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Verteilerbalken für den Sanitärbereich werden haupt- sächlich mit Hilfe von Strangpressprofilen hergestellt. Dabei ist das Profil so auszulegen, dass zur Verbindung mit den Rohleitungen ein Innengewinde in das Profil geschnitten werden kann. Deshalb muss die Wand der Leitungen an dieser Stelle dicker sein, sie wird also schwerer und teurer. Mit Hilfe des neuen Fertigungs- verfahrens „Innenhochdruckumformen-Kragenziehen“ lassen sich kostengünstige und leichte Verteilerbalken herstellen. Dabei konzentrierten sich die Untersuchun- gen am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz auf die Herstellung von Blechdurchzügen (Kragen), die ein nachträgliches Gewinde aufnehmen können. Bei den Untersuchungen wird neben dem Kragenziehen in das Bauteil hinein auch das Kragenziehen aus dem Bauteil heraus unter- sucht. 1 Einleitung Die Erzeugung von Blechdurchzügen (Kragen) an Rohren und Profilen wird derzeit nahezu ausschließlich mit Stempel und Matrize realisiert. Jedoch stößt das Verfahren bei Halb- zeugen mit ungünstigem l/d-Verhältnis sowie gekrümmten Bauteilen – bedingt durch die Positionierung der Matrize im Inneren des Bauteils – an seine Verfahrensgrenzen. Aus die- sem Grund haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Werk- zeugmaschinen und Umformtechnik IWU ein Verfahren ent- wickelt, bei dem mit Hilfe des Innenhochdruck-Umformens (IHU) Blechdurchzüge ohne Matrize hergestellt werden Dipl. Wirt.-Ing. Sebastian Ortmann Fraunhofer-Institut für Werkzeug- maschinen und Umformtechnik IWU Reichenhainer Str. 88, D-09126 Chemnitz Tel. +49 (0)371 / 5397-1344, Fax +49 (0)371 / 5397-61344 E-Mail: [email protected] Internet: www.iwu.fraunhofer.de können. Anwendung findet dieses Verfahren beispielsweise in der Herstellung von Verteilerbalken in der Sanitärtechnik (Bild 1). Weiterhin werden Kragen als Verbindungselemente oder Positionierhilfen für nachträgliche Fügeoperationen ver- wendet. Das neue Fertigungsverfahren IHU-Kragenziehen er- laubt dabei eine kostengünstige Fertigung an geschlossenen Profilen und Rohren, das auch bei Bauteilen mit ungünstigen l/d-Verhältnis sowie bei gekrümmten Bauteilen Anwendung findet. 2 Konventionelles Kragenziehen an Blechen und Rohren Die wohl verbreitetste Verfahrensvariante, die vor allem bei dünnwandigen Blechen zum Einsatz kommt, ist das Kragenziehen mit Vorloch. Dabei wird das Blech zunächst gelocht. Anschließend erfolgt mit einem Formstempel gegen eine Matrize das Aufstellen des Kragens. Der Werkstoff wird dabei in tangentialer Richtung „auf Kosten“ der Werkstoff- dicke gedehnt. Die radialen Formänderungen sind dagegen gering, sodass die Länge des freien Biegeschenkels in etwa erhalten bleibt (Bild 2). Soll bei Rohren und Profilen hingegen das Prinzip des Kragenziehens mit Stempel und Matrize zur Anwendung kom- men, muss im Inneren des Bauteils eine Matrize positioniert werden. Diese ist nach dem erfolgreichen Ziehen des Kragens wieder zu entfernen. Das Kragenziehen nach außen gestaltet sich hingegen weitaus aufwendiger, da hierbei meist ein Aktivelement im Inneren des Rohres genau positioniert und mit Hilfe einer eingeleiteten Kraft durch ein bereits vorinitia- lisiertes Vorloch gedrückt werden muss. Beim Kragenziehen Alle Rechte vorbehalten. Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 10 758 Flange forming with Hydroforming The manufacturing process of distributor bars for sani- tary and piping construction is basically realized by extuded profiles. The wall thickness in the rage of tube connections is very high due to the internal thread for piping anchorage. The new manufacturing process of Flange Forming and Hydroforming can be realize economical and lightweight distributor bars The Fraunhofer Institute for Machine Tools and Forming Technology IWU in Chemnitz succeeded in developing this new manufacturing where formed flanges allow a following internal thread. Bild 1. Verteilerbalken hergestellt mittels „Innenhochdruckumformen-Kragenziehen“ Titelthema — Bericht Umformtechnik Innenhochdruckumformen-Kragenziehen Neues Herstellungsverfahren für Verteilerbalken im Sanitärbereich S. Ortmann

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Verteilerbalken für den Sanitärbereich werden haupt-sächlich mit Hilfe von Strangpressprofilen hergestellt. Dabei ist das Profil so auszulegen, dass zur Verbindung mit den Rohleitungen ein Innengewinde in das Profil geschnit ten werden kann. Deshalb muss die Wand der Leitungen an dieser Stelle dicker sein, sie wird also schwerer und teurer. Mit Hilfe des neuen Fertigungs -verfahrens „Innenhochdruckumformen-Kragenziehen“ lassen sich kostengünstige und leichte Verteilerbalken her stellen. Dabei konzentrierten sich die Untersuchun-gen am Fraun hofer-Institut für Werkzeug maschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz auf die Herstellung von Blechdurchzügen (Kragen), die ein nach trägliches Gewin de aufnehmen können. Bei den Untersuchungen wird neben dem Kragenziehen in das Bauteil hinein auch das Kragenziehen aus dem Bauteil heraus unter-sucht.

1 Einleitung

Die Erzeugung von Blechdurchzügen (Kragen) an Rohren und Profilen wird derzeit nahezu ausschließlich mit Stempel und Matrize realisiert. Jedoch stößt das Verfahren bei Halb-zeugen mit ungünstigem l/d-Verhältnis sowie gekrümmten Bauteilen – bedingt durch die Positionierung der Matrize im Inneren des Bauteils – an seine Verfahrensgrenzen. Aus die-sem Grund haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Werk-zeugmaschinen und Umformtechnik IWU ein Verfahren ent-wickelt, bei dem mit Hilfe des Innenhochdruck-Umformens (IHU) Blechdurchzüge ohne Matrize hergestellt werden

Dipl. Wirt.-Ing. Sebastian Ortmann Fraunhofer-Institut für Werkzeug- maschinen und Umformtechnik IWU Reichenhainer Str. 88, D-09126 Chemnitz Tel. +49 (0)371 / 5397-1344, Fax +49 (0)371 / 5397-61344 E-Mail: [email protected] Internet: www.iwu.fraunhofer.de

können . Anwendung findet dieses Verfahren beispielsweise in der Herstellung von Verteilerbalken in der Sanitärtechnik (Bild 1). Weiterhin werden Kragen als Verbindungselemente oder Positionierhilfen für nachträgliche Fügeoperationen ver-wendet. Das neue Fertigungsverfahren IHU-Kragenziehen er-laubt dabei eine kostengünstige Fertigung an geschlossenen Profilen und Rohren, das auch bei Bauteilen mit ungünstigen l/d-Verhältnis sowie bei gekrümmten Bauteilen Anwendung findet.

2 Konventionelles Kragenziehen an Blechen und Rohren

Die wohl verbreitetste Verfahrensvariante, die vor allem bei dünnwandigen Blechen zum Einsatz kommt, ist das Kragen ziehen mit Vorloch. Dabei wird das Blech zunächst gelocht . Anschließend erfolgt mit einem Formstempel gegen eine Matrize das Aufstellen des Kragens. Der Werkstoff wird dabei in tangentialer Richtung „auf Kosten“ der Werkstoff -dicke gedehnt. Die radialen Formänderungen sind dagegen gering, sodass die Länge des freien Biegeschenkels in etwa erhal ten bleibt (Bild 2).

Soll bei Rohren und Profilen hingegen das Prinzip des Kragen ziehens mit Stempel und Matrize zur Anwendung kom-men, muss im Inneren des Bauteils eine Matrize positioniert werden. Diese ist nach dem erfolgreichen Ziehen des Kragens wieder zu entfernen. Das Kragenziehen nach außen gestaltet sich hingegen weitaus aufwendiger, da hierbei meist ein Aktiv element im Inneren des Rohres genau positioniert und mit Hilfe einer eingeleiteten Kraft durch ein bereits vorinitia-lisiertes Vorloch gedrückt werden muss. Beim Kragenziehen

Alle Rechte vorbehalten. Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 10 758

Flange forming with Hydroforming

The manufacturing process of distributor bars for sani-tary and piping construction is basically realized by extu ded profiles. The wall thickness in the rage of tube connections is very high due to the internal thread for piping anchorage. The new manufactur ing process of Flange Forming and Hydroforming can be realize economical and lightweight distributor bars The Fraunhofer Institu te for Machine Tools and Forming Technology IWU in Chemnitz succeeded in developing this new manufacturing where formed flanges allow a following internal thread.

Bild 1. Verteilerbalken hergestellt mittels „Innenhochdruckumformen-Kragenziehen“

Titelthema — Bericht

Umformtechnik

Innenhochdruckumformen-Kragenziehen Neues Herstellungsverfahren für Verteilerbalken im Sanitärbereich

S. Ortmann

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nach außen sind ebenfalls mehrere Fertigungs-verfahren einsetzbar, beispielsweise das Gummi-pressen [1], das Durchziehen mit Keilen und eine r Kugel [2] oder das „T-Drill-Verfahren“ [3].

3 IHU-Kragenziehen

Um einerseits qualitativ hochwertige Kragen zu erzeugen sowie andererseits die aufwendige Positionierung im Inneren der Bauteile zu ver-meiden, wurden am Fraunhofer-Institut für Werk-zeugmaschinen und Umformtechnik in Chemnitz verschiedene Verfahrenskombinationen ent-wickelt, bei denen mit Hilfe eines hydro -statischen Drucks die Matrize oder der Stempel im Inneren des Bauteils ersetzt wird. Darüber hinau s sind die Verfahren im IHU-Prozess inte-grierbar – das verkürzt die Prozesskette und somi t die Zykluszeit.

Die am besten geeigneten Verfahrensvari-anten sind in Bild 3 dargestellt. Bei Beaufschla-gung eines ausreichenden Drucks im Inneren des Bauteils fährt der Stempel – entweder ein kombi-nierter oder ein geteilter Loch- und Kragen -stempel – in das Bauteil hinein. Dabei erfolgt im ersten Schritt das Ausstanzen des Vorloches. Nachdem erfolgreichem Entfernen des „Butzen“ wird in einem nächsten Schritt das Ziehen des Kragens vollzogen. Hierbei fährt der Loch- und Kragenstempel bis zu seiner vordefinierten End-lage. Der Antrieb kann dabei mit einer hydrau-lischen Achse erfolgen, die bei konventionellen IHU-Anlagen zur Verfügung steht.

Um das Einsatzgebiet des Verfahrens auf -zeigen zu können, wurden am IWU in einem durch die Europäische Forschungsgesellschaft für Blechbearbeitung e.V. geförderten Forschungs-projekt verschiedene Werkstoffe mit unterschied-lichen Wanddicken untersucht. Zum Einsatz kam – ein Baustahl (St35), – ein Edelstahl (1.4301), – eine Aluminiumlegierung (AlMgSi0,5) sowie – eine Messinglegierung (CuZn37) mit Wanddicken von 1,5 mm, 2,0 mm und 2,5 mm. Neben dem Einsatz unterschiedlicher Werkstoffe und Wanddicken wurde zudem der Kragen durchmesser variiert (9 mm, 14 mm, 18 mm). Um die maximalen Grenzaufweitverhält-nisse (Kragen durchmesser / Vorlochdurchmesser) zu bestimmen, kamen darüber hinaus verschie-den große Vorlöcher zum Einsatz.

4 Kragenziehen nach außen mit selbstzentrierender Kugel

Für die Erzeugung von Blechdurchzügen nach außen wur-den mehrere Verfahrensvarianten in Betracht gezogen. Als am besten geeignet hat sich dabei das Kragenziehen mit selbst-zentrierender Kugel herauskristallisiert. Dieses Verfahren wird nachfolgend näher beschrieben (Bild 4).

Mit Hilfe eines Lochstempels wird im ersten Verfahrens-schritt ein Anschneiden des Vorlochs durchgeführt. Dies ist notwendig, um einerseits einen Schneidgrat im Inneren zu vermeiden und andererseits, um eine definierte Sollbruch-stelle zu erzeugen. Anschließend wird mit Hilfe des Innen-drucks der Butzen herausgetrennt, es erfolgt demnach ein Lo-chen nach außen. Aufgrund der damit entstandenen Leckage und somit des Volumenstroms, entsteht ein Sog, der eine Stahlkugel anzieht, die vor dem Kragenziehen im Inneren des Rohres platziert wurde. Diese dichtet das Vorloch ab, unter-

Bild 3. Verfahrensprinzipien IHU-Kragenziehen (nach innen) [4]

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Bild 2. Kragenziehen an Blechen mit Vorloch

Bild 4. Kragenziehen nach außen mit selbstzentrierender Kugel [5]

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[4] Neugebauer R.; Ortmann S.: Herstellung von Blechdurchzügen mittels IHU zur Verbesserung der Montagefähigkeit von IHU-Bau-teilen (Kragenziehen). Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, Chemnitz, EFB-Forschungsbericht Nr. 232, 2004

[5] N. N.: Verfahren und Vorrichtung zum Ausbilden eines Kragenabschnittes an einem Werkstück. Offenlegungsschrift DE 10 2004 028 078 A1, Fraunhofer Gesellschaft, München, 2006

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Literatur

[1] Neubauer A.; Bolt P.-J.; Sinke J.: Gummipressen – eine alternative Kleinserienfertigung. Blech Rohre Profile 45 (1998) H. 1/2, S. 46–50

[2] Lange K.: Umformtechnik – Handbuch für Industrie und Wissen-schaft. Band 3. Blechbearbeitung. Heidelberg: Springer-Verlag 1990

[3] N. N.: Das T-Drill-Rohraushalsungsverfahren – Teil I. Blech, Rohre, Profile 28 (1981) H. 2, S. 60–63; H. 4, S. 158–159; H. 6, S. 246–249

bindet somit den Volumenstrom und ermöglicht einen er -neuten Druckaufbau. Ist der Druck im Inneren des Bauteils hinreichend groß, wird die Kugel durch die Öffnung gedrückt und zieht den Kragen. Mit diesem Verfahren sind hochpräzise Blechdurchzüge an beliebigen Stellen des Bauteils her -stellbar. Dies wurde beispielsweise beim Werkstoff St35 nachge wiesen.

5 Anwendung und Vorteile

Auf Basis der Verfahrensvariante IHU-Kragenziehen konn-ten speziell für die Herstellung von Verteilerbalken positive Effekte nachgewiesen werden. Neben dem Reduzieren der Halbzeugkosten (Austausch von Strangpressprofil durch ein gezogenes Rohr) ermöglichte das Verfahren, das Bauteil -gewicht sowie die Fertigungskosten um etwa 30 % zu senken.