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Über Verhütung von Komplikationen nach Nasenoperationen (zugleich ein Beitrag zur Behandlung von Katarrhen der oberen Luftwege)

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Uber Verhiitung yon Komplikationen nach Nasen- operationen (zugleich ein Beitrag zur Behandlung von

Katarrhen der oberen Luftwege). Von

Dr. Friedrich Noltenius, Berlin.

(Eingegangen am 5. Dezember 1933.)

Von Zeit zu Zeit tauchen im Schrifttum der Otorhinolaryngologie .4xbeiten auf, die gleichsam Klage ffihren fiber die unerfreulich hohe Ziffer yon Komplikationen nach 1Nasenoperationen. Vor einiger Zeit wurden von einer deutschen Universits sogar etwa 16% herausgerechnet. Angesichts dieser Tatsachen darf man also wohl behaupten, dab eine Herabsctzung dieser Ziffer eine Angelegenheit yon erheblicher Bedeutung ist.

1Nun wird yon mir seit etwa 10 Jahren ein sehr einfaches Schutz- verfahren angewandt, welches den Erfolg gehabt hat, dal~ bei einer Gesamtzahl yon rund 600 Nasenoperationen (zu etwa 95% Septum) best immt weniger als 10 Fi~lle leichter Komplikationen aufgetreten sind. Ernstere, z .B. Mittelohrentziindungen, haben sich iiberhaupt nicht ereignet. Ein schwerer Zustand mit hohem Fieber t ra t ausschliel~lich bei einer Frau auf, bei der das Septum operiert und Granulationen entfernt wurden, die sich hinterdrein als lepr6s herausstellten. Diese 600 Operationen sind keineswegs unter besonders gfinstigen Verh~tltnissen yon mir ausgefiihrt worden, die meisten in siidamerikanischen Hotel- zimmern. Ferner ein grol~er Teil in meinen, nicht gerade sehr luxuri6s eingerichteten rhinologischen Stationen zweier Krankenhguser in dec argentinischen bzw. uruguayischen Provinz. Rficksicht auf das Wetter wurde so gut wie in keinem Falle genommen, da die Art meiner Tgtig- keit - - ich blieb nur h6chstens 8 Tage im gleichen Sti~dtchen - - einen Aufsehub nicht ermSglichte. V o n d e r Operation wurde nur abgesehen, wenn eine akute fieberhafte Affektion bestand. Gerade diese erschweren- den Verhitltnisse, vor allem die Knapphei t der verfiigbaren Zeit, zwangen reich unabweisbar dazu, die Vorsichtsmal~nahmen aufs h6chste zu steigern, zumal Komplikationen in kleinen Stitdten nicht gerade sehr propagandistisch zu wirken pflegen.

Wenn nun in der Tat die sonst doch recht hgufigen Komplikationen so gut wie vollkommen ausblieben, so glaube ich, ein Recht zu haben, daffir im wesentlichen meine Schutzmal~nahmen verantwortlich machen zu diirfen. - - Worin bestehen nun diese ? - - Ein sehr einfaches Verfahren. Solange die Nasenatmung des Operierten noch nicht in ausreiehendem Mal~e wiederhergestellt ist, tri~gt der Patient einen feuchten Gazeschleier

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v o r dem Munde. Ich verschreibe ihm dazu eine 10 cm breite Mullbinde. Die wickelt er ab, falter sie zehnmal, so da6 ein Quadrat 10 • yon 10 Lagen Dicke entsteht. An den beiden oberon Ecken wird eine Schnur befes~ig~, der Lappen angefeuchtet und so umgelegt und festgebunden, da~ er wie ein Vorhang oder eine Schfirze fiber den Mund herfiberhgngt. Von Zeit zu Zeit empfiehlt es sich, den Schleier anzufeuchten, 0bschon er durch die Atmung selbst einigesma•en feucht erhalten wird. Die Patienten empfinden diesen feuehten Schleier als sehr angenehm, da er die Austrocknung des Rachens verhindert, wodurch die postoperativen Beschwerden nicht unerheblich hei~bgesetzt werden: Und, wie gesagt, die Ziffer der Komplikationen sinkt, auch wenn die klimatischen und sanit~ren Verh~ltnisse keineswegs besonders gut 8ind, auf einen mini- malen Prozentsatz herab.

Wie ist das zu verstehen ? - - Dazu mtissen wir ein wenig weiter ausholen. Beginnen wir mit einer banalen Feststellung. Da der Mensch an sich auch dureh don Mnnd atmen kann, so mu/3 es woh/schon einen gewichtigen Zweck haben, wenn der KSrper in der Nase ein eigenes Atmungsorgan besitzt. Daft dieses Organ bedeutende Schutzfunktionen zu erffillen hat, liegt auf der Hand. Die Nase ist, kurz gesagt, die wichtigste Grenzfestung des Organismus, die den oberen Luftwegen vorgelagert ist, um diese Haupteinfallspforte fiir Sehgdigungen jeglieher Art zu bewaehen und zu decken.

Eine der Aufgaben der Nase ist natfirlich der antibakterielle Schutz. Schon die Tatsache, daft die meisten Erreger nieht oder kaum in der Nase sich anzusiedeln verm6gen, besagt, daft dieses Organ fiber anti- bakterielle Stoffe verffigt. Eine weitere Funktion ist die der Erws der Atemluft. Offenbar dienen diesem Zwecke, wie von W. DSderlein nachgewiesen wnrde, vor attem d i e Nebenh6hlen. Bei weitem die wichtigste Funktion der Nase ist abet eine an@re. - - Man stelle sich vor, was aus einer feuchten Membran wird, fiber die st~ndig ein Strom atmosph~rischer Luft hinfibergesogen wird. Natfirlich wird sie ge- trocknet. Nun ist die Schleimhaut eine solche feuchte Membran und sic bedarf, um ihre Funktionen ausfiben zu kSnnen, unabweisbar eines nioht zu geringen Feuchtigkeitsgehaltes.

Wie stellt es nun der KSrper an, um der schgdlichen Austroeknung der oberen Luftwege durch den Atemstrom zu begegnen ? Da lassen sich zwei grundlegend verschiedene Verhaltungsweisen unterscheiden, n~mlich je nachdem, ob die nnphysiologisehe Mundatmung oder normale Nasen- atmung besteht. Betrachten wir zuerst die Mundatmung. Die atmo- sph~rische Luft erreicht ohne nennenswerte Anfeuchtung die Schleimhant der Rachenwand, des Kehlkopfes und der Luftwege. Geschieht das bei einem Menschen mit vSllig normaler, gesunder Sehleimhaut, so ist die sehr h~ufige Folge eine akute Erkrankung eben dieser Schleimhaut, die akute Pharyngitis usw. oder die Angina. Das kann sich z. B. ereJgnen,

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wenn man wegen Nasenbluten tamponiert und den Tampon eine gewisse Zeit liegen ls

Anders sieht die Saehe dagegen aus, wenn der Betreffende schon an sich an einer unzureichenden Nasenatmung leidet. Dann hat sich der K6rper bereits an die Mundatmung weitgehend angepaBt und beim Zustopfen dcr Nase s sich nicht eben viel. Diese Anpassung besteht darin, dab die Sehleimhaut starker yon Blur durehstr6mt wird, Mso sich r6tet und verdickt, sowie ihr Eigensekret, den Sehleim, in erhShter Menge produziert. Das heiBt aber, die Schleimhaut geht in den katar- rhalischen Zustand fiber. Der Raehenkatarrh ist also der legitime Schutz- proze•, der die Sehleimhaut bei Mundatmung vor der Atrophic bewahrt. Den Katar rh mit sekretionsvermindcrnden Mitteln zu bek's - - um der Bel/istigung durch den SehleiIn willen - - , ist offenkundig ein Irrweg. Vielmehr sollte der , ,krankhafte" Zustand nur dureh Flfissigkeits- zuffihrung (Inhalieren w~sseriger Flfissigkeiten oder Dampf) oder dureh Regulierung der Nasenatmung beks werden, welch letztere im Grunde genommen die einzig logisehe Behandlungsform darste]lt. DaB dabei natfirlieh seharf zu unterseheiden ist zwischen dem, bei weitem h~tufigsten Katar rh darch Mundatmung und dem Stauungskatarrh bei Nachlassen der Herzkraft, liegt auf der Hand.

Der eigent]iehe Sehutzmechanismus des K6rpers ist aber natfirlieh nieht die katarrhalische VerSnderung der Schleimhaut, die nur ein Surrogat ist, sondern vielmehr die entspreehende Vorbereitung der Luft durch ein besonderes Organ. Is t die Atemluft, wenn sie in den Raehen ge]angt, bereits mit Wasserdampf ges~ttigt, so kann bogreiflicherweise eine Austrocknung nieht mehr erfolgen. Das also ist es, was vor allem gesehehen mug, und diesem Zweeke dient das System der Nasenmuseheln. Es handelt sich bier um Organe, die auflerordentlieh reich mit B|ut versorgt sind. Auch kann die BlutdurchstrSmung, je nach dem Bedarf des KSrpers noeh erheblich gesteigert wcrden. Offenbar weig (lie Nase sieh dureh das Spiel der SehwellkSrper den jeweiligen atmosph~rischen Bedingungen anzupassen. Ununterbrochen siekert ein Flfissigkeitsstrom dureh die Spaltlfieken des Epithels und des sehwammartigen Gewebes und wird yon der Atmungsluft absorbiert. Die Wasserabgabe wird gesteuert dureh das vegetative Nervensystem, dem ja s~mtliche elemen- taren K6rpervorgs un~erstehen; wie sehr sie fiber die Norm hinaus gesteigert werden kann, lehrt die Rhinitis vasomotoriea.

Selbst yon den atrophisehen Museheln der Ozaena wird noeh eine' betr/tehtliehe Menge Wasser abgegeben. Aber das genfigt dennoeh nicht. Das Volumen der die Nase durehstr6menden Luft ist viel zu reiehlieh, und sie reigt obendrein nieht nur bei der Einatmung Flfissigkeit an sieh, sondern aueh bei der Ausatmung auf Grund ihres sehleehten S~ttigungs- grades, was bei der normalen Nase nieht der Fall ist. Daraus ergibt sieh ein Cireulus vitiosus. Die zu weite Nase vermag das Gleiehgewieht

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zwischen Zu- und Abfuhr yon Flfissigkeit nicht mehr aufrecht zu erhalten, und die Austrocknung ergreift am Ende die wasserspendenden Organe, die Muscheln, selbst. Xhnliche Bilder ergaben sich ja auch bei den frfiher geiibten fiberreichlichen Muschelresektionen.

Drosselt man nun in solchen F/illen die Luftzufuhr - - was am einfachsten mit den yon mir angegebenen ,,Ozaenatuben" zu erreichen ist - - so beginnt die vorher atrophisch troekene Na~e ,,zu laufen". Nach einer gewissen Zeit, etwa einer Wo~he, stellt sich sodann ein neuer Gloichgewichtszustand her und die ehedem atrophische Schleimhaut ist manchmal kaum wieder zu orkennen. Diese Verh/~ltnisse sind so ein- deutig, dab es kaum mSglieh ist, die Bedeutung der Nasenmuseheln ffir die Wasserdampfsiittigung der Atemluft in Zweifel zu ziehen.

Nun scheint es fast so, als seien wit einem Widerspruch anheim- gefallen. Wenn in der Tat der gew6hnliche Katar rh lodiglich eine Folge der Austrocknung durch die nicht gentigend angefeuchtete Atemluft ist, so sollte man doch erwarten, dab im feuchten Frfihling odor t terbst die Katarrhe am wenigsten in die Erscheinung treten, wiihrend es doch notorisch ist, dab just das Gegentofl der Fall ist. Darin liegt jedoch ein TrugschluB verborgen. Es ist zu unterscheiden zwischen relativer und absoluter Feuchtigkeit. Die letztere kann goring sein, obschon die Luft mit Wasserdampf gesi~ttigt ist. Das ist n/imiich bekanntlic.h oine Frage dot Temporatur. :Die warmo Luft des Sommers vermag sehr viol mohr Wasserdampf Z u absorbieren als die kalte des Winters, wie allein schon aus dem Umstande horvorgeht, dab in der wasserdampfarmen Luft des Winters der elektrisehe Funke, der Blitz, trotz erh6hter Aufladung der Atmosph/~re nieht iiberzuspringen vermag. Und Regen ist nichts anderes als ein Ausdruck dessen, dab sich der Wasserdampf der Luft kondonsiert und somit yon der Luft abgegeben wird. Ein Temperatursturz ftihrt oben darum h~ufig zu Niederschl/~gen, weft die abgekiihlte Luft das Wasser nicht mohr in Dampfform zu halten vermag. Nun wird die Atmungsluft beim Durchgange durch den K6rper erw/~rmt. Also wird ans der ,,regenfeuehten" Luft bei 50 eine erheblich troekene bei 30 ~ Das gilt es wohI zu beaehten.

~berlegungen solcher Art haben mich ve t etwa 10 Jahren dazu ge- fiihrt, die oben geschilderte SchutzmaBnahme bei s/~mtlichen Operationen, welche die Nasenatmung beeintri~chtigen, anzuwenden mit dem - - leicht nachzupriifendon - - Erfolge, dab die postoperativen Komplikationen so gut wie fortgefallen sind. Troeknet die Rachenschleimhaut nieht aus, d. h. vermag sie ihre Funktionen auszufiben, so erkrankt sie aueh nicht, und vom Raehen gehen die Folgekrankheiten aus.

Dariiber hinaus 1/~Bt sich dieses schlichte Verfahren auch zu thera- peutischen Zwecken gebrauchen. Es ist ein reeht wirksames Mittel zur Linderung der Katarrho der Luftwege und kommt vor allem bei alton Leuten in Betraeht, bei denen eine Regulierung der I~asenatmung nieht

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mehr in Frage steht. Es handelt sich hier um die groBe Gruppe jener F~tlle, die jedem Arzt bekannt sind, bei denen die Patienten darfiber klagen, dab sie frfihmorgens aufwachen und von hartn~ckigem Husten gequglt werden. Bei diesen Leuten ist in der Regel die Nasenatmung so beschaffen, dab sie tagsfiber bei ruhiger Ts ausreicht. Aber im Sehlafe, besonders bei tiefer Kopflage, ist die Blutverteilung eine andere ; die Museheln sehwellen an, es kommt zur Mundatmung, der Atemtraktus troeknet mehr und mehr aus, und schlieBlieh in der Friihe setzt der Husten ein. Gibt man ihnen auf, fiber Naeht den oben geschilderten feuchten Sehleier anzulegen, so bleibt hinfort in den meisten F/illen der Husten aus und bald wird man den katarrhalisehen Zustand merklich vermindert finden.

Aueh in diesen F/s ist der Grtrag der so einfaehen SehugzmaBnahme ein so eindeugiger, dab es sieh unseres Eraehtens wirklieh verlohnt, den harmlosen Versueh anzusgellen.