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Xi. Aus dem Landkrankenhause zu Cassel (Direktor Dr. Rosenblatt). J ber Veranderungen der Ganglienzellen des Riickenmarks bei der Meningitis eerebrospinalis epidemiea. Von Dr. Ludwig. (Mit 5 Abbildungen). Die vorliegende ArbeR liefer~ einen BeRrag zur pathologischen Anatomie der Genickstarre, und zwar beseh~iftigt sic sich mit den anatomisehen Vergnderungen, welche der ausgesproehenen Muskel- atrophie zugrunde liegen, die sieh im Verlauf dieses Leidens so hiiufig ausbildet. Auf diesen Muskelschwund war die Aufmerksamkeit der Arz~e des Landkrankenhauses Cassel geriehtet, seit im Jahre i894 ein Fall beobachtet wurde, der sonst niches Eigenar~iges hatte, bei dem aber tro~z der Schwere der Erkrankung das Leben ungewShnlich ]ange, n~imlieh 4 Mona~e erhalten blieb. 0ffenbar infolge dieses Zusammen- wirkens dieser beidefi Umst~nde, Schwere und lange Dauer tier Er- krankung, bildete sieh nun eine so enorme allgemeine Abmagerung mit~ so hoehgradigem Muskelsehwund aus, wie man sic selbs~ bei solehen konsumptiven Krankheiten, die, wie manche F~lle yon Careinom und Phthise, mit den schwersten Ern~hrungsstSrungen verlaufen, ganz ausnahmsweise zu sehen bekommt. Der betreffende Fall (Schl.) war in Kfirze folgender: Ein 18j~hriger Postilion erkrankte pl~tzlich mit Frieren, Sehwindel und Erbreehen; es stellten sieh dazu noch Kopfschmerzen, Schmerzen im Nacken und den 0hren ein. Am dritten Krankheitstag wurde der Patient eingeliefert. Er bot folgenden Status: Anamnestiseh waren keine Belastungszeichen zu erheben. Der krhftig gebaute ~ensch hat nur m~ssiges Fieber, keine 0deme, kein Exanthem~ keinen Herpes. Das Sensorium ist klar. Es bestehen Schmerzen ira Hinter- kopf and Nacken~ dabei ausgesprochene ~ackensteifigkeit. Lungen~ Herz, Puls o.B. Abdomen bietet ifichts Bemerkenswertes. Der Stuhl ist an- gehalten; der Urin frei. Patient erbricht 5fter. Der weitere Verlauf der Krankheit war der, dass die Naekensteifigkeit allmahlich nachliess, die Kopfschmerzen bestanden mit weehselnder Intensit~tt weiter. Das FiBber,

Über Veränderungen der Ganglienzellen des Rückenmarks bei der Meningitis cerebrospinalis epidemica

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Page 1: Über Veränderungen der Ganglienzellen des Rückenmarks bei der Meningitis cerebrospinalis epidemica

Xi.

Aus dem Landkrankenhause zu Cassel (Direktor Dr. R o s e n b l a t t ) .

J ber Veranderungen der Ganglienzellen des Riickenmarks bei der Meningitis eerebrospinalis epidemiea.

Von

Dr. Ludwig. (Mit 5 Abbildungen).

Die vorliegende ArbeR liefer~ einen BeRrag zur pathologischen Anatomie der Genickstarre, und zwar beseh~iftigt sic sich mit den anatomisehen Vergnderungen, welche der ausgesproehenen Muskel- atrophie zugrunde liegen, die sieh im Verlauf dieses Leidens so hiiufig ausbildet.

Auf diesen Muskelschwund war die Aufmerksamkeit der Arz~e des Landkrankenhauses Cassel geriehtet, seit im Jahre i894 ein Fall beobachtet wurde, der sonst niches Eigenar~iges hatte, bei dem aber tro~z der Schwere der Erkrankung das Leben ungewShnlich ]ange, n~imlieh 4 Mona~e erhalten blieb. 0ffenbar infolge dieses Zusammen- wirkens dieser beidefi Umst~nde, Schwere und lange Dauer tier Er- krankung, bildete sieh nun eine so enorme allgemeine Abmagerung mit~ so hoehgradigem Muskelsehwund aus, wie man sic selbs~ bei solehen konsumptiven Krankheiten, die, wie manche F~lle yon Careinom und Phthise, mit den schwersten Ern~hrungsstSrungen verlaufen, ganz ausnahmsweise zu sehen bekommt.

Der betreffende Fall (Schl.) war in Kfirze folgender: Ein 18j~hriger Postilion erkrankte pl~tzlich mit Frieren, Sehwindel

und Erbreehen; es stellten sieh dazu noch Kopfschmerzen, Schmerzen im Nacken und den 0hren ein. Am dritten Krankheitstag wurde der Patient eingeliefert. Er bot folgenden Status:

Anamnestiseh waren keine Belastungszeichen zu erheben. Der krhftig gebaute ~ensch hat nur m~ssiges Fieber, keine 0deme, kein Exanthem~ keinen Herpes. Das Sensorium ist klar. Es bestehen Schmerzen ira Hinter- kopf and Nacken~ dabei ausgesprochene ~ackensteifigkeit. Lungen~ Herz, Puls o.B. Abdomen bietet ifichts Bemerkenswertes. Der Stuhl ist an- gehalten; der Urin frei. Patient erbricht 5fter. Der weitere Verlauf der Krankheit war der, dass die Naekensteifigkeit allmahlich nachliess, die Kopfschmerzen bestanden mit weehselnder Intensit~tt weiter. Das FiBber,

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war yon unregelmi~ssigem Typus. Der Allgemeinzustand wurde zusehends schlechter; es bestand ausgesprochene ~r optica.

Das Sensorium war oft getrilbt. 5Yachts traten zeitweise Delirien auf. Das Erbrechen, das 14 Tage aufgehSrt hatte, stellte sich mit Ende der dritten Woche wieder ein und bestand nun mit wechselnder Hiiufig- keit bis zum Eintritt des Exitus letalis.

Der Stuhl war nut durch Einlaufe zu erzielen; der Urin enthielt zeitweilig Albumen. Der Leib war kahnfOrmig eingezogen. L~ihmungen waren nicht vorhanden gewesen. Die Patellarreflexe fehlten bald nach der Aufnahme, waren dann wieder voriibergehend auszulSsen, fehlten dann abet wieder ganz. Im Beginne der sechsten Woche stellten sieh Kr~tmpfe ein, die namentlich mit Zuekungen im Faeialisgebiet und hussehaltung des Bewusstseins einhergingen. Das Sensorium war nttr selten ganz frei. Die Herzkraft verminderte sich stark. Der Pals war zeitweilig filiform. Es trat eine derartige Abmagerung des Patienten ein, dass er nur noeh als Gerippe bezeiehnet werden konnte. In den untereh Extremitfiten bildeten sich Kontrakturen aus, die bis zu einem gewissen Grade aus- zngleichen waren. Der Exitus letalis des zum Gerippe abgemagerten Mensehen erfolgte in der 16. Woche.

Die Lumbalpunktion hatte leieht getriibte, serSse Fli]ssigkeit ergeben, aus der nur Staphylokokken geziichtet wurden.

Die Sektion ergab Folgendes: Ausserst abgemagerte Leiche. Vielfaeh Decubitus. Schi~deldaeh ohne

Befund. Diplo~ breit, Dura nieht verdiekt, iiberall glatt and gli~nzend. Die Sinus enthalten flilssiges Blut. Die Windungen des Gehirns sind

an der Konvexit~tt etwas abgep]attet; Pin zart. An der Basis sind die Maschen der Arachnoidea, an der unteren Fl~tehe des Kleinhirns, der 0b- longata, des Pons~ weniger am Chiasma mit eitrigem Exsndat geffillt~ ebenso die iNervenwurzeln an diesen Partien. Die Sylvischen Gruben .trod die Umgebung der hier verlaufenden Gef~tsse sind jedoeh vSllig frei. An keiner Stelle Kn0tchenbildung. Das Gehirn ist sonst ziemlieh derb und lest, nirgends ei~e gerderkrankung. Die Ventrikel sind recht welt und enthalten klare Fliissigkeit. Auch an der Basis sind Dura und Sinus ohne Befund. An der Medulla spinalis ist die Arachnoidea eitrig infil- triert, ziemlieh diffus vora Italsmark bis zum Filum hin. ttier und da bildet das Exsudat dicke gelbliche Lagen. Im iibrigen hochgradige Atro- phie der Haut, des Fettes, der Muskeln. Herz klein, dilnnwandig and schlaff. Lungen vollstandig gesund. Milz, ~iere, Leber ohne Befund.

Denanach stand so viel lest, dass die hochgradige Erniihrungs- st5rung der Muskulatur auf die Cerebrospinalmeningitis selbs~ zuriick- zufiihren war, dass nicht etwa eine wi~hrend des Lebens unerkennbare Komplikation als deren Ursache anzusehuldigen war. Zwar mag das zeitweilig hiiufige Erbrechen die Abmagerung mitverschuldet haben, :abet es kann sie unmSglich allein hervorgerufen haben. Die histo- logische Untersuehung tier ~erven and Muskeln zeig/~ n~imlich in den ~ersteren zweifellosen Zerfall yon Achsenzylindern and in den ]etz~eren keine einfaehe Atrophie, sondern auch ]ebhafte Regenerationsvorgttnge.

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Die noeh vorhandenen Praparate lassen auch Folgendes erkennen: Betraehten wir die Muskelpraparate bei schwaeher VergrGsserung, so

fallt vor allem der enorme Kernreiehtum sowohl des interstitiellen Ge- webes wie aueh der Muskelzellen selbst auf. Bei diesen erkennt man, class sie versehieden stark gefgrbt sind; neben tiefer gef~trbten sind solehe, die heller his ganz blass erseheinen.

Bei starker VergrSsserung tritt die vermehrte Kernanordnung der einzelnen Fibrillen noah starker zutage. Beim Durehmustern des Prg- parates zeigt sieh, dass aueh die Querstreifung nieht gleiehmhssig ist; vielfaeh ist diese auseinandergezogen, teilweise ganz aufgehoben. Deutlieh ist aueh ein Unterschied im Kaliber der Fibrillen zu erkennen; die starkste Kernvermehrung ist in den Fibrillen zu sehen, die ein verhaltnismhssig sehr enges Kaliber haben. G elegentlich ist zu beobaehten, dass die Fibrille sehmgler ist als die daneben liegende Kapillare. Hier und da sind aueh Fasern zu beobaehten, die eine spindelfGrmige Gestalt erkennen lassen.

Bezaglieh des Befundes am peripheren Nerv ist zu sagen, dass eine Yersehiedenheit in tier F~trbung tier Aehsenzylinder auffallt. Viele Fasern bieten ein der Norm entspreehendes Bild. In der Mitte liegt der gut gefgrbte runde Achsenzylinder, darum als Hohlraum die Markseheide und wieder gut gefarbt die Sehwannsehe Seheide. In vielen Fibrillen ist nun der Aehsenzylinder gequollen und fNlt einen grossen Tail der Sehw ann- sehen Seheide aus. An vielen Stellen ist der Quersehnitt des Achsen- zylinders diskontinuierlieh gefarbt, ist hfmfig kGrnig und wabig geworden. In manehen Fasern ist ein gut und roll gefhrbter Aehsenzylinder nieht mehr naehweisbar.

Die Beteiligung der motorischen Nerven an dem degenerativen Prozess wies darauf hin, was ja yon vornherein wahrseheinlich war, dass die Ursache der Muskelatrophie in einer Erkrankung der ner- "vSsen Zentren im Riiekenmark zu suchen sei. Nach Bekunntwerden der Niss lschen F~rbung der Ganglienzellen wurde daher aueh diese Methode zur Untersuchung aller hier an Genickstarre verstorbenen F~lle herangezogen mit durehaus eindeu~igem Resultat.

Mir selbst standen Rtickenmark, einige periiohere N e r v e n - u n d Muskelstiieke zur Verffigung, die yon 7 F~llen yon Genickstarre seit dem Frtihjahr 1905 gesammel~ waren. Die Sektionen waren stets bald, oft einige S~unden nach dem Tode ausgeffihr~, die Organe in Mi i l le r -Formol zweimal 24 Stunden fixier~, dann entweder ausge- w~sehen und in Spiritus konservier~ oder in reiner Mti l lerscher Fltissigkeit. Von jedem Rtiekenmark waren aueh aus versehiedenen HShen Scheiben in Spiritus eingeleg~ worden. Diese wurden be- sonders ffir die N i s s l s ehe Fiirbung benutzt.

Die RiiekenmarksblScke wurden insgesamt in Paraffin eingebette~, die Schni~e toils mi~Me~hylenblau, ~eils mit v. G i e s o n - G i e m s a , tells mit Thionin, tells aueh mi~ Eosin-Hiimatoxylin gefgrbt.

Die quergestreiften Muske]stticke sind teils in Paraffin, tells in

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Celloidin eingebe~te~. Die bier angewandte F~rbemethode bestand in Ammoniak-Karmin-H~matoxylin nnd in Alaun-Karnin-Pikrinsiiure. Zum FKrben in den Karminl5sungen waren regelm~issig etwa 24 Stunden verwand~.

Die peripheren ~ervens~iieke sind ebenfalls ~eils in Paraffin, tells in Celloidin eingebetGtet worden. Die Sehni~pr~parate haben mehrere Tage in Mfi l lerscher Fliissigkei~ gelegen und sind dann einige Stunden mi~ Ammoniak-Karmin gef/irbt und mit H~matoxylin naehgef~rbL

Es sind yon den aus versehiedenen HShen eingebe~teten Riieken- marksehni~ten sowie aueh den Muskel- und Nervenschnitten reichlich Pr~parate angeferfig~ und untersucht worden.

Betrachten wir nun die einzelnen Krankhei~sf~lle naeh Art und Dauer der Krankhei~ selbs~, die makroskopisehen Ver~nderungen, die sich bei der Au~opsie ergeben haben und die untersuchfen mikrosko- pischen Ver~nderungen der versehiedenen Sehnit~pr~parate.

Der e r s t e Fa l l , Kind H., zeigt uns ebenso wie der oben erw~hnte einen langen Krankheitsverlauf. Das seehsjahrige Kind wurde an 15. De- zember 1904, nachdem es plt}tzlieh ni t Fieber, Erbrechen, Sehmerzen in Kopf, Hals und den Beinen erkrankt war, ins Kr~nkenhaus eingeliefert. Der Befund ergab: Der Kopf ist stark nach hinten gebeugt, es besteht Nackensteifigkeit; es besteht Herpes labialis, der Zungenrand ist n i t Bl~sehen bedeckt, die Zunge selbst stark belegt. Die Unterkieferdrllsen sind geschwollen. Auf der Lunge waren diffuse Gerhusche zu hSren; alas Herz ohne Befund, der Puls ist beschleunigt. Die Milz ist perkussorisch verbreitert, aber nicht palpabel. Die Lumbalpunktion ergibt blutig tri~be Fltissigkeit, in der Diplokokken, aueh vereinzelte Stabehen nachgewiesen werden. Im Verlaufe der Krankheit stellte sich Schlaflosigkeit, Schnerz- haftigkeit bei Bewegungen im Hals ein. An den unteren Extrenitaten zeigten sieh starke Atrophien, Bewegungen waren ausfflhrbar, die Reflexe erhalten. Die Abmagerung wurde hochgradig, die Haut war stellenweise sehilfernd. Es stellte sieh Mydriasis, Strabisnus~ Nystagmus ein; starke Reflexio der tlalswirbelsaule. Der Puls wurde in den letzten Tageu fill- form und sehr frequent. Das Fieber war in den ersten vier Wochen sthrker gewesen, war in der spateren Zeit nur zeitweilig vorhanden; in den letzten Tagen bestand subnormale Tenperatur. Der Exitus letalis trat: am 11. Februar 1905 ein.

Die Autopsie ergab: Extren abgemagerte Leiche. Nach ErSffnung der Dura mater fliesst viel klare Fliissigkeit ab. Die Pia mater zeigt an einzelnen Stellen flaeh- oder striehfSrmig eine gelbliche Verdiekung. Die Substanz ist welch. Das Grosshirn ist volumin~s. Dura ist unverandert. An der Unterflaehe des Kleinhirns liegt in den Maschen der Pia ebenfalls fleckweise gelbliches Exsudat, im iibrigen Gefi~sse und Pia, besonders auch in der Sylvisehen Grube, vOllig frei. HirnhShlen zienlich stark aus- gedehnt. Die Hirnsubstanz ist frei yon Iterderkrankungen. Inhere 0rgane ohne Befund.

Aus den naeh oben angegebener Art behandelten und gefarbten R~ekenmarksschnitten und Muskelpraparaten geht hervor:

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Im tIalsmark ist die umgebende Dura mitgesehnitten. Zwisehen dieser und der Pia, auch in die Bilndel der letzteren eindringend, liegt reichlieh zelliges Exsudat, das besonders aueh die ~Nervenwurzeln umhiillt und gelegentlich zwischen die Fasern eindringt. Eine kleine Arterie im Sulcus long. ant. zeigt sehr stark gewucherte Intima mit stark verengtem Lumen.

Hier und da liegen fibrin6se Massen in den Li~cken des Araehnoideal- raums. In der grauen Substanz ist bier und da Bin kleiner Erweiehungs- herd zu erkennen. In der Umgebung der kleinen Gefhsse im Ri~ekenmark ist ab und zu abnormer Kernreichtum zu erkennen.

Nirgends sind in den zahlreieh angefertigten Pri~paraten Kokken n achzuweisen..

Bei schwacher VergrOsserung prasentieren sich Ganglienzellen in den VorderhSrnern zahlreich, heben sich durch intensive Fhrbung gut hervor, nur liegt hier und da eine ganz blasse Zelle dazwischen. Die Fortsi~tze sind nur spi~rlich zu sehen. Bei starker VergrOsserung ist der Kern viel- fach undeutlieh, das KernkOrperehen meistens noch nachweisbar, manehmal starker, manehmal blasser gefarbt.

Die :Nisslschen Granula sind nirgends mehr vollkommen erhalten. Ihre Zahl ist reduziert; die sti~bchenfSrmige Gestalt ist verloren, ebenso ist die Anordnung gestOrt. Meistens liegen Granula spi~rlich und regel- los durch den Zellleib verstreut, oder aber sie sind reichlicher vorhanden, aber sehr fein, so dass die Zelle wie besti~ubt aussieht. Die Mehrzahl der Zellen enthalten gar keine Granula. In solchen Zellen ist dann auch meist alle Struktur verloren gegangen, kein Kern erkennbar. Auch der Zellleib ist als soleher nieht seharf begrenzt.

In den periganglioni~ren Raumen ist nichts Besonderes. Im iibrigen Mark sind dieselben Veri~nderungen zu sehen. Es kommt

noeh dazu, dass bei sehwacher VergrSsserung im Brust- wie im Lenden- mark neben gut sichtbaren und anscheinend gut erhaltenen Zellen solche liegen, wo nur noeh die Konturen zu sehen sind, wahrend das Innere der Ganglienzelle yon grOsseren Vakuolen durchsetzt ist.

Ahnliche Bilder, aueh haufiger im Lendenmark solche mit roller Zer- stSrung der Zelle, wo also der Zellrand einen grossen Hohlraum um- sehliesst, sind Offer zu sehen.

Die quergestreifte Muskulatur zeigt auf dem L~ingsschnitt eine im allgemeinen stark ausgepri~gte Kernvermehrung. Einzelne Muskelfibrillen zeigen in dieser Hinsicht ganz ausserordentlichen Reiehtum an Kernen. Ebenso ist Kernreichtum im perifibrilli~ren Bindegewebe und oft auch um die Gefiisse zu beobaehten; diese selbst zeigen auch Vermehrung der Kerne der Intima.

Die Querstreifung der Fibrillen ist tells normal, tells auseinander- gezogen, tells auch aufgehoben. Neben normal breiten Fibrillen sieht man solche mit verengtem Kaliber, aber grossem Kernreiehtum; hier und da tritt auch ein spindelf6rmiges Auslaufen der Fibrillen auf.

Es fiillt auch auf, dass die einzelnen Fasern 6fter ein verschiedenes Verhalten dem Farbstoff gegentiber zeigen; neben gut gefarbten sind solche die blasser sind. Dieser Unterschied tritt deutlicher im Querschnitt, der sonst nichts bietet ausser dem aueh bier ersichtlichen Kernreichtum, hervor.

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Zweiter Fall. Der 20j~thrige C., der pl~tzlich mit Kopfschmerz, Schmerz im ~aeken und Fieber erkrankt ist, wird am 19. Juni 1905 in tiefer Benommenheit ins Krankenhaus gebracht. Er hatte eine Temperatur yon 40 Grad, leichte Ptosis rechts. Bei Beugungsversuchen des Kopfes hot er starken Widerstand. Kein Spasmus. Patellarreflexe sind beider- seits erhalten. Lungen, Herz ohne Befund. Milz nicht palpabel. Abdomen bietet niehts Bemerkenswertes. Der Puls ist unregelm~tssig, nieht ver- langsamt. Urin frei.

Die Lumbalpunktion ergibt stark getrt~bte Cerebrospinalfl~ssigkeit. Im gef~trbten Praparat sind zahlreich neben reichlichen Leukoeyten Diplo- kokken, die s~tmtlich extracellul~tr liegen, zu sehen; hier und da sieht man eine deutliehe Kapsel.

Am folgenden Tag reagiert Patieat hier und da auf Anruf. Die ~aekensteifigkeit ist hoehgradig. Das linke Auge steht in Sehielstellung naeh links oben. Ptosis rechts ist kaum bemerkbar. Pupillen reagieren. Keine L~thmm~gserseheinungen wahrnehmbar. Der Puls ist klein, nieht ganz regelm~tssig, 140 Sehl~ge in der Minute. Die Temperatur ist auf 41 Grad gestiegen. Exitus letalis.

Die Autopsie ergibt: Die Dura mater spinalis l~tsst sieh leicht zur~icksehlagen. Ihre Oberflache ist glatt. Der Subduralraum dagegen ist ziemlieh stark und gleiehm~ssig mit Eiter erftillt, der besonders der Hinterfl~tche des Rt~ekenmarks aufliegt~ nach der Cauda hin und besonders auch im Halsmark sieh in diinner Schicht angesammelt hat. Die Dura mater ist am Schhdeldaeh lest adherent. An der ganzen Konvexit~tt des Gehirns, ebenso wie an der Basis, im Gebiet des Pons wie des Chiasma haffet eine ziemlieh gleiehm~tssig ausgebreitete Sehicht yon Eiter, die sieh aueh ~ber die Konvexitfit des Kleinhirns und die mittleren Teile der Unterfl~tche hinzieht. In der Pia mater, die den Pol des linken Schl~fenlappens auskleidet, hat sieh eine t~ber baselnussgrosse mit trabem Inhalte geffillte Cyste gebildet, die die benaehbarte Hirnsubstanz zu einer seichten Grube eindriaekt. Diese girnpartie ist auf dem Durchschnitt frei von Ver~nderungen, die Substanz des Gehirns und Riackenmarks frei yon tterderkrankungen. Herzapparat, Lungen, Abdomen ohne Befund. Musku- latur des Herzens etwas triibe, graubraun mit eingestreuten Flecken und Streifen.

Die Ver~inderungen der motorisehen Ganglienzellen der VorderhSrner sind gleichm~tssig durch alle Sehnitte aus den versehiedenen HShen des Riaekenmarks zu beobaehten. Da wo die Dura mitgeschnitten ist, nnd zwar im Hals- wie im Brustmark, sieh~ man vielfach zwischen Dura und Pia reiehlich zelliges Exsudat liegen. In den Maschen des Araehnoideal- raumes sieht man ebenfalls hier und da zellige Massen liegen. An den Gefassen ist nichts Bemerkenswertes.

Kokken sind aueh in diesem Falle nirgends in der Riickenmark- substanz naehgewiesen.

Die Ganglienze]len selbst bieten bei sehwaeher VergrSsserung gut gef~irbte Bilder, zeitweilig ist noch deutlich Kern und KernkSrperchen zu erkennen.

Bei starker VergrSsserung zeigt sich, dass in manchen Zellen der Kern gnt erhalten ist. Deutlieh grenzt sich die Kernmembran gegen die abrige Zelle ab; ebenso deutlich ist das strukturlose Kernk5rperchen

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innerhalb des Kerns zu sehen. In fast allen Zellen bietet der Kern absolut keine Struktur mehr; hier und da liegen kOrnchenartige Elemente im Kern, selten sieht man bMkehenf6rmige Verbindungsf~den. In den meisten Zellen ist vom Kernk6rperehen tiberhaupt niehts mehr zu sehen, den Kern erkelint man nur an einer bald helter, bald dunkler gefhrbten rundlich gestalteten Zone im Zellleib.

Hier und da sieht man, namentlich wo eine hellere Zone den ehe- maligen Kern angibt, dass diese entweder i~bergeht in eine verlangerte, heller gefi~rbte Pattie oder sich eine zweite hellere Zone gebildet hat. Wir haben hier wohl die ersten Anfi~nge yon Vakuolenbildung, wie sie im Fall 1 deutlieher war, vt, r nns (Fig. 1 u. 2).

Derartige Zellen gehen durch die gesamte Marksubstanz hindurch. Was nun die Nisslsehen Granula anbelangt, so sind diese wohl in

keinem Pri~parat mehr deutlich naehweisbar. Man kann sie wohl hier und da einzeln konstatieren; in der grossen Mehrzahl jedoch zeigt die Zelle an Stelle der Granula eine teils grobk6rnige, teils feinkOrnige K6rnelung. Da wo die Granula noeh einzeln nachweisbar sind, liegen sie entweder um den Kern oder sind an den Rand der Zelle gedri~ngt und

Fig. I. Fig. 2.

liegen dann mehr naeh den Fortshtzen zu und aueh wohl hier und da iI~ diese tibergehead. Im allgemeinen sind sie vSllig geschwunden.

Der niichste, d r i t t e Fa l l bietet folgendes klinisches Bild: Eine Frau erkrankt plStzlich mit Kopfschmerz und MattigkeiL

Innerhalb weniger Tage versehlimmert sich der Zustand. Es kam Frieren und Erbreehen hinzu; am neunten Tage der Erkrankung wurde Patientin in tiefer Benommenheit am 9. Juli 1905 ins Krankenhaus gebraeht. Es zeigten sich klonische Zuekungen im Gebiet der Faciales. Der Kopf ist stark nach hinten gebeugt und beim Versuch, ihn aufzuriehten, stellt sieh starker Widerstand ein. blystagmus horizontalis und Exophtbal- mus waren vorhanden. Kein Herpes. Die Atmung ist sehr oberfl~eh-

lieh und zeigt abdominellen Typus. Die Milzdi~mpfung ist perkussoriseh vergrSssert. Milz selbst nieht palpabel. Das Abdomen ist leieht ein- gezogen. Es bestehen keine Hyperiisthesien. Puls ist regelmi~ssig, 110 Schlage in der Minute. Die Lumbalpunktion ergibt keine Flilssigkeit. Am folgenden Tage ist die Benommenheit gleich stark. Die Erschei- nungen sind d[eselben. Urin ist frei. Am ~Naehmittag trat Exitus letalis ein.

Der Sektionsbefund ergab: Brust- und Bauchor~ane ohne u rung. Beziiglich des Gehirns und Rtiekenmarks ergab sicb,, dass beide

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sehr zerflicsslich sind. Die ganze Medulla ist ein eitriges Exsudat ein- gebettet, das sich yon der Cauda bis izur Basis eerebri ziemlich gleieh- mhssig hinzieht und hier die grOsseren Lymphri~ume prall erftlllt. An der Konvexitht beider Hemisphhren sind dagegen s~tmtliche Sulci frei yon Exsudat. Hier zeigt sieh eine ziemlieh gleichmassige Injektion der Gefi~sse. Nirgends Anhaltspunkte far Tuberkulose. Die Ventrikel sind nieht er- weitert. Der Liquor ist kaum verm~hrt, nirgends werden encephalitisehe Herde oder Blutungen beobachtet.

In diesem Falle ergeben die Riickenmarksschnitte beztiglich der Ganglienzellen im allgemeinen dieselben Verhnderungen wie im Fall 2. Die Nisslschen Granula sind .in nahezu allen Zellen gesehwunden oder stark vermindert; da wo sic erhalten sind, ist ihre Zahl stark gemindert und nur am Rande der Zelle oder naeh den Forts~tzen hin noch zu er- kennen. Eine mehr oder minder feine K6rnelung geht durch den ganzen Zellleib hindurch. Diese K6rnelung nimmt dann nach dem Rande der Zelle zu mehr den Charakter der Nisslschen Granula an.

Im ganzen sind indes aueh die Konturen des Zellleibs vielfach nieht mehr bestimmt anzugeben. Es hat den Anschein, als ob die Verhnde- rungen gr6ber ausgebildet w~trcn, zumal nur selten Kern und Kern- k6rperchen deutlich abzuheben sind, und wo sic es sind, ist das Kern- k6rperchen sehr hell und der Kern als hellere Zone erkennbar. In einigen Pr~paraten ist tells sti~rkere, teils schwi~chere Pigmentbildung zu be- obachten.

Die Fortshtze sind teils in grosser Anzahl vo~handen, teils seheinea sic vermindert, in wieder anderen Zellen sind sic iiberhaupt nieht vor- handen,

Die Pia mater ist reichlich zellig infiltriert und yon da zeigen sieh auch reicnlich zellige Elemente, die l~ngs tier Gefhsse auch in die Rilcken- markssubstanz eindringen.

In der Riiekenmarkssubstanz selbst fallen hier und' da Blutungen auf. Kokken sind nirgends nachweisbar.

Der folgende, v ier te Fall~ hot wiederum einen sehr kurzen Krank- heitsverlauf. Der Patient wurde am 19. Januar 1906 in sehwerer Be- nommenheit aufgenommen. Er war zwei Tage vorher plCitzlieh mit Kopf- sehmerzen nnd Erbrechen erkrankt, wurde dann schnetl benommen. Stuhl und Urin waren angehalten. Er hot folgenden Status:

Der magere Menseh mit rhachitischem Thorax war in schwerer Be- nommenheit und Unruhe. Keine Driisenschwellungen, kein Herpes labialis. Kein Befund ilber Lungen und am Herzen. 100 Pulse, regelmi~ssig, hIilz- d~mpfung ziemlich verbreitert, Abdomen im ilbrigen ohne Befund. Die Pupillen reagieren, kein Strabismus, keine L~thmungserseheinungen, keine Reflexst(~rungen. Die Temperatur ist nicht aber 38,4 Grad gestiegen.

Bei der Lumbalpunktion fliessen 15--20 ccm ziemlich traber Fltissig- keit ab, die nur wenig Eiweiss enthi~lt. Das Sediment besteht vor- wiegend arts polymorphk5rnigen Leukocyten. Sphrlich lassen sich Diplo- kokken nachweisen. Traubenzuckerbouillon und Glyzerinagar bleiben steril.

Am folgenden Tage war der Puls sehr schlecht, frequent; es ent- stand Cyanose. Exitus letalis.

Die Autopsie er~gab : Magere Leiche. Die Flftssigkeit im Riickenmarks- kanal nieht vermehrt, aber iiberall auf dem Riiekenmark strich-und fleck-

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Uber Ver/inderungen der Ganglienzellen des Rfiekenmarks etc. 395

fOrmige flache Eiteransammlung. Das Gehirn voluminSs. Auf der Kon- vexitat, nahe dem medialen Spar und langs der Venen fleckenhaft Eiter erkennbar, der um das Chiasma herum etwas reichlicher angesammelt ist. Die Sylvischen Spalten ziemlich frei. tterz auffallend klein, Aorta eng. Atelektase beider Unterlappen der Lungen. Milz wenig vergrSssert, sehlaff und blutarm.

Im Ausstrichpr~parat aus dem Eiter der Pia f~nden sieh zahtreiche grambest~tndige Diplokokken, die sieh kulturell wie Pneumokokken ver- hielten. In Sehnitten durch die Gehirnoberflaehe konnten die Kokken nur in sp~rlieher Menge naehgewiesen werden. Die Pia ist auf das diehteste durehsetzt yon gelappt kernigen Leukoeyten, denen aueh sparliehe Lympho- eyten beigemiseht sind.

In den Rrtekenmarkssehnitten, die, wie oben angegeben, behandelt sind, zeigen sieh folgende Ver~nderungen.

Im Araehnoidealraum reiehlieh zellige Elemente naehweisbar. Aueh die Gef~tsse zeigen namentlieh in tIals- und Brustmark Yerdiekung tier Intima und Kernvermehrung.

Bei sehwaeher gergr6sserung sieht man im Ha l s -und Brustmark deutlieh die Ganglienzellen, jedoeh yon versehiedener F~trbung, neben tief gefgrbten solche, die ganz blass geblieben sind.

Bei starker VergrSsserung erkennt man nur einzelne Zellen, die gut erhalten, mit Kern und KernkSrperehen und, wenn auth in verminderter Anzahl, vorhandenen N isslsehen Granula ausgestattet sind. Es f~tllt jedoeh auf, dass der Kern absolut strukturlos ist.

Um die Kerne liegen zahlreieh gekSrnelte Massen, die ahnlieh wie Niss l sehe Granula angeordnet sind, jedoeh dureh ihre mehr oder minder starke Feinheit sieh stark yon diesen unterseheiden. Die gauze Zelle sieht yon dieser KSrnelung wie bes~tt aus. Es besteht starkere Pigment- bildung.

Da we die Zellen keinen Kern mehr besitzen, ist aueh die K0rne- lung vielfaeh weniger ausgesproehen, jedenfalls ist yon Nis s 1 sehen Granula nichts mehr zu erkennen.

Die heller gefarbten Zellen lassen sich tells gut, hier als hellere Zone, da als dunkleren Kreis, tells gar nicht Kern und KernkSrperehen erkennen. Immer ist hier jedoeh reiehlieh eine gewisse Aussaat yon KSrperchen dutch den ganzen Zellleib, naeh den Rgndern der Zelle wohl meist etwas grobk6rniger, zu unterscheiden. Jedenfalls fehlen abet stets die Nisslsehen unvergnderten Granula.

Im Lendenmark sieht man bei sehwaeher VergrSsserung die Zellen gut gefgrbt.

Bei starker gergrSsserung ist bezaglieh der Zellen selbst zu be- merken, dass aueh hier Kern und KernkSrperehen selten gut ausgeprggt sind. Meist ist aueh bier nur eine heller oder dunkler gef~trbte Zone zu erkennen, die als ehemaliger Kern anzusehen ist. Da we das Kern- kSrperehen sieh im Kern gut abhebt, ist es meist an den Rand des Kernes gedr~tngt.

Sehr stark vergnderte Zellen lassen nut noeh die Forts~tze gut er- kennen, w~hrend der Zellleib mtr angedeutet vorhanden ist; auf tier einen Seite dunkler gef~rbt, auf der anderen heller und mit K6rnelung ver- sehen, und wieder andere lassen den Zellleib nur noeh in seinen Konturen

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erkennen und sind meist nur rait einem deutlichen Fortsatz zu erkennen, bier und da ira Zellleib noeh eine tiefer gef~trbte Stelle und einige KSrnehen. (Fig. 3).

Die 5Tisslschen Granula sind fast durchweg ganz verschwunden. Auch hier sieht man ira allgeraeinen nur in den heller gefhrbten Zellen stiirkere KSrnelung, die raeist nach dem Rande der Zelle und in die

Fortsiitze hinein grobk~rniger wird und den Charakter der Nisslschen Granula annirarat.

Beziiglich der peripheren 5Terven ist zu erwiihnen~ Fig. 3. dass der Querschnitt auch hier dieselben Bilder ergibt,

wie die im oben erw~hnten Fall (Schl.). Auch hier teil- weise gut gefiirbte Achsenzylinder, teilweise gequollene Forraen, hiiufig diskontinuierliche Fi~rbung, so dass k(irnige und wabige Bilder derselben zu sehen sind. ~anchraal ist auch yon einem Achsenzylinder aberhaupt nichts raehr zu erkennen.

Der nachste, f an f t e Fal l , Frau S., zeigt wieder den typischen Beginn mit Kopfsehmerz und Erbrechen. Nackensteifigkeit trat am folgenden Tage ein, der Stuhl war angeha]ten. Am dritten ']?age der Erkrankung, 8. Februar 1906, wurde die Patientin eingeliefert rait folgendera Status:

Die Kranke ist sehr aufgeregt, redet irres Zeug; kein Herpes, deut- liehe 5Tackensteifigkeit. Am folgenden Tage raacht dieser Zustand einera apathischen' Platz. StertorSse Atmung, Herpes an der Lippe rechts. Pupillen sind eng. Lungen ohne Befund, an der Herzspitze ein systolisches Ger~useh. Spitzenstoss hebend, ersehattert die ganze Mararaa. Abdomen welch, leicht eingezogen. Milzdi~rapfung vergrSssert, Reflexe sind abge- geschw~eht, Der Pals ist welch, sehr frequent. Die Temperatur schwankt zwischen 38 Grad und 40 Grad. Am 5. Februar 1906 Exitus letalis.

In tier trilben Spinalfiiissigkeit ist der Meningococcus intracellularis naehzuweisen.

Autopsie ergibt: Reduzierter Ernahrungszustand. Rauchfleischfarbene Muskulatur. Lungen ohne Befund. Pleuren frei. Sehr kleines schlaffes tIerz. Klappenapparat ohne Befund. Enge Aorta. Keine Zeichen yon Arteriosklerose. Milz leicht vergrSssert. Nieren, Magen, Darrakanal ohne Befund. Haute des Riickenraarks and des Gehirns sind diffus eitrig infil- triert. Am Hirn ist naraent!ich die Basis befallen, doch ist auch die Sylvische Spalte und weiterhin hier and da ein Suleus der Konvexit~t yon Pus erfiillt. Aueh in den Seitenventrikeln eitriges, rahraiges Fluidum. Kein Hydrocephalus internus.

Die nach der oben angegebenen Art behandelten R[tckenraarksschnitte bieten Folgendes :

Im Arachnoidealraura wie auch den Maschen der Arachnoidea sind zahlreiehe zellige Eleraente nachzuweisen.

In der Riickenraarkssubstanz sind Kokken nicht gefunden worden. I-Iier sind zahlreiehe kleine Blutungen naehzuweisen.

Bei schwacher Vergr0sserung erkennt raan bereits zahlreiche Verhn- dernngen tier Ganglienzellen der u Uberall gut gef5rbt, sind sie leicht zu erkennen.

In den Zellen sieht man raeist eine helle Zone und in ihr hier und da einen tiefer gef~rbten Punkt als Kern. Doeh komraen auch hhufig

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0bet Vedinderungen der Ganglienzellen des }r etc. 397

Ze]len vor mit zwei und mehreren hellen Zonen, yon denen die medial gelegene meist einen Kern besitzt. Ab und zu gehen auch zwei solcher hellen Zonen ineinander tiber. Fig. 4 u~ld 5.

Diese Veranderungen erkennt man im Verlaufe der ganzen Rtieken- markssehnitte, d. h. also sowohl in tIals-, Brust-~ wie auch Lendenmark.

Bei starker VergrOsserung erkennt man nun im Hals-und ]~rnstmark nur an einzelnen Zellen noch deutlich Kern und KernkSrperehen ausgepragt. Da wo sie erhalten sind, zeigt das Kernk(irperchen meist k~irnige~ der Kern teils wabige~ tells aueh kOrnige Strnktur. In den meisten ZeIlen ist indes keines yon beiden erhalten, nur deutet ab und zu eine helle, rundliche Zone ihre Stelle an.

Die Nisslschel! Grannla sind fast in keiner, weder den besser er- haltenen noch den stark veranderten Zellen als solche erhalten. Uberall sind die Ganglienzellen starker oder sehw;teher, bald grob-, bald feink(il~nig gekSrnelt, ab und zu naeh den Fortsatzen hin mehr naeh Art und Cha- rakter der Ni s s lschen ZellkOrperchen.

Der Zellleib selbst ist meist nicht scharf konturiert; die Fortsiitze in der Mehrzahl der Zellen sparlieher als in der Norm, 5hers aneh gar

Fig. 4. Fig. 5.

nicht mehr vorhanden; in wieder anderen Fallen sind wohl "Fortsatze, doch yon einer differenzierten oder als Ganglienzelle erkennbaren ZeIle niehts vorhanden.

Im Lendenmark sind sowohl bei schwacher wie bei starker Yer- grOsserung dieselben u wie in den iibrigen Partien naeh- weisbar, vielleicht bier und d a d e r Zellleib nicht scharf ausgepr~igt, die Grenzen verwasehen, die Vakuolenbildung innerhalb einzelner Zellen noeh seharfer ausgeprfigt.

Der sechste Fal l zeigt uns wieder ein Krankheitsbild yon verhalt- nismassig langer Dauer. Die Patientin erkrankte pl5tzlich unter den tiblichen Symptomen. Am dritten Tage, 16. Januar 1906, wurde sie dem Krankenhause zugefiihrt und bot folgenden Status:

Gut geniihrte Frau. Beim Blick nach links bleibt das linke Auge zuriiek. Die Pupillen reagieren. Herpes labialis. Nackensteifigkeit. Be- wegungen des Kopfes sind scbmerzhaft. Lungen, Herz, Abdomen ohne Befnnd. hIilz vergrSssert, tastbar. Sensorium ist frei. 21. Januar. Herpes ist uuch anf die Stirn tibergegangen, die Nackensteifigkeit hat nachgelassen. 29. Januar. Es tritt Ofters Erbreehen auf; ~Patientin lasst hier und da unter sicb, die Bewegungen des Kopfes sind noeh etwas steif.

Deutsche Zei t schr i f t f. Nervenhei lkunde. XXXII. Bd. 26

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Kein neuer Herpes. Puls verlangsamt. Temperatur nicht fiber 38,4 Grad gestiegen. 21. Februar. Apathie hat sieh eingestellt. Tremor am ganzen KSrper, unregelmi~ssige Atmung. Schlaffe Muskulatur, Starker Decubitus. 5. April. Die ~ahrungSaufnahme ist dauernd gut. Die Kranke liegt bald bl(id euphoriseb, bald missmutig vor sich hin und gibt kaum Antwort. 12. April. Patientin ist dauernd benommen, hiiufig tritt Verschlucken und E~brechen auf. 17. April. Vollkommene Apathie. Augenhintergrund zeigt starke Gefiissfiillung und prominierende Papille. Abends plStzlieh Exitus letalis.

Die Autopsie ergibt: Gut geniihrte Leiehe. Keine Totenstarre. In den abhhngigen Partien massig bli~uliche Verfi~rbung. In der Kreuzbein- gegend ein grosser, in Heilung begriffener, fast bis auf den Knochen gehender Deeubitus. Medulla spinalis ohne schwere~ makroskopisch sieht- bare Ver~nderungen. Die Hirnwindungen sind stark abgeplattet, die Furehen ~erstrichen, die Ventrikel stark erweitert, enthalten reichlich klare Fltissigkeit. Ependymitis granulosa. Pia ist stellenweise verdiekt und getrtibt. An des Gef~ssen makroskopisch keine Veri~nderungen. Das Herz zeigt iiltere sk]erotische Verdiekungen an der Mitralis und Aorta. Lunge hat ]inks im Oberlappen einen Infarkt. Pleuren frei. Milz miissig vergr(issert. Abdomen ohne Befund.

Der mikroskopische Befund, der aus den ~ersehiedenen HShen des Rilekenmarks entnommenen~ mit den angegebenen Mitteln behandelten Sehnitte ist folgender:

Im Araehnoidealraum liegen verhMtnismi~ssig wenig zellige Elemente. Die Blutgefi~sse zeigen iiberall reichlich Inhalt yon BlutkSrperchen und ihre Intima ist verdiekt und kernreich.

In der Riiekenmarkssubstanz selbst sind reichlieh und dureh die aus versehiedenen Hiihen gesehnittenen Priiparate durehgehend kleinere Blu- tnngen im Gewebe.

Kokken konnten nirgends nachgewiesen werden. Die Ver~nderungen der Spinalganglienzellen gehen durch s~mtliche

Prhparate fast gleichmhssig stark. Bei schwaeher gergrSsserung scheinen verhMtnism~issig viel Ganglienzellen gut erhalten, mit deutliehem Kern und KernkOrperehen.

Daneben gehe n dann wieder zahlreiehe solehe, die teilweise oder ganz ~eri~ndert sind. Bei starker u ergaben sich dieselben u wie im Fall 5. Hi~ufig ist ghnzliehes Fehlen des Kerns und des Kernk(irperehens oder hiiufiger des letzteren allein zu beobachtem

Starke Abnahme der Nisslsehen Zellkiirperehen und meist roll- sti~ndiges Fehlen; daftlr starke K0rnelung des ganzen Zellleibes, fast tiberall mehr feink~rnigen Charakters. Hier und da Vakuolenbildung in der Zelle selbst.

Die yon diesem Fall aus tier Obersehenkelmuskulatur entnommenen Muskelsehnitte, welche wie oben angegeben behandelt sind, lassen bei der mikroskopischen Untersuchung im allgemeinen dieselben Veranderungen erkennen wie im Fall 1. Auch hier fMlt die starke Kernvermehrung~ die versehiedenartige Fi~rbung der Fibrillen~ das hier und da stark ungleich- miissige Kaliber derselben, die mehr oder weniger erhaltene Qtlerstreifung auf. Aueh hier ist ab und zu ein spindelfSrmiges Zulaufen einzelner Fibrillen erkennbar.

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Uber Verfinderungen der Ganglienzetlen des l~iickenn]arks etc. 399

Auf den Quersehnitten dieselben Veranderungen. Das interstitielle Gewebe zeigt ebenfalls Kernreichtum und hier und

da verdiekte Intima.

S i e b e n t e r Fall . Kind S. Am dritten Tage, 3. Februar 1906~ nach der mit den mehrfaeh angegebenen Syn]ptomen aufgetretenen Erkrankung der 7jahrigen Patientin~ Toehter der gleichfalls erkrankten lgutter (Fall 5) aufgenon]men~ zeigt Patientin folgenden Status :

Tiefe Benommenheit. Herpes labialis. Naekensteifigkeit. Lungen, Herz ohne Befund. Milzdan]pfung vergrSssert. In] Urin Eiweiss und Zylinder. Die Spinalpunktion ergibt: zirka 60 cem triibe Flilssigkeit, im Sediment tier Meningocoecus intraeell, nachgewiesen. Am 20. Februa r ist Patientin unruhiger geworden, liegt n]eist mit geschlossenen Augen und offenen] Mund da. Die ~ Atmung ist unregelmi~ssig. Am 6. lgarz reagiert das Kind, wenn auch sehwer und langsam auf Anrede. Bein] Abtasten des Kopfes Abwehrbewegungen. Der Fingerdruck ruft lebhafte HautrStung hervor. Die Muskulatur ist stark atrophiseh. Muskelzuekungen sind vor- handen. Das Fettpolster sehwindet. Trotz guter Nahrungsaufnahme stere Abn]agerung. 16. Marz. Cheyne-Stoekessehe Atmung. Bei aktiven Be- wegungen der Extremiti~ten starker Tremor. 26. Marz. Es ist Erbreehen ~ufgetreten. Starke Sehweissausbriiche, Nystagmus horizontalis, Neuritis optica beiderseits. Fortwhhrende Abn]agerung bei reichlicher Nahrungs- aufnahme. 29. Marz. Erneute Lun]balpunktion, keine Meningokokken n]ehr naehzuweisen. 30. M~trz. Starke Apathie, unregelmiissige Atmung; starker Ten]peraturanstieg. Exitus letalis.

Die Autopsie ergibt: Stark abgen]agerte, muskelsehwache Leiche. Brust- und Bauehorgane ohne Befund. Riickenn]arksbefund: Leptomeningitis subacuta chroniea. Die Arachnoidealfaden stark verdickt und stellenweise zu flachenhaften u zwischen Dura spinalis und Pia ver- schmolzen. Kein Pus. An der Basis cerebri eine zirka einmarkstiick- grosse~ eitrig belegte Stelle. Die Piagefasse stark injiziert~ die grSsseren Venen dagegen nur wenig geftillt. Die Vena n]agna Galleni eingebettet in einen dichten Filz lepton]eningitiseher u Starker Hydro- cephalus internus, der samtliche HShlen betrachtlich erweitert hat. Ependym, namentlich in] Bereich der Tela~ leicht granuliert. In den u vSllig klarer Liquor.

Beziiglich der n]ikroskopischen Befunde in den Riickenmarksschnitten ist zu sagen, dass sie im wesentlichen nichts Neues bieten, sondern das bestatigen, was in den friiher besehriebenen Fallen gefunden ist. Auch hier bieten sieh im allgemeinen die charakteristischen Veriinderungen in den Spinalganglienzellen der VorderhSrner, und zwar gehen diese u anderungen gleiehmassig dureh alle HShen, aus denen Schnitte angefertigt sind, tells mit verhhltnisn]assig gut erh~/ltener, tells n]it starker veri~n- derter Zelle. Doch ist keine Vakuolenbildung innerhalb der Zelle gefundeu worden. Nicht so stark ist vielleieht in der IVlehrzahl der Zellen die Ab- nahn]e der ~Nisslschen Granula zu beobaehten, doeh sind die Zellen in]mer noch zahlreich genug, in denen nur eine K(~rnelung des ganzen Zellleibs ohne Nisslsehe ZellkSrperchen wahrzunehmen ist.

Blutungen in die Rtiekenn]arkssubstanz sind nicht beobachtet. Auf- fallend gering sind auch im Arachnoidealraum die zelligen Elemente. Kokken sind in keinen] Pritparat in der Substanz selbst gefunden.

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Was nun die Muskelschnitte anlangt, so bieten aueh diese nichts Neues im Gegensatz zu den schon oben besehriebenen. Aueh bier starker Kernreichtum, versehiedenartiges Yerhalten der Fibrillen den Farbstoffen gegentiber, ver~ndertes Kaliber und ver~nderte Querstreifung. Aueh im Quersehnitt diese charakteristisehen Merkmale. I'n manehen Biindeln ist der Untersehied in der F~trbung so stark ausgepragt, dass Bilder heraus- kommen, wie etwa ein Sehachbrett.

An peripheren Nerven kSnnen wir dieselben Ver~nderungen erkenaen, wie im Fall 1 (Sehl.) und 6. Im Querschaitt zeigt es sieh~ dass die versehiedenen Fibrillen namentlich beziiglich des Achsenzylinders Unter- sehiede in der F~trbung zeigen. H~tufig ist auch das Bild so gestaltet, dass man in einen Hohlraum bliekt, der umgeben ist yon der Sehwann- schen Seheide. Der Aehsenzylinder ist aueh hier u ud da verschiedeaartig stark in seiaen Teilen gef~trbt, denn zeitweilig ist er nur zu Teilen in der umgebenden Seheide sichtbar.

In dem L~ngsschnitt ist die Yer~tnderuag noeh stgtrker ausgepr~igt indem bier vielleieht h~tufiger der Achsenzylinder eine Unterbreehung erleidet. Deutlieh sieht man in einzelnen Stellen die umgebende Scheide und in ihr den Achsenzyliader gut gefhrbt, dann kommt eine Stelle, an der yore Aehsenzylinder gar nichts mehr oder nur ein feiner, blass ge- f~rbter Streifen sichtbar ist, w~thrend im weiteren gerlauf sieh dann wieder der gut gefi~rbte Toil des Zylinders einstellt.

Daneben geht dann die versehiedenartige F~rbung der )2chsenzylinder einher; neben gut rot gefi~rbten sind solehe, die bli~sser, und solehe~ die ganz.hell geblieben sind. Auoh sind Bilder zu konstatieren, in denen eine gewisse Zerklilftung auftritt, indem die eine H~tlfte gefi~rbt und die andere blass geblieben ist und dieses Bild abweehselnd auftritt. Es treten ferner aueh Unterbreehungen auf, so dass die Konturen der einzelnen Zylinder kaum zu erkennen sind.

Der naehste, ach te F a l l B., 4 Jahre alt, aufgenommen am 17. Juli 1906. Gesundes Kind aus gesunder Familie. Erkrankt vor 2 - -3 Woehen mit Erbreehen und Kopfschmerz. Be ide r Aufnahme Strabismus divergens, Naekensteifigkeit und Benommenheit. Die Lumbalpunktion ergibt triibe Flilssigkeit mit reiehliehen Leukocyten und intracellularen Diplokokken, In der ersten Woehe mfissiges, zwischen 38 und 39 Grad sehwankendes Fieber, im weiteren u nur noeh seltene und unerheb- liehe Temperatursteigerungen. Starke Abmagerung. Exitus letalis.

Be ide r Sektion fand sich starker Hydrocephalus internus, die Pin an der Basis verdickt und eitrig infiltriert. Am Rilekenmark Pia und Dura vielfaeh mit eiaander verwachsen; fiber dem Halsteil auch trilbes Exsudat in den Masehen der Pia.

Histologiseh fanden sich die Vorderhornzellen sehwer ver~tndert. u Zellen sind verklumpt, homogen geworden und haben ihre Fortsiitze ein- gebtisst. Besonders schOn sieht man in den Zellen der Vorderh(irner des Halsmarks eine vakuolare Degeneration. Sie zeigt sich moist in Zellen~ die aucb sonst sehwer verandert sind, moist die Nisslschen Granula und auch den Kern verloren haben. In dem Zellleib treten dana vereinzelt odor in Gruppea zusammenliegend Vakuolea auf. Die kleineren haben etwa die Dimensionen eines roten BlutkSrperchens~ die grSsseren~ die dana moist in ~der Einzahl vorkommen~ ksnaen den gr0ssten Teil einer Zelle

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Uber Veriinderungen der Ganglienzellen des Rfickenmarks. 401

einnehmen. Es liegen Sehnitte vor, in deuen Vakuolen auftreten, die erst bei n~/therem Zusehen richtig als solche erkennt werden, wenn man nhm- lich sieht, dass der tIohlraum yon einer kleinen Lage Zellsubstanz um- geben ist, in der hier und da noch Reste der Granula erkennbar sind u~d dass das ganze Gebilde in seiner Umgebung die Zellkerne des peri- gangliouaren Raumes aufweist. In der Umgebung mancher Zellen findet man aueh die Kerne der periganglionhren R~ume vermehrt und an einigen Pr~paraten ist erkennbar, dass diese Kcrne in alas Protoplasma der zer - fallenden Ganglienzellen hineinrOcken. Lfingsschnitte der Cruralnerven, naeh M a r c h i behandelt, lassen vielfach intensiv sehwarze Schollen yon unregelmhssiger Gestalt innerhalb der Sehwannschen Seheide erkennen.

An Schnitten aus dem Musculus sartorius bemerkt man zun~chst die starke Verschmfilerung der meisten Muskelfasern. Viele haben ein.e Dicke you weniger als 10 mm~.manche sind auch nicht dicker als feine, in der Nahe gelegene Kapillaren. Die meisten, auctl die ganz feinen Fasern lassen eine seh~ne Querstreifung erkennen. In einer geringen Zahl aber ist das Protoplasma homogen geworden, nimmt nur noeh wenig Farbstoff auf und ist manehmal auch zerkl~lftet. ]nnerhalb solcher Fasern und auch in dem benaehbarten Zwischengswebe sind oft die Kerne stark vermehrt.

Der folgende, neun te Fa l l , B., 29 Jahre alt, wird benommen ins Krankenhaus gebracht. Anamnestisch nichts bekannt. Remittierende Con- tinua. NackensteifigkeiL Pupillenreaktion vorhanden , Papillen verwaschen. Reflexe in 0rdnung. Urin enthMt ein wenig Eiweiss. Die Lumbal- punktion ergibt: 15 ccm traber, ziemlich eiweissreicher F10ssigkeit, in deren Sediment die polymorphkernigen Zellen aberwiegen. Auf Ascites- Agar wachsen gramnegative Kokken in reichlicher Zahl. Glyzerinagar bleibt steril.

Im weiteren Verlauf deut]iche Abmagerung. Der Umfang der Vorder- arme betrug nach 14 Tagen unter dem E!lenbogen 25 era, nach weiteren 14 Tagen 12 cm. Faradische Erregbarkeit und Reflexe bleibeu erhalten. Exitus letalis nach f0nf Wochen.

Die Sektion ergab: Weissliehe TrObung der Pia mater cerebralis in der Umgebung der Chiasma~ in den Sylvischen Gruben und an der Unterflhche des Kleinhirns. Hydrocephalus. Eitrige Infiltration der Pia tiber Brust- und Lendenmark.

Mikroskopisch fauden sich an den Vorderhornzellen die mehrfaeh be- schriebenen Ver~nderungen in nicht besonders ausgepragter Weise. Doeh war die u der Nisslschen Granula, das Undeutlichwerden des Kerns, starke Pigmentbildung in den Zellen vielfach naehweisbar,

In der Muskulatur nur Zeichen einfacher Atrophie, am Cruralnerv in eiuzelnen Fasern sowohl am Karmin- als am Palpr~parat degenerierte Fasern naehweisbar.

So sehen wir also im Verlaufe dieser Untersuchungen, dass die Meningitis cerebro spinalis epidemica reichlich Veriinderungen hervor- ruff, die im mikroskopischen Bilde sieh sowohl im Rtickenmark und hier spezie]l in den Ganglienzellen tier VorderhSrner, wie in peripheren Nerven undauch in der quergestreiffen Muskulatur bemerkbar machen. Aus dem verschieden langen Kranklleitsverlauf tier einzelnen F~lle is~ zu erkennen, dass sich diese Veriinderungen nicht in Bezug bringen lassen

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auf die Dauer der Krankhei~, sonderu das Wesen~liehe daran wohl sicher dem Krankheitsprozess zuzuschreiben ist.

Wenn wir uns nochmals im Gesamtbilde die einzelnen Ver~inde- rungen vors~ellen, wie sie einnaal im Schwund des KernkSrperchens und des Kerns, dann in der wabenartigen und kSrnigen Zerkliiftung liegen, wie die ganze Zelle eine naehr oder minder starke KSrnelung annimmt, wie sieh ferner in dem Zellleib Vakuolen bilden teilweise als Hohlraum, wie in wieder anderen Zellen die Umgrenzung unbes~imm~ wird, wie

fas~ s~e~s eine Abnahme, in der Mehrzahl der Fiille ein vSlliges Schwinden der Nisslschen ZellkSrperchen auftrit~, wie wir haufiger mehr oder minder starke Pigmen~bildung wahrnehmen, wie sehliesslich die ganze Zelle zerf~l[~, so miissen wic digs a]les als einen s~arkeu Degenerationsprozess der Spinalganglienzelle bezeichnen. In dem Hand- buch tier pathologisehen Anatomie des Nervensystems yon F la t au , Jakobson und ~ i n o r (Band I, Seite 49) bezeiehne~ van Ge- huch~en als Ver~nderung der Zellen nach ZirkulationsstSrungen, In- fektionen und Intoxikationen Folgendes:

,Das eine Mal konstatier~ man die Zertriimmerung der chromo- philen Elemente, d.b. die Umwandlung der praexistierenden B15eke in eine betr~chtliche Zahl yon feinen ehromophilen KSrnchen~ die mehr oder weniger fiber den Zellleib ausgebrei~e~ l iegen. . . Mit dieser Zer- trfimmerung der Nisslsehen KSrperehen ist ein gewisser Grad yon Chromolyse oder AuflSsung verbunden.. .

Das andere Mal beobachtete man das reine Verschwinden der Nisslschen KSrperehen, ohne dass sieh die aehromatisehe Partie mit chromophiler Substanz erfiill& Bei manehen Zust~nden kann man noeh das Zusammenfliessen tier ehromophilen Elemente zu voluminSsen lind kompakten B15eken beobaehten, welehe allgenaein den zentralen Tell des ZellkSrperchens einnehmen."

Diese Ver~inderungen der Chromophileu Substanz, die wir ja such im Yerlaufe der oben beschriebenen Falle in fast allen Fallen kenuen gelern~ haben, sind als Chromolyse zu bezeiehuen and s0mit ,eine l~eaktion, die jedesmal ein~rit~, sobald das Neuron in seiner ana~omischen Integrita~ geschadigt ist, and welche bewirkt, dass es besser die er- li~Leue Seh~digung fiberwinde~ '~. Neben diesen Ver~nderungen in der chromophilen Subs~anz gehen dann aber noch die starken Degenerations- vorg~nge einher, wie sie bestehen im Verblassen Yon Kern and Kern- kSrperchen and in ihrer Zerkliiftung, wie sie noeh siKrker zum Ausdruek kommen im Sehwund beider; dazu tritt dann in manehen Fallen die mehr oder minder s~arke ZerstSrung des ganzen Zellleibs, wie sie ja oben auseinandergesetzt ist. Wenn wir dazu die Veranderungen im querges~reiften Muskel betraeh~en und hier den s~arken Kernreiehtum,

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Uber Ver~nderungen der Ganglienzellen des ~fickenmarks etc. 408

das spindelfSrmige Zulaufen einzelner Fibrillen in Be~raeh~ ziehen, mt~ssen wir diesen Vorgang wohl auch als eine Ar~ Reakti0n be- ~rachten. Dazu komm~ noch die in verschiedenen F~illen beobachtete Vakuolenbfldung in einzelnen Zellen. D~rtiber sagL van Gehuch~en: ,,Der HShlenzustand des Zellprotoplasmas kann auch d~s i~ussere Kenn- zeichen tier Zell~g~igkei~ sein, die bis zur ErschSpf~ng ge~rieben isL"

Mag im Grunde genommen die Auffassung tiber die Art und den Weft der Vergnderungen dahinges~ell~ bleiben, jedenfalls sind diese Vergnderungen bei der Cerebrospinalmeningi~is zu beobachten. ~xhn- liehe Vergnderungen land Babes (Berliner klinisehe Wochensehrif~ 1898, Nr. 1--3) nach verschiedenen In~ek~ionen, wie Lyssa, Pest, Diph- therie, Typht~s. Er komm~ dart~ber zu folgendem Sehluss: ,,Die in- folge der yon mir untersuchten Infekgonen verursachten Veriinde- rungen sind sehr v&sehieden, was Grad und Ausdehnung betriff~. Geringere aku~e Vergnderuugen besLeheu in Gef~sserwei~erung, in geringer Zellinfil~ratio~, namentlich in der Umgebung der Nervenzellen, in geringem Odem, im Erblassen oder dichterer L~gerung yon chroma- tischen Elemen{eu, im Auftre~en diffuser feinkSrniger chromatischer Gebilde sowie yon chroma~isehen Granula~ionen im Kern, oder im Gegenteil im Erblassen der Kernsubstanz, deren Membran difft~s er- scheinV, kueh das KernkSrperchen erseheiu~ kleiner, dunkler oder im Gegenteil gequollen. Oft is~ dasselbe dislozierb. Bedeutende Schgdi- gang der Zelle verursacht Zusammenstellung, Entar{nng oder Schwund tier chroma~isehen Spindeln in den Dendriten, Vakaolenbildung in der Zelle and deren Umgebung, Abbrechen der Zellfor~sgbze, ttyper- gmie und hgufig H~morrhagien der grauen Subs~anz mi~ Proliferation und Entartung kleiner nervSser Elemente and der Neuroglia. Hoeh- gradige. Sehgdigung der Nervenzellen charakterisier~ sieh dutch Kern- and KernkSrperehenschwund, dareh Erblassen und eigentfim]iche Fur- chung der Zelle, Invasion yon Wanderzellen in die Zelle selbs~, welehe hochgradig granulierL oder Verblassi and vakuolgr entarte~ erscheint. Die Zellfor{sg~ze sind gesehwunden oder abet hoehgradig gesehwell~, erblass~, granulier~ und vakuolisierL A]le diese verschiedenen Zus~inde finden sieh selten gleiehzeitig, gewShnlieh je naeh Ar~ der Infektion mehrere derselben in versehiedenen Bezirkeu oder Zellgruppen.':

Gegenfiber diesen Befunden sind doch wohl die in den oben an- geffihrten Ffillen bedeuiend schwerwiegender. Demgegeniiber stehen nun wieder Befunde "~on Braseh (Berliner kEnische Wochenschrift 1897, Nr. 44), der nach Fiebererseheinnngen. als charakteristisch flit hoehgradige Tempera~urs~eiger~ng augib~: ,,Aufhellung, Sehwellung, Abrundung der ganzen Zelle~ Schwnnd der Nisslschen ZellkSrperehen, leieh~e Fgrbung tier Grandsubs~anz, Sehwellung der wei~er als in der

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Norm sichtbaren stark aufgehellten Protoplasmaforts~tze, leicht eekiges KernkSrperchen bet sehr hellem Kern". Man kSnnte wobl auch bei den oben geschilderten Fi~llen nach diesen Ausffihrungen an Einfliisse des bei der Cerebrospinalmeningitis vorkommenden Fiebers denken, doeh haben wir aueh Ffille, wie Fall 3 and 4, die fast fieberlos ver- laufen und doeh nach den klinisehen und anatomischen Befunden als Meningitis gelten mfissen. Ob fibrigens bei der nut einige Tage w[ih- renden Krankheitsdauer einzelner F/ille das Fieber allein die starken Ver~nderungen hervorgerufen haben kann, mSchte ieh bezweifeln.

Ganz im Gegensatz zu alien diesen Befundea stellen sieh F r a n c a und B e t t e n c o u r t (Zeitsehrift ffir Hygiene and Infektions- krankheiten, 1904, Band 46), welehe in ihrem Berieht fiber die Menin- gitis eerebrospinalis epidemica sagen, dass ,,die Nervenzellen in der Regel nut unbedeutende Verinderungen selbst in den F~llen yon lang- samem Verlauf bieten. Die Erseheinnngen yon Neuronophagismus wie gewShnlich bet anderen Infektionskrankheiten treten hier nicht auf". ]m Gegensatz zu all diesem kommen in den bier gesehilderten F~llen noeh die Ver~nderungen in den peripheren Nerven and in tier querge- streiften Muskulatur. Dass bezfiglich der Muskulatur und damit doeh wohl selbstwerstiindlieh im Zusammenhange der peripheren Nerven sehon reiehlich makroskopisehe Beobachtungen vorliegen, best~tigt die Literatur. Wenn sieh die Beobaehtungen aueh nut auf das klini- sche Krankheitsbild beziehe~, so dfirfte doeh wohl der Sehluss, dass sieh in allen den Beobaehtungen auch der mikroskopisehe Befund ge- zeigt haben wiirde, nicht zu umgehen sein. In seinem Handbuch der speziellen Patkologie nnd Therapie (Band 1I, S. 661) sagt Ziemssen bezfiglieh der Meningitis eerebrospinalis epidemiea: ,Abmagerung is~ bei ]i~ngerem Krankheitsverlauf ausserordentlieh bedeutend2 Und Cur t ius sagt in seiner Arbeit fiber diese Krankheit (Mediz. Klinik 1905, Nr. 32, S. 805), dass ,:enorme Abmagerung erfolg~", ferner dass ,,der Tod meist durch Marasmus and Herzschw~iehe erfolgt". Ferner sei erw~ihn~, dass Bloeh in einem Aufsatz fiber die Meningitis cerebro- spinalis epidemica (Mediz. Klinik 1905, Nr. 24, S. 602) erkl~rt: ,,Auf- fi~llig ist das verhs163 rasche Sehwinden des Fettpo]sters. Selbst in den F~llen, die eine relativ noeh ausreiehende Nahrung zu sieh nehmen, sieht man das Fettpolster sehwinden, die Haut bei Kindern in Runzeln sieh falten, so dass sie einen greisenhaften Ein- druck maehen. Es hundelt es sieh hier offenbar um L~hmung der trophisehen Nerven . . 2' So sehen wir, wie sehon verhiltnism~ssig hKufig die Beobaehtung des Muskelschwundes bet der Cerebrospinal- meningitis gema.eht ist.

Diese Muske]atrophie iu Verbindung mit den Veriinderungen and

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Cber Ver~nderungen der Ganglienzetlen des Rfickenmarks etc. 405

dem v Slligen Schwund der Ganglienzellen der VorderhSrner erinner~ an das Bild der Poliomyelitis anterior acuta. Wie welt bis jetzt ein Zus~mmenhang zwischen beiden Krankheitsformen gef~nden worden is~, mag aus Folgendem hervorgehen:

So sehreiben Goldsehe ider nnd Brasch im Handbueh der patho- logischen Ana~omie des Nsrvensys~ems yon Fla~au, J a e o b s o n und Minor (Band II, S. 8S3): ,,So stellt sieh schliesslieh die Poliomyelitis acuta der Kinder nur als sin dutch die Eigenart der Lokalisation aus- gezeichnetes Glied in tier Ket~e dsr interstitiellen, vom Gef~sssystem ausgehenden Entzfindungsn auf dem Gebiste des Zentralnervensystems dar. Schul tzes Befund yon Meningokokken und ~kuerbachs klini- sche Beobaehtungen sowie neuere Beobaeh~ungen Schul tzss spreehen auch fiir einen ~tiologisehen Zusammenhang dieser Erkrankungen mi t tier Cerebrospinalmeningitis."

Im ~r hierzu mSchte ich einige geferats Schu l t ze an- fiihren: ,,Dann mSchts ich hinweisen auf das Verh~ilsnis tier s0gen. epidemischen und sporadischen Meningitis zu tier Poliomyelitis. Je mehr man yore rein klinischen Standpunkte aus sieh an die etwaigen Beziehungen zwischen dieser Erkrankung mit Poliomyelitis und ~hn- lichen vernierS, desto mehr gelangt man dazu, durehaus innige ~ti0logi- sche und sonstige Beziehungen wahrzunehmen. Die Krankheit beginnt in den F~llen yon akuter Poliomyelitis und oft in den F~illen yon sogenannter sporadischer Meningitis, sowie in denjenigen F~llen, in denen es rasch zur Taubstummheit kommt, in so gleiehfSrmiger Weiss, dass es rein unmSglich ist, im Bsginn zu sagen, was vorliegt. Es ist auch ganz unmSglich zu sagen, was kommen wird. Im einen Fall kann bei ganz demselben Symp.~omenbild alles heilen, es kann in anderen F~illen die Taubstummheit zurfiekbleiben, in wieder anderen sine Encephalitis und Poliomyelitis. Ich glaube durum, dass man, ebenso, wie man sieh l~ngst gewShn~ ha~, die Taubstummheit, die sich bei der entsprechenden Krankhei~ der Kinder einzustellen pflegt, bei tier sin gewisses .klinisches Symptomenbild vorangegangen isis, das eben der Meningitis durchaus ghnlich ist - - wie man sieh gew5bnt hat, die Taubs~ummheit als einen Rest tier sporadischen und epidemi- schen Meningitis anzusehen, man sieh aueh gewShnen miisste, dis Poliomyelitis ebenfalIs als einsn solchen Rest anzusehen, womit ich keineswegs sagen will, dass das ftir alle Fglle yon Poliomyelitis zu- trifft." Dazu noel folgende Ausffihrungen Schul tzes: ,,Bisher glaubts man , dass entweder Bur sine Poliomyelitis Ftir sich best~inde, oder dass andererseits die graue Substanz sich erst in F~illen starker diffuser Meningitis beteilige. Das ist aber unrichtig, da bei nm- schriebener oder schwaeh ausgebildeter Meningitis die kliniseh-menin-

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gitischen Erscheinungen hinter den L~hmungen zuriicktreten oder sieh selbst ganz verstecken kSnnen. Es gibt also gerade so wie meningiti- sehe Erseheinungen ohne Meningitis auch umgekehrt Meningitiden ohne meningitische Erseheinungen.

Wiegt die Meningitis in ihren klinischen and anatomischen Er- scheinungen vorund werden nur, wie gewShnlich, die Wurzeln oder die peripherea Teile des Riiekenmarks und des @ehirns mit betroffen, so besteht alas gewShnliehe Bild der (~erebrospinalmeningitis mit ihren eventuell dauernden Resterscheinungen; wiegt die Beteiligung des Riickenmarks oder des Gehirns vor, oder ist sie vielleicht allein vor- handen, so entstehen die Krankheitsbilder der Encephalitis und Poli- omyelitis. Geh~ beides in jeweil versehiedener Stgrke and jeweilig in verschiedenen Zeitr~umen neben einander her, so entstehen die ver- schiedensten Mischformen, gerade wie etwa bei Pneumonie und Pleuri- tis, deren Zusammenvorhandensein auch nicht stets mit Sicherheit er- kennbar is&"

Ziehen wir zu diesen Beobaehtungen auch noch das pathologisch- anatomisehe Bild in Betracht, so geht zur Genfige hervor, dass gewisse iihnliehe Erseheinungen im Verlaufe der Meningitis und Poliomyelitis auftreten: bei: beiden Degenerationen der Ganglienzellen der Vorder- hSrner und daran anschliessend Degeneration yon Fasern der peri- pheren Nerven and Muskeln. Der Untersehied abet ist tier, dass bei der Meningitis eerebrospinalis zun~ehsg die motorisehen Zellen der ganzen Spinalaehse geseh{idigt werden. Die Ver~nderungen seheinen ganz gleichmgssig im ganzen Rfickenmark einzusetzen. Es w~re aber wohl denkbar, dass die Mehrzahl der Zellen sieh erholen und nur ge- wisse Gruppen dauernd geschgdigt bleiben und So das Biid tier Polio. myelitis anterior aeuta entsteht. ~ Wie welt beide Krankheitsprozesse nun tats~chlich in einander iibergreifen and wie stark das Bild des einen oder anderen vorherrseht, wird wohl erst noch langer Untersuehung und Beobaehtung bediirfen.