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463 2. Uber Wasserfallele~trB~~t~t urn& aber dBe OberfE&che~bescha~enheit d e r B'L.lissigkedtew; uom P. Lenard. [Aus den Sitzungsber. der Heidelberger Akad. d. Wiss. 1914.l)] 1. Einleitung. - Unter dem Nanien ,,Wasserfallelektrizitat" liabe ich vor langerer Zeit die Elcktrizitatsentwioklung ein- gehend untersucht 2), welche an Wasserfallen, platschernden Bachen und herahfallendem Regen auftritt, ebenso aber auch im Laboratorium an Wasserstrahlcn und einzelnen Tropfen 1) Die umfassendere Abhandlung ,,Problerne komplexer Molekiile", aus welcher das Vorliegende entnommen ist, ist der Heidelberger Akademie in 3 Teilen am 14. November, 9. Dezember, 31. Dezember 1914 vorgelegt worden (Sitzungsber. 1914 A, 27., 28. u. 29. Abh.); sie wird im Vorliegenden kurz mit ,,&ad. 1914'' bezeichnet. Hinzugefiigt sind hier die Einleitung, die Schlul3zusanimenstellung und einige durch cckige Klanimern be- sonders gekennzeichnete Stellen. Unberiicksichtigt blieben dagegen die- jenigen Teile des Originales, welche iiber die Dampfspannung von elek- trisierten Fliissigkeiten und von Losungen, iiber den osmot,ischcn Druck, iiber die zeitliche Ausbildung von Oberflachenschichten bei Fliissigkeiten, iibcr dcn Sitz freier elektrischer Ladung an Fliissigkeitsoberflachcn und iiber die Dampfkondensation an Elektrizitiitstriigern und Nebelkernen handeln. [Den letzteren Gegenstand - Dampfkondensation - betrcffend, sei hier eine inzwischen erschienene Veroffcntlichung erwahnt (h. d. Phys. 46. p. 987. 1915), welche eine experimentelle Bestiitigung des 1. c. Akad. 1914 (Teil 111, N0t.e 98) und auch schon friiher (Ann. d. Phys. 41. 13. 93. Note 3. 1913) gezogenen Schlusses bringt, daB Rontgensche Strahlen in analoger Weise feste oder fliissige Nebelkerne erzeugen, wie es fiir ultraviolettes Licht eingehend nachgewiesen war (Heidelb. Akad. 1910, 28, 31, 32; 1911, 16). Die Frage, ob dabei Ozon oder Wasserstoff- superoxyd das priiniire, nebelkernbildende Lichtprodukt sei, scheint auch jetzt noch offen; sie darf wohl auch nur dann in1 Sinne einer Alternative aufgefal3t werden, wenn die vorhandenen Dampfspuren genau definiert sind. In historischer Beziehung ist die genannte Veroffentlichung mit Vorsicht zu betrachten; doch ist kein AnlaB, darauf einzugehen (vgl. des friiher bereits Bemerkte, besonders Ann. d. Phys. 41. p. 89, Note 2. 1913). 2) P. Lenard, ,,Uber die Elektrizitiit der Wasserfiille", Wied. Ann. 46. p. 584. 1892; ini Vorliegenden kurz mit ,,Ann. 1892" zu bezeichnen. 30 *

Über Wasserfallelektrizität und über die Oberflächenbeschaffenheit der Flüssigkeiten

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2. Uber W a s s e r f a l l e l e ~ t r B ~ ~ t ~ t urn& aber dBe OberfE&che~bescha~enheit der B'L.lissigkedtew;

uom P. L e n a r d . [Aus den Sitzungsber. der Heidelberger Akad. d. Wiss. 1914.l)]

1. Einleitung. - Unter dem Nanien ,,Wasserfallelektrizitat" liabe ich vor langerer Zeit die Elcktrizitatsentwioklung ein- gehend untersucht 2) , welche an Wasserfallen, platschernden Bachen und herahfallendem Regen auftritt, ebenso aber auch im Laboratorium an Wasserstrahlcn und einzelnen Tropfen

1) Die umfassendere Abhandlung ,,Problerne komplexer Molekiile", aus welcher das Vorliegende entnommen ist, ist der Heidelberger Akademie in 3 Teilen am 14. November, 9. Dezember, 31. Dezember 1914 vorgelegt worden (Sitzungsber. 1914 A, 27., 28. u. 29. Abh.); sie wird im Vorliegenden kurz mit ,,&ad. 1914'' bezeichnet. Hinzugefiigt sind hier die Einleitung, die Schlul3zusanimenstellung und einige durch cckige Klanimern be- sonders gekennzeichnete Stellen. Unberiicksichtigt blieben dagegen die- jenigen Teile des Originales, welche iiber die Dampfspannung von elek- trisierten Fliissigkeiten und von Losungen, iiber den osmot,ischcn Druck, iiber die zeitliche Ausbildung von Oberflachenschichten bei Fliissigkeiten, iibcr dcn Sitz freier elektrischer Ladung an Fliissigkeitsoberflachcn und iiber die Dampfkondensation an Elektrizitiitstriigern und Nebelkernen handeln. [Den letzteren Gegenstand - Dampfkondensation - betrcffend, sei hier eine inzwischen erschienene Veroffcntlichung erwahnt (h. d. Phys. 46. p. 987. 1915), welche eine experimentelle Bestiitigung des 1. c. Akad. 1914 (Teil 111, N0t.e 98) und auch schon friiher (Ann. d. Phys. 41. 13. 93. Note 3. 1913) gezogenen Schlusses bringt, daB Rontgensche Strahlen in analoger Weise feste oder fliissige Nebelkerne erzeugen, wie es fiir ultraviolettes Licht eingehend nachgewiesen war (Heidelb. Akad. 1910, 28, 31, 32; 1911, 16). Die Frage, ob dabei Ozon oder Wasserstoff- superoxyd das priiniire, nebelkernbildende Lichtprodukt sei, scheint auch jetzt noch offen; sie darf wohl auch nur dann in1 Sinne einer Alternative aufgefal3t werden, wenn die vorhandenen Dampfspuren genau definiert sind. In historischer Beziehung ist die genannte Veroffentlichung mit Vorsicht zu betrachten; doch ist kein AnlaB, darauf einzugehen (vgl. des friiher bereits Bemerkte, besonders Ann. d. Phys. 41. p. 89, Note 2. 1913).

2) P. Lenard, ,,Uber die Elektrizitiit der Wasserfiille", Wied. Ann. 46. p. 584. 1892; ini Vorliegenden kurz mit ,,Ann. 1892" zu bezeichnen.

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gefunden wird : Das Wasser wird positiv elektrisch, wahrend negative Ladung in die Luft geht.

Ebendieselbe Elektrizitiitsentwicklung , welche hier beim Auftreffen von Wasser auf Wasser oder auf ein benetztes festes Hindernis sich findet, wurde spater auch beim Sprudeln von Luft durch Wasser und beim Zerblasen (Zersttiuben) von Wasser konstatiert. l) Auch diese Elektrizitatsentwicklungen sind mit Recht mit dem gleichen Namen ,,Wasserfalleffekt" zu bezeichnen, da es sich - wie das Folgende noch besonders zeigen wird - im wesentlichen immer um den gleichen Vor- gang handelt, der nur je nach Umstiinden verschieden ein- geleitet wird. DaB auch andere Flussigkeiten als Wasser und auch in anderen Gasen als Luft Wasserfalleffekt geben, wurde bereits (1. c. Ann. 1892) an einer Reihe von Beispielen gezeigt.

Zur Erklarung des Wasserfalleffektes war anzunehmen, daB Flussigkeitsoberflachen im allgemeinen Sitz elektrischer Doppelschichten sind, und der Grundvorgang, welcher den Effekt hervorbringt, besteht in der Trennung der beiden Be- legungen der Doppelschicht , wobei die Ladung des einen Zeichens an der Flussigkeit bleibt, wiihrend die des anderen Zeichens in das angrenzende Gas ubergeht (1. c. Ann. 1892). Die verschiedenen Erscheinungsformen des Effektes - beim Auffallen, Sprudeln, Zerblasen von Fliissigkeit - unterscheiden sich nur durch die auBeren Umstiinde, unter welchen diese Trennung zustande kommt.

Im nachfolgenden werden eingehendere Vorstelluagen uber den Mechanismus des Wasserfalleffektes und uber die Be- schaffenheit der Flussigkeitsoberflachen als Sitz elektrischer und materieller Schichtungen entwickelt . Diese Vorstellungen, deren Grundlagen im I. Abschnitt entwickelt werden, erlauben nicht nur samtliche bekannte Eigentumlichkeiten des Wasser- falleffektes zu verstehen, wie die Abschnitte I1 und 111 zeigen sollen, sondern sie sind auch auf andere Symptome des Ober- flachenzustandes - Oberflachenspannung, lichtelektrische Wir- kung - mit Erfolg anwendbar, was besonders der 111. Abschnitt entwickelt, und sie stehen aufierdem in gutem Zusammenhange mit einer Reihe von anderen Erscheinungsgebieten, welche in den ubrigen, hier nicht berucksichtigten Teilen der Original- veroffentlichung behandelt sind (vgl. erste Note).

1 ) Vgl. die Literaturhinweise im 11. Abschnitt unter 13, 14.

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A bs c h ni t t I. tfber die Oberfiachenkonsentration komplexer Molekiile und

uber die an deneelben wirkeamen Krafte.

2. Komplexe Molekiile. - Wir verstehen hier unter kom- plexen Molekulen Zusammenlagerungen einer Anzahl gleich- artiger Molekule, zu einer selbstandig beweglichen Gruppe ; meist ist auch noch ein besonderes, fremdes Molekiil in der Gruppe, das deren Zusammenhalt bewirkt.

Beispiele sind : 1. Losuizgsmolekiile, bestehend &us je einem Molekul des gelosten Stoffes mjt Anlagerung einer Anzahl von Losungsmittelmolekulen 1) ; 2. die gewolmlichen elektro- lytischen Ionen, welche nach Kohlrauschs Untersuchungen stets Zusammenlagerungen des eigentlichen Ions mit einer Anzahl von H,O-Moleliulen sind ,) ; 3. die gewohnlichen Elek- trizitutstruger in staubfreien Gasen, von welchen durch die Anwendung richtiger Wanderungsgeschwindigkeitsgleichungen gezeigt ist, da% sie Moleliulgruppen sind 3), welche offenbar durch den urspriinglichen - wohl meist 4, monornolekularen - positiyen oder negativen Trager zusammengehalten werden, und welche im ubrigen in den gembhnlichen Gasen sehr wahr- s cheinlich stet s aus H,O-Molekulen best ehen. 5 )

Beispiele ausschlielllich aus gleichartigen Riolekulen auf- gebauter komplexer Molekule bind die 2- und 3fachen Mole- kule H,O, und H,O,, wlche im flussigen Wasser anzunehmen sind.

3. Satx uber die Oberfldicheiakonzentration. - Es seien in einer Flussigkeit komplexe llolekule in der (geringen) Volumen- lionzentration p vorhanden ; der Radius eines dieser Molekule sei S, sein Volunien 8; das (mesentlich kleinere) Volumen eines

1) Vgl. iiber die dabei zugrunde gelegte Vorstellung vom Losungs- prozeI3: Akad. 1914, Teil I, p. 18. gber Losungen fliichtiger Stoffe vgl. 35.

2) Uber unangelagerte, nicht komplexe Ionen vgl. Akad. 1914, Teil I, p. 14.

3) Vgl. Ann. d. Phys. 41. p. 39ff. 1913. 4) Bei der stets relativ nur sehr geringen Zahl, in welcher die Triiger

suftreten, ist es nicht ausgeschlossen, daB manche Triigererzeugungsprozesse iiberhaupt nur komplexe Molekiile ergreifen; es wiiren d a m niindestens die positiven Triiger schon urspriinglich koniplex (vgl. Heid. Akad. 1911 A, 24. p. 49. Note 65).

5 ) Vgl. die Begriindung: Akad. 1914, Teil 111, p. 58ff.

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466 P. Lenard.

der gewohnlichen Molekule der Fliissigkeit sei w.1) Es liiBt sich dann durch eine Uberlegung uber den Mechanismus der Verdampfung zeigen - was man ausfihrlich 1.c. Akad. 1914, Teil I, Kap. I1 entwickelt findet -, daB die Konzentration der komplexen Molekule an einer gegen den Dampfraum grenzenden Oberflache der Fliissigkeit geringer sein muB als die Konzentration p im Inneren, und zwar derart, daB fiir die mittlere Konzentration pl in derjenigen adersten Oberflachen- schicht, welche Sitz samtlicher unmittelbar an den Dampf- raum grenzender komplexer Molekule ist und deren Dicke S betragt, angeniihert die Gleichung gilt: ( 5 ) 3 P l = P w / v -

Die Gleichung laBt sich in Form des Satzes angeben: dab die Oberf llichenkonzentration zur Konzentration im Inneren sich verhalt wie das Volumen des gewohnlichen Flussigkeits- molekiils (z. B. Losungsmittelmolekuls) zum Volumen des kom- plexen Molekiils (z. B. Liisungsmolekuls).

Der fiir diesen Satz (1. c.) gelieferte Beweis ist unabhangig von irgendwelchen Annahmen uber die Molekularkrafte. Man kann aber weiter nach den Kraften fragen, welche auf die komplexen Molekiile wirken mussen, damit der Satz gelte, und auf diese Frage beziehen sich die nachstfolgenden Ab- satze (4-7).

4. Ober die Krafte a n Flussigkeitsoberfllchen. - Zur Ab- schatzung der an Fliissigkeitsoberflachen wirkenden Krafte bedienen wir uns der von Laplaoe und Van der Waals stammenden Anschauungen und Gleichungen, und wir nehmen aul3erdem das schon oft benutzte exponentielle Kraftgesetz zu Hilfe. Letzteres ist allerdings nur eine zugunsten mathe- matischer Einfachheit schematisierte, ganz rohe Darstellung der Wirklichkeit3); man darf aber - in augenblicklicher Er- mangelung von Besserem - wohl annehmen, daB bei Be-

1) Alle Molekiilvolumina einschlieDlich der zugehorigen freien Zwischenrkume gemessen gedacht.

2) Die Numerierung der Gleichungen ist ungeiindert aus Akad. 1914 ubernommen .

3) Die Darstellung ist treffend insofern, als es sich jedenfalls urn Kriifte handelt, welche mit wachsendem Abstand schnell zur Unmerklich- keit abnehmen. Die Unmerklichkeit tritt dabei in Fliiesigkeiten erst in Distanzen ein, welche den Molekulardurchmesser um ein Mehrfaches iiberschreiten (,,Laplace-Van der Waalssche Kriifte", wie man sie

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Ober Wasserfallebktrizitat. 467

schrankung der Anwendung dieses Gesetzes auf die groSen Ziige der Krafte und ihrer Wirkungen im wesentlichen Zu- treffendes resultieren wird.

Es sei also I( (5) die nach dem Fliissigkeitsinneren ge- richtete Molekularkraft pro Volumeneinheit, welche auf ein im Abstande z yon der Oberflachel) befindliches Volum-

genannt hat). DaB letzteres der Fall ist, geht wohl unzweifelhaft &US den mehrfach vorliegenden Messungen des Radius der Wirkungssphiire hervor (vgl. am der neueren Literatur hieriiber besonders G. Bakker, Zeitschr. f. physik. Chemie 86. p. 129. 1914). hdererseits zeigen die Erfahrungen der kinetischen Gastheorie an, daS in Gasen, wo der Raum innerhalb des Radius der Wirkungssphiire um jedes Molekiil fast dauernd leer ist, die Kdfte echon auDerhalb des (fiir seinesgleichen) undurch- dringlichen Molekiilvolumens verschwindend klein sein miissen (,,Boltz - mann-Van de r Waalssche Kriifte", vgl. Kamerlingh-Onnes und W. H. Keesom, Leyden Comm. 11. Supplement 23. p. 705). Beides zusammengenommen scheint mir anzuzeigen, daD die zwischen zwei Mole- kiilen wirkenden Kriifte niclit vom Abstand (und der riiunilichen Orien- tierung) der beiden Molekiile allein abhiingen, sondern auch davon, ob &r Zw*.whraum leer oder mit underen Molekiilen auagefiillt id; letzterer Fall, der in Fliissigkeiten statthat, erglbe nach Vorstehendem grobere Krgfte (grobere Wirkungssphiiren), und hiermit stimmt auch die im weiter Folgenden hervorzuhebende Abnahme des Radius der Wirkungssphiire in Fliieeigkeiten mit steigender Temperatur iiberein (vgl. die viertfolgende FuBnote). DaS dennoch Van der Waals mit groBer Anniiherung die kinetische Gastheorie auf die Fliissigkeiten iibertragen konnte, wiire dann dadurch zu erkliiren, daS die Molekularkriifte im Innern der Fliissigkeiten (nicht der festen Korper, wo spezielle Lagen dicht benachbarter Mole- kiile dauernd vorkommen) groBtenteils im Mittel sich aufheben (was in der Tat bereits bei Laplace der Grundgedanke zur Behandlung der Mole- kularkriifte der Fliissigkeiten ist), wodurch der groBe Unterschied zwischen Fliissigkeiten und Gasen in der Raumerfiillung und also auch in der Distanzwirkung der Molekularkriifte seine komplizierende Wirkung verliert.

In Wirklichkeit sind die Molekularkriifte uberhaupt nicht kontinuier- liche Funktion der Raumkoordinaten, da die Molekule den Raum nicht kontinuierlich erfiillen; dies ist es, was in erster Linie und jedenfalls die Notwendigkeit zeigt, das exponentielle Gesetz und auch alle sonstigen bisher angenommenen Kraftgesetze spiiter durch Besseres zu ersetzen. Den Hauptanhaltspunkt zu diesem Ende niuD die Erkenntnis geben, daB die Molekularkriifte elektrischer Natur sind, worauf wir am Schlusse des 11. Abschnittes zuriickkommen.

1) Wir nehmen als geometrische Oberfliiche mit der Koordinate a = 0 die Ebene, welche 'durch die Mittellagen der Zentren der iiuDersten Molekiilschicht geht. Der Abstand 2 von dieser Ebene wird stets nach innen zu positiv gerechnet.

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468 P. Lenard.

element wirkt, P (5) der von dieser Molekularkraft herrkhrende Druck in der Tiefe 5, a die Oberflachenspannung.

Es ist dann X m m

P (a), was wir kurz mit, P bezeichnen, ist die gewohnlich ,,Normaldruck" genannte GroBe; es ist also P gleich dem in Van der Waals Gleichung zum auDeren Druck hineu- kommenden Summanden und daher numerisch angebbar.

(6) wird @a> P = A . K , a = A 2 * K , also auch (6 b) a = L - P , K = P 2 / a . K (0), kurz mit IC bezeichnet, ist die &aft pro Volumeneinheit an der Oberflaohe selbst. Da diese &aft eine wohl definierte endliche GroDe hat und nach der letzten Gleichung (durch P ) aus experimentell ermittelbaren Grol3en numerisch berechenbar ist, hat auch die GriiBe A, welche hier als das MaB f i i r den Radius der Wirkungssphare auftritt, einen wohl definierten Sinn. Der Radius der Wirkungssphare selbst ware derjenige Abstand 2 von der Flussigkeitsoberfliiche, in welchem die Kraft K (5) unmerklich wird; man kann ihn etwa gleich dem 10 fachen des Wirkungsspharenmales 3, setaen. l)

Zu diesem WirkungsspharenmaB 3, ist zu bemerken, daB es nicht als eine fiir die betreffende Molekulsorte charak- teristische Konstante aufgefaI3t werden kann; denn es ist von der Temperatur abhiingig. Nach G1.6b, 3, = a / P, mu13 namlich 3, mit steigender Temperatur abnehmen, da hierbei a bei allen Flussigkeiten2) vie1 starker abnimmt als P.3)

Bei dem Kraftgesetz K (5) = K - e4/2/",

1) Niiheres vgl. Akad. 1914, Teil 11, p. 8. 2) Sofern die Molekularkonstitution durch die Temperatur nicht

zu stark veriindert wird; man sehe die reiche Zusammenfassung der Daten bei G. Bakker (1. c.).

3) Dies ist auch in tfbereinstimmung mit der in der viertvorher- gehenden Fuhote entwickelten Vorstellung, dap die dfokku.hrh&fte besser durch von dfokkiikn erfiillte ZwisChenrcium wirken ale durch den

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Uber Wasserfallelektrixitut. 469

5. Konzentrationsgleichgewicht a n der Oberfluche. - Fur die Einwilrtsbewegung eines in der Oberflachenschicht befind- lichen komplexen Molekuls ist die Differenz der Iirafte wirk- Pam, welche auf das Molekul und auf ein gleich grol3es Fliissig- keitsvolumen wirken, das an seine Stelle t.reten mul3. Diese Kraftdifferenz ist nach G1. 6 (7) ( K e ' e - 4 - F e - 4 1 ' ) 7,

worin K und il die oben definierten GroDen in bezug auf das Zusammenwirken von komplexem Molekul und Fliissigkeit (also z. B. bei verdiinnten Losungen Losungsmolekul und Losungsmittel), K und A' dieselben GroBen in bezug auf gewohnliche Flussigkeitsmolekule allein bedeuten und V, wie vorher, das Volumen eines komplexen Molekuls ist.

Die Anzahl der komplexen Molekule, welche durch diese Kraftdifferenz pro Sek. und em2 einwarts befordert wurden, ist

wenn k die Kraft ist, welche ein komplexes Molekul mit der Geschwindigkeit 1 cm/sec in der Fliissigkeit fort bewegt, ,uz die Anzahl der komplexen Molekule im em3 in der betrachteten Tiefe x.

Dieser Einwartswanderung der komplexen Molekule infolge der Molekularkrafte wird im stationaren Endzustand das Gleichgewicht gehalten durch die infolge der Warmebewegung stattfindende Diffusion nach auBen. Letztere befordert nach Hrn. Nerns ts Theorie l)

(8) (Ke--x , l - K e - Z I A ' ) % I k t

(9) P o d P z -.- k d x

Molekule pro Sek. und em2, worin po der von einem Gasmolekul in1 em3 ausgeubte Druck ist : p , = 1,40 * 10-la T dyn/cm2 pro Moleliiil im em3 bei der absoluten Temperatur T.

leeren Raum; denn mit steigender Temperatur nimmt die Dichte der Fliissigkeit und also auch die Ausfullung der Zwischenriiume mit Mole- kiilen eb. Letzteres gilt auch bis in den Gaszustand hinein mit ent- sprechendem Sinken des Radius der Wirkungssphiire, wie in jener Note hervorgehoben. Jedenfalls ist demnach festzuhalten, dal3 der Radius der Wirkungssphiire wesentlich von dem Medium abhiingig ist, durch welches die Molekularkriifte wirken (vgl. dam 19).

1) W. Nernst, Zeitschr. f. physik. Chem. 2. p. 613. 1888 (mit sinn- gemaBer Abiinderung der dort benutzten Einheiten).

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470 P. Lenayd;

Die Gleichsetzung der Mengen 8 und 9 ergibt fiir den s ta tioniiren Zus t and

(Ke-z l1 - K' e-Zln') 7px = po da; d Pz (10)

und das Integral hiervon, welches der Grenzbedingung px= p bei x = 03 genugt und also die Konzentration als F u n k t b n der Tiefe x darstellt, ist:

6. Satz iiber die a n h m p l e x e n Molekulen wirksamen Krafte. - Wir benutzen nun den Satz uber die Oberflkichenkonzen- tration (Gl. 5). Derselbe bezieht sich auf die mittlere Kon- zentration p1 in einer auBersten Schicht von der Dicke S. Wir setzen diese Konzentration p1 in Anniiherung gleich der in der mittleren Tiefe S 1 2 vorhandenen Konzentration 2),

also (Gl. 10a)

und dies gibt mit G1. 5 :

In bezug auf die hierin vorkommenden WirkungcsphiCrenmaBe begnugen wir uns mit der Annaherung A=T, d.h. wir nehmen ein einheitliches, mittleres WirkungsspharenmaB an 3) ; es ist dann

Die linke Seite dieser Gleichung stellt die in G1. 7 betrachtete, resultierende Molekularkraft dar, welche im Mittel auf ein a n

1) Die spezielle Diskussion dieser Gleichung vgl. unter 8. 2) Strenge genommen wiire zur Ermittlung von pl eus G1.10e

eine Integralbildung notig, welche in geschlossener Form unausfiihrbar ist. DaS wir uns hier mit der rohesten moglichenhiiherung b e @ @ heben, beeintriichtigt nicht die weiterhin zu ziehenden SchluBfolgerungen, indem zu bedenken ist, daB unsere Untersuchung - nach der Natur des eingefiihrten Kraftgesetzes G1. 6 (vgl. 4) - jedenfalls nur die groben Hauptziige der geometrischen und der Kriifteverhiiltnisse in den Ober- flilchenschichten ergeben kann.

3) Niiheres hieriiber vgl. Akad. 1914, Teil 11, p. 12.

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0 ber Wasserfallelekt rizitat. 47 1

den Dampfraum qrenzendes (in der mittleren Tiefe S / 2 be- findliches) komplexes Molekiil wirkt.

G1. 12a stellt somit einen einfachen Satz uber diese resul- tierende Kraft dar, indeni sie dieselbe als Funkt ion der Volu- mina V und v des komplexen Molekiils und des Flussigkeits- molekuls, des Wirkultgsspharenmafies il und der absoluten Tem- peratur T angibt.

Da diese letzteren GroBen mejst geniigend genau numerisch bekannt sind - im Gegensatz zur Kraft I<, zu deren Ermittlung kein sonstiger Anhalt vorhanden ist -, so ist G1.12a von wesentlicher Bedeutung f i i r viele quantitative 'ijberlegungen in bezug auf Flussigkeitsoberflachen. l)

Im Einzelnen sagt die rechte Seite der Gleichung Folgen- des uber diese resultierende Kraft aus :

a) Die Kraft steigt init Clem Volumenverhaltnis V / v ; b) sie steigt jedoch nur logwithmisch, d. i. vie1 langsemer

als dieses Verhaltnis, und zwar urn so langsamer, je groBer V im Vergleich zu v bereits i s t ;

c) die Kraft steigt mit der Temperatui T ( A nimmt ab mit T , vgl. p-466) ;

d) die &aft ist kleiner bei Flussigkeiten mit groBerer Wirkungssphare 1.

Man kann diese Einzelsatze folgendermafien verstehen : Das komplexe Molekul erfullt seinen Raum V sehr kompakt, da die in ihm enthaltenen Molekule durch ihre speziellen Krafte zusammengehalten werden; das gleiche Volumen V aus cler ubrigen Flussigkeit weist dagegen alle clie Zwischenraume auf, welche bei der betreffenden Temperatur zwischen den Mole- kulen der Flussigkeit vorhanden sind. Die beiden gleich groRen, in der resultierenden Kraftdifferenz miteinander ver- glichenen Volumina V enthalten also verschiedene Mengen von Materie, und zwar von Materie nahezu der gleichen Art, da im komplexen Molekul die Zahl der angelagerten Flussig- keitsmolekule neben dem eventuell noch vorhandenen fremden Molekid (2. B. cles gelosten Stoffes, bez. dem Molekulteil in Elektrolyten) uberwiegt. Der Hauptunterschied der beiden verglichenen Voluminn V besteht also in der Menge cler freien

1 ) Vgl. z. B. den folgenden Absatz uber die GroBenordnungen der Kriifte, ebenso clie Untersuchung iiber den Sitz elektrischer Oberflachen- ladungen Akad. 1914, Teil 111.

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472 P. Lenard.

Zwischenraume, welche sie enthalten, und da die Krafte auf die freien Zwischenriiunie nicht wirken, ist dies auch der Hauptursprung der betrachteten Kraftdifferenz. Das Ver- haltnis V / o ist ein Ma13 fur das Volumen der Zwischen- raume im Fliiseigkeitsvolumen V und es ist daher selbst- verstandlich, da5 die Kraftdifferenz mit V / z1 steigen mu13 (Resultat a). Wenn aber V, das Voluiiien des komplexen Molekuls, sehr groB wird, kann das Innere dieses Volumens nur mehr wenig zur Kraftdifferenz beitragen, da es dann zu weit von den unigebendeii Molekulen eiitfernt ist (Resultat b). Die Temperatursteigerung vergrofiert die Zwischenraume (Resultat c). Die grofiere Wirkungssphare I verkleinert die Zwischenriiume unter sonst gleichen T’erhaltnissen, da sie den inneren Druck (P , rgl. Gl. 6s) steigert (Resultat d).

7. Gro/3enordnungen der Krujte - Die Molekularkraft, mit welcher ein an der Oberflache einer Fliissigkeit befind- liches komplexes Molekul nach innen getrieben wird, ist (K - K‘) V (5 = 0 in G1. 7). 1st der Radius des komplexen Molekuls S = 10 10-8 cm, was nach den bisherigen Resultaten unserer Untersuchungen fur ein elelitrolytisches Ion von mittlerer GroSe ungefiibr zutreffen durfte l), und ist der Radius des gewohnlichen Flussiglieitsmolekulh r = 3.4 * em, was fur ein mittleres Wassermoleliul anzunehmen ist 2), so ist mit dem Wirkungsspliiirennin13 1, = 15 * 10-8 em3) die gcsuchte Molekularkraft nach G1. 12a (1; - I<’) V = 180 lo-’ dyn.

Dieser KraftuberschuS ist es, wlcher das koniplexe Molekul nach innen treibt, so daB iin stutionaren Zustande das Kon- zentrationsgefalle clrr liomplexen Molekule sich ausbildet, welches bereits in G1. 10a enthnlten ist und im folgenden noch naher betrachtet werden soll, und welcliem die im Satze von der Oberflachenkonzentration ((31. 5 ) entlialtene T’emrmung der Oberflache an komplexen Molekulen entspricht.

Es ist von Interesse, init cler so berechneten, iiach innen treibenden Molekulnrkraft die nach auBen gerichtete elektrische Kraft zu vergleichen, welche auf dasselbe Molekul wirlit , falls es ein Ion ist und ein seineni Zeichen entsprechendrs elektrisches

1) Vgl. letzte Note dieses Abschnittes. 2) H,O,. 3) des aus den bisherigen Wasserfellversuchen (Abschn. 111)

sich ergebendem Radius der Wirkungssphiire (vgl. Akad. 1914, Teil 11, p. 8).

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Ober WasserfaUelektrizitat. 475

Feld an die Flussigkeitsoberflache gelegt ist. Nimmt man das starkste , in Luft von Atmosphlirendruck mogliche Feld an, 40000 Volt/cm, so ergibt sich diese elektrische Kraft I) zu nur etwa 0,s 10-7 dyn; sie ist also sehr klein gegeniiber der Mole- kulamkraft, woraus ersichtlich ist, da8 BuBere elektrische Felder von den in gewohnlicher Luft moglichen Starken keinen merk- lichen Einflu8 auf die Konzentrationsverteilung der Ionen in der LuBersten Oberflachenschicht haben konnen. Nur ein der elelitsrisehen Oberflacbendichte entsprechender nberschul3 der Ionen des betreffenden Zeichens mu8 resultieren.

Die Kraft K' v, welche auf ein gewohnliches Fliissigkeits- molekul an der Oberflache wirkt und welche im Gleich- gewichtszustand durch eine ihr gleiche Gegenkraft (herriihrend von den StoBen, der Nacbbarmolekule) aufgehoben ist, ist unmittelbar nach G1. 6b zu berechnen; sie ergibt sich z. B. f i i r Wasser I<' v = P2 v/a = 200 * 10-7 dyn. 3, Es entspricht dies einem elektrischen Felde von etwa 2,109 Volt/cm, wirkend auf 1 Elektron.

8. Konzentrationsverteilung komplexer Mo1eki.de in der Ober- flcichenschicht. - Die Konzentration lu, der komplexen Mole- kiile als Funktion der Tiefe x ist durch G1. 10a gegeben, welche mit cler angenaherten Vereinfachung A = 1' und mit Benutzung der G1.12a die Form annimmt:

worin zur Abkiirzung eSlZL = E gesetzt ist.

fliiche (5 = 0) Es ist hiernach die Konzentration an der adersten Ober-

Po = P (G)-*; in der Tiefe S / 2 ist sie, in Ubereinstimmung mit G1. 5,

V P I = F17;

ini Inneren der Flussigkeit ( x = GO) ist sie p.

1) Dae Ion als einwertig angenommen. 2 ) Ausfiihrlicheres uber die riiumliche Verteilung solcher elektrostati-

scher Ladungen vgl. &ad. 1914, Teil 111, Kap. VIII. 3) [De hiermit K' bekannt ist, ist mit Hilfe von Gl. 12a in leicht

ersiohtlicher Weise auoh die auf das komplexe Molekiil wirkende &aft K V numerisch berechenbar.]

s

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474 P. Lenurd.

Der Anstieg der Konzentration von x= 0 an erfolgt nach G1.12a bzw. 13 anfangs sehr langsam, in einer gewissen Tiefe 2 = 5 aber plotzlich so schnell, daB der Endwert ,u alsdann auch bald sehr nahe erreicht ist. Diese Tiefe ist nach GI. 13 l)

S T' = + a log log-,

sie ist also in allen Fellen von der GroBenordnung des Wirkungs- spharenmaBes 1, also kleiner als der Radius der Wirkungs- sphare. Denn log log (V / v) variiest fur alle Werte von V / v, die zwischen 3 und 10000 licgen, nur von rund 0,l bis zu 2,2, und S / 2 ist ron cler GroBenordnung des Wirkungsspharen- maBes .

Man kann demnach den Zustancl der ffeien Fliissigkeits- oberflache in cler Hauptsache dahin beschreiben, du/3 uber dus Innere won der Iionxent?.ation ,u eine verdiinntere Obevflachen - schicht won der der Konzentration , u v / T' und der angegebenen Dicke Diese Dicke mu13 nach G1. 13a ini all- gerneinen (mie 1) init s teigender Temperatur abnehruen uncl sie muB nuBerdem uni so kleiner sein, je kleiner die kom- plexen Molekule (8, V) sind. So miissen z. B. in Elektrolyten H-Ionen bis zu kleinereni Abstande in nahe voller Kon- zentration an die Oberflache heranreichen, als Xa-Ionen; dcnn erstere sind kleiner als letztere, was aus den gemessenen Wanderungsgeschwindig~eiteii uiizweifelha,ft hervorgeht , 2 ) -

gelugert ist.

1) Man hat *a2 ,u2 1 a x 2 = 0 zu setzen. 2) Uber die Gropeit der Ionen. - Man lrann den Radius des Na-Ions

(mit seiner Wasseranlagerung) zu etwa 10 * 10-8 cin angeben init der (allerdings fiir sich allein nicht ausreichenden) Begriindung, daB das Na- Atom nahe ebensogrol3 ist \vie das Iv,- oder 0,-Molekiil und daB diese Molekiile als gewohnliche Elektrizitatstriiger (mit Wasseranlagerung, vgl. &ad. 1914, Kap. IX) etwa jenen Radius annehnien (vgl. Ann. d. Phys. 41. p. 91. 1913). Einen zweiten Anhaltspunkt findet man darin, daI3 auch Losungsmolekule, welche nach Hm. Nernsts Diffusionstheorie etwa die gleichen Reibungswiderstiinde erfahren wie die Ionen, Radien ungefiihr derselben GroBe ergeben, wenn man sie - unserer Vorstellung ent- sprechend - als komplexe Molekule betrachtet, bestehend &us dem Molekiil des gelosten Korpers und einer Anzahl (etwa einer Schicht) an- gelagerter H,O-Molekiile. Ninimt man demnaoh fiir das Na-Ion S = 10. 10-8cm an und rechnet m a s die Radien der anderen Ionen verkehrt proportional der Wurzel a m ihrer Wanderungsgeschwindigkeit (was mehr

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Uber Wasserfallelektrizitat. 475

Auf einen Unterschied in bezug auf positive und negative Ionen, hervorgerufen durch ein stets an der Oberfliiche von Flussigkeiten befindliches elektrisches Feld, gehen wir in des folgenden Abschnitten ein.

A bsc h n i t t 11. Der Waeeerfalleffekt a l e Folge der elektriachen Natur

der Moleknlarkrlifte.

9. Doppelschicht im Inneren der Fliissigkeit. - Die elek- trische Doppelschicht, durch deren Annahme an der Flussig- keitsoberflache die Erscheinungen des Wasserfalleffektes erklar- bar wurden l), erschien ihrerseits zuniichst zuriickfiihrbar auf das Bestehen von Kontaktelektrizitat zwischen Flussigkeit und Gas (Ann. d. Phys. 1892, p. 631ff.).

Diese Auffassung, welche gegenmiirtig allgemein an- genommen zu sein scheint, ist mir beim Hinzukommen neuer Beobachtungen allmiihlich unwahrscheinlich geworden. Es sei deshalb jetzt die andere Auffassung entwickelt, zu welcher ich gelangt bin1), welche ebenfalls von der Annahme einer

berechtigt scheint, als Anwendung des Kirchhoff-Stokesschen Ge- setzes, vgl. Ann. d. Phys. 40. p. 403. 404. 1913), so ergeben sich die Radien 8 des H-, K-, Na-, Li-Ions zu 4, 8, 10, 12*10-s cm.

[In einer nach der ersten Veroffentlichung des Vorliegenden er- schienenen Abhandlung ,,iiber die Gro13en der Elektrizitiitstrilger" nimmt Hr. G. v. Hcvesg die Radicn der einwertigen Ionen vie1 kleiner an (Jahrb. d. Radioaktivitat 11. p. 419. 1915). Soweit ich sehe, besteht hierbei einer der Hauptanhaltspunkte in dem Vergleich der Ionen mit Losungsmolekiilen (identisch mit unserem soeben erwahnten zweiten Anhaltspunkt), wobei indessen Hr. v. Hevesy die Losungsmolekiile a18 nicht komplex, niimlich als gleich dem Molekiil des gelosten Karpers annimmt, was natiirlich kleinere Radien ergeben muD, als unsere Annahme von der komplexen Natur der Losungsmolekiile. Letztere Annahme ist indessen durch so viele Zusammenhiinge gestiitzt (vgl. &ad. 1914), daD sie wohl den Vorzug zu verdienen scheint. Wir nehmen z. B. auch das von Hrn. v. Hevesy herangezogene Molekiil des in Wasser gelijsten Stickstoffs als komplex an, niimlich bestehend aus N, (oder K) mit An- lagerung von H,O- (oder H,O,-) Molekiilen. (Da der Stickstoff aus dem Wasser fliichtig ist, gilt fiir diese Komplexe daa in Abschnitt III unter 35 gesagte).]

1) Zuerst bereits mitgeteilt in den Sitzungsber. d. Heidelb. &ad. 1910 A 18, p. 6. 7. Fiir sich allein beweisend wiiren die dort beschriebenen Versuche nur, wenn die Spannungsdifferenz in der Doppelschicht iiber etwa 0.1 Volt liegt. Geringere Spannungsdifferenzen wiirden nach der

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476 P. Lelzard.

elektrischen Doppelschicht an der Flussigkeitsoberflache aus- geht, deren Sitz jedoch nicht mehr an der Beruhrungsflache Gas-Flussigkeit, sondern ganz in cler Flussigkeit sucht.l)

Wir f ~ r e n zuerst die erwahnten Beobachtungen als spezielle Beweisstucke fiir diese Auffassung an (Abs. 10-17), wobei sich zeigt, dal3 clieselbe eine grol3e Zahl von Beobachtungs- tatsachen zu verstehen erlaubt und bisher vorhandene Wider- spruche als nur scheinbar erklart, und wir kommen dann, gestutzt auf die Betrachtungen des I. Abschnittes, zu einer Verallgemeinerung der Auffassung, welche mit der elektrischen Natur cler Molekularkrtifte zusammenhangt und noch mehr Tatsachen einheitlich zusammenfal3t (Abs. 18 u. 19).

Fur das weitere Studiuni des elektrischen Wasserfall- effektes wird die hier durchgefuhrte Auffassung jedenfalls forderlich sein. Da sie aber das bereits Bekannte schon jetzt in sich widerspruchsfrei erscheinen laBt, so ist wohl auch der Zeitpunkt gegeben, auf die meteorologische Bedeutung des Wasserfalleffektes, welche ich an Beispielen bereits 1. c. 1892 hervorgehoben hatte, hier von neuem einzugehen (Abs. 15).

10. Oberflachenspannung im Vukuum und in Luft nicht merklich verschieden. - Die Versuche, melche zeigten, dal3 bei AusschluB von Luft hergestellte Wasserobe: flachen ihre Spannung nicht merklich andern, wenn Luft zugelassen TVlrd, ivurden bereits frfher mitgeteilt2), und es wurde dort auch schon der SchluB gezogen, dal3 eine elektrische Doppelschicht Luft - Wasser nicht angenommen werden konne, da deren Aus- bildung die Oberflachenspannung vermindern mukite, dab also die durch die Wasserfallelektrizitat angezeigte Doppel- schicht wohl ganz im Wasser zu suchen sei.

11. Keine Reibungselektrizitat zwischen Wasser und Luft. - Schon die ersten Versuche hieruber hatten gezeigt, dal3 keine gut insrkliche Elektrisierung der Luft stattfindet, wenn Wasser- strahlen frei durch die Luft fahren, auch dann nicht, wenn

betreffenden, von H. Helniholtz entviickelten Beziehung (Ber. d. Berl. Akad. 3. Kov. 1881) keine merkliche hderung der Oberfllichenspannung ergeben konnen; sie wurden jedoch fiir den Wasserfalleffekt genugen (vgl. Wied. Ann. 46. p. 633. 1892).

1) Eine Mitbeteiligung des Gases an der Doppelschicht ist zw&r nicht ausgeschlossen ; sie ist aber aus den bisherigen Wasserfallversuchen nicht erwiesen.

2) T'gl. Note 1 auf voriger Seite.

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Uber Wasserfallelektrizitat. 477

die Geschwindigkeit sehr groB ist (z. B. ca. 20 m/Sek.) uncl wenn Diaphragmen mit engern Loch das Mitstromen der Luft moglichst verhindern. l) Man kann allerdings hier annehmen, da13 ewar die Luft in Kontakt mit dem Wasser elektrisiert sei, daB aber keine Trennung stattfinde, da die anliegende Luftschicht am Wasser nicht gleitet.

12. Schnelles Verschwinden von Fliissigkeitsoberf lache un- wirksam. - Man durfte dagegen Trennung der Luft von der Flussigkeit erwarten, wenn Flussigkeitsoberflache in Luft schnell sich eusammenzieht oder anderweitig schnell ver- schwindet. Dies findet statt beim Auftreffen von Flussigkeits- massen auf ein Hindernis, e. B. beim Auffallen von Wasser- tropfen auf Wasser und beim ZusammenflieBen von Tropfen, und diese Vorgange gaben in der Tat Luftelektrisierung, und zwar in einer Starke, die mit der GriiBe der verschwindenden Oberflache und der Geschwindigkeit des Verschwindens in der zu erwartenden Weise zusammenhing.2) Es waren das Beobachtungen, welche mit Recht als eine Hauptstutze fur die Auffassung von der elektrischen Doppelschicht Gas-Flussig- keit angesehen werden konnten. Es finden indessen hierbei fast immer auch Nebenvorgange statt (z. B. Zerspritzen), und es erschien wichtig, das schnelle Verschwinden von Flussig- keitsoberflache einmal moglichst befreit von solchen Neben- vorgangen f i x sich allein zu studieren. Dies kann am besten beim Abfallen einzelner Tropfen von einem AusfluBrohre ge- schehen, wo die lctzte Abschnurung und die nachfolgende Zusammenziehung der Ligamentreste unter schneller Abnahme der freien Oberfliiche ~ ta t t f inde t .~) Die hieruber von den Herren Triibi4), v. BernolakS) und M. Aganin6) in suk- zessiver Verfeinerung durchgefarte Untersuchung zeigte, daB,

1) Vgl. Wied. Ann. 46. p. 617, 618. 1892. Eine Untersuchung iiber Reibungselektrizitat zwischen Gasen und festen Korpern liegt von Hrn. K. Wesendonck vor (Wied. Ann. 47. p. 529. 1892); ihre Resultate sind ebenfalls negativ.

2) Vgl. iiber das Auffallen von Tropfen auf Wasser Wied. Ann. 46, p. 610 bis 612 und 621 bis 626; uber das ZusammenfIieBen von Tropfen M. Aganin, Ann. d. Phys. 45. p. 1028. 1914.

_ _ _ ~

3) Vgl. die Abbildungen Wied. Ann. 30. 1887. Tafel. 4) 0. Trubi (Dissertation, Heidelberg 1912; noch ungedruckt). 5) v. BernolBk, Ann. d. Phys. 39. p. 497. 1912. 6) M. Aganin, Ann. d. P h y . 45. p. 1003. 1914.

Aiinalen der Y’hysik. IV. Folge. 47. 31

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478 P. Lenard.

wenn uberhaupt beim AbreiSen von Tropfen und nach- folgendem schnellen Zusammenziehen des Ligaments Elektri- sierung des Wassers und der Luft stattfindet, diese Elek- trisierung doch nur auDerst gering sein konnte ; sie verschwand jedenfalls, auch feinsten MeSmitteln gegenuber, um so mehr, je mehr die fremden Nebenprozesse 1) beseitigk wurden.

Hiernach muDte es sehr eweifelhaft erscheinen, ob die Abtrennung der Luft vom Wasser das elektrisch Wesentliche der Wasserfallvorgange sei2)

13. Zerstieben und Zerteilung von Fliissigkeit unwirksam, Zerblaselz dagegen wirksam. - Das Auftreten groberen und feinsten Wasserstaubes ist allen elektromotorisch wirksamen Wasserfallvorgangen gemeinsam; es findet sich bei den Wasser- fSillen der Strome und Bache, bei den auf flache Hindernisse treffenden Strahlen und Eineeltropfen und auch bei den Gas- blasen, welche in Fliissigkeiten aufsteigen und oben platzen.

Dennoch habe ich zeigen konnen, dab Zerteilung des Wassers schlechthin keineswegs als der elektromotorisch wirksame Grundvorgang angesehen werden darf 3) : BloBes Zerstieben des Wassers infolge seiner Triigheit bei sohnellem AusflieSen war unwirksam 4, ; der bei wirksamen Vorgiingen auftretende Wasser-

1) Besonders das bereits von Hrn. v. Bernolhk ausdriicklich be- achtete, aber schwer zu vermeidende Abschleudern kleinster sekundiirer Tropfchen kam in Betracht; nur wenn dieses eintrat, war mit Sicherheit Wirkung zu beobachten. Es ist wahrscheinlich, daB die Abschleuderung kleinster Wasserpartikel aus dem sehr diinnen Teile des Ligaments wahren Wasserfalleffekt darstellt (Tropfkollektorwirkung war ausgeschlossen ge- funden), entsprechend der Auffassung iiber das Wesentliche dieses Effektes, zu welcher wir im vorliegenden gclmgen (vgl. 14 und die Note iiber Ober- fliichenspannung dort).

2) Hr. v. Be rno l lk fand neuerdings eine Erscheinung, welche noch- mals sehr zugunsten cines Abtrennungseffektes der Luft vom W-er zu sprechen schien: Es tritt Wasserfalleffekt auf, wenn Luft von einem fliissigkeitsgetriinkten Schwamme schnell sbgepumpt wird. Es ist aber zu vermuten, daB hierbei das Platzen kleinstcr Gasbliischen das Wirkeame war in dem weiter unten nach unserer Auffassung zu erkliirenden Sinne.

3) Die Auffassung der Zerteilung schlechthin als Grundvorgang ist seit einiger Zeit besonders in Frankreich und England beliebt; sie hiilt aber - wie die oben zu erwiihnenden schon alten Versuche zeigen - eingehender Kenntnis gegenuber in solcher Allgemeinheit nicht stand. DaB sie dennoch einen wahren Kern enthiilt, zeigen wir durch Klar- legung desselben im folgenden.

4) 1. c. Wied. Ann. 46. p. 619. 1892.

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Ober Wasserfallelektrizitat. 479

staub hatte - soweit er gesondert von der Luft auffangbar war - nur Ladungen vom Zeichen des Wassers, nicht von dem der Luft l), und ganz besonders zeigte sich der Elementar- vorgang der Zerteilung, verwirklicht an den einzeln abfallenden Tropfen, in den bereits erwiihnten Versuchen von Herrn Aganin auch in dieser reinsten Form als ghzlich unwirham.

In merkwiirdigem Gegensatz hierzu standen Versuche an einem gewohnlichen Zerspriiher, welche ich bereits im Winter 1898 angestellt hatte und welche nur wegen des bisher un- aufgeklkten, in der Uberschrift dieses Abschnittes angedeuteten Widerspruches, welchen sie mit sich brachten, unveroffentlicht geblieben sind.2) Es seien zuntichst die Versuche beschrieben. Der benutzte Zerspriiher hatte die gewohnliche Konstruktion, bestehend aus zwei unter etwa 90° zueinander gestellten Glas- rohren, deren eine in zur Erde verbundenes des tilliertes Wasser tauchte, wahrend die andere mit einem Blasebalg verbunden war. Da es dsrauf ankam, nicht etwa nur die bekannte Wir- kung des Auftreffens der zerschleuderten Tropfchen auf Hinder- nisse zu beobachten, fuhr der Wasserstaubstrahl, schrag nach aufwgrts gerichtet, frei duroh die Zimmerluft , ohne uber- haupt ein Hindernis zu treffen. Der langsam aus dem Strahl herabsinkende Tropfchenregen wurde auf einer benetzten, isoliert aufgestellten und mit dem Elektrometer verbundenen Platte aufgefangen, die auch zur Gewichtsermittlung des auf- genommenen Wassers eingerichtet war.s) Der Zersprther selbst war mit einem zur Erde verbundenen Messingrohr als elek- trischem Schutz umgeben. Die von den Tropfchen mit- gebrachte Elektrizittitsmenge ergab sich zu 7 10-10 Coulomb pro Gramm aufgefangenen Wassers, und zwar positiv; in der Zimmerluft war gleichzeitig negative Elektrizitiit nachweisbar.

1) 1. c. Wied. Ann. 46. p. 602ff. 1892. 2) Die Versuche waren damals, nsch dem gewitterreichen Sommer

1898, mit besonderer Riicksicht auf die bereits 1. c. Wied. Ann. 1892 hervorgehobene meteorologische Bedeutung des Wasserfalleffektes wieder aufgenommen worden. Die hydrodynamischen Resultate, welche aus dem soeben angegebenen Grunde fiir sich allein veroffentlicht wurden, finden sich in der Meteorolog. Zeitschr. von 1904 (vgl. die E”u5note 1 auf p. 249 dortselbst). Die Mitteilung der elektrischen Resultate holm wir erst jetzt nach. Auch auf die seither (1909) von Hrn. G. C. Simpson schon veroffentlichten iihnlichen Ergebnisse gehen wir weiter unten ein (16).

3) Verdampfungsverluste d e n bemndera ermittelt; sie waren meist gering.

31 *

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480 P. Lenard.

Diese auf die Gewichtseinheit des Wassers bezogene Elektrizitats- menge war nur sehr wenig abhangig von der Lage der Auf- fangestelle. Um dem Resultate Bedeutung beizumessen, war noch der Nachweis notig, daB die Elektrizitatsentwicklung nicht etwa als bekannte Auffallwirkung an der Auffangeplatte oder als Wirkunp der jedenfalls sehr heftigen ZusammenstoBe der verschieden groBen Tropfchen im Staubstrahle selbst erklarbar sei. Dazu wurde die Auffangeplatte durch eine kleine, mit benetxendem Gewebe uberzogene Kugel oder auch durch einen mit Seidenpapier uberzogenen, im ganzen nur 1,5 mm dicken Draht ersetzt, und es wurde ein kraftiger Luftstrahl oder auch der breitere Luftstrom eines Ventilators (bis zu 11 m/Sek. Luftgeschwindigkeit) seitlich in den Wasser- staubstrahl geblasen , so daB dessen Tropfchen gegen jene schmalen Auffangehindernisse mit sehr vermehrter Geschwindig- keit geschleudert und aufierdem wohl unzweifelhaft auch zu vermehrten gegenseitigen ZusammenstoBen gebracht wurden. Der elektrische Effekt, bezogen auf die Gewichtseinheit des aufgefangenen Wassers, blieb jedoch in gleicher GroBenordnung wie vorher. Dies xeigt, dab der Effekt aller Wahrscheinlich- keit nach bereits beim Zerblasen des Wassers entstanden warl), da13 also Zerblasen im Gegensatz zu anderweitigem Zer- sprkhen oder ZerreiBen des Wassers elektromotorisch wirksam sei. Hierbei muBte besonders die gefundene GroBe des Effektes uberraschen ; denn die hier beim Zerbla,sen gemessenen

1) Da13 der Effekt des Auftreffens der Tropfchen am auffangenden Hindernis und der ihrer ZusammenstoSe untereinander in diesen Messungen als unmerklich sich zeigte. entspricht ganz der neuerdings zahlenmiidig von Hrn. Aganin konstatierten relativen Kleinheit dieser Effekte bei kleinen Tropfen. Hr. Aganin findet bei den Meinsten von ihm gemessenen Wassertropfen, 0,4 mm Durchmesser, bei ca. 4 m/Sek. Geschwindigkeit rund 10-l2 Coulomb/cmS (Ann. d. Phys. 46. p. 1034. 1914), was in der Tat nur etwa l/looo des in obigem Versuche gemessenen Gesamteffektes ist. [Hierdurch, sowie durch die oben beschriebenen Versuche soheint mir einwandfrei der Nachweis erbracht, daB es sich beim Zerstiiuber in der Hauptsache nicht um Auffalleffekt handelt. Wie zweifelhaft letzteres bis zu eingehender quantitativer Untersuchung bleiben muDte, zeigten bereits die Versuche von Hrn. K. Wesendonck (Wied. AM. 61. p. 357ff. 1894), uber welche auch spiitere Autoren kaum hinauskamen (vgl. die Literatur bei A. Becker, Jahrb. der Radioakt. 9. p. 55. 1912), wenn sie auch zum Teil - aber ohne Sicherstellung durch Messung - die Annahme machen, daS der Auffalleffekt kleiner Tropfen relativ klein sei.]

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Uber Wasserfallelektrixitat. 481

7-10-10 Coulomb/cm3 sind mehr als die groSte beim Auf- fallen von Tropfen beobachtete Wirkung, welche - wenn man sie ebenfalls auf die Volumeneinheit des Wassers be- rechnet - nur 0,5 - Coulomb/cm3 betragt.l)

14. Abtrennung kleinster Fliissigkeitspartikeb aus der Ober- flache als Orundvorgang. - Man hat also das merkwiirdige Resultat, daB Zerteilung des Wassers je nach Umstanden sowohl starkste elektrische Wirkung geben konne - wie im Zerspriher - als auch Fehlen der Wirliung - wie beim Zerfahren und ZerreiSen der Wasserstrahlen und Tropfen. Solange kein Weg zur Aufklarung dieses Widerspruches zu sehen war - beziehlich zum Verstandnis des Wesentlichen im Vorgange der Zerteilung, wodurch derselbe erst wirksam wird, - schien mir der Wasserfalleffekt noch nicht so weit verstanden zu sein, daB entferntere Voraussagen, z. B. eine Gewittertheorie mit Anspruch auf besonderen Wert darauf gc griin de t werden konnten. z,

Die einheitliche Auf fassung samtlicher Formen der wirk- samen Wasserfallvorgange, zu welcher wir hier gelangen, er- laubt die Beseitigung des Widerspruches. Wir nehmen an, daB das Wesentliche aller wirksamen Vorgange Abtrennung kleinster Flussigkeitspartikd a u s d e r a u p e r s t e n Oberf l a c h e n - s c h i c h t sei. Wie die Abtrennung erfolgt, ist gleichgiiltig; ES kommt nur darauf an, dal3 Partikel von solcher Kleinheit abgetrennt werden, dug sie nur d ie aupere, nicht auch zugleich die innere Belegung der in der aupersten Fliissigkeitsschicht vorausgesetxten elektrischen Doppebchicht umf assen. 3, Es ist anzunehmen, daB solche Abtrennung das Vorhandensein groBer

1) Berechnet nach dem Versuche niit starkem Wasserstrahl 1. c. Wied. Ann. 46. p. 626. 1892, letzte Zeile der Tab. XVI. - Zum oben gemessenen Effekt vgl. ubrigens 16 (Influenzwirkung), wonach er nicht uls maximal bctrachtet werden kann.

2) Hr. G. C. Simpson, der bekanntlich bereits eine Gewittertheorie auf Grund der Wasserfallwirkung formuliert hat (Phil. Trans. 209. p. 397. 1909), hat sich die Beseitigung des Widerspruches leicht gemacht, indem er seinen Lesern in unzutreffender Weise zumutet, einen Teil meiner friiheren Beobachtungen fur unriohtig zu halten. Befriedigende Einsicht ist hierdurch natiirlich noch nicht gewonnen. Wir gehen auf die Gewitter- theorie in1 folgenden naher ein (15).

3) Wir gehen in1 111. Abschnitt auf die GroBen dieser Partikel ein.

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482 P. Lenard.

und zwar auf die auBerste Oberfliichenschicht lokalisierter Beschleunigungen in der Flussigkeitsmasse erfordert, und solche Beschleunigungen konnen in der Tat sehr gut durch einen in Wirbel sich auflosenden Luftstrom von auBen her der Fliissigkeit beigebracht werden - wie am Zerspriiherl) - ; wenn aber die Flussigkeit nur durch Wirkung ihrer eigenen Tragheit oder Schwere in ZerreiSung begriffen ist - wie im Falle der xerfahrenden Strahlen oder der abreipenaen Tropfen, so ist kein AnlaB fur das Auftreten solcher Beschleunigungen vorhanden, da groBe tangentiale Krafte an der Oberflache nicht vorkommen. Man versteht daher die Wirksamkeit des Zersprihens im Gegensatz zur Unwirksamkeit des Zerfahrens und des AbreiBens.3

Die beiden anderen noch als wjrksam bekannten Vorgange, namlich das Auftreffen von Tropfen auf ein Hinderniss) und

1) Dem entspricht auch die mikroskopische Beobachtung des Vor- ganges bei Funkenlicht. Man sieht vom oberen Ende des Wasserrohres an der dem Luftrohr zugewandten Seite ganz unregelmaBig wechselnde, stets aber zackig begrenzte Wassergebilde aufsteigen, welche in Richtung des Luftstromes langgezogen und offenbar von deeaen Wirbeln in gewdt- samer Zerfetzung begriffen sind. Die Liinge dieser am Rohre hiingenden Gebilde variierte zwischen 0,3 und 1,5 mm. Etwas weiter fort vom Rohr in Richtung des Luftstromes sieht man abgetrennte, ebenfalls lang- gezogene Gebilde, welche aber schon in Abrundung begriffen sind und meist ein sehr deformiertes, durch einen diinnen, meist gekriimmten Wasserfaden verbundenes Tropfenpaar darstellen. Noch weiter fort in Richtung des Luftstromea finden sich nur mehr fertige Einzeltropfchen, deren Durchmesser von etwa 0,17 mni herab bis zu unmeBbarer Kleinheit variieren. Die starkste hierbei benutzte MikroskopvergroBerung war 250fach; 1 ak. des Okulars entsprach 0,0067 mm.

2) DaB unter Umstanden die Oberfltichenspannung als tangentiale Kraft in obigem Sinne wirksame Beschleunigungen und also Effekt hemorbringen kann, ist klar; es kann dann auch bei den zuletzt genannten Vorgingen Effekt eintreten. So z. B. in Hrn. v. B e r n o l h k s Versuchen (vorletzte Note zu 12), wo das seitliche Abfliegen kleinster sekundarer Tropfchen AbreiBeffekt ergab. Dieses Abfliegen findet ohne Zweifel &us den d u s t e n Teilen des in Trennung begriffenen Ligaments unter Wir- kung der Oberflichenspannung statt, wahrscheinlich infolge etwas un- symmetrischer Gestaltung der Flussigkeitsmasse. In gleicher Weise kann die Oberflichenspannung auch beim Platzen dunner Flussigkeitshaute (Luftblasen) wirksam werden.

3) 1. c. 1892.

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Uber Wasserfallelektrizitut. 483

das SprudeW), sind in derselben Weise aufzufassen. Beim Auftreffen der Tropfen ist das plotzliche Abstromen der Luft zwischen Tropfen und Hindernis, beim Sprudeln das plotz- liche Entweichen der unter kapillarem Druck befindlichen Luft im Augenblicke des Platzens der Blasen an der Ober- flache der Vorgang, welchem die Abtrennung kleinster Flussig- keitspartikel aus der Oberfliiche in derselben Weise wie beim Zerblasen zugeschrieben werden kann. z, Man vers teht hierbei auch, dab die Wirkung beim Auftreffen von Tropfen mit zunehmendem Tropfenradius wachsen mu13 3), da dann das Entweichen der Luft aus engerem Raum, also gfmrtiger fur das MitreiBen von Flussigkeitspartikeln stattfindet, ebenso auch, daB die Wirkung des Sprudelns mit steigendem Radius der Luftblasen abnehmen muB4), da dann der Druck der eingeschlossenen Luft, also die Heftigkeit ihres Wegstromens beim Platzen der Blasen, abnimmt.6)

1) Zuerst von K. A. H o l m g r e n (SOC. physiogr. de Lund 1893 u. 1894) und von K e l v i n , Maclean und G a l t (Proc. Roy. SOC. 67. 1895) als wirksam gezeigt.

2) Moglich ist es, daD auch schon beim AbreiSen der Blasen vom Rohre und beim Aufsteigen derselben, wo ebenfals eigentumliche Be- echleunigungsverhiiltnisse an der Oberflache vorkommen, AbreiDung aus der iiuBersten Schicht und also Effekt auftritt. Die Bemerkung der Herren A. Coehn und H. Mozer (Ann. d. Phys. 43. p. 1078. 1914), daD durch die elektrische Fortfiihrung der Luftblasen die elektrische Ladung des Gases schon vor dem Platzen mchgewiesen sei, tiifft indessen nicht zu (vgl. letzte Note zu Abs. 17). Was den Effekt des Platzens der Blasen anlangt, 80 konnen dabei auch Abtrennungen aus den iiuBersten Enden der schwindenden Hiiute eine Rolle spielen (wie beim Ligament der Tropfen, vgl. Note 2 auf voriger Seite).

3) Wied. Ann. 46. p. 611. 1892 (Tropfenradien von 2 bis 5 m m ) ; 11. A g a n i n , 1. c. p. 1034 (Radien von 0,4 biu 0,6 mm). Es ist hier- bei der Effekt pro Tropfen ins Auge zu fassen, nicht pro om3 der Flussigkeit.

4) Die Abhlingigkeit vom Blasendurchmesser ist zuerst von Hrn. R. F i s c h e r festgestellt; Wien. Ber. 111, IIa, p. 1013. 1902. Die starke Abnahme des Effekts mit zunehmender Gro0e der Blasen war ohne Zweifel auch der Grund, daS der Effekt in meinen ersten Versuchen dieser Art verborgen blieb (1. c. Wied. Ann. 1892, Note p. 610); es wurden dort sehr groBe Blasen benutzt. Die starke Wirkung kleinster Bliischen kam zuerst in Rrn. K o s t e r s Versuchen zur Geltunq (Wied. Ann. G9. p. 12. 1899).

5 ) Hierauf hat bereits Hr. M. A g a n i n , 1. 0. p. 1035 aufrnerksim gemacht, dessen dort beschriebener Versuch wohl auch das beste und ein- wandfreieste Beispiel der sehr starken Wirkung kleinster Bliischen gibt.

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484 P. h a r d .

Wir wenden uns nun zu einer speziellen me teorologischen Betrachtung, um danach erst die weiteren Beweisstucke fiir unsere Auffassung beizubringen.

15. Zur Wasserfalltheorie &T Gewitter. - Da hieruber die Versuche von Herrn G. C. Simpson bereits veroffent- licht vorliegen (1. c. 1909, vgl. erste Note zu Abs. 14), so kniipfen wir an diese an. Es wird in denselben das ZerreiSen groSer Tropfen - welches, wie ich friher nachgewiesen hattel), ab- wechselnd mit Ruckbildung dieser Tropfen bei allen wasser- reiohen Regen so lange in der Wolke stattfinden muB, als ein aufsteigender Luftstrom uber 8 m/Sek.2) vorhanden ist - in iihnlicher Weise im Laboratorium an einem Ventilator nachgeahmt, wie ich es (Met. Zeitschr. 1904) beschrieben hatte, und auf seinen elektrischen Effekt untersucht. Herr Simpson schlief3t a m seinen Versuchen, daS mit dem ZerreiSen der Tropfen ein erheblicher elektrischer Effekt verbunden sei, dessen GroSe sogar zur Erklarung der Gewitter genuge. Da meine eigenen Versuche gleicher Art (angestellt zur selben Zeit, als ich das Schweben und ZerreiSen der Tropfen im Luftstrom gefunden hatte, Sommer 1899) keinen deutlichen elektrischen Effekt erpeben hatten, wenn grol3e schwebende Tropfen in regelmBBiger Weise in Kranze kleinerer Tropfen zerrissen3, so haben wir alsbald nach dem Erscheinen von Herrn Simpsons Veroffentlichung seine Versuche sowohl in ziemlich genauer Nachbildung als auch mit Variationen im hiesigen Institut wiederholt. Die hieruber durch mehrere Jahre bis jetzt fortgesetzten Beobachtungen der Herren Bot ez, Trubi und Hochschwender zeigten, dal3 es nicht leicht sei, zu positiven Resultaten zu gelangen, wenn man nur die Zerteilung der Wassermassen durch die Luft im Auge hat

Es ist dies der hydrodynamische Teil der im AnschluB an Gewitterbeobachtungen in den Jahren 1898 und 1899 durchgefiihrten Studie, deren elektrisoher Teil aus dem oben (Abs. 13) angegebenen Grunde unveroffentlicht blieb.

2) [Diese Geschwindigkeitsangabe ist durch Messungen ganz anderer Art von den Herren H. Mache (Met. Zeitschr. 21. p. 378. 1904) und W. Schmidt (Wien. &ad. 118. IIa. p. 71. 1909) gut bestgtigt worden.]

3) Vgl. die Beschreibung des Vorganges 1. c. Met. Zeitschr. p. 256. 1904. DaO aderdem auch ein Widerspruch zwischen Hrn. Simpsons Ergebnissen und meinen friiheren Versuchen an zerstiebenden Wasser- strahlen (1. c. Wied. Ann. 1892) bestand, wurde bereits vorher erwahnt (Abs. 14).

1) ,,ober Regen", Meteorol. Zeitschr. p. 249. 1904.

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Uber Wasserfallelektrizitat. 485

und auf einwandfreie Elimination des in den Wolken niclit vorkommenden, bei den Versuchen aber stets unvermeicllichen Auffalleffektes sowie anderer Fehlerquellen ausgeht, die leicht bedeutende GroBe annehmen konnen, wozu auch das Ent- weichen von Wasserstaub aus dem Apparate gehort. Nach allem hatte man den Eindruck, daB noch ein unbekannter und doch wesentlicher Umstand im Spiel sein musse; denn in manchen Versuchsreihen zeigte sich der elektrische Effekt des Zerreiljens im Luftstrom so gering, daB er durch den zu eliminierenden Auffalleffekt weit ubertroffen und ganz ver- deckt wurde. EP erschien schwer, aus den Versuchen selbst zu einem abschlieljenden Urteil zu gelangen; man mukite zu- geben, dalj einwandfreie Reproduktion der beim Gewitter obwaltenden Verhaltnisse - wo Wasser und Luft ohne feste oder flussige GefaBwande im Zusammenwirken sind, schutz- ringartig umgeben von groBen Massen, die im gleichen Pro- zesse begriffen sind - kaum moglich sei, und daB zur Losung der Frage, ob Gewitter auf Wasserfalleffekt zuruckfuhrbar seien, wohl vor allem verbesserte Einsicht in das Zustancle- kommen dieses Effektes uberhaupt erforderlich sei. Solche Einsicht scheint jetzt vorzuliegen, weshalb wir nun auf die Frage eingehen.

Man kann demnach uber die zwei besonders in Betracht kommenden Vorgange, namlich die Vereinigung der Tropfen und das ZerreiBen derselben, in elektrischer Beziehung das folgende sagen (in hydrodynamischer Beziehung vgl. d a m 1. c. Met. Zeitschr. 1904):

Die Vereinigung der Tropfen durch Zusammenstope - welche fiir sich allein in Betracht kommt, wenn Tropfen- durchmesser uber 4 mm nicht vorhanden sind - 1aBt nur elek- trische Effekte erwarten, welche zu Gewitterbildung nicht genugen ; denn es kommen fast nur ZusammenstoBe kleinster Tropfchen mit den eigentlichen, groBeren Regentropfen vor (vgl. Met. Zeitschr. 1904, p. 254), und diese ZusammenstoBe sind nur wenig wirksam, was durch die oben (Abs. 13) er- wahnten Versuche mit dem benetzten Drahte im tropfchen- erfullten Ventilatorstrom und besonders durch Herrn Agan ins Messungen nachgewiesen istl) und oben (Abs. 14) auch ver- standlich wurde.

1) Vgl. 31. Aganin, 1. c. p. 1036.

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486 P. Lenard.

Das Zerreipen der Tropfen - welches vorkommt, sobald die Durchmesser uber 5 mm steigen, und welches andauernd wiederholt stattfindet, ohne daB das Wasser zur Erde ge- langen kann, solange e ine aufsteigende Luf tgeschwindigkeit uber 8 mJSek. bei geniigendem Wasserreichtum vorhanden ist (vgl. Met. Zeitschr. 1904, p. 251ff.) - wird elektrisch unwirksam sein, wenn es ohne die Lostrennung kleinster Wasserpartikel vor sich geht (Abs. 14), wie es in wirbellosem Luftstrome der Fall ist, wo jeder grol3e Tropfen in der vorerwahnten Weise in einen mehr oder weniger regelmaBip5n Kranz kleinerer Tropfen zerfiillt. Elektrisch wirksani wird dagegen das Zer- reiBen sein, wenn solche Lostrennung stattfindet, was am meisten in sehr stark wirbelnder oder stoBweise bewegter Luft vorkommen kann, wo die Luftgeschwindigkeit raumlich bzw. zeitlich zwischen sehr weiten Grenzen variiert, und also die Bedingungen fur die eigentumliche, oben (Abs. 14) er- orterte Beschleunigungsverteilung an den Tropfenoberflachen vorhanden sind. Man kann die Erscheinung solchen Zer- reiBens am Ventilator beobachten, wenn er bei sehr groBer Geschwindigkeit unregelmal3ig funktioniert oder wenn keine Vorsorge zur Abschwachung der Wirbel getroffen ist ; in der- artigem Luftstrom konnen genugend groBe Tropfen explosions- artig zu Staub zerrissen werden (vgl. Met. Zeitschr. 1904, p. 256). Der elektrische Effekt kann dann dem des Zer- spruhers gleich erwartet werden, welchen wir oben (Abs. 13) zu rund 10-SCoulomb pro Kubikzentimeter Wasser gemessen hatten, und dieser Effekt kann zur Erzeugung eines Gewitters genugen.1)

Die besondere Art des ZerreiBens des Wassers, welche

1) Schon W. K o h l r a u s c h schiitzte die in einer blitzenden Gewitter- woke vorhandene Elektrizitiitsmenge zu etwa 100 Coulomb [Elektrotechn. Zeitschr. 9. p. 124. 18881, was 10+ Coulomb/cm2 bei einer Fliichen- ausdehnung der Wolke von nur 1 km2 entspricht. Nimmt man die ge- samte schwebende Wasserrnenge zu l cm3/cni2 an, was einer lokalen Ge- samtregenhohe von 10 mni entspricht, so wiirden fur jeden Blitz 10-8 Cou- lomb pro cm3 Wasser entwickelt werden miissen, und dies wiirde nach obigem Resultate der Fall sein, wenn die gesamte schwebende Wasser- menge lOmal wiederholt den wirksamen ProzeS der Oberflachenzerreilng durchgcmacht hat, was bei intensiver Tatigkeit wohl in wenigen Minuten der Fall sein kann (vgl. die hydrodynaniischen Daten, Met. Zeitschr. 1904, p. 258). Bereits Hr. G. C. Simpson hat (1. c. 1909) eine iihnliche Berechnung auf Grund cler von ihm gemessenen elektrischen Wirkung gege ben.

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fiber T.Vasserfallelektrizit8t. 48 7

also nach unserer Vorstellung uber den Ursprung des Wasser- falleffektes fiir Gewitterbildung notwendig ist, macht den wechselnden Erfolg bei den Nachahmungsversuchen im Labora- torium, zugleich aber auch die Tatsache verstandlich, daB Wolkenbruche auch ganz ohne Gewittererscheinungen vor- kommen, obgleich in der Zeit vor Herabfallen des Wassers der ProzeB der Wasserzerteilung und Wjedervereinigung auch in diesen Fallen sich abspielen muB. Gewitter durch Wasser- fallwirkung wird nach obigem nur dann zu erwarten sein, wenn bei gropem Wasserreichtum ein aufsteigender Luftstrom mit iiber 8 mJSek. Geschwindigkeit vorhanden ist, und wenn derselbe geniigend tumultuarisch ist.1)

DaB es auch Schneegewitter gibt, ist vielleicht durch das Analogon der Wasserfnllwirkung bei festen Korpsrn er- klarlich (vgl. Abs. 19); es ware anzunehmen, daB dabei groBe Wassermassen festen Aggregatzustandes in der Luft schwebend gehalten werden, welche durch ihre ZusammenstoBe unter dem EinfluB genugend tumultuarisoher Luftstr ome eine Ober- flachenverpulverung erfahren. Da hierzu wesentlich groBere Energie der Luftbewegung und groBerer Wasserreich tum er- forderlich sind, als zu dem vorbetrachteten Vorgange an flus- sigem Wasser, und da diese Erfordernisse gerade im Winter selten erfullt sein konnen, ware auch die groBe Seltenheit der Schneegewitter verstandlich. 1st gleichzeitig Eis und flusaiges Wasser in der Luft vorhanden, wie im Sommer bei Hagel, so kann auch ,,Reibungselektrizitat" zwisohen Wasserstaub und Eiskornern zur Geltung kommen2), was nach der hier

1) [Eine Priifung der Wasserfalltheorie der Gewitter wiire durch Ausstreuen von Salz (oder besser nichtfliichtiger Siiure) auf eine Gewitter- woke moglich (von dariiber befindlichem Luftschiff aus). Es wiiren aller- dings lo00 kg Salz pro cm2 Wolke notig, um deren Wasser (1 cmS/cm2, wie in voriger Note angenommen) in eine 0,Olproz. LoSUng zu verwandeln und also (durch Hinzukommen vieler positiver Triiger zu den negativen, vgl. Abschn. I11 B) relativ unwirksam zu machen. 1st die Theorie richtig, so konnte auch schon weniger Salz geniigen, um die Elektrizitlitsentwick- lung deutlich zu unterdriicken, falls es nur an die richtige Stelle der wirk- sanien WasserzerreiBung gebracht werden konnte.]

2) Vgl. den 1. c. Wied. Ann. 46. p. 616. 617. 1892 beschriebenen Versuch. Bekanntlich wurde Reibungselektrizitiit zwischen Eis und Wasser schon von L. So hncke als Ursprung von Gewitterelektrizitt angenommen; das gleichzeitige Vorkommen von Eis und Wasser in derselben Wolken- schicht wird jedoch schwerlich fur alle Gewitter zutreffen.

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488 P. Lenard.

noch folgenden Weiterentwicklung unserer Auffassung uber die elektrisohen Doppelschichten an den Oberflachen fliissiger und fester Korper ubrigens nur einen Spezialfall unserer all- gemeineren Zuruckfiihrung der Gewitterelektrieitiit auf diese Doppelschichten darstellt.

16. Wasserfallelektrizittit hat stets sehr grope Triiger. - Da die Abtrennung der Fliissigkeitspartikel in den best- studierten Beispielen von Wasserfallelektrieitat durch Luft- strome erfolgt (vgl. Abs. 14), ware es immer nooh moglich, eine Trennung der Gasschicht VOYI der Fliissigkeit als das Wesentliche anzunehmen. Es ware aber dann das in allen daraufhin untersuchten Beispielen konstatierte Auftreten sb- norm groBer Elektrizitiitstriiger unerklarlich l) ; denn man sollte erwarten, daB die Luft auch ohne MitreiBung von Flussig- keitspartikeln von der Oberflache abgetrennt werden konnte. Nimmt man dagegen an, daB nur die losgerissenen kleinsten Fliissigkeitspartikel es sind, welche die Ladung in die Luft tragen, so ist das stete Auftreten der groBen Trager selbst- verstandlich. 2,

DaB auch an dem entstehenden groberen Wasserstaube Ladung (durch Influens) in die Luft mitgenommen wird, habe ich bereits f r ~ e r besonders nachgewiesen (Ann. d. Phys. 1892, p. 602ff.). Die Gesamtladung der Luft wird dadurch ver- mindert und der eigentliche Wasserfalleffekt erscheint ge- falscht. Nachtriigliche Trennung der beiden Tragerarten - niimlich der primiiren, eigentlichen Wasserfalltrager und der sekundiiren, nur durch Influene geladenen Tropfohen - erfolgt erst dort, wo die leteteren, die grober sind, durch ihre Anfangs- geschwhdigkeiten oder durch die Schwere an Wiinden und

1) Vgl. die Diskussion uber groBe Elektrizitiitstriiger, P. Lenard und C. Ramsauer , Heidelb. Akad. 1910 A 32, p. 4 u. 5. - Nachgewiesen ist das Vorhandensein der grol3en Triiger in den ausfiihrlichen Unter- suchungen an Strahlen von Wasser und KochsalzlaSung bei E. Aselmann, Ann. d. Phys. 19. p. 960. 1908, und an Qyecksilber- und Amalgamstrehlen bei A. Becker, Ann. d. Phys. 31. p. 98. 1910; vgl. auch die diesbeziig- liche Diskussion bei A. Be c ker , Jahrb. d. Radioakt. 9. p. 102-108. 1912.

2) Es ist auch bemerkenswert, daD der Wasserfalleffekt mit ZU-

nehmender innerer Reibung der Fliissigkeit abnehmend gefunden worden ist (vgl. 34); handelte es sich M Abtrennung der Gasschicht von der Fliissigkeitsoberfliiche, so wiire gerade der gegenteilige EinfluD der Fliissig- keitsziihigkeit zu erwarten.

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fiber Wasserfallelektrixitdt. 489

am Boden zur Ausscheidung gelangen. Vollstandige Trennung ist dabei keineswegs in allen Fallen zu erwarten, da die kleinsten sekundaren Trager nicht sehr vie1 groBer zu erwarten sind als die primaren.1)

17. Geringer EinfluP der Natur des Gases. - Einen be- sonderen Beweis dafur, daB nicht Kontaktelektrizitat zwischen Gas und Flussigkeit vorliege, kann man in folgenden Ver- suchen sehen, in welchen ich die Wasserfallwirkung in ver- schiedenen Gasen vergleichend gemessen hambe. Der benutzte Apparat war eine ziemlich genaue, aber nur in etwa Linear- grode ausgefuhrte Nachbildung der 1. c. 1902 in Fig. 1 ab- gebildeten Gasometerglocke mit einstromendem Wasserstrahl und mit Tropfkollektorvorrjchtung. Es wurde destilliertes Wasser becutzt , das unter gemessenem Drucke (0,l-3 Atm.) den Strahl bildetr, der auf benetztes Platin fiel; ein Elektro- meter mad die sehr bald konstant werdenden Gaspotentiale im Innern der Glocke, welche aus verzinntem Eisenblech bestand und mit der Erde verbunden war. Tab. I gibt die so gemessenen Wirkungen (Relativzahlen) bei den 6 ver- schiedenen, nach aufsteigender Dichte geordneten Gasen 2, ; in der letzten Zeile sind noch die um 1 verminderten Dielek- trizitatskonstanten der Gase (ebenfalls in Relativzahlen) hinzu- gefugt .

Tabe l l e I.

Gas

Wasserfa,llwirkung 0,65 Dichte I 0,07 11 - 1 0,47

I

0,85 1,00 1,02 1 1,lO 0,56 0,97 0,97 1 1,11 1,63 1,OO 1 1,21 1 0,95

'

Man sieht, daB die Wirkungen den Dichten der Gase parallel gehen, dad aber uberhaupt nur geringe Unterschiede

1) Hieraus erklilrt sich auch ohne weiteres, da13 manche Autbren (z. B. J. C. Pomeroy, Phys. Rev. 27. p. 492. 1908) bei reinem Wesser auch ziemlich vie1 positive Trager fanden. Diese Verhilltnisse waren iibrigens schon nach meiner crsten Untcrsuchung iibersichtlich, wo die entgegengesetzte Ladung des (groberen) Wasserstaubes besonders be- achtet wurde (1. c. Wed. Ann. 1802).

2) Vom Wasserdrucke war in den angegebenen Grenzen keine deutliche Abhangigkeit der Relativzahlen der verschiedenen Gase zu be- nierken.

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490 P. Lenard.

vorhanden sind, etwa wie man es erwarten miiBte, wenn das Gas nur mechanisch und also bei geringerer Dichte etwas weniger wirkt. Irgendwelcher spezifischer EinfluB ist bei keinem der 6 Gase zu bemerken, obgleich dieselben ihrer elektrochemischen Natur nach voneinander sehr verschieden sind l) ; sie erscheinen alle fast indifferent und unbeteiligt der Wasserfallwirkung gegenuber. Besonders bemerkt sei, da13 auch die Dielektrizitatskonstante D des Gases nicht maB- gebend ist fur die Wirkung, wie die letzte Zeile zeigt. Es ist dies ein besonderes Beweisstuck fur unsere Auffassung, wonach das Gas an der Doppelschicht nicht beteiligt ist, worauf wir noch zuriickkommen (vgl. die betr. Note zu 19).

18. Elektrische Doppelscltichtelz an Flussigkdsoberf lachen. - Wie das Vorhergegangene zeigt (Ah . 10-17), ist die durch die Wasserfdlwirkung angezeigte elektrische Doppelschicht nach allem bisher Bekannten mit groaer Wahrscheinlichkeit ganz in der Flussigkeit zu suchen. Es konnte dann ihre aul3ere Belegung identisch sein mit der im Abschnitt I (Abs. 8) be- trachteten Schicht der weniger komplexen Molekule. Da indessen auch solche Fliissigkeiten den Wasserfalleffekt zeigen, bei welchen komplexe Molekule nach sonstigen Anzeichen uberhaupt nicht vorhanden sind, ist es wahrscheinlicher, an- zunehmen, da13 die Doppelschicht zwar durch dieselben Mole-

1) Hrn. J. J. T h o m s o n s Resultat, daB Wasserstoff sogar im Zeichen der Elektrisierung von Luft sich unterscheide (Phil. Mag. 37. p. 341. 1894), war sowohl mit meinen friiher schon veroffentlichten Ver- suehen gleicher Art (1. c. Wied. Ann. 46. p. 672. 1892) in Widerspruch, noch auch konnte ich es spater bestatigen, und auch anderen Beobachtern gelang dies nicht (vgl. z. B. H. U s e n e r , Diss., Bonn 1895 und neuer- dings auch A. Coehn und H. Mozer, 1. c.). Die spezielle elektrochemische Kontakttheorie des Wasserfalleffektes, welche Hr. J. J. Thomson be- Bonders durch sein Resultat, mit Wasserstoff gestiitzt glaubte, ist daher niit Recht, so vie1 ich sehe, bereits verlassen worden. Die Herren Coe h n un& Mozer haben (1. c.) die urspriingliche, allgemeinere Vorstellung von Beriihrungselektrizitiit zwischen Gas und Fliissigkeit zu Hilfe genommen, welche nun aber, wie wir sehen, zugunsten der hier in den Vordergrund gestellten Theorie der reinen Fliissigkeitsa-irkung an Wahrscheinlichkeit verloren hat. Zu bemerken ist, daB die von den Herren Coehn und Mozer zum Beweise fur den Gassitz der Doppelachicht herangezogene elektrische Fortfiihrung von Gasblasen in Flussigkeiten hierzu nirht dienen kann; denn die Fortfiihrung niuB ebensogut erfolgen, wenn die &uBere Belegung in der Flussigkeit, wie wenn sie in, Gase liegt.

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uber Wasserfallelektrizitat. 491

kularkrafte hervorgebracht sei, welche die Trennung ver- schieden gro13er Molekule bewirken (vgl. Abs. 4-7), dal3 es sich aber hier um einen feineren Trennungsvorgang dieser Art handele. Es mussen namlich die senkrecht zur Oberflache gerichteten Molekularkriifte K nicht nur die im Abschnitt I eingehend betrachteten Verschiebungen der komplexen, mas- siveren Molekule nach innen zu hervorbringen, sondern sie mussen eine Wirkung der gleichen Art auch auf die beweglichen Teile der einzelnen Molekiile ausuben, sei es durch Drehungen oder durch innere Verzerrungen der Molekule, jedesmal so, da13 dadurch die massiveren Teile der Molekule dem Innern der Flussigkeit genahert werden. Diese inneren Massen- verschiebungen der an der Oberflliche gelegenen Molekule mussen bei der elektrischen Konstitution der sie aufbauenden Atome und bei der elektrischen Natur der die Atome im Molekul zusammenhaltenden (chemischen) Krafte gleich- bedeutend sein mit elektrischen Versohiebungen in Rich- tung der Oberflachennormalen, d. i. mit der Herstellung einer elektrischen Doppelschicht an der Oberflache. Die mas- siveren Teile der Atome sind, wie man weif3, mit ihrer posi- tiven Ladung verknupftl); es ist also die au13ere Belegung der Doppelschicht negativ zu erwarten, und dies ist in Uber- einstimmung mit dem negativen Zeichen der bei der Wasser- fallwirkung in die Luft abgehenden Ladung.2) Das Ma13 fur die bei gegebener Kraft in der Volumeneinheit der Substanz

1) Das Wasserstoffatom hatte z. B. ohne seinen Gehalt an positiver Elektrizitiit nur einen sehr kleinen Bruchteil seiner Masse; denn die Anzahl der negativen Quanten in ihm ist jedenfalls nicht sehr grob.

2) Uber den Nachweis der negativen Luftladung bei Wasser vgl. 1. c. Wied. Ann. 46. p. 602ff. 1892. Hr. K. Kiihler hat zuerst nachgewiesen, daB durch Wasser ausschlieblich negative Triiger gebildet werden, Ann. d. Phys. 12. p. 1119. 1903; die Herren Coehn und Mozer haben an einer grol3eren Reihe reiner dielektrischer Fliissigkeiten' gezeigt, daB dieselben in dieser Hinsicht alle wie das Wasser sich verhalten; Ann. d. Phys. 43. p. 1048. 1914. Die von niir 1. c. 1892 bei Benzol und Terpentin be- obachteten, entgegengesetzten Ladungszeichen konnen sehr wohl Ver- unreinigungen zugeschrieben werden, wie es die Herren Coehn und Mozer auf Grund ihrer Versuche annehmen; denn bei diesen ersten Versuchen ihrer Art wurden jene Fliissigkeiten genommen, wie sie vorriitig waren. Auf die Erkliirung des Zeichenwechsels durch Verunreinigungen gehen wir im Abschn. 111 (unt.er 28) ein.

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492 P. Lenard.

mogliche elektrische Verschiebung ist die Djelektrizitats- konstante der Substanz und hiernach wiire ein Zusammen- hang des Wasserfalleffektes mit der Dielektrizitatskonstante der Fliissigkeit zu erwnrten, derart, daB Stoffe mit groBerer Dielektrizittitskonstante, deren Doppelschicht also starker aus- gebildet sein muB, den Effekt in hoherem MaBe zeigen. Dies entspricht nach den an einer groBen Reihe von dielek- trischen Flussigkeiten ausgefiihrten, kurzlich veroffentlichten Versuchen der Herren Coehn und Mozerl) auch der Wirklichkeit.

Zu bemerken ist , daB innerhalb der Oberflachenschicht von der Dicke des Radius der Wirkungssphare, in welcher die Molekularkraft K und also auch die dielektrische Ver- schieburig endliche GroBe hat, auch ein Ubergang von freier Elektrizitat (Elektronen) zwischen unmittelbar benachbarten Molekulen angenommen werden muB, da sonst die Los- trennung ganzer Molekule oder Molekulgruppen nicht das Mitfiihren freier Elektrizitat zur Folge haben wurde, in welchem wir die Erklarung des Wasserfalleffektes suchen. Diese An- nahme des Uberganges von Molekul zu Molekul ist aber auch ganz in Ubereinstimmung mit den bekannten Unvollkommen- heiten der Dielektrika.

Wir nehmen demnach an der Oberfliiche von Wasser und allen anderen dielektrischen Fliissigkeiten eine wohlausgebildete, durch die Molekularkraf te der Fliissigkeit selbst heruorgebrachte elektrische Doppelschicht an, deren Dicke gleich dem Radius der Wirkungssphare ist und deren aupere (stets negative) Be- legung durch die aufierste Molekiilschicht der Fliissigkeit ge- bildet ist.2) Da diese Doppelschicht auch beim (amorphen) Erstarren der Flussigkeit bestehen bleiben wird, ist auch an den Oberflachen fester (unvollkommen) dielektrischer Korper eine ebensolche Doppelschicht zu erwarten.s)

1) 1. c. Die Verfasser nehmen dabei in der bisher gebriiuchlichen Weise Kontaktelektrizitlit zwischen Gas und Flussigkeit an, wofiir aber ihre Versuche nicht beweisend sind (vgl. die betr. Note zu 17).

2) Bei Elektrolyten, z. B. wasserigen Salzlosungen sind noch die vor- handenen Ionen zu beriicksichtigen. Wir untersuchen deren Verteilung in der Oberfllichenschicht gesondert (Abschn. 111, 23-33).

3) Hieraus konnen vermutlich die bei ZusammenstoBen fester K o q r beobachteten, der Wasserfallwirkung analogen elektrischen Effekte erklart werden (vgl. das oben folgende). Zu bemerken ist auch, daB von unserer

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Ober T't'asserfallelektrizittit. 493

19. Dielektrizitatskonstante und Mokkularkrafte. - Man kann nach allem Vorstehenden die hier durchgefuhrte Zuriick- fthrung des elektrischen Wasserfalleffektes auf die gewohn- lichen Molekularkrafte jedenfalls als zulassig ansehen.1) Die Existenz des Wasserfalleffektes bildet in diesem Sinne einen direkten Nachweis der elektrischen Natur der Molekularkrafte K und damit auch der Oberflachenspannung a und des Kormal- druckes P.

Man kann aber sogleich auch weiter gehen, indem man einen von Herrn Coe h n vermutungsweise aufgestellten, zu- glejch aber auch experimentell an vielen Substanzen als giiltig nachgewiesenen, allgemeineren Sate benutzt 2), nach welchem die elektrischen Doppelschichten an den Beriilirungsflachen dielektrischer Korper beliebigen Aggregatzustandes stets der Differenz der Dielektrizitatskonstanten der beiden Korper proportional geladen sind, und zwar dem Zeichen nach so, da8 die positive Ladung auf der Seite der gro8eren Dielek- trizitatskonstante sich befindet. Auch auf diesen ganz all- gemeinen Fall pa8t unsere Erklarung, da13 die Doppelschicht durch die in den Grenzflachenschichten wirksame resultierende

Auffassung der durch die Orientierung der Molekiile infolge ihrer eigenen JSriifte gebildeten Doppelschichten ein einfacher tfbergang zur bekannten Theorie der Piezo- und Pyroelektrizitiit der kristallisierten, festen Korper fiihrt. In diesem Zusammenhmge betrwhtet, erscheint die elektrische Wasserfallwirkung verwandt mit den beim Zerbrechen kristallinischer dielektrischer Korper auftretenden Elektrisierungen, indem es sich in beiden Fiillen urn plotzliche Trennung entgegengesetzter elektrischer Ladungen handelt, die vorher in molckularer Niihe gebunden waren. Das Auftreten freier Ladungen beim Zerbrechen solcher fester Korper zeigt sich oft am einfachsten durch das Auftreten von Phosphoreszenzlicht, falls der Kopper dazu geeignet ist, erregt durch die in der Luft stattfindende Entladung (vgl. iiber letzteres M. Trautz , Zeitschr. fiir Elektronik 1910, p. 77).

1) Es eei bemerkt, d e l hiernach ein Mange1 an Wasserfalleffekt an frisch gebildeten Oberfliichen nicht zu erwarten ist, da die Zeitdauer der Herstellung der angenommenen Orientierung der Molekiile dazu jeden- falls zu kurz ist (vgl. Akad. 1914, Teil 11, Kap. V). Meine ersten Ver- suche (1. c. Wied. Ann. 46. p. 021. 1892) lielen allerdings die Vermutung zu, d a l eine melbare Ausbildungszeit des Wasserfalleffekts vorhanden sei; einc zur weiteren experimentellen Verfolgung der Frage unter- nommene Untersuchung hat jedoch bisher keine merjbaren Zeiten ergeben.

2) A.Coehn, Wied.Ann. 64. p. 217. 1898; A. Coehn u. U. Ragdt, Ann. d. Phys. 30. p. 777. 1909.

Annaleu der Physik. 1V. Folge. 47. 32

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Molekularkraft hervorgebracht ist, indem die massiveren, d. i. die positiven Teile der Molekule im Sinne dieser resultierenden Kraft verschoben sind. Als resultierende Kraft kommt hier die Differenz der beiden Normalkrafte K in Betracht, welche bei den beiden Korpern einzeln vorhanden sind, wenn sie ans Vakuum grenzen. 1st diese resultierende Normalkraft K, - Kl elektrischer Natur, so muB sie an der Stelle ihrer Wirksam- keit, d. i. in der ganzen Grenzschicht, welche nach der Seite jedes der beiden Korper hin die Dicke des Radius der Wirkungs- sphare hat, eine ihr selbst und der um 1 verminderten Dielek- trizitatskonstante D proport'ionale dielektrische Verschiebung hervorbringen. Diese Verechiebung wird dnnach sein im Korper 1 L,= (I<,- K,) (Dl- 1) und im Korper 2 L,=(I<,-KJ(D,-I). Es werden daher vier Schichten elektrischer Ladung vorhanden sein von den Flachendichten - L,, +Ll, - L,, +L,. DavoD befinden sich die beiden ersten und die beiden letzten im Ab- stande von der GroBenordnung des Radius der Wirkungs- sphare, also mindestens einiger Molekulradien voneinander, wiihrend die beiden mittleren an der Grenzflache der beiden Korper einander unmittelbar berfhren und also teilweise sich binden oder ausgleichen, so da13 im ganzen nur die drei Schichten - L,, - (L, - LJ , + L, zur Betrachtung ubrig- b1eiben.l) Der Sitz der ersten dieser 8chichten ist im Korper 1, der Sitz der zweiten ini Korper 2, falls D, > D,, der der dritten stets im Korper 2. Wirkt nun eine mechanische oder auch eine elektrisohe Kraft von auBen tangential zur Tren- nungsflache, so da13 die Korper aneinander vorbeigleiten, so tritt elektrische bzw. mechanische F o r t f ~ r u n g ein, deren Betrag der an dem verschobenen Korper sitzenden Gesamt- ladung proportional sein mu13, cl. i. - L, beim Korper 1 und - (L,- L,) +L,= +Ll beim Korper 2, also dem abso- luten Bet'rage nach ( K 2 - K1) (Dl - 1) bei beiden Korpern. Der Fall wird realisiert bei der ezektrischen Portfiihrung 2) (elek-

1) Dad in keiner solchen Schicht unendliche Volumendichte zu denken ist - was einst Helmholtz und Kelvin zum ersten Male klar gemacht haben (vgl. Wied. Ann. 7. p. 337. 1879) -, ist nach heutigen Vorstellungen aelbstverstlindlich ; vgl. auderdem die eingehende Unter- suchung der riiumlichen Verteilung der Elektrizitiit im Falle gewisser Doppelschichten bei Fliissigkeiten, Akad. 1914, Kap. VII.

2) G. Quincke, Pogg. Ann. 113. p. 513. 1861

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Ober Wasserfallelektrixitdit. 495

t.rischt.n Endosmose) l) uncl bei den Stromungsstronten (Dia- phragmenstromen) 2, zwischen fliissigen und festen Korpern, wo nur die Flussigkeit beweglich is t ; ferner bei der gewohn- lichen Reibungselektrizitdit 3) zwischen lwei festen Korpern, die beicle beweglich sind ; endlich auch bei der Wasserfallelek- trizitat a,n fluseigen Korpern4) und bei dem Analogon der Wasser- fallelektrixitat a n festen Korpern6), wobei in den beiden letzteren FBllen nach. unserer Auffassung aber nicht das angrenzende Gas, sondern die BuBerste Schicht des fliissigen bzw. festen Korpers selbst die Rolle des Beweglichen spielt.'j)

In den Versuchen der Herren Coehn und R a y d t , wobei das oben genannte Gesetz empirisch festgestellt, wurde, handelte PS sich um elektrische Fortfiihrung. 8011 nun, wie es in diesem Falle gefunden wurde, die nach unserer Uberlegung durch (K, - K,) - (Dl - 1) gegebene Wirkung proportional der Diffe- renz der beiden Dielektrizitatskonstanten D, - D, sein, so kann das am einfachsten daher kommen, daB sowohl I<, pro- portional D,- 1 als auch K , proportional D, - 1 ist '), daB -

1) G. Wiedemann, Pogg. Ann. 87. p. 321. 1852. 2) G. Quincke, Pogg. Ann. 107. p. 1. 1859 und 110. p. 38. 1860. 3) H. Helmholtz, Wied. Ann. 7. p. 337. 1879. 4) 1. c. 1892. 5 ) Ker r Gran t und G. J a u n c e y , Trans. Roy. Soc. South Austr.

36. 1912. Unter Mithilfe von Fliissigkeitsstrahlen wurde die Wirkung an festen Korpern bereits 1892 (Wied. Ann. 45. p. 614ff.) untersucht und ebenso von Hm. A. Becker, Ann. d. Pbys. 29. p. 928ff. 1909.

0) 1st bei der Wasserfallelektrizitt die wirksame Doppelschicht ganz in der Fliissigkeit gelegen, wie wir es annehmen, so da13 hierbei die iiulerste, an das Gas grenzende Fliissigkeitsschicht als das Bewegliche gilt, so ist die Wasserfallwirkung proportional L, - L, = (R, - R,) (De - 4) zu erwarten, also h u m abhiingig won der (relativ kleinen) Dielektrizitats- konstante D, des Gases. Es liegt hierin ein besonderes Priifungsmittel fur w e r e Annahme iiber den Sitz der Doppelschicht; denn wilre die iiul3ere Belegung der Doppelschicht im Gas gelegen, so miilte - wie oben bei der elektrischen Fortfiihrung - die Wirkung proportional ( K , - R,) (Dl - l), also wesentlich abhiingig von der Dielektrizitiitskonstante D, des Gases sein. Die Versuchsresultate der Tab. I (17) zeigen, da13 nicht dies Letztere, sondern das Erstere zutrifft, wobei besonders der Fall des Methans als beweisend gelten kann.

7) Der Faktor D, - 1 in L, ist konstant, solange ,der in den Ver- suchen benutzte feste Korper derselbe bleibt und die kleinere Dielektrizi- tiitskonstante besitzt. Letzteres trifft bei festen Korpern, Fliissigkeiten gegeniiber, meist zu ; andernfalls miilten sich bei den Fliissigkeiten mit

32*

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also allgemein die Molekularkraft K proportional der um 1 verminderten Dielektrizitatskonstante des betreffenden Stoffes ist, d. i. proportional dem durch auBere KrBfte beeinflub baren elektrischen Moment der Volumeneinheit des betreffenden Stoffes. Dieses aus unserer Uberlegung und Hm. Coehns experimentell konstatiertem Gesetz genommene Resultat ist aber verstandlich, wenn die hlolekularkrafte elektrischer Natur sind und wenn das durch iiul3ere Krafte beeinflufibare elek- trische Moment der Molekule auch maBgebend ist fur die von diesen Molekulen nach auBen, auf andere Molekule, ausgeubte elektrische Kraft. Man kann daher aus der Annahme, daB die Molekularkrafte elektrischer Natur, und zwar Wirkungen der nach aul3en sich erstreckenden elektrischen Felder der Molekule sind, E n . Coehns Gesetz verstehen, und um- gekehrt erscheint dieses Gesetz als eine besondere Stutze fur das Zutreffen dieser Ani1ahrne.l) Eine direktere Prufung der Proportionalitat von K mit D-1 ist nicht ausfihrbar, da die Kraft K der Beobachtung unmittelbar nicht zuganglich ist. Zugiinglich sind die Oberflachenspannung a und der innere

kleineren Dielektrizitiitskonstanten kleine Abweichungen zeigen (Benzol), welche allerdings in den Versuchen der Herren Coehn und R a y d t nicht erkennbar sind. Obige Uberlegung ist iibrigens, ohne den Grundgedanken zu verlassen, auch der Abiinderung zugiinglich und sollte in der hier gegebenen Form nur zur ersten Orientierung dienen.

1) Die iiber das Volumen der Molekiile hinaus sich erstreckenden elektrischen Felder, als deren Wirkungen hiernach die Molekularkrafte aufzufassen sind, miissen natiirlich den Atomen angehoren, aus welchen die betreffenden Molekule aufgebaut sind. Es mu13 sich also um Felder der Atome handeln, welche sich iiber das Atomvolumen hinaus erstrecken. Als solche Fclder kommen die der lichtelektrisch resonanzfiihigen Elek- tronen, der Dispersionselektronen, der Valenzelektronen in Betracht (welche wahrscheinlich mindestens zu einem Teil identisch dieselben sind; vgl. Heidelb. Akad. 1912 A 5, p. 40). In diesem Zusammenhange ist auch die von Hm. R. Lang gefundene Beziehung zwischen Dielek- trizitiitskonstante und Valenzelcktronenzahl bei Gasen zu erwiihnen (Wied. Ann. 66. p. 534. 1895).

Bei dieser elektrischen Auffassung der Molekularkriifte ist es auch verstindlich, dab die Molekulurkrcifte besser durch einen mit Molekiilen erfiillten Zwischenraum wirken, ak durch den leeren Raum (vgl. die betreff. Noten zu 4) ; denn die diskontinuierlich die Zwischenriiume erfullenden Molekiile konnen durch ihre elektrischen Momente Ketten bilden, welche die KrLfte rermitteln.

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Uber Wasserf aZZeZektrizitat. 497

Druck P, welche nach unseren Kraftannahmen mit K und dem WirkungsspharenmaB 1 verbunden sind durch die Glei- chungen 6a und 6b, namlich a = l a E und P = l K . Da A bei den verschiedenen Stoffen nicht vie1 variiert (wie der Molekulradius), waren demnach auch a und P nahe propor- tional D - 1 zu erwarten. Dies ist zwar keineswegs vollkommen erfiillt, aber doch auch nicht ganz fern von der Wirklichkeit, wie die folgende Zusammenstellung zeigt, in welcher Stoffe mit den extremsten, sowie auch mit mittleren Werten der betreffenden GroBen aufgenommen sind.l)

Tabel le 11.

1st der Grundgedanke von der elektrischen Natur der Molekularkrafte richtig, so ist das nur lose Hervortreten der erwarteten Zusammenhange in diesen Zahlen mindestens zu einem Teile als bloBe Folge der von vornherein angemerkten mangelhaften Gultigkeit der Gleichungen 6, 6a und 6 b an- zusehen, welche wir zum Ubergang von der direkt nicht meS- baren Kraft K auf die Oberflachenspannung a bzw. den inneren Druck P benutzt haben.

Jedenfalls geben die in den letzten Abschnitten betrach- teten Zusammenhange einen Fingerzeig, wie die nur rohen und provisorischen Annahmen unserer Gleichungen fiir die Molekularkrafte durch Besseres zu ersetzen waren. Schon seit den an den Kathodenstrahlen gewonnenen Erkenntnissen konnte es nicht mehr zweifelhaft sein, daB eingehende Be- arbeitung der Molekularkrafte die elektrischen Felder der Atome zum Ausgangspunkt nehmen miisse. Die Bearbeitung bedarf jedoch noch weiterer experimenteller Grundlagen, zu deren Beschaffung wir nun Beitrage gefunden haben. Zugleich ist gezeigt, daB hierin besonders das Studium des Wasserfall- effektes weitmen Erfolg verspricht, indem derselbe in der

1) P aus den kn'tischen Daten; vgl. 4.

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hier entwickelten Auffassung AufschluB gibt uber die Be- schaffenheit der durch Wirkung der Molekularkrafte gebildeten elektrischen Oberflachenschichten beliebiger Flussigkeiten, ein Gegenstand, auf den wir im nachsten Abschnitt noch weiter eingehen.

Abschnit t 111.

Speeiellee uber die Oberflachenbeschaffenheit von Flussigkeiten.

20. Wir entwickeln hier auf Grund der in den beiden vorhergehenden Abschnitten gewonnenen Kenntnis einige cha- rakteristische Falle von Oberflachenzustanden, wobei nament- lich Losungen Interesse bieten. Wir finden dabei, daB jede Flussigkeitsoberflache aus einer Anzahl von Schichten besteht, welche sowohl elektrisch, als auch mat eriell voneinander ver- schieden sein konnen. Diese Scliichtung erstreckt sich bis zu einer Tiefe, welche gleich ist dem Radius der Wirktings- sphiire. Wenn wir im folgenden von den Schichten als scharf begrenzt reden, so geschieht dies nur der Einfachheit des Aus- druckes halber ; eine besondere Untersuchung des Konzen- trationsverlaufes fur Schichten unelektrischer komplexer Mole- kiile findet sich oben im 11. Abschnitt (Abs. €9, und fur wichtige Falle elektrischer Schichtung im VIII. Kapitel des Originales (Akad. 1914, Teil 111).

Aus der Kenntnis clieser Schichten ergibt sich dann un- mittelbar ein Urteil uber die zu erwartenden Symptome des Oberflachenzustandes, als welche besonders die Oberfltichen- spannung, der Wasserfalleffekt und die lichtelektrische Wirhng eine Rolle spielen. Es zeigt sich beispielsweise, daB man den EinfluB geloster Stoffe auf diese Wirkungen in der Haupt- sache nun gut verstehcn kann, so daB bereits vorhandene Beobachtangen zu quantitativen Schlussen iiber die raumlichen Abmessungen der Oberflachenschichten verwer tet werdeii konnen, woraus man sieht, daB sowohl brauchbare Orien- tierung in dem schon vorliegenden Beobachtungsmaterial ge- wonnen ist, als auch die Aussicht, durch geeignet fortgesetztes, von der Theorie geleitetes Studium dieser Wirkungen weitere, eingehendere Kenntnisse iiber die Oberflachenzustande und die Molekularkrafte selbst zu erhalten.

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Uber Wasserfallelektrixitai. 499

A. Reine dielektrische Flussigkeiten (Wasser, Alkohol, Benzol usw. in reinem Zustande).

Uber die Oberflacheiakonstitution haben wir, gestutzt auf die Erscheinungen des Wasserfalleffektes und auf die Annahme von der elektrischen Natur der Molekularkrafte bereits das Resultat entwickelt (Abschn. 11), daB die auBerste Molekulschicht stets negativ, eine darunterliegende Schicht dagegen positiv geladen ist, wobei die gesamte Dicke dieser Doppelsohicht gleich dem Radius der Wirkungssphare ist. Das elektrische Moment der Doppelschicht pro Flacheneinheit steigt mit der Dielektrizitatskonstante der Fliissigkeit. Man darf jedoch selbst bei Wasser (mit der sehr groBen Dielektrizitats- konstante 81) nicht annehmen, daB samtliche Molekiile der auBersten Schicht negativ geladen waren. Der Wasserfall- effekt bei Elektrolyten zeigt (vgl. unten, Abs. 27), daB nur ein geringer Bruchteil der zu aul3erst gelegenen Molekule ge- laden sein kann. Der groBte Teil der Molekiile ist demnach an dem elektrischen Felde der Oberflsche iiur durch die dielek- trischen Verschiebungen beteiligt, welche durch die Molekular- krafte selbst hervorgebracht werden. Geladen sind diejenigen Molekule, bei welchen die dielektrischen Verschiebungen zum Ubertritt freier Elektronen von Molekul zu Molekiil gefiihrt haben (vgl. Abs. IS). Wir nehmen der Einfachheit halber stets nur 1 Elektron als molekulare Ladung an.

Fur die Starke des Feldes der Doppelschicht konnen Grenz- werte angegeben werden. Wir haben die GroBe der Molekular- kraft, welche das Feld bewirkt, bei Wasser auf 1 Molekul an der Oberflache wirkend, zu rund 200.10-7 dyn berechnet (vgl. Abs. 7), und dies konnte einem elektrischen Felde von rund !2.109 Voltlom das Gleichgewicht halten.') Da cs sich aber bei der Hervorbringung des Feldes nicht urn Vcrschie- bungen der ganzen Molekule, sondern nur von inneren Teilen derselben handelt, ist die in Rechnung zu setzende Molekular- kraft, welche nach G1. 12s und deren Deutung (vgl. Abs. 6) vom Volumen des Verschobenen abhkngt, geringer und also auch das elektrische Feld geringer anzunehmen als 2 * l09Tult/cm.

21.

1) Es ist dies ein Feld von nahezu derjenigen Starke, welche der Beladung siimtlicher rund 1Ou Molekiile am Quadratzentinwter der iiul3emten Schicht mit je 1 Elementarquant entsprechen wiirde.

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Als eine - mit den bisher vorhandenen experimentellen Daten allerdings nur unsicher zu berechnende - untere Grenze finden wir weiter unten (zweite Note zu Abs. 27) fur Wasser 3 - lo5 Volt/cm.

Sind die Molekiile der Fliissigkeit zum Teil polymerisiert (wie es z. B. bei Wasser der Fall ist) so kommt noch eine besondere Schichtung hinzu: Es werden die gro5ten Molekule (z. B. H60J zu innerst, die kleinsten (z. B. H,O) zu au5erst sjch haufen; doch konnen bei der Geringfugigkeit der Volumen- unterschiede solcher polymerisierter und nicht weiter an- gelagerter Molekule keine groaen Konzentrationsunterschiede erwartet werden (Gl. 13 u. 13a).

22. Wasserfalleffekt. - DaB derselbe nach unserer Auf- fassung in der Abtrennung von Oberflachenteilen der Flussig- keit besteht, wurde im 11. Abschnitt ausfuhrlich erlautert. Man sieht jetzt, da5 abgetrennte Teile von kleinerer Ab- messung als der Radius der Wirkungssphare negative Ladung aus der auBeren Belegung der Doppelschicht mit sich nehmen mussen, wahrend alle groBeren Teile elektrisch neutral ab- gehen miissen, da sie beide Belegungen entha1ten.l) Ursprung- lich positiv abgetrennte Teile gibt es demnach nicht. Dies ist in Ubereinstimmung mit dem Befunde von Hrn. Kahler*), da5 bei Wasser nur negative Trager, keine positiven vor- handen sind, und mit dem analogen Befunde der Herren Coehn und 110 zer 3) bei einer Reihe nnderer dielektrischer Fliissig- keiten.

Die GroSenmessung der negativen Trager des Wasserfall- effektes muB hiernach das beste Mittel sein zur Feststellung des Radius der Wirkungssphare der betreffenden Fliissigkeit.. Bis jetzt liegen bei Wasser die Messungen von E n . Asel- m a n n V O ~ . ~ ) Verwendet man diese in der spater von Hrn.

1) Selbstverstiindlich k6men die groden, unelektrischen Teile sowohl d m h Influem (Tropfkollektorwirkung) von seiten rder in der Luft entheltenen Ladung positiv elektrisiert werden, als auch durch nachtriig- liche Aufnahme von kleineren Teilen negativ elektrisiert. Es mud der erstere EinfluB besonders dam uberwiegen, wenn der Ort der Abtrennung gegen die niichste Gasumgebung hin frei liegt (auch wenn er gegen die fernere Umgebung elektrisch geschutzt ist), wie z. B. beim Zerspriiher.

2) K. Kiihler, Ann. d. Phgs. 12. p. 1119. 1903. 3) A. Coehn u. H. Mozer, Ann. d. Php. 43. p. 1048. 1914. 4) E. Aselmann, Ann. d. Phys. 19. p. 960. 1906.

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Uber WasserfaZZelektrizitat. 501

A. Bee kerl) entwickelten Weise zur Ermittlung der einzelnen GroBenklassen der Trager, welche im Gemische vorhanden sind, so zeigt sich, dalj der Durchmesser der negativen Trager bei der ganz uberwiegenden Zahl nur bis zu etwa 150. lo4 em hinaufgeht ; die meisten haben einen Durchmesser von ca. 80. om; die allerkleinsten, aber nur wenig vorhanden, sind von der GroBe kleiner Molekiilgruppen. Die Zahl der negativen Trager, deren Durchmesser 150- lo4 em uber- schreitet, ist auBerordentlich gering (weniger als 1 Proz.) ; es ist anzunehmen, daB dieselben gar nicht ursprijnglich geladen waren, sondern dal3 sie ihre Ladung nur duroh nachtragliche Aufnahme kleiner Trager erhalten haben. Hiernach ware der Radius der WirkungssphSire zu 150.104 om anzugeben. Es widerspricht dies nicht den bereits vorhandenen Messungen von Radien der Wirkungsspharen ; jedoch ist hervorzuheben, daB die Ermittlungsweise, zu welcher wir hier gelangt sind, den Vorzug hat, keine fremden Medien zu Hilfe zu nehmen, son- dern dalj es sich hier tatsachlich um den Radius der Wirkungs- sphare von ' Wassermolekulen auf Wassermolekule durch Wassermolekule hindurch handelt, was bei allen bisherigen, mehr indirekten Methoden nicht der Fall war.2) Weitere Durch- fiihrung der Triigermessungen mit den heutigen, verbesserten Mitteln beansprucht daher besonderes Interesse.3)

Dalj die Starke des Wasserfalleffektes - gleiche mecha- nische Bedingungen der Oberflachenzerteilung vorausgesetzt -

1) Vgl. A. Becker, Ann. d. Phys. 31. p.98.1910; vgl. auch P.Lenard u. C. Ramsauer, Heidelb. Akad. 1910, A32, p. 8ff.; 1911, A124, p. 32ff.

2) Die meisten dieser Methoden laasen Zweifel offen uber die Be- deutung der als ,,Radius der Wirkungssphiire" gemessenen GroBe. Klare Verhiiltnisse liegen bei der ersten, uberhaupt gemachten Messung eines Radius der Wirkungssphiire vor - G. Quincke, Pogg. Ann. 187. p. 402. 1869 -; es handelt sich dabei urn Wirkung von Wassermolekiilen auf Glasmolekiile durch Silber hindurch. (Letzteres im Versuche als poren- frei angenommen.)

3) [Auch der Berechnung der TriigergroBen aus den beobachteten Wanderungsgeschwindigkeiten wird dann besondere Sorgfalt zuzuwenden sein. Diese Berechnung ist hier nach GI. c, Ann. d. Php . 3. p. 314. 1900, ausgefuhrt ; die gefundenen groBen Durchmesser liegen jedoch bereits an der Giiltigkeitsgrenze dieser Gleichung. Man w i d daher bei verfeinerter Durchfiihrung den tfbergang zur Kirchhoff-Stokesschen Gleichung beriicksichtigen mussen (vgl. Ann. d. Phys. 40. p. 403. 404. 1913).]

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mit der Dielektrizitatskonstante der Flussigkeit wachsen mu& ergibt sich aus der Oberflachenkonstitution ebenfalls von selber. Hierzu ist zu bemerken, daB die Versuche der Herren Coehn und Mozer , welche das tatsachliche Bestehen dieses Zusammenhanges mit der Dielektrizitatskonstante zuerst zeigten, bereits zu den Grundlagen unserer Theorie genommen worden waren, nicht ohne daB wir allerdings die von diesen Autoren noch benutzte Vorstellung der Kontaktelektrizitat xwischen Gasen und Flussigkeiten verlassen haben (Abschn. 11), was erst die Herstellung der umfassenden Zusammenhange er- moglichte, die wir in diesem Abschnitt weiterentwickeln.

Bei steigender Temperatur ist Abnahme des Effektes zu erwarten, da dann sowohl die Dielektrizitatskonstante als auch der Radius der Wirkungssphare - also Starlie und raumliche Susdehnung cles elektrischen Oberflachenfeldes - a bnehmen. l)

B. Vollkommen dissozi ierte n ichtf lucht ige E lektro ly ten (2. B. verdunnte wgssenge Salzlosungen).

23. Es wurde bereits im I. Abschnitt gefunden (Gl. 13a), daB komplexe Molekule, wie die elektrolytischen Ionen, nur in geringer Konzentration bis in die auBerste Molekulschicht kommen. Erst von einer gewissen Grenztiefe (t) ab finden sie sich in nahe voller Konzentration, wie im Innern der Flussig- keit. Diese Verteilung erschien als Folge der auf die Anlage- rungen (z. B. Wasserhullen) der Komplexe ausgeubten Mole- kularkrafte ; auf dns Vorhandensein eines elektrischen Feldes in der Oberflachenschicht8 und demnach auch auf etwaige elektrische Ladung der Komplexe Far dabei keine Riicksicht genommen.

Da die dissoziierenden Losungsmittel (z. B. Wasser) er- hebliche Dielektrizitatskonstanten haben, wird an ihrer Ober- flache stets das im vorigen Abschnitt untersuchte elektrische Feld vorhanden sein, und es handelt sich hier um elektrisch geladene Komplexe, ntlmlich die Ionen. Als Folge hiervon ist erstens eine Veriinderung der Tiefe 5 zu erwarten, derart, daB die positiven Ionen weiter nach aul3en gezogen, die nega-

1) m e r den Radius der Wirkungssphiire vgl. 4. Von der Di- elektrizitiitskonstante ist es nach 19 zu emarten, da13 sie in gleichem S h e mit der Temperatur sich iindert wie die Molekularkriifte.

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tiven weiter nach innen gedrlingt werden, und zweitens ist auch eine Anhaufung der positiven Ionen gegen ihre (ver- minderte) Tiefengrenze E hin zu erwarten. Wir kommcn also zur Annahme einer raumlichen Trennung der Ionen nicht nur nach ihrer Grope - was wir bereits nach G1. 138 (Abs. 8) erorterten - , sondern awh nach ihrem Zeichen.

24. Die Oberfltichenkonstitution vollkommen dissoziierter Elektrolyten 1aSt sich danach folgetidermal3en beschreiben : Zu a,uBerst findet Eich dieselbe, teilweise negativ geladene, uberwiegend aus reinen Losungsmi ttelmolekulen bestehende Schicht, wie bei reinem Losungsmittel (vgl. A.) ; danach folgt eine Schicht, welche reich ist an positiven Ionen; noch tiefer finden sich die positiv geladenen Lijsungsmolekule und die negativen Ionen, und von hier ab endlich, im hbstand des Radius der Wirkungssphare von der Oberflache, beginnt das eigentliche Innere der Fliissigkeit mit derjenigen ZuPamrnen- setzung, welche man ihr schlechthin zuschreibt.

Hieraus lassen sich folgende Schlusse ziehen : a) Die Oberfluchenspannung der vollkommen dissoziierten,

nichtfluchtigen Elektrolyten mu13 gegenuber der des reinen Losungsmittels (Wasser) erhoht sein ; denn es sind iniierhalb der dabei wirksamen Oberflachenschicht von der Dicke des Radius der Wirkungssphare komplexe Molekule (hauptsachlich die Kationen) vorhanden, welchen groBere Molekularkrafte zugehoren als den kleinen Losungsrnittelmolekulen (Abs. 6). Dicse Erhohung der Oberflachenspannung zeigt sich in der Tat bei samtlichen in gro13er Zahl bereits von Hrn. Quinc ke ') untersuchten wasserigen Selzlosungen, und sie ist durch spBtere Messungen anderer Autoren auch bestatigt.

Vergleicht man verschiedene nichtfliichtige Elektrolyten untereinander, so ist einzusehen, da13 bei aquivalenten Kon- zentrationen im gleichen Lbsungsmittel keine grol3en Unter- schiede in den Oberfliichenspannungen vorhanden sein konnen. Denn c s koninit fur die Oberflachenzusammensetzung zwar (nach G1. 13a fur g) auf das Volumen der Ionen an: grolSere (langsamer wandernde) Ionen werden in geringerer Zahl in der Oberflachenschicht sich finden; jedoch h a b e . diese groSeren Ionen (nach G1. 12a) auch gro13ere Krafte, was sich also

1) G. Quincke, Wied. Ann. 160. p. 337. 1877.

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gegenseitig mindestens zum Teil kompensiert. Was die durch das Feld der Doppelschicht hervorgebrschte Vermehrung der Kationenzahl in dei Oberflachenschicht anlangt, so wird sie wegen der Gleichheit der Ionenladung bei allen einwertigen Kationen mit der gleichen Kraft bewirkt, und bei n-wertigen Ionen steht der allerdings n-facben &aft mindestens teilweise kompensierend die nur 1 / n betragende Anzahl gegenuber. Es ist daher im Falle vollkommener Dissoziation (d. i. bei nicht zu konzentrierten Losungen) bei chemisch tiquivalenten Mengen verschiedener Salxe nahe die gleiche Erhohung der Ober- fllichenspannung des Losungsmittels zu erwarten. DaB dieser Zusammenhang wirklich besteht, ist von Hrn. Quincke bereits vor langer Zeit experimentell konstatiert worden l), so da13 wir unsere Uberlegungen bestatigt finden, soweit sie hier d u r c h g e f ~ r t sind. Eingehendere Durchfiihrung wiirde mit Riicksicht auf das aus neuerer Zeit stammende reich- liche Beobachtungsmateria12) lohnend sein ; es sol1 jedoch hier nicht darauf eingegangen werden. 3)

b) Lichtelektrische Wirkung. Hierbei kommt es zu aller- meist nur auf die auBerste Molekulschicht an, und da wir finden, daB diese bei den verdiinnten Elektrolyten fast dieselbe ist wie beim Wasser, so ist auch die lichtelektrische Wirkung nicht stark verhndert xu erwarten, urn so mehr, als die Ober- flachenkonzentration der Anionen - welche fur die Elektronen-

1) G. Quincke, Wied. Ann. 160. p. 660. 1877. Der Zusammen- hang besteht, wie dort hervorgehoben, nur angeniihert und nicht ohne Aumahmen, waa nach den obigen Uberlegungen auch nicht anders zu emarten ist.

2) Vgl. G. Jahnke , Dissertation, Heidelberg 1909 (eine Vorarbeit zur gegenwiirtigen Untersuchung), auIerdem besonders A. He ydweiller, Ann. d. Phys. 88. p. 146. 1910 (wo bereit,s bestimmte Koeffizienten als Mall fiir die Oberfliichempannungsiinderungen durch gelhte Salze ein- gefiihrt sind, deren physikalische Deutung nun aussichtsvoll erscheint ; vgl. die folgende Note).

3) Die quantitative Durchfiihrung der oben mgegebenen Uber- legungen ist auf Grund der Gleichungen 6 L, 7 ff. und der in Kap. VIII ( b a d . 1914) beniitzten Prinzipien moglich. Hierbei tritt das angenommene Krdtgesetz hinzu; man wird daher auch erwarten diirfen, auf Grund der hier entwickelten Theorie mit FIilfe des experimentellen Studiums der Oberfliichenspannungen sowohl die Oberfliichenkonstitution als auch dae Kraftgesetz weiter ergriinden zu konnen.

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abgabe in erster Linie in Betracht kommen - noch kleiner ist als die der Kationen.

Dies entspricht Hrn. 0 bolens kys experimentellen Resul- taten, wonach geringe Mengen der verschiedenen versuchten Salze keine grol3e hderung der lichtelektrischen Wirkung des Wassers hervorrufen l) [ebenso auch Hrn. 0. Ro h de s iilteren Resultaten an Farbst~fflosungen~)]. DaB nach Hrn. 0 bo - lens kys Versuchen iiberhaupt eine deutliche hderung durch geringe Salzmengen (z. B. 2 Proz.) eintritt, obgleich die Oberfliichenkonzentrationen nach G1. 5 noch wesentlich ver- ringert sein miissen, erklart sich wohl durch die gropen licht- absorbierenden Querschnitte, welche vereinzelt vorhandenen, reso- nanzfahigen Molekiilen (bzw. Atomen) zukommen.3)

c) Wasserfalbffekt. Nach der gefundenen Oberfliichen- konstitution ist folgendes w erwarten: Die kleinsten ab-

1) W. Obolensky, Ann. d. Phys. 89. p. 971. 1912. Was die Anionen anlangt, so werden diejenigen am wirksamsten sein miissen, welche am leichtesten Elektronen abgeben, also SO, wirksctmer als C1, wie es auch Hm. Obolenskys Tabelle (1. c.) entspricht. Die Kationen, welche be- sonders bei kleinem Volumen (groDer Wanderungsgeschwhdigkeit) dicht unter der Oberfliiche sich hiiufen, driicken wahrscheinlich durch licht- elektrisch unwirksame Absorption des Lichtes die Wirkung herab, und ein solcher verminderter EinfluB der Kationen kommt in Hm. Obolenskys Tabelle ebenfdls zum Ausdruck; das schneller wandernde K vermindert mehr als dm langsamer wandernde Na. Am meisten miiBte das kleinste Kation, H, vermindern, was in der Tat bei H,SO, mit der stark ver- mehrenden Wirkung von SO, sich so zu kompensieren scheint, da l - wie von Hm. Obolensky 1. c. gefunden - H,SO, bis zu 20 Proz. Gehalt unwirksam bleibt. Es wird jetzt weitergehende, von der Theorie geleitete kchfuhrung dieser Versuche lohnend sein.

2) [O. Rohde, Dissertat. E e l 1905 und Ann. d. Phys. 19. p. 935. 1906. Es wird daselbst nachgewiesen, daB die starke lichtelektrische Wirk- sa.mkeit von Farbstofflosungen nicht diesen selbst, sondern festen Hiiuten des Farbstoffs zugehoren, die nach einiger Zeit an der Oberfliiche sich ausscheiden konnen. Dasselbe spiiter (1911) N. Nienhaus. Vgl. W. Hall- wrtchs, ,,Lichtelektrizitiit", p. 185ff.l

3) [Die grolen, weit uber das Atomvolumen hinausgreifenden, bei der lichtelektrischen Wirkung die Lichtenergie aufnehmenden Kraftfelder der Atome wurden zuerst an den Phosphoren konstatiert (Heidelb. Akad. 8. p. 19. 1909, auch Ann. d. Phys. 81. p. 671. 1910, dann in anderer Weise Heidelb. Akad. 1912. A. 5. p. 40ff. und 1914. A. 13. p. 43ff.), spiiter an Amalgamen (in wieder anderer Weise; R. Pohl und P. Pringsheim, Deutsche Phys. Ges. 16. p. 436. 1913).]

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gerissenen Teile - die lileinsten Trager - werden wieder, wie beim reinen Losungsmittel (Wasser), nur die negative Ladung der iiuBersten Schicht tragen konnen ; gropere Teile konnen aber hier positive Ladung tragen, da die Anhiiufung der positiven Ionen in der zweiten Schicht bei geniigender Konzentration der Losung dort eine positive Ladungsdichte ergeben kann, die groBer istl) als die negative der aufiersten Schicht, wodurch groBere Teile, welche beide Schichten um- fassen, positiven UberschuB erhalten; ganz grol3e Teile - die groBten Trager - mussen elektrisch neutral abgehen, da sie alle Schichten umfassen, welche in ihrer Gesamtheit neutral sincl.

25. Es wird hiernach eine Konzentration geben mussen, welche gleichviele positive und negative Triiger liefert ; wir nennen sie die Umkehrkonzentration. Nimmt man an, daB das AbreiBen von Teilen aller in Betracht liommenden GroBen- klassen gleich mahrscheinlich ist, so wiirde dies diejenige Kon- zentration sein, bei welcher einwertige Kationen in der zweiten Schicht doppelt so konzentriert vorhanden sind, als negative Molekule in der BuBersten Schicht; denn dann wiirde auf jeden abgerissenen kleinen Tropfen mit einem negativen Quant ein groBerer kommen, der ein negatives Quant und zwei positive Ionen enthiilt, also mit einem positiven Quant ge- laden ist. Geringere Konzentrationen als diese Umkehrkonzen- tration mussen UberschuB von negativen TrBgern, groBere UberschuB von positiven Tragern ge ben . 2,

Alles dieses entspricht vollkommen den Beobachtungen : Das Vorhandensein einer Umkehrkonzentration ist von mir

1) Dies trifft nur dann zu, wenn die positiven Ionen nicht nur durch das der freien Ladung entsprechende elektrische Feld der Doppelschicht, sondern auch infolge der dielektrischen Polarisation in der Oberfliichen- schicht nach auBen getrieben werden. Wir machen diese Annahme - ohne sie hier weiter zu untersuchen -, weil ihr Effekt in allen den nicht wenigen Zusammenhiingen mit der Beobrtchtung, welche wir im vorliegenden vorbringen, der Wirklichkeit entspricht. Die weitere Ergriindung der hier obwaltenden Verhiiltnisse mu13 dem Experiment vorbehalten bleiben, wozu in vorliegendem mmcherlei Wege sich zeigen (vgl. z. B. besonders 24a, b und 30.)

2) Es erscheint hiernach namentlich bei grol3en Konzentrationen daa Vorkommen mehrfach geladener Triiger nicht ausgeschloseen, was noch besonderer Untersuchung bediirfte (vgl. die entsprechende Note zu 33).

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Uber Wasserfallelektl.ixitat. 50 7

zuers t an NaC1-Losung eingehend nachgewiesen worden l) ; das Vorhandonsein von Triigern beiderlei Zeichens ist von Hrn. Aselmann festgestellt; der GroBenunterschied der- selben ist ebenfalls von ihm gemessen worclen.2) Wir gehen auf das Quantitative weiter unten noch besonders ein.

26. Es ist auch einzusehen, daB die Umkehrkonzentratkn keineswegs eine fest bestimmte Konzentratwn sein kann ; denn ein AbreiBprozeB, welcher die kleineren Teile bevorzugt, mu13 die Gesamtladung der abgehenclen Trager nach der negativen Seite, also die Umkehr nach den groBeren Konzentrationen hin verschieben, und ebenso nluB eine solche Verschiebung auch dann eintreten, wenn zwischen Entstehung und Messung der Trager eine Bevorzugung der kleineren Trager stattfindet, z. B. dadurch, da13 die grohren schneller absinken. So ist z. B. die Umkehrkonzentration wasseriger NaC1-Losungen ge- funden worden :

an schwachem Strahl in Luft bei

an starkem Strahl in Luft bei

beim Sprudeln kleiner BlHschen (Sauerstoff) bei

beim Sprudeln kleiner Bliischen (Wasserstoff) bei

0,011 Pros. = 0,0019-normal (Lenard, 1. c. Ann. 1892),

0,11 Proz. = 0,019-normal (Aselmann, 1. c. 1906),

0,l Proz. = 0,Ohormal (Coehn u. Mozer, 1.c. 1914),

0,5 Proz. = 0,l-normals) (Coehn u. Mozer, 1. c. 1914).

Man kann hiernach schlieBen, daB sttirkere (bei grol3eren Druckhohen abflieBende) Strahlen, also mit groBeren Ge- schwindigkeiten auffallende Tropfen, mehr feinere Teile zur AbreiBung bringen, daB beim Platzen kleiner Sauerstoffblaschen ebenfalls viele sehr feine Teile abgerissen werden, noch mehr aber beim Platzen von Wasserstoffblaschen (vermutlich wegen

1) Wied. Ann. 46. p. 629. 1892. 2) E. Aselmann, Ann. d. Phys. 19. p. 960. 1906. 3) Nicht direkt beobachtet von den Herren Coehn und Mozer,

jedoch aus deren Beobachtungen an anderen Losungen (KCl, KNO,, NaNO,. LiNO,) nach den GroBen (Wanderungsgeschwindigkeiten) der at ionen interpoliert, entsprechend der weiter unten (Tab. 111) erorterten GesetzmiiBigkeit.

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508 P. Lenard.

der groljeren Molekulargeschwindigkeit bzw. Ausstroniungs- geschwindigkeit des Wasserstoffgases).l)

27. Nimmt man vorlaufig an, da13 das Abreihn der kleineren Teile, welche die auljerste Schicht umfassen, und das der griiljeren Teile, welche auch die zweite Schjcht, aber nicht den ganzen Radius der Wirkungssphare mit umfassen, bei den mittleren Verhaltnissen der 2. und 3. Zeile der vorstehen- den Zusammenstellung in gleicher Haufigkeit erfolgt 2), so ist zu schliekn (vgl. Abs. 25), da13 die auljerste Schicht des Wassers halb soviel negativ geladene Molekule pro Quadrat- zentimeter enthalt, als Na-Ionen in der zweiten Schicht einer 0,02-normalen NaC1-Losung sind. Abgesehen von der An- haufung der Na-Ionen in dieser Schicht wiirde in ihr wie in rler gesamten (fast vollstandig dissozjierten) Losung, auf rund 3000 H,O,-Molekiile 1 Na-Ion kommen, also in der auljersten Schicht auf je 6000 H,O,-Molekule ein negativ geladenes Wassermolekul, und dies kann als erster Anhalt fiir die Groljen- ordnung des Ladungsverhaltnisses in der Doppelschicht des Wassers dienen (vgl. Abs. 21).s)

28. Die auch bei anderen Elektrolyten sehr geringe Hohe der Umkehrkonzentration niacht es verstandlich, da13 schon

1) Man bemerkt, da8 die iiltere Annahme einer einfachen Doppel- schicht (welcher man bei der Umkehrkonzentration das Moment Null zuschreiben muBte) gegenuber der Veranderlichkeit der Umkehrkonzen- tration versagt, W&B bereits seit Hm. Aselmanns oben zitierten Ver- suchen (1906) ersichtlich war.

2) Es ist dies eine ziemlich willkiirliche Annahme. Der Weg genauer Untersuchung nach den Methoden zur Ermittlung gemischter Triiger- und NebelkerngroBen steht offen (vgl. die Literatur, Note zu 22, soivie Kap. IX, Akad. 1914) und er wird ohne Zweifel spiiter verbesserte Aus- kiinfte geben.

3) Die Beladung jedes 6000ten Oberflachenmolekiils mit 1 Elektron wiirde etwa 3- 10-8 Coulomb/cm2 entsprechen. Die groBte, bisher beim Wasserfalleffekt gemessene Ausbeute war dagegen nur 2, l . Cou- lomb/cm2 (Wied. Ann. 46. p. 633. 1892), so daI3 kein Widerspruch vorliegt, indem die Ausbeute, d. i. die wirklich abgetrennte Ladung stets nur ein geringer Bruchteil der vorhandenen Ladung sein kann. Daa elektrische Feld, welches der Beladung jedes 6OOOten Molekiils der Oberfliiche ent- spriiche, wiire 3.10-5 Volt/cm. Wegen der Anhiiufung der Kationen (zu deren quantitativer Ermittlung die Daten noch zu beschaffen sind) miiBte die Zahl der geladenen Molekiile, also auch daa Feld, groBer sein als hier berechnet.

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Uber Wasserfallelektrizitat. 509

geringe Spuren von Elektrolyten, welche als unbekannte Ver- unreinigungen in dielektrischen Flussigkeiten vorhanden sein konnen, den Wasserfalleffekt dieser Fliissigkeiten wesentlich verhdern, j a sogar im Zeichen umkehren konnen. Der Effekt erscheint dann in schwer kontrollierbarer Weise sohwankend. Dies ist in der Tat in vielen Fiillen beobachtet worden.1) Die Herren A. Coehn und Mozer haben zuerst festgestellt, daJ3 diese Schwankungen des Effekts in allen Fallen durch Destil- lation der Fliissigkeit beseitigt werden konnen. Dies beweist, daB nichtfluchtige Verunreinigungen wirksam waren, was in der Tat mit der -4nnahme von Ionen ubereinstimmt, welche wegen ihrer komplexen Natur nicht fluchtig sind. Vermut- lich ist die hiernach als sehr hiiufig anzunehmende Gegen- wart von Ionenspuren in den versohiedensten dielektrischen Fliissigkeiten durch gleichzeitiges Vorhandensein schwer am- zuschliel3ender Spuren dissoziierbarer Stoffe und geringer Wassermengen bedingt.

29. Zum Vergleiche verschiedener Elektrolyten bietet die Hohe der Umkehrkonzentration ein bequemes Mittel ; sie mul3 dazu natiirlich unter gut reproduzierbaren Verhaltnissen der Oberflachenzerreifiug ermittelt sein. Geeignete Versuche hierzu sind von den Herren Coehn und Mozer durchgefiihrt worden; auBerdem konnen Daten ,von Hrn. Chris t i ansen benutzt werden.

Es ist nach unserer Theorie zu erwarten, daB es in erster Linie auf die &open der Kationen ankommen wird. Kleinere Kationen miissen sich (naoh G1. 13a) nkiher an der Ober- fliiche haufen als groBere; die Umkehr, d. i. das MitabreiBen der Kationen, mu13 dann also bei den kleineren Kationen leichter erfolgen ; die Umkehrkonzentration muB also mit der KationengroBe steigen. Ton der AnionengroBe kann sie nicht viel beeinflufit werden, da fiir die Anionen, welche gegen das Innere gezogen werden, nicht viel Spielraum zu ver- schieden tiefer Lagerung ubrigbleibt, indem sie an das untere Ende der elektrischen Doppelschicht gelangen (vgl. die Daten uber die Lagen der einzelnen Schichten, Abs. 30). --

1) Zuerst an dem Beispiel des Alkohols; I. c. Wied. Ann. 1892; vgl. auch mehrere Versuchsreihen von Hrn. Christiansen (1. c.), deren weitere Verfolgung nun erhohtes Interesse bieten wiirde.

Annslen der Phyuik. IV. Folge. 47. 33

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510

Elektrolyt lKOH~K,CO,~X,SO,

des Anions 1 ~ 1

Wanderungsgeschwindigkeit 1 174 7o 1 7o

Chri~tiansen~) 0.004 0,01 ' 0,005

'Oehn Mazer ' 0,065' 0,05 ' 0,013 tration (in HJ I 1 I

P. Lenard.

KBr 1 K J I KC1 JKNO,

68 66 65 62

- - - 0,003

0,050 0,050 0,050 0,05

Alles dieses findet sich gut bestiitigt in cler folgenden Zusammenstellung aus den Zahlen der Herren Chr i s t i ansen sowie Coehn und Mosey, w o h i statt der QroBen der Ionen deren Wanderungsgeschwindigkeiten (nach Kohl rausch) an- gegeben sind.l) GroBerem Durchmesser der Ionen entspricht dabei kleinere Wanderungsgeschwindigkeit.2) Die ersto Zu- sammenstellung zeigt das Fehlen deutlicher Abhangigkeit der Umkehrkonzentration von der Wanderungsgeschwindig- keit des Anions, die zweite das Bestehen deutlicher Ab- hiingiglieit vom K a t i ~ n . ~ ) Die Konzentrationen sind in Nor- inalbruchteilen angegeben. Es sind n m Zahlen derselben Horieontalreihe untereinander vergleichbar.

Tabel le 111.

1) Die Herren Coehn und Mozer sagen an einer Stelle (1. c. 11. 1066): ,,Es lassen sich Zusammenhgnge zwischen der Fahigkeit der Stoffe, die Ladungen umzukehren und irgendwelchen chemischen oder physikalischen Eigenschaften nicht mit Sicherheit angeben," bemerken aber doch bereits selbst ,,eine Andeutung, als ob hier die Wanderungsgeschwindigkeit maS- gebend sei", allerdings ohne einen Grund fur das Bestehen eines solchen Zusammenhanges anzugeben.

2) Da die Ionen siinitlich Wasseranlagerung haben, so ist in der Tat die auf eine Valenzstelle bezogene Wanderungsgeschwindigkeit, wenn nicht allein, 80 doch in erster Linie von der GroSe, nicht von der Natur der Ionen abhiingig. Aus den Wanderungsgeschwindigkeiten ungefiihr gerechnete Ionendurchmesser haben wir in der letzten Note des I. Ab- schnittes angegeben.

3) Einige Abweichungen sind zwar ersichtlich und - falls sie nicht auf Verunreinigungen oder sonstige Versuchsmiingel zuruckfuhrbar sind - ohne Zweifel weiterer Beachtung wert; sie konnen aber doch dic Be- stiitigung des Hauptzusaninienhanges nicht verdecken.

4) Hr. C h r i s t i a n s e n gibt selbst keine Umkehrkonzentrationen an; ich habe dicselben aus seinen Zahlcnangaben fur variierte Konzentration interpoliert, wo mchrere Angaben vorhanden waren unter Mittelbildung.

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Wanderungsgeschwindig- 320 65 64 49 keit des Kations

Umkehr- ~ ~ ~ ~ ' ' 0,0007 0,005 0,004

tration I gE1:; p - O,0O1l8) 0,05 0,05 - konzen-

Bemerkenswert ist, daB von Hm. Chr is t iansen der Zerstiiuber, ron den Herren Coehn und Mozer das Sprudeln angewendet wird, und darj der erwartete Zusammenhang mit der IonengroBe in beiden Fiillen gleich gut hervortritt.

1) Vgl. die vorhergehende Note. 2) HNO, gehort als fluchtige Substanz strenge genommen nicht

hierher; ea hat aber die Fluchtigkeit bei so kleinen Konzentrationen nur wenig EinfluB (vgl. E, 36c).

3) Neuberechnet wie in 22. 33*

--

46 46 44 33

0,0010,003 0,Ol - -

Uber Wasserfallelektrizitat.

V a r i i m r t . m s X n t i n n .

51 1

30. Die zu erwartende Gropenabstufung cler negativen und der positiven Trtiger bei Elektrolyten war bereits aus der Ober- flachen beschaffenhei t ersichtlich (Abs . 2 4 4 .

Die Durchmesser der negativen Trager sincl hiernach zwischen kleins ten Werten, wie beim reinen Losungsmittel, und einem Maximum zu erwarten, welchw gleich ist dem Abstand der kationenreichen Schicht von der Oberflache. Da dies weniger ist als Radius der Wirkungssphiire, so sind also bei den Elektrolyten bemerkenswerteiweise die grol3ten negativen Trager lrleiner zu erwarten als beim Losungsmittel. Dies bestgtigt sich auch aus Hrn. Ase lmanns Messungen, soweit dieselben durchgefuhrt sind : Die kleinsten nega- tiven Trager bei 0,2proz. NaC1-Losung waren etws gleich gewiihnlichen Gastragern, die groBten waren deutlioh kleiner als bei Wasser. Eine scharfe Grenze der GroBen ist jedoch aus Hrn. Ase lmanns Versuchen nicht angebbar, wohl weil die negativen Triiger uberhaupt nur in relativ kleiner Menge vorhanden waren: etwa 50mal weniger als beim Wasser. Letz- teres hat seinen Grund mindestens zum Teil darin, daB bei dem groBen UberschuB der positiven Triiger und der geringen

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51 2 P. Lenard.

GroBe der negativen sehr viele Rekoinbinationen der letzteren mit den ersteren schon vor der hlessung stattgefunden haben muBten.

Die positiven Triiger miissen nach der Struktur der Ober- fllichenschicht das Besondere bieten, nicht kleiner sein zu lionnen als der Abstand der liationreichen Schicht von der OberflSiche, wBhrend die obere Grenze ihrer Durchmesser gleicli der Tiefe derjenigen Schicht sein muB, in welcher die Anionen- lronzentration roll zu werden beginnt. Diese Abmessungen lassen sich sehr deutlicb aus Hrn. Ase lmanns Versuchen erkennen: Es finden sich bei der 0,2proz. NaC1-Losung - im Gegen- satz zu den negativen Tragern - keine positivei Trager unter rund 80- lo-* cni Durchmesser; die meisten haben rund 150. cin Durchmesser; bei 180-10-* cm findet sich ein steilel: Abfall der Menge, so daB man dies wohl als den grol3ten Durchmasser schon urspriinglich positiv geladener Trager annehmen muI3, wahrend der Rest noch grol3erer posi- tiver Trager (bis zu etwa 1100- lo-' cm ist nachgewiesen) seine Ladung wa,hrscheinlich nur durch nachtragliche Auf- nahme von Heinen positiven Tragern erhalten hatte.

Man hat hiernach als Abstand der kationenreichen Schicht von der Oberflache SO. lo-" ern und als Abstand der letzten Schicht, in welcher das Bereich der vollen Anionenkonzen- tration beginnt, etwa 180- lo-" em. Letzterer Abstand ist etwas groI3er als der Radius der Wirkungssphare (den wir unter A bei Wasser zu 150.10-8 em fanden), was dahin zu deuten ist, daB die Anionen durch die innerhalb drs Radius cler Wirkungssphare herrschenden elektrischen Krifte groBten- teils aus deren Bereich herausgedr&ngt werden.l) Die Diffe- renz (180-SO) - lo-* ern = 100 - cm hat die Bedeutung der relativen Verschiebung, welche die beiden Ionensorten durch die elektrisclien Oberflachenkrafte des Losungsmittels er- fahren.2) Der maxinial vertretene Durchmesser 150 - lo-" cin der positiven Trager stimmt uberein mit dem Radius der Wirkungssphare (groBter Durchmesser der urspriinglich ge- ladenen negativen Trliger des Losungsmittels) , wie es er- martet werden konnte, nachdem cler Beginn der vollen Anionen-

1) Dieser Umstand macht ea verstiindlich, daD ein merklicher Ein- fluD des Anions auf die Hohe der Umkehrkonzentration fehlt (vgl. Tab. 111).

2) Ohne diese Kriifte wiirden also die Ionen etwa bis zur mittleren Tiefe E = I/, (180 + 80) 10-8 cni = 130.10-8 cm reichen.

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Uber masserfallelektrizit6t. 513

konzentmtion auljerhalb des Radius der Wirkungssphiire liegend gefunden wurde.

Sind auch die numerischen Resultate aus diesen von Hrn. Ase lmann ausgefiihrten ersten Messungen ihrer Art ohne Zmeifel mit den heutigen Mitteln wesentlicher Verbesserung fiihig, so zeigen sie doch jedenfalls, welches Interesse an solche Messungen sich knupft; man ist in der Lage - die Richtig- keit unserer Theorie vorausgesetzt - die Konstitution der Oberfliichenschicht belie biger Elektrolyten und anderer Flussig- keiten quantitativ zu untersuchen. Die Voraussagen, welche unsere Theorie hieruber macht, sind also weitgehender Priifung und die Theorie selbst dadurch auch eventueller Verbesserung zugiinglich .')

31. Natur der Trliger. - Sehr bemerkenswert ist es, deB n w h unserer Erklarung des Wasser falleffektes und nach der gefundenen Beschaffenheit der Oberfliichenschicht, z. B. bei NaCl - Losung die negativen Trliger Na-freie Wassedropfchen, die posit;ven dagegen Na-ha2tig sein miissen, ein Resultat, welches indessen durch Hrn. Ase lmanns Versuche voll- kommen verifiziert ist, und in welchem daher eine besondere Stutze unserer Theorie liegt, um so mehr, als es in anderer Weise vollig unverstiindlich erschiene.

Namentlich war das Resultat des Auftretens Na-haltiger pcsitiver Trager aus der Annahme einer elektrischen Doppel- schicht Gas-Fliissigkeit unerklarlich, und dies lieB auch Bur Zeit von Hrn. Ase lmanns Versuchen die groBte Vorsicht in deren Dentung angebracht erscheinen.2) Am meisten uber- zeugend sind folgende Versuche :

1) Die Lagerung der Ionen in der Oberfliichenschicht, welche wir oben (23, 24) nur qualitativ skizziert haben, wiire nach den in Kap. VIII, Akd. 1914, benutzten Prinzipien quantitativ vorausberechenbar, sobald man eine Annahme iiber die Verteilung der elektrischen &aft in der Oberfliichenschicht einfiihrt. Umgekehrt wird also auch die experimentelle Erforschung der wirklich vorhmdenen Lagerung der Ionen mit Hilfe dee Wasserfalleffektes Auskiinfte geben miissen iiber die genaue Beschaffen- heit dea elektrischen Feldes der Oberfliichenschicht. [tfber Verbesserungs- fiihigkeit der Berecbnung der TriigergrODen vgl. die betr. Note zu 22.1

2) Dazu kam noch, da5 qualitativ-quantitative Versuche, in welchen Na-Mengen nach Flammenfiirbung geechiitzt wurden, urn dann in Rech- nung gesetzt zu werden, in die Irre gefuhrt zu haben scheinen. Hr. Asel- mann kommt zu dem Schlu5, da5 die positiv geladenen Na-Triiger nur

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514 P. Lenard.

1. Die Na-Farbung, welche die tragerhaltige Luft in einer Bunsenflainme erzeugt, wird entfernt, wenn die Luft durch einen Kondensator geleitet wird, dessen Feld nur wenig starker ist, als zur Entfernung siimtlicher positiyen Triiger notig ware.

2. Die negative, aber nicht die positive Belegung des Kondensators erweist sich nach einem solchen Versuche als Na-haltig.

3. Ein sehr knrzes (nur ca. 0,5 cm langes) Wattefilter, welches die Flammenfarbung eben zur Unmerklichkeit brachte, entfernte gleichzeitig auch e twa der elektrometrisch nach- weisbaren positiven Trager (1. c. Diss. p. 45).

32. Nichtentweichen der Ionen aus den Eleldrolyten; Nicht- abdampfung ekktrischer Ladung iiberhaupt. - Nach Auf klarung der Oberflachenkonstitution der Flussigkeiten ist auch eine vollstandige Behandlung der besonderen Frage nach der Ab- dampfung bzw. Nichtabdampfung elektrischer Ladung von Flussigkeiten (oder auch festen Korpern) m6glich.l)

Die Frage nimmt bei den Elektrolyten die Gestalt an: Waium finciet kein selbsttiitiges Entweichen von Ionen statt ? Ohne Zweifel mul3te z. B. wasserige Salzsaure stets negativ sich aufladen, wenn Ionen entweichen konnten; denn die be- weglicheren, positiv geladenen H-Ionen miil3tBen im Uber- schuB in die Luft hinausdiffundieren. Dalj dies nicht statt- findet, daS iiberhaupt die Ionen aus den wasserigen Elektro- lyten in keinem mel3baren Betrage entweichen, ist - fruher wenigstens - stets als auffallender Widerspruch zwischen der Theorie der Elektiolyse und der Erfahrung empfunden

einen geringen Bruchteil der Gesemtzahl der positiven Triiger ausmachen und daB demnech die kleinen wie die groBten Triiger beiderlei Zeichens in der Hautsache BUS Gasmolekulen bestehen. Letzteres ist mit der wither sehr vervollstiindigten Kenntnis iiber Gastrager unvereinber (vgl. P. Le n a r d u. C. R a m s a u e r , Heidelb. &ad. 1911, A. 24, Zusammenfassung p. 50); so groBe Triiger wie die der Wasserfallelektrizitiit konnen nur feste oder flussige Partikel sein. Bereits Hr. A. Becker scheint in seinem Berichte (Jahrb. d. Radioakt. 1912) Hrn. Ase lmanns SchluD nicht beizupflichten. Man vergleiche auch Hrn. A s e l m a n n s Dissertation ( E e l 1906), wo siimt- liche durchgefuhrte Verusche beschrieben sind, was die hier vorgenommene Revision der SchluBfolgerungen moglich machte.

1) Diese Frage war in der Darstellung der gesamten Untersuchung im Origina.1 Zuni Ausgangspunkt genommeu worden (Akad. 1914, Kap. I).

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Uber Wasser~allebktrizitat. 61 5

worden. Man hat sich, wie es scheint, mit der Tatsache des Nichtentweichens mehr durch allmiihliche Gewijhnung als durch Verstehen abgefunden ; denn es war keineswegs zu sehen, warum geladene einfache Atome oder Atorngruppen - fur welche man die Ionen jedenfalls anfangs hielt - nicht ebenso aus der Fliissigkeit entweichen sollten, wie es z. B. H,O-Molekule bei der Veidampfung reichlich tun, und zwar selbst dann nicht, wenn ein starkes, an die Oberflache ge- legtes elektrisches Feld noch einen besonderen Xug nach aul3en hineugibt. Ebenso unverstiindlich waren aber auch alle anderen Falle des Nichtentweichens elektrischer Ladung au8 verdampfenden Fliksigkeiten, z. B. bei Quecksi1ber.l)

Wir haben jetzt eine doppelte Erklarung fiir das Nicht- entweichen, gegriindet auf die komplexe Natur der Ionen bzw. sonstigen Elektridiitstr$iger: 1. reicht niimlich die volle Konzentration dieser Ladungstrager iiberhaupt nicht bis zur Oberflkhe, und 2. erfahren dieselben diejenigen grohn, nach dem Innern gerichteten Molekularkrafte, welche ihnen als komplexen Molekiilen ihrem Volumen nach zukommen (Gl. 12a). Hierbei ist hervorzuheben, daB der erstere Grund fiir sich allein unzureichend ware. Denn die Konzentration der kom- plexen Ladungstriiger in der BuBersten Schicht ist zwar ge- ringer als im Inneren, aber keineswegs Null (GI. 5, auch G1.15a, Akad. 1914), und ware der zweite Grund nicht vorhanden, waren die komplexen Molekule nicht den grokn Kriiften Unterworfen, welche wir fanden (Gl. 12a), so wurden sie aus der BuBersten Molekulschicht doch entweichen mhsen. Die zuweilen vorge brachte Erkliirung, dal3 bei elektrisch neu- tralen Elektrolyten die (hier nach innen gerichtete) Kraft der Eigenladung der Ionen deren Entweichen verhindere, trifft nicht zu; denn diese &aft ist - wie wir in Abs. 7 berechnet haben (selbst bei Zuhilfenahme eines sehr starken aul3eren Feldes) - klein gegenuber den Molekularkraften (selbst einfacher Molekule), welchen entgegen doch die Ver- dampfung s tattf inde t .

Die Erklarung des Nichtentweichens elektrischer Ladungen, zu welcher wir hier gelangt sind, liegt also ganz in der kom- pbxen Natui der Ladungstriiger und in den groben Molekular. -

1) Uber die eltperimentelle Feetatellung des Nichtentweichens vgl. L. J. Blake, Wied. Ann. 19. p. 618. 1883 utld spiitere Untersuchungen.

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616 P. Lenard.

kraften, welche nach den Resultaten des I. Abschnittes auf komplexe Molekule wirken.l)

C. Unvoll komm e n dissoziie r t e nic h t f l i i c h t ige E le k t r ol y t en ( z. B. konzentriertere Salzlosungen).

33. Die Oberfluchenbeschaffenheit mu13 hier im wesent- lichen dieselbe sein wie bei den vollkomnien dissoziierten Elektrolyten, nur daB noch die undissoziierten Molekule hinzu- kommen, welche bei ihrer Unverdanipf barkeit ebenfalls durch Losungsmittelanlagerungen komplex sein miissen, wie die Ionen, und welche daher ebenfalls nur von einer gewissen Tiefe (Gl. l l a ) an, welche kleiner ist als Radius der Wirkungs- sphare, in voller Konzentration vorhanden sein werden.

Die Oberfl&hnspannung ist demnach auch in diesem Falle erhoht zu erwarten gegeniiber der des Losungsmittels, da auch die undissoziierten Komplexe mit den ihrer Grol3e entsprechenden Molekularkraften innerhalb des Radius der Wirkungssphke in der Oberfliichenschicht vorhanden sind. Nach den Resultaten der sehr zahlreichen Messungen von Hrn. Quincke (1. c.) trifft dies auch zu; die Oberflachen- spannungen samtlicher von ihm untersuchten Losungen nicht- fluchtiger Salze sind bis zur Siittigungskonzen tration grol3er als die Oberflachenspannung des Wassers.

Der WasserfulZeffekt mu13 mit zunehmender Ionenkonzen- tration auch bei unvollstandiger Dissoziation a bnehmende Zahlen der negativen Trager liefern; denn die G1. 5 ent- sprechende Zunahme der Kationenkonzentration der auBersten Schicht mu13 bei hoher Konzentration auch viele der kleinsten losgerissenen Teile mit positjver Ladung abgehen lassen. Die Zahl der positiven Trager mu13 mit zunehmender Ionen-

1) Die Fiille, in welchen tatsiichlich Entweichen der Ladung statt- findet, sind ebenfalls in tfbereinetimmung mit dieser Erkliirung. Vgl. die hierfiir im Original vorgebrachten Beispicle (Akad. 1914, Teil I, p. 14), in welchen entweder die Ladungstriiger nicht komplex sind (Beispiel 1 dortselbst), oder die grol3en Molekularkriifte kompensiert sind (Beispiel 2). Ein anderes Beispiel dieses letzteren Falles ist bei den Elektrolyten auch das Aneinandergrenzen zweier Liisungen, 80 daS keine freie lilussigkeits. aberfliiche vorhanden ist; es fehlen d a m die grol3en einseitig gerichteten Molekularkriifte, und die -4bdiffusion der Ionen findet dann in der Tat statt. Ee ist dies der von Hrn. Nernst in seiner Theorie der Konzen- trationsketten untersuchte Fall.

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f iber T’l’asserfallelelztrizitat. 517

konzentration steigen, da die Haufung der Kationen in der zweitcii Schicht zunelimen mu13.l) Es ware daher zu erwarten, daD bei Elektrolyten (wie z. B. wasseriger NaC1-Losung), deren Ionenkonzentration trotz Riickgangs des Dissoziations- grades bis zur Sattigung der Losung immer nur steigt, von der Umkehrkonzentration aufwarts stet8 nur zunehmender Uber- schuB von positiven Tragern sich finden werde. Die experimen- tellen Resultate iiber die Tragermengen beiderlei Zeichens entsprechen bei NaCl2) der erwarteten Abhangigkeit von der Konzentration bis zu 6,5 Proz.; von da ab tritt jedoch Sinken des Gesamteffektes ein3), so daB der positive Uber- schu13 nicht mehr weiter zunimmt, sondern abnimmt. DaB die Wirkung mit zunehmender Konzentration nicht uber eine gewisse Grenze hinaus steigt, erscheint unmittelbar ver- s thd l i ch , dn die zunehmende Haufung der Kationen im Oberflachenfeld dieses letztere schlieBlich kompensieren muB. DaB aber bei hohen Konzentrationen Abnahme beobachtet wird, scheint eine sekundare Ursache zu haben; es konnte die mit der Konzentration zunehmende innere Reibung der Losung die LosreiBung der kleineren Oberflachenteile ver- mindern uncl daniit den Effekt zur sbnahme b r i n g e ~ ~ . ~ )

D. Iy i c h t d i 8 s o z ii e r t e Lii s u nge n ni c h t f lii c h t i ge r S t o f f e (z. B. Zuckerlosung).

34. Die Obe3.fZachenbeschaffenheit ist hiex relativ einfach ; es sind in die unter A. beschriebene Oberfliichenschicht des reinen Losungsmittels nocli die Losungsmolekiile eingelagert, welche als komplexe Molekule erst unterhalb der Tiefe in voller Konzentration sich finden, wobei durch G1. l l a be: stimmt und kleiner als Radius der Wirkungssphare ist.

Die Oberflachenspannung mu13 durch die grol3en Krafte tlieser Molekule erhoht sein , Tvie bei den Elektrolyten (B

1) Das Auftreten mehrfrach geladener Triiger wiire bier zu erwsrten

2) E. Aselmann, 1.c. 3) Vgl. Wied. Ann. 46. p. 629. 1892, ebenso E. Aselmann, 1.0.

p. 964. 1906. 4) Vgl. die unter 34 zitierte Beobachtung uber Verminderung des

Wasserfalleffektes durch innere Reibung an Zuckerlosung bei A. Coehn u. H. Mozer.

~~

(wie in 25).

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und C). Dies trifft auch zu, z. B. bei wasseriger Zucker- 1iisung.l)

Der Wasserfalleffekt kann nicht beeinflul3t erwartet werden, (la die Losungsmolekule elektrisch neutral sind. Auch dies trifft zu; die Herren Coehn und Mozer finden den Effekt verdiinnter Losungen von Rohrzucker, Hg(CK)2, Hainstoff nahe gleich dem des reinen Wassem2) In groI3eren Konzen- trationen nahm der Effekt ab, besonders bei Zuckerlosung, was die Herren Coehn und Mozer selbst, wohl mit Recht, der zu- nehmenden inneren Reibung zuschreiben, eine Deutung, welche wir auch fiir die konzentrierten Salzlosungen (C.) benutzt haben.

E. L o s u n g e n f l i i c h t i g e r S t o f f e (2. B. HCl, NH,, Alkohol, Ather in Wasser).

35. Verdampfungsvorgang ; Oberf ldchenbeschaffenheit. - Die Fluchtigkeit eines gelosten Stoffes zeigt nach unserer Auf- fassung stets an, da13 mindestens e in T e d der gelosten Molekiile ohne Anlagerung vorhanden ist. Dieser Teil ist es, welcher aus der Losung verdampft (z. B. beim Kochen entweicht), da die nichtkomplexen Molekiile durch keine groI3en Molekular- krafte festgehalten werden (vgl. Abschn. I).

Es ist dabei nicht notig, daI3 der Bruchteil der nicht- komplexen Molekule grol3 sei, da er sich nach dem Entweichen stets wieder ersetzt, indem die Zahlen der einfachen und der komplexen Molekule durch Gleichgewichtsverhiiltnisse bestimmt sein werden.*) So ist z. B. das Abdampfen von HC1-Molekiilen aus wasseriger, verdunnter Salzsaure so vorzustellen, daB zwar der allergrofite Teil der gelosten HC1-Molekule dissoziierf in Gestalt der komplexen Ioiien vorhanden ist, und auhrdem ein geringer Teil undissoziiert komplex, da13 aber ein - wenn auch wahrscheinlich sehr geringer - Teil undissoziiert und

1) Vgl. G. Quincke 1. c. Neuere Beobachtungen ergeben zum Teil Erniedrigung der Oberfllichenspannung des Wassers durch Zucker (Grun - mech). Es wlre moglich, daB hier Spuren fremder Stoffe mitgewirkt haben (FBI. E). [Eine inzwischen von Hrn. K. E b e l i n g vorgenommene Untersuchung des Falles hat die iilteren Resultate von Hrn. Quinoke bestiitigt, woriiber an anderer Stelle berichtet werden soll.]

2) A. Coehn u. H. Mozer , 1.c. p. 1084. 1070. 3) Die GroBen der koinplexen Molekiile sind iiberhaupt nicht als

eeitlich konstant anzusehen, da die Zahl der angelagerten Molekiile von ZusammenstoB zu ZusammenstoB variieren kann; das Auftret.en einfacher Molekiile ohne jede Anlagerung ist ein Grenzfall hiervon.

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t'ber TF'asserfallelektrizitat. 519

unangelagert sich yorfindet. Diese letzteien Molekiile von der Molekulargrol3e HC1 sind es, welche ebenso wie die H,O- Molekiile der Verdampfung ausgesetzt sind. Be; anderen Sub- s t anza , welche wmiger dissoziieien, wie z. B. NH, in Wasser, komat die groBe Zahl der komplexen, gans unverdampf baren Ionen in Wegfall; daher fallt die Fluchtigkeit groBer aus (NH,, Alkohol usw. in Wasser Ironnen, im Gegensats zu HCI, durch Iiochen giinzlich ausge trieben werden).

Das Fehlen der groBen, den komplexen Molekiilen nach MaBgabe ihres Volumens eigenen Molekularkrafte bej den un- angelagerten Molekiilen der fliichtigen Stoffe muB aber noch eine weitere Folge haben. Sind namlich die Krafte dieser Mole kiile geringer als die der Losungsmittelmolekiile, so miissen erstere Molekule an der Oberfliiche sich h8;ufen.l) Bei Wasser als Losungsmittel trifft dies fast fiir alle Molekulsorten zu.2) Es kommt dann bei den Losungen fliichtiger Stoffe noch eine Schicht an der OberflHche hinzu, welche bei den nichtfliichtigen Stoffen fehlt : eine auperste, a n unangelagerten Molekiilen des gelosten Stoffes angereicherte Schicht, auf welche dann erst, nach innen zu, die anderen Schichten folgen, welche wir in den vorhergehenden hbschnitten beschrieben haben.

36. Aus der Erkenntnis dieser Oberflachenbeschaffenheit lassen sich folgende Schliisse ziehen :

a) Die lichtelektrische Wirkung ist durch fluchtige Stoffe starker beeinflufit zu erwarten als durch nichtfliichtige, da die auflerste Schicht, auf welche es hier am meisten ankommt, wesentlich verandert ist. Hieriiber liegt bisher, soviel mir bekannt, nur das von Hrn. Obo lensky be~bach te t e~) , be- statigende Beispiel \-on SH, in Wasser vor.

b) Die Oberfluchenspannung (des Wassers z. B.) mu13 durch fliichtige Stoffe wesentlich rermindert werden, wiihrend sie durch nichtfliichtige Stoffe erhiiht wurde (vgl. B., C., D.). Denn es fallen fiir die GroBe der Oberfliichenspannung am allermeisten die Krafte der zu 5iuBerst befindlichen Molekiile

1) Yie werden dadurch der Verdampfung noch besondera gut zu-

2) Die Oberfliichenspannungen fast aller Stoffe sind kleiner als die Vgl. hierzu auch den Satz von Quincke uber die Aus-

~~

giinglic h.

des Wassera. breitung, Pogg. Ann. 189. 1870.

3) W. Obolensky, I . c . p. 969.

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ins Gewicht (vgl. die GI. 6 L. und 6). Diese Folgerung findet sich bei Durchsicht der vielen von Hrn. Quincke gemessenen Ober- flachenspannungen vollkommen bestBtigt. Die fluchtigen Stoffe wie HCl, HNO,, NH,, Alkohol, sind es allein, welche die Oberflachenspannung des Wassers erniedrigen, und zwar auch schon bei nicht hohen Konzentrationen, wahrend alle nicht- fliichtigen gelosten Stoffe sie erh0hen.l) Dabei ist auch, wie ZU erwarten, die Erniedrigung um so starker, je fliichtiger der Stoff ist, b m . genauer, je mehr nichtkomplexe Molekule vorauszusetzen sind und je geringer die Oberflachenspannung dieser Molekulsorte an sich ist. So ist Z. B. die Erniedrigung bei NH, (mit nur wenig Ionen) vie1 grol3er als bei HSO,; bei HC1 ist die Erniedrigung uberhaupt erst bei grol3eren Kon- zentrationen mit Sicherheit zu merken 2), entsprechend der geringen Zahl der undissoziierten Molekule und der entgegen- gesetzten Wirkung der Ionen (vgl. €3.); bei H,SO,, welche in geringen Konzentrationen gar nicht fluchtig ist , ist dem- entsprechend bei diesen Konzentrationen nur Erhohung der Oberflachenspannung vorhanden. Bekannt ist auch die starke Erniedrigung der Oberflachenspannung durch so fluchtige Stoffe wie Kampfer, Ather.

-

1) Dad nichtlosliche Stoffe, auch wenn sie nicht fliichtig sind (wie z. B. ole), die Oberflichenspannung des Wassers nicht erhohen, sondern erniedrigen, ist nicht im Widerspruch mit unserer Auffassung; denn die Nichtloslichkeit ist gleichbedeutend mit der Nichtanlagerung (vgl. iiber den LosungsprozeD Akad. 1914, Teil I, p. 18), fiihrt also wieder zur AnhLufung nichtkomplexer Molekiile mi t kleinen Kriften an der Ober- fliiche. Da eine solche Oberfliichenschicht Erhohung des elektrischen Oberfliichenfeldes zur Folge haben kann (vgl. oben unter c), waa die Oberfliichenspannung noch besonders erniedrigen mud (vgl. die von Helm - holtz abgeleitete Beziehung), erscheint es verstiindlich, daB z. B. die Oberfliichempannung von Wasser, auf welchem eine Olschicht sich BUS- gebreitet hat, sogar noch geringer ist als die des Oles, wie die auf Wmer schwimmenden Oltropfen zeigen. Auch die Haltbarkeit diinner m u t e (Blesen) solcher gemischter (unreiner) Fliissigkeiten scheint so verstiindlidb, indem die diinn gezogene Haut (welche nur aus der Substanz der iul3ersten Schicht allein besteht) wegen des verringerten elektrischen Wldes eine Spannung erhalten kann, welche hoher ist als die der dickeren Teile (vgl. auch Note 10 in Teil 11, Akad. 1914). Der scharf abgegrenzte schwarze Fleck der Seifenblasen ist ein Beispiel fiir gleichgrode Spannung sehr dunner und dickerer Schichten solcher gemischter Flussigkeiten.

2) Vgl. auch 0. Jahnke , 1.c.

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Uber Wasserfallelektrizitat. 5.2 1

c) Wasserfalleffekt. Da nach unserer Auffassung geringe Molekularkrafte (Oberflachenspannungen) mit geringer Dielek- trizitatskonstante zusammenfallen (vgl. Abs. 19), so besteht die auBerste Schicht der (wasserigen) Losungen fluchtiger Stoffe aus einer Molekulsorte von geringerer Dielektrizit5ts- konstante; sie wjrd daher (nach Hrn. Coehns Satz) negativ

. geladen sein gegeniiber der nach innen zunachst folgenden Schicht des fast reinen Losungsmittels, welch letztere Schicht aber an sich schon negativ ist gegenuber dem weiteren Innern drr Flussigkeit (vgl. A.). Dies bedeutet eine Erhohung der negativen Oberflhchenladung duroh den gelosten, fluchtigen Stoff, also eine Vermehrung der negatil-en Trager des Wasserfall- effektes, d. i. eine Erhohung des Wasserfalleffektes (insofern der- selbe bei Nichtelektrolyten uberhaupt nur negative Triiger liefert.)

Auch dies entspricht vollkommen den Beobachtungen. Die Herren Coehn und Mozer teilen z. B. mit, daB der Wasserfalleffekt bei Wasser durch Zusatz geringer Mengen von Phenol, Alkohol, Ather, Aceton bedeutend erhoht wird (nichtfluchtige Substanzen erhohen ihn nicht; vgl. D.).l)

1st der fliichtige Stoff Elektrolyt, so tritt die gegenteilige Wirkung der Kationen hinzu, welche posit'ive Trager liefern (vgl. B.); es ist dann der EinfluB der auBersten Schicht der nichtkomplexen Molekiile am deutlichsten in einer Erhohung der Umkehrkonxentration oder, wenn nur wenig Ionen vor- handen sind, im Fehlen der Uinkehr zu bemerken.q Letzteres ist z. B. bei NH, der Fall,), ebenso auch bei B(OH),.4) Bei

1) A. Coehn u. H. Mozer, 1. c. p. 1069. 1070. Mad bemerkt, daB der Schliissel zum Verstiindnis diescr und der vielen verwandten Erscheinuneen, welcher bisher fehlte, in der veriinderten Theorie des Waaserfalleffektes und in unseren Siitzen iiber die komplexen Molekiile liegt, und eben-in der Mannigfaltigkeit der vorhandenen Zusrtmmenhiinge mit der Erfahrung sehen wir wesentliche Stii6zen der Theorie, der erwiihnten Siitze und der benutzten Grundannahmen.

2) Man sieht aus dieser Beeinflussung des Umkehrpunktes auch, da13 bei exakten Untersuchungen iiber den Wasserfalleffekt nicht nur auf Spuren dissoziierbarer Stoffe (vgl. die entsprechende Bemerkung in B), sondern auch auf fliichtige Stoffe irgendwelcher Art zu achten ist, welche als Verunreinigungen vorhanden sein konnten ; vorheriges Auskochen der Lijsungen konnte dagegen Schutz bieten.

3) Die zugehorige Beobachtung findet sich bei Hrn. Christiansen, 1. c. p. 115.

4) Die Beobachtungen vgl. bei A. Coehn u. H. Mozer , 1. c. p. 1064.

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HCl und HNO, dagegen, init sehr vie1 Ionen und also jeden- falls nur sehr wenig nichtkomplexen Molekiilen, ist nur eine geringe Erhiihung der Umkehrkonzentration als Symptom der 8uBersten Schicht zu erwarten, was beim Vergleich mit der nichtfliichtigen, aber das gleiche Kation enthaltenden SchwefelsBure auch zutreffencl gefunden wird, wie die folgende Zusammenstellung zeigt.

~~ ~~~~ .~ ~~ ~~~

HC1 I HNO, I H,S04

Umke hr- O,OOO9 0,0011 0,0008-norm. (Coehn u. Mozer) konzentration { o,ooog j o,ooo7 i 0,OOOi- ,, (Christiansen) l)

F. Metall ische K6rpe r (2. B. Quecksilber).

37. Die Untersuchung der Oberfllchenbeschaffenheit metal- lischer Korper fallt auSerhalb des Rahmens der gegenwartigen Mitteilung.2) Es sei jedoch hier im AnschluS an die vorher- gehenden Abschnitte bemerkt, dal3 nichts dagegen spricht, auch bei den Met,allen da,s FortreiBen kleiner Teile der Ober- flache a.ls clas Wesent'liche des Wasserfalleffektes an~usehen .~) Die von Hrn. A. Bee ker eingehend untersuchten TrFger der Quecksilber- und Amalgainfa1lelektrizitat waren demnach Metallteile bzw. Quecksilbertropfchen, und es ist nach den gemessenen Durchmessern der Trager und den sonstigen Kennt- nissen uber Elektrizitiitstrager in Gasen auch keine andere Annahme als moglich zu ersehen. Die Durchmesser liegen beim Auffallen von Hg auf Fe in CO, ocler H,, wo uberwiegencl positive TrBger entstehm, zwischen rund 20 - lo-* ern unti vielleicht 200-300. em4), was mit der Annahnie einer

1) Vgl. Note zu Tab. 111. 2) Es zeigt sich hierubrigens, daB von fortgesetzter Experimentalunter-

suchung des Wasserfalleffektes bei Quecksilber noch besonders wertvolle Aufschlusse iiber die.Oberfllichenkonstitution metallisoher Korper erwartet werden konnen.

3) Vgl. auch das unter 19 angemerkte Analogon des Wasserfall- effektes bei festen Korpern, wo wir ebenfalls die Lostrennung kleiner Oberflachenteile als das Wesentliche annahmen (vgl. auch die zweit- folgende Note).

4) Vgl. A. Becker, Ann. d. Phys; 29. p. 909. 1909 und 81. p. 98. 1910, wo die entsprechenden Messungen der Wanderungsgeschwindigkeiten ausgefiihrt sind. Es waren dies die ersten, bei gemischten TriigergroBen iiberhaupt eingehend durchgefuhrten Messungen, und es war zu dieser

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Uber Wasserfallelektrixitat. 523

in cler letzteren Tiefe gelegenen Schicht init negativer Ladung vereinbitr ware. Der sehr grol3e EinfluB des Gases, welchen Hr. A. Becker - im Gegensatz zu unseren Versuchen bei Wasser (vgl. Abs. 17) - hier fand, wBre dahin zu deuten, daB lose Bindungen von Atomen des Gases mit Atomen des Metalles (z. B. des Quecksi1bers)l) stattfinden, und da13 die so gebildeten komplexen Molekule Anteil haben an den eleli- trisch geladenen Schichten, welche hier innerhalb cles Metalles sich ausbilden uncl um deren ZerreiBung es sich beim Effekte handelt. Fur einen solchen Anteil des Gases an der Wirliung spricht die von Hrn. A. Becker an mehreren Stellen an- gemerkte Beobachtung, daB eininal init dem Metall (Queck- silber) in Beruhrung gewesenes Gas nachhaltigen EinfluB auf die Wirkung auszuiiben imstande ist. Solche Mitwirkung des im i\letalle selbst befindlichen Gases scheint auch bei den anderen Symptomen des Oberflachenzustandes, nsmlich der lichtelektrischen Wirkung uncl der Oberfliichenspannung vor- handen zu

Zeit die Kenntnis von der Natur der groBen Elektrizitiitstriiger noch nicht so weit vorgeschritten, daR die vom Verfasser benutzte Annahme, die Trager seien Anhiiufungen von Gasmolekiilen, ausgeschlossen gewesen ware. Diese Annahme erschien damals sogar weniger befremdlich, als die An- nahme einer im Metall selbst liegenden elektrischen Doppelschicht zu welcher wir uns hier wenden. Die von Hrn. A. B e c k e r konstatierte Gronenzuahme der Triiger wiihrend ihres Alterns kann als Vereinigung grol3er Trgger mit kleinsten angesehen werden, ein Vorgang, welchen wir auch bei Wasser und Salzlosungen (in Absohn. A und B) annahmen. [Zur Berechnung der TrtigergroBen vgl. ubrigens die betr. Note zu 22.1

1) Auch das aus anderem Metall bestehende Hindernis, auf welohes Quecksilbertropfen fallen, triigt nach den Untersuchungen von Hrn. A. B e c k e r wesentlich zum Effekte bei, so dalj die obige Annahme auch auf clie Oberfliichen der festen Metalle (z. B. Eisen) zu beziehen ist (vgl. die zweitvorhergehende Note.)

2) [In bezug auf die lichtelektrische Wirkung vgl. die zusammen- fassende Darstellung in Hal lwachs , ,,Lichtelektrizitiit", Leipzig 1915, p. 171ff. und 271ff., auch H. K i i s t n e r , Ann. d. Phys. 46. p. 893. 1915.1 In bezug auf Oberfliichenspannung vgl. J. S t o c k l e , Dissertat., Freiburg 1898; G. Mayer , Wied. Ann. 66. p. 523. 1898. Die Gase erhohen dic Oberflachenspannung des Quecksilbers , was mit Kornplexbildung in nbereinstimmung ist; der schliel3liche Riickgang, welcher 1. c. gefunden w i d , kann vielleicht Oxydbildung (0 - Spuren im Gase) zugeschrieben werden.

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524 P. Lenard. tiber Wasserfallelektrizitat.

Einige Ergebnieee.

Es wird ein einfacher, angenaherter Satz uber die O k r - flhhenkonzentration von Losungen nichtfluchtiger Stoffe und ahnlicher gemischter Flussiglieiten angegeben (Abs. 2, 3).

Es werden die Molekularkrafte an Flussigkeitsobarflachen in ihrer Abhangigkeit von der Raumerfullung der Molekule untersucht, was Einsicht in die Oberflachenbeschaffenheit von Fliissigkeiten liefert, welche Molekule verschiedener GroBe enthalten (Abs. 4-8).

Es wird auf sechs verschiedenen Wegen aus der Erfah- rung geschlossen, daB die elektrische Doppelschicht, deren Vorhandensein an Fliissigkeitsoberflachen durch den Wasser- falleffekt angezeigt ist, nicht auf Kontaktelektrizitat zwischen Gas und Fluwigbeit beruhe, sondern dal3 ihr Sitz ganz in1 Innern der Fliissigkeit ist, derart, daB die auBerste Molekd- schicht negative, innere Schichten positive Ladung tragen (Abs. 10-13, 16, 17).

Die Entstehung dieser Doppelschicht wird aus der elek- trischen Natur der Mol'ekularkraft,e verstandlich, und in gleicher Weise konnen auch die Erscheinungen von Kontaktele ktrizitat an dielektrischen Korpern aufgefal3t werden (Abs. 18, 19).

Die verschiedenen Formen des Wasserfalleffektes, sein Auftreten in gewissen Fallen und sein Fehlen in anderen Fallen lassen sich einheitlich dadurch verstehen, daB jedesmal das ZerreiBen der voreiwahnten, in der Flussigkeit gelegenen elektrischen Doppelschicht maBgebend ist (Abs. 14).

Die Wassefalltheorie der Gewitter erscheint aussichtsvoll, da die Widerspruche, welche ihr bisher anhafteten, durch die vorhergehenden Resultate beseitigt sind (Abs. 15).

Es wird eine groBe Zahl von Eigentiimlichkeiten des Wasserfalleffektes, sowie auch der lichtelektrischen Wirkung und der Oberfkchenspannung verschiedener Fliissigkeiten auf deren Oberflachenbeschaffenheit zuruckgefiihrt (Abs. 21-37).

(Eingegangen 27. Mai 1916.)