und Wasser bei 700 und80O "K zu berechnen.

Man geht von der Matrix und ihrer Determinanten in Tab. 4 aus. Als Rang der Matrix ergibt sich funf. Die funf mit Stern bezeichneten Komponenten sind die unabhangigen Variablen, mit deren Hilfe sich Arbeitsgleichungen fur dic restlichen funf Unbekannten aufstellen lassen.

T a b e l l e 4. M a t r i x u n d D e t e r m i n a n t e d e r B e n z o n i t r i l - S y n t h e s e

T a b e l I e 5. G I e i c h g e w I c h t s k o n s t a n t e n u n d A r b e i t s g l e i c h u n g e n z u r B e r e c h n u n g

v o n G l e i c h g e w i c h t s k o n z e n t r a t i o n e n

bei 700 "K bei 800'K

K, = 0,693 0,561 Kt 3,475 . lo-.: 7,194

K , = 0.06 K , = 3,382. 1,868 . 10-4

K, = 150,O 106,l 0,05

'RoH) (RCN) = (QR) - (RNH?) - (RCN) - (ROH) K1 (CO)

(CO) (RNH,) (ROW

K, - = . - - Q - (RCN) - (CO) - (H,)

Q, = (RNH,)' + (RCN)' f 2 (R,NH) + (ROW)' Q = (RCN)' + (HCN) + (CO)' f (CO,)

Q = (ROH)' + (CO)' + 2 (COP) -I- (H20)

2 (H.J* f 2 (H,O)

Q, (NH,) t- (RNH,)' f (RCN)' f (R,NH) + (HCN)

2 0, = 3 (NH,) 4- 2 (RNH,)' + (R,NH) f (ROH)' i- (HCN) 4

Mengen von C,H, = R, C, N, 0 und H in Mol/l. Darin sind: 4,: = 0,33150 Mol/l und Q = 4,2180 Molil.

Die Losung dieser zehn Gleichungen mit zehn Unbe- kannten erzielte unser Mitarbeiter Herr Riiland durch Iteration mit Hilfe der CrQrnerschen Regel. Er gelangte zu dem in Tab. 6 dargestellten Resultat fur 700 und 800 O K .

k o n z e n t r a t i o n e n f u r 7 0 0 u n d 8 0 0 ' K T a b e 1 1 e 6. Be r e c h n e t e G 1 e i c h g e w i c h t s -

fur 700 OK:

(RCN) = (H,) =: (C0,I = 0,35124 Mol/l

(CO) = 3,515167 (RNHJ 8,246. to-' (H,O) = 495 . 10-6

(ROH) = 1,67. (IICN) = 1 , ~ . 10-4

(NH,) = 1,416. loa

(R,NH) = 1,156.10-5

fur 800 OK: (RCN) = (H,) = (CO,) = 0,35093 MOM (ROH) = 5.10-4 (RCN) = 5 . 10-4

(CO) = 3,5155 (RNH,) = 3 , 8 . 10-5 (R,NH) = 2 , 8 . 10-5

(NH,) = 6 . 10- (H20) = 1 , 9 . lo-'

Besonders anschaulich ist die graphische Darstellung der Ergebnisse der mathematischen Analyse des Simultan- gleichgewichtes, die fur die kondensierte Phase in Bild 10 wiedergegeben ist.

Unter der Voraussetzung, daR keine Cradcung statt- findet, mufiten sich also fast quantitative Ausbeuten an Benzonitril erzielen lassen. Ob sich dieses Resultat prak- tisch verwirklichen lafit, hangt von kinetischen Faktoren und vom Katalysator ab.

u R ___ -

.I, I , , I I I , , I I I , I

9982 99,& 9 i86 9d88 9490 d,92 9$9L 99.96 -10 700

m!zzxl Umsatz im Gleichgewicht Bild 10. Maximale Ausbeute an kondensierten Produkten

692 Chemie-Ing.-Te&n. 28. Jahrg. 1956 / Nr. 11

Page 5: Über technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher Temperatur

Der E i n f l u R d e s D r u c k e s auf die Reaktions- geschwindigkeit ergibt sich am besten aus der Theorie von Eyring, dessen Gleichung

+ (8)

d l n k - A V + dp RT

- - -

darauf hinweist, daR die Bildung des aktiven Zwischen- komplexes mit einer betrachtlichen Volumenabnahme ver- bunden ist. Der hohe Druck bewirkt auch, daO im Reak- tionsgemischr das nur kurze Zeit in der Reaktionszone verbleibt, die Stabilitat der Produkte erhoht und Zer- setzungen vermieden werden.

Die Deutung der Rolle des K a t a 1 y s a t o r s kann auf spezielle Auffassungen uber C h e m i s o r p t i o n gegrundet werden. Unsere Vorstellungen finden sich in folgenden Gleichungen zusammengefaBt:

R e a k t i o n s a b l a u f H H

- .. - ( < I (-1 .' I R : N : - t - A l : O : H - + ] R : N : A l : O : H - .. .. - .. H :0: H : O : .'

H H

- .. .. .. H :o:

H

- .. .. .. H : C :0:

: o : H

.. .. -

H : C :0:

: o :

.. , - .. H : C : 0 :

: o : H

- .. - R:N:-----t 1 R : C : : N : O : H

H : C H .. .. - ..

:o: O H

/ / / H - C - N -- t R - C = N - 0 - H

\ I R H

- - 1 R : C : : N : O : H __t I R : C i i N : f H : O : H - .. .. .. -

H

Verfahren und Apparatur Bild 11 zeigt ein FlieRbild unseres Verfahrens und

Bild 12 eine schematische Skizze der Apparatur, die nach unseren Planen von der Firma Friedrich Uhde GmbH., Dortmund, gebaut wurde. Die Anlage wird an anderer Stelle ausfiihrlich beschrieben") .

Von den apparativen Einzelheiten sei nur folgendes hervorgehoben:

J e nach den Versuchsbedingungen wurden zwei ver- schiedene Reaktoren verwendet. Der R e a k t o r I besteht aus den drucktragenden Elementen Wochdrudrteil), der

Anih hnk

Enkpunnung

Abscheider

meter prewr

Kreislau fpumpe

u114rw

Bild 11. Fliellbild der Nitril-Synthese

Man kann die katalytiscbe Wirkung des Aluminium- oxyds auf die Elektronenliicke am Aluminium-Atom ZU-

ruckfiihren, die einem freien Elektronenpaar eines ande- ren Atoms, hier des Stickstoff-Atoms, eine Anlagerung gestattet. Durch Chemisorption bildet sidh eine semipolare Bindung, das Aluminium-Atom wird durch Oktettbildung negativ, das Stirkstoff-Atom als Donor positiv aufgeladen. Die positive Ladung des Stickstoff-Atoms wirkt nun auf die negative Ladung des Kohlenstoff-Atoms im Kohlen- oxyd ein und bewirkt eine Anlagerung, wodurch Kohlen- stoff und Sauerstoff elektrisch neutralisiert werden, wo- bei aber die semipolare Bindung zwischen N und A1 er- halten bleibt. Erst durch die Desorption des gebildeten aromatisch substituierten Formamids wird die elektrische Neutralitat wieder hergestellt. Bevor nun Wasser abge- spalten wird, muO eine OH-Gruppe gebildet werden, wo- fur es zwei Moglichkeiten gibt, namlich die Bildung von = C - OH und die Bildung von = N - OH. Wiirde sich = C - OH bilden, so kann na& der Wasserabspaltung nur Isonitril entstehen, woraus si& zwar Nitril bilden kann, doch ware ein Rest Isonitril zu m a r t e n , der niemals ge- funden wurde. Es ist daher anzunehmen, daR sich eine = N - OH-Gruppe bildet. Das ist aber nur durch eine umgekehrte Beckmannsche Umlagerung moglich. Durch Wasserabspaltung erhalt man nun direkt Nitril.

Bild 12. Aufbau der Apparatur zur Nitril-Synthese ( shemat i sh) a Einspritzpumpe. b Dosiergefall fur Anilin, c Kreislaufpumpe, d Ulabscheider der Kreislaufpumpe, e Stromungsmesser, f Geiger- Zahler, g Sdxeiber des Geiger-Zahlers, h Kompressor, i Reak- tor, k Kuhler, 1 Abscheider, rn Sicberheitsventil, n Temperatur-

Me& und Regeleinrichtung

Kontakteinrichtung sowie der urn ihn liegenden Strah- lungsheizung. Als DruckgefaD dient ein nahtloses Hoch- druckrohr aus warmfestem Chrommolybdanstahl mit VZA- Innenauskleidung. Dieses Hochdruckrohr darf bei 450 O C mit 350 atii belastet werden. Fur die Versuche bei hoherer Temperatur wurde Reaktor I1 verwendet, der in seinem Aufbau dem Reaktor I gleicht, jedoch ein Reaktionsrohr aus austenitischem Sonderstahl ATS 6 enthalt, das bei 600°C mit 350 atii belastet werden darf.

Das am Reaktor angebrachte Thermoelement dient nicht nur der T e m p e r a t u r m e s s u n g , sondern aucb der T e m p e r a t u r r e g e 1 u n g, die automatisiert ist. Uber eine Relaisschaltung wird bei Erreichen der Solltem- peratur die Heizung abgeschaltet. Ein Taster fiihlt die Temperaturstellung des Zeigers a b und schaltet die Hei- zung bei Absinken iiber 5 "C wieder ein.

") Vgl. Dechema-Monographie Ed. 29, Verlag Chemie GmbH., Weinheim/Bergstr.

Chemie-Ing. -Te&n. 28. Jahrg. 1956 / Nr. 11

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Page 6: Über technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher Temperatur

Zur D r u c k m e s s u n g dienen insgesamt sechs Ma- nometer. Sie sind auf den einzelnen Drudcstufen des Kom- pressors, am Reaktor und im Dosierkreis angebracht.

Zur M e s s u n g der eingesetzten und zuriidcerhalte- nen G a s m e n g e n dienen zwei Trockengasuhren. AuRer- dem ist am Gasometer ein Rollensystem angebracht, das der Feststellung der jeweiligen Fiillung dient.

Zur Messung der S t r o m u n g s g e s c h w i n d i g - k e i t bedienten wir uns anfanglich der Differentialdrudc- messung rnit Hilfe einer Hochdruckringwaage. Da sich die MeReinrichtung unter den dauernd schwankenden Be- triebsbedingungen nicht bewahrt hat, entwidcelten wir fur unsere Arbeiten einen Stromungsmesser nach dem Prinzip des Rota-Meters. Statt des beim Rota-Meter iib- lichen konischen Glasrohres wurde ein IHochdruckrohr konisch ausgedreht. Dieses Hochdruckrohr enthalt einen Schwimmer (Bob) aus Acryl-Glas, in dem sich eine kleine Menge R°Co-Isotop befindet, was ermogliht, mil einem Geiger-Zahler den jeweiligen Stand des Schwim- mers festzustellen. Die Geiger-Zahleinrichtung haben wir dariiber hinaus mit einem Schreiber verbunden, so dan schon die geringste Abweichung von der gewahlten Stro- rnungsgeschwindigkeit angezeigt wird, wodurch eine sehr genaue Kontrolle des Gasdurchsatzes moglich ist. Hierfiir ist selhstverstandlich die Einhaltung eines bestimmten Eihdruckkcs erforderlich.

Analysenmethoden Die Reaktionsprodnkte Benzonitril, Phenol, Diphenyl-

amin und Cyanwasserstoff, sowie nicht umgesetztes Ani- lin wurden mit Hilfe von Extraktion und Destillation von- einander getrennt und gewogen.

Versuchsergebnisse Unsere Versuchsergebnisse zeigen wir in einer Reihe

graphischer Darstellungen. In Bild 13 ist die Ausbeute an Benzonitril und Phenol in ihrer Abhangigkeit vom Druck bei sonst konstanten Bedingungen aufgetragen. Man sieht, daR die Ausbeute an Benzonitril mit dem Drudc zunimmt, wahrend die Ausbeuten an Phenol (iibrigens auch an Diphenyl und Cyanwasserstoff) zwischen 200 und 300 atii ein Maximum durchlaufen. In Bild 14 sieht man, daR die

Y

200 a t 300 P

Ausbeute a n Benzonitril mit steigender Temperatur. wacfist, obwohl die theoretischen Ausbeuten mit der Temperatur eher fallen sollten. Wir erklaren diesen Widerspruch da- mit, daR mit steigender Temperatur die Reaktionsgeschwin- digkeit sehr ansteigt. In Bild 15 ist der EinfluB der Kon- taktverweilzeit auf die Ausbeute dargestellt. Die Ausbeu- ten steigen mit der Verweilzeit, der aber bei etwa 4 s durch beginnenden Zerfall eine Grenze gesetzt ist.

In Bild 16 ist der EinfluR des Verhaltnisses Anilin: Kohlenoxyd auf die Ausbeute gekennzeichnet. Man sieht, daD man schon bei Sfachem UberschuR sich hohen Ausbeu- ten nahert.

T d b c l l c 7. V c r s u c h s d a t c n

Gesamtdruck P Anilin-Par tialdruck Kohlenoxyd-Partialdruck Einsatzverhaltnis (Reaktor) Anilin : Kohlenoxyd Kohlenoxyd-Umlauf (300 atu, 20 "C) Durchsatz im Reaktor (300 atu, 554 "C) S Lromungsgeschwindigkeit g Kontaktverweilzeit l k Wirksame Reaktorlange I Durchmesser des Reaktors Kontak tvolumenfaktor Anilin-Durhsatz Kohlenoxyd-Durchsatz

A u s b e u t e : Benzonitril Phenol Diphenylamin Cyanwasserstoff

E n d g a s :

CO (67,3 Vol.a/o) CO, (17,6 Vol.-O/o)

H2 (15,l Vol.-O/o)

Spitzentemperatur T , Mittlere Temperatur T y

300 dtU 7,s atu

292,5 ath

1 : 40 131 l/h 418 l/h

18 cmls 2,5 s

45 cm 3.4 cm 0,294 6,7 kglh 9,05 m3/h

6,005 kg/h 0.207 kg/h 0,246 kg/h 0,097 kg/h

8,34 Nm3 1,47 Nm3 5,62 Nm3 1,25 NmS

600 ' C 554 o c

Bild 13 (links). Druckabhangigkeit der Reaktion zwischen Anilin iind Kohlenoxyd

(Verhaltnis C,H,NH, : CO = 1 : 12; Kontakt- verweilzeit fk = 2,5 s ; Stromungsgeschwindig- keit 9 = 40 cm/s; Spitzentemperatur T, 60OoC; mittlere Ternperatur Th, 448 OC: Kontakt Al,O,)

Bild 14 (rechts). Temperaturabhangigkeit der Reaktion zwischen Anilin und Kohlenoxyd

( t k = 2,5 s ; g = 40 cm/s; p = 300 atS; Kon- takt A1,0,; C,H,NH, : CO = 1 : 12)

70 Benzonitri/

rI 20 70

300 350 400 "C 450 876o.ao) mirtlere Temperatur

80 % 60 60

2 40 3 40

20 20 10 0

@F?i5zi3 Verweilzeit x - facher UberschuD an Kohlenoxyd

$ 50 % 2

4 30 2

0 2 4 6 8 10 72 76 q 5 7,a 7,s 20 2,5 3,o s 3,5

Blld 15. Abhangigkeit der Reaktion zwischen Anilin und Kohlen- oxyd von der Kontaktverweilzeit fk

Bild 16. Abhangigkeit der Reaktion ZwiSchen Anilin und Kohlen- oxyd vom Einsatzverhaltnis C,H,NH, : CO

(C&NH, : CO = 1 : 12; T, = 600 'C; Ty 448 'C: (T, = 600T; Ty = 448°C; 9 400 C ~ S ; fli = 2,5 S)

p = 300 atu)

694 Chernie-1ng.-Techn. 2 8 . Jahrg. 1956 / Nr. 11

Page 7: Über technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher Temperatur

Modellversuch fur die Projektierung In einem Modellversuch, der fur eine 8stundige Arbeits-

periode kontinuierlich gefahren wurde, ergaben sich die in der Tab. 7 zusammengestellten Daten. Die Ausbeute an Renzonitril betrug 6 kg aus 6,7 kg Anilin, also 8lV0. Um diesen Wert zu erreichen, muaten wir das Verhaltnis Anilin : Kohlenoxyd wie 1 : 40 wahlen. Bei der Wahl die- ses Verhaltnisses waren wir aber mehr als auf hohe Aus- beute darauf bedacht, durch das uberschiissige Gas die Reaktionswarme abzufiihren und so bei praktisch kon- stanter Temperatur zu arbeiten, um gefahrliche Uber- hitzungen zu vermeiden. Ausgehend von den Daten der Tab. 7 kommen wir zu einer S t o f f b i 1 a n z sowie einer W 8 r m e b i 1 a n z, die in den Tabellen 8 und 9 wieder- gegptwn sind.

Wir sehen, da8 die Stoffbilanz des Modellversuches einen Kohlenstoff-Verlust zeigt, der durch den Einflul3 der Boudouard-Reaktion hervorgerufen wird, da sich der am Kontakt ausgeschiedene Kohlenstoff der Messung entzieht. Die Verluste an Sauerstoff und Wasserstoff zeigen wohl, daR etwas Wasser entsteht, welches wir aber im prak- tischen Versuch nicht nachweisen konnten. Aus der Warmebilanz ergibt sich der W a r m e w i r k u n g s g r a d

4642

407 1 nw == = 113,8Q/o

Der E n e r g i e w i r k u n g s g r a d ist wegen des hohen Stromverbrauches sehr vie1 geringer und ergibt

Dimensionale Analyse Wir definieren die Symhole cA als Anfangskonzentra-

tion des Anilins, cE als Endkonzentration des Anilins, und eine GroRe x , welche das Konzentrationsgefalle des Ani- lins im Reaktor reprasentiert, also eine Art Reaktions- rate darstellt. Als Beispiel einer Berechnung von x be- nutzen wir die Ergebnisse von Versuchen bei 448 "C, 300 atu und einem Mischungsverhaltnis Anilin : CO = 1 : 12.

Tragt man lg cE/c.h gegen die Kontaktverweilzeit t k auf, so erhalt man Bild 17, in weldnem das Kurvenstuck zwischen 1,5 und 3 3 s durm eine Gerade beschriehen werden kann.

Mit der Methode der kleinsten Quadrate ermittelt sich die Gleichung dieser Geraden zu

(11). CE

CA lg = 0,6383 f (-0,5103 t k )

Durch Umformung dieser Gleichung erhalten WII

Ig cF, 0,6383 + (- 1,41 fk ' 1g e) (121, c.1

T a b e l l e 8. S t o f f b i l a n z f u r d i e V e r s u c h e 2 , 4, 6

Rohprodukte Endprodukte

-- Kohlenoxyd 3012

-- Phenol

3,6 Cyanwasserst.

-- --

I l l I l l 1 Fehler: I 3,4O/o I 0 , 9 / 0 1 5 ,3 /0 I 2,4O/a

T a b e l l e 9. W a r m e b i l a n z

Emgang

6,7 kg Anilin Aufheizung 2058 kcal Verdampfung 94 kcal

9,OS ma Kohlenoxyd Aufheizung 1919 kcal

4071 kcal

Kompressor (9,9 kWh) Umlaufpumpe (2,5 kWh) Einspritzpumpc (1,O kWh)

8518 kcal 2150 kcal 860 kcal

Defizit _ _ Sumrnc: 15599 kcal

Abgang

0.75 kg Anilin-Warmeaustaush

5,62 m" Kohlenoxyd-Warmeaustausch 6 00 kg Benzonitril-Wlrmeaustaus~

Kondensation

Kondensation 0 2 1 kg Phenol-Warmeaustaush

0.25 kg Diphenylamin-Wdrmeaustausch

0, l kg Cyanwasserstoff-Warmeaustaush 1.47 m3 Kohlendioxyd-Warmeaustaus-ch 1,25 m3 Wasserstoff-Warmeaustausch

Kondensation

Kondensalion

Reaktionswarme

230 kcal 78 kcal

1193 kcal 1588 kcal 526 kcal

70 kcal 5 kcal

50 kcal 6 kcal

37 kcal 433 kcal 221 kcal 205 kcal

4642 kcdl

1112 kcal Entspannungsarbeit (475 380 mkg)

5754 kcal

Defizit 9845 kcal

15599 kcal Summe

Chemie-Iny - T e c h . 20. Jahrg. 1956 / Nr. 11 695

Page 8: Über technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher Temperatur

T - u .. lil u

Aschaffungs- Produktion kosten in DM I

m - rJ

Belastung pro Belastung pro Tag in DM kg in DM

pzEi izq t , = l / g Bild 17. Abhangigkeit von Ig cE/cA von der Kontaktzeit f , = l / g

150 kg/Tag 300 kg/Tag 750 kg/Tag 0 0,4 0,8 1,2 1,s 20 24

18784.HI) Q . TAS/P

Bild 18. Dimensionslose Dars tellung cE/cA als Funktion von cA ’ TASIP fur verschiedene x l/g

und daraus

(13).

Fur diesen Fall ist also xd4* 1,41 (14).

~~~ cE ~ - 4,s5. -I,J1 tl, = 4,35 , e--l,ll / l Y

CA

Eine ahnliche Untersuchung fur den Umsatz bei 425 “C, 300 atu Druck und einem Mischungsverhaltnis Anilin : Kohlenoxyd = 1 : 12 ergab die Gleichungen

72 000,- 39,50 0,23 105 OOO,, 52,51 0,18 180 000,- gnso 0,14

x425 = 1,27 (16).

Die Reaktionsdaten von Tab. 7 und die Erfahrungen von verschiedencn anderen Versuchen wurden zur Auf- stellung eines Schemas benutzt, das wir in Tab. 10 zeigen und zur Grundlage einer dimensionalen Analyse machten.

1500 kg/Tag 300 000,- 3000 kg/Tag 1 400 000,-

T a b c l l e 10.

1F4.50 0,l I 209,so 0.06

Die Symbole sind z. T1. in Tab. 7 definiert. Aus dem Schema, Tab. 10, ergibt sich durch Matrizen- und Deter- minanten-Rechnung, daR es drei dimensionslose GroRen geben muR, welche die Reaktion quantitativ beschreiben. Die Uberlegung fiihrt auf die Ausdrucke

Wir behandeln jetzt eine G r o R a n 1 a g e fur die tag- liche Produktion von 1500 kg oder eine Jahresproduktion von 550 t. Beriicksichtigt man eine Kontaktverweilzeit von 1,5 bis 3,5 s, entscheidet man sich bei groReren Durch- satzen fur eine Kontaktverweilzeit von 2,5 s und wahlt man auf Grund von warmewirtschaftlichen Uberlegungen einen Reaktor von 250 cm Llnge, dann ergibt sich die Stromungsgeschwindigkeit zu 100 cm/s.

T a b e 1 I e 12. B e t r i e b s k o s t e n

Tagesproduktion 150 kg 300 kg 750kg 1500 kg 3000 kg

Reparaturen 3 600 7200 18000 36000 72000 l.ohne Gehalter 12 000 24 000 60 000 120 000 240 000 Verwaltungskosten 1 OM) 2 000 5 000 10 OOO 20 000 Werbung, Verkauf 1 000 3 000 10 000 20 000 40 000

Sumrne 17 600 36200 93 000 186000 372000

Belastung DM Tag 48,20 9920 254,50 SO9,- 1020,- Relastunq DM kg 0,32 0,33 0,34 0.34 0,34

Wir konnen nun mit Hilfe unserer Versuchsdaten zur Berechnung des Q u e r s c h n i t t e s d e s K o n t a k t - r a u m e s ubergehen. Wir bedienen uns dazu der Glei- h u n g

Vgas ‘ ‘R = (;GI--Vk) t

Unter der Voraussetzung, daR wir das Reaktionsgemisch vor dem Eintritt in den Kontaktraum auf die Reaktions- temperatur vorgeheizt haben, konnen wir I R = 1 setzen, also die gesamte Kontaktraumlange 1, als wirksame Lange 1 ansehen. Dann konnen wir entsprechend unserem Modell-

696 Chemie-lng.-Techn. 28. Jahrg. 1956 / Nr. 11

Page 9: Über technische Nitril-Synthesen bei hohem Druck und hoher Temperatur

versuch den Durchsatz Vgas mit 4,18 m3/h annehmen. Da wir unsere Rohstoffzufuhr in den Reaktor des besseren Wiirmeaustausches wegen durch ein mitten durch den Reaktor gefuhrtes Rohr vornehmen wollen, berechnen wir zuniichst nur den Querschnitt mit Hilfe des Kontaktvolu- menfaktors. Dann erhalten wir:

4 180 000 ,2500 100 2 (r2x .250 - 0,294 1%. 250) 3600

Daraus errechnet sich der Querschnitt r2?t = 16,5 cm2. Fur das Einleitungsrohr, das keiner Druckdifferenz aus-

gesetzt ist, genugt ein Durchmesser von 20 mm entspre- chend einem Querschnitt von 3,14 cm2. Wahlen wir seine Wandung mit 1 mm Dicke, so ist sein auRerer Querschnitt 3,80 em2. Der innere Radius unseres Rohres ist dann durch die Gleichung

r,*x = 20,3 cm2; rl = 254 cm

bestimmt, woraus sich r = 2,54 berechnet. Der innere Durchmesser des Reaktionsrohres ist also 50,8 mm, der duoere betragt 84,8 mm bei einer Wanddicke von I? mm. Die Temperatur konnen wir durch Warmeabfuhr mit Dampf steuern, der als uberhitzter Dampf den Reaktor verlaRt und zum Vorheizen des Anilins verwendet wird. Das Kohlenoxyd wird durch die abgehenden Produkte in einem Warmeaustauscher vorgeheizt. Diese Uberlegun- gen fiihren zu Bild 19.

Bild 19. Hochdruckreaktor zur Umsetzung lion Anilin mit Kohlenoxyd

fl Vorheizzonc (i Drnr. 20 mm; a. Dmr. 22 mm); b Reaktions- zone (i . Dmr. 503 mm; a~ Dmr. 84,4 mm; Lange 2500 mm);

c Dampfmantel ( i , Dmr. 90 mm; a. Dmr. 94 mm)

Das von der LJmlaufpumpe kommende Kohlenoxyd tduscht zunachst Warme mit dem Peaktionsprodukt aus, rnischt sich rnit Anilin, das mit uberhitztem Wasserdampf vorgewarmt worden ist und tritt vorgeheizt in das Ein- leitungsrohr, in dem weiterer Warmeaustausch stattfin- det. Die auf die Reaktionstemperatur erhitzten Substan- Zen treten gasfijrmig in den Kontaktraum ein, reagieren miteinander und verlassen den Reaktionsraum, um ihre Warme an eintretendes Kohlenoxyd wieder abzugeben.

Zum Anfahren der Anlage wird zunachst der untere Flansch des Reaktors gelost. Man laRt nun ein Kohlen- oxyd/Luftgemisch das Einleitungsrohr passieren und zun-

det es bei kleiner Flamme. Der Flansch wird wieder an- gebracht und das Gasgemisch so lange im Reaktor ab- gebrannt, bis 500' C erreicht sind. Bei dieser Temperatur blast man nur noch reines Kohlenoxyd ein, komprimiert und beginnt mit dem Einspritzen von Anilin. Die Reaktion springt sofort an und erwarmt den Reaktor langsam bis auf 600' C , wo sie durch Dampfsteuerung gehalten wer- den kann.

Die iibrige Apparatur kann mit den entsprechend dimensionierten Apparaten so angeordnet werden, wie es aus Bild 12 ersichtlich ist. Man kann mit Vorteil zwischen den Abscheider und die Umlaufpumpe eine Kohlen- dioxyd-Wasche einschalten, da dann die Frischgaszufuhr hodstens 1/20 des Umlaufgases ZLI sein braucht, wahrend 1/10 desselben dauernd entspannt werden miinte. Will man das Gas wieder einsetzen, so kann man es bei 80 atii Druck durch Kupfer-Lauge treiben und erhalt nach Ent- spannung der Lauge den Kohlenoxyd-Anteil zuriick. Das im Abscheider anfallende Produkt muR nach einer Dampfdestillation mit Natronlauge und Salzsaure extra- hiert werden, wobei sich samtliche Nebenprodukte ver- werten lassen.

Zusammenfassung Auf Grund von t h e r m o d y n a m i s c h e n B e -

r e c h n u n g e n und E x p e r i m e n t e n wurde bewie- sen, daR sich Anilin mit Kohlenoxyd zu Benzonitril um- setzt, wohei Phenol, Diphenylamin und Cyanwasserstoff als Nebenprodukte entstehen. Andere aromatische Amine reagieren mit Kohlenoxyd zu den entsprechenden Nitri- len, ferner Phenolen, sekundaren Aminen und Cyanwas- serstoff, wahrend aliphatishe Verbindungen, wie sich am Beispiel des Wthylendiamins ergab, mit Kohlenoxyd Nitrile (und Saureamide) geben.

Fur die Reaktion des Anilins mit Kohlenoxyd wurden durch Variation des Druckes, der Temperatur, der Kon- taktverweilzeit und des Kohlenoxyd-Uberschusses die o p t i m a 1 e n B e d i n g u n g e 11 festgestellt, wobei sich ergab, daR die Bildung von Benzonitril druck- und tempe- raturbegunstigt ist.

Die Ergehnisse werden als Grundlage fur die Planung einer G r O R a n l a g e fur den technischen Betrieb ver- wendet. Die Projektierung stiitzt sich hierbei im wesent- lichen auf die Resultate der dimensionalen Andlyse.

Am Beispiel unserer neuen Synthese des Benzonitrils d in& Umsetzung von Anilin mit Kohlenoxyd haben wir gezeigt, wie man in der modernen chemischen Techno- logie eine chemische Reaktion von ihrer ersten Konzep- tion durch die wissensdmftliche Phantasie bis zur Pro- jektierung eines geeigneten Reaktors entwickeln kann, indem man die Reaktion als chemisch-technischcs Ver- fahren auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen zuruck- fuhrt, wie sie durch Thermodynamik, Kinetik und Quan- tenmechanik gegeben sind. Die Resultate der theore- tischen Arbeit konnen nach ihrer Bestatigung im Labo- ratoriumsversuch durch dimensionale Analyse ohne wei- teres fur die Zwecke einer technischen Reaktionsfuhrung extrapoliert werden. Eingeg. 26. Juli 1956 IB 7641

Literalur

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