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Risks for a regime shift towards hyper-turbid conditions Auseinandersetzung mit der von J. C. Winterwerp vorgetragenen These zum Umkippen von Ästuaren in einen stark/übermäßig verschlickten Zustand infolge von Vertiefung und Einengung. Jens Wyrwa, BfG Koblenz, 27. Jan. 2015

Umkippen von Ästuaren in einen stark/übermäßig ... · 5. Kritik der Analysen a) Vergrößerung Tidenhub Es ist schlüssig anzunehmen, dass: Vertiefung und Verringerung von Reibung

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Page 1: Umkippen von Ästuaren in einen stark/übermäßig ... · 5. Kritik der Analysen a) Vergrößerung Tidenhub Es ist schlüssig anzunehmen, dass: Vertiefung und Verringerung von Reibung

Risks for a regime shift towards hyper-turbid conditions

Auseinandersetzung mit der von J. C. Winterwerp

vorgetragenen These zum

Umkippen von Ästuaren in einen stark/übermäßig verschlickten Zustand infolge

von Vertiefung und Einengung.

Jens Wyrwa, BfG Koblenz, 27. Jan. 2015

Page 2: Umkippen von Ästuaren in einen stark/übermäßig ... · 5. Kritik der Analysen a) Vergrößerung Tidenhub Es ist schlüssig anzunehmen, dass: Vertiefung und Verringerung von Reibung

1. Problem Verschlickung Tide-Ems

2. Kernaussage

3. Methodenübersicht

4. Analysen und Ergebnisse

5. Kritik der Analysen

6. Einschätzung und Maßnahmenvorschläge

7. Nachbemerkungen: Selbstverstärkung mittels Thixotropie

Gliederung

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1. Problem Verschlickung Tide-Ems

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01.06 15.06 29.06 13.07 27.07 10.08 24.08

Oxy

gen-

Sat

urat

ion

in %

Tidal-Ems measuring location Soltborg 2013

1.0 m below surface 2.6 m above ground 0.5 m above ground

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2. Kernaussage

J. C. Winterwerp"On the response of tidal rivers to deepening and narrowing"Deltares Bericht im Rahmen des "Long-Term Vision of Scheldt estuary" - Projekts ; März 2013

Hypothese:Dieser Teufelskreislauf kann so weit führen, dass das Ästuar in einen hyperturbidem Zustand gerät, aus dem es nicht wieder zurückkehrt.

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3. Methoden

a) analytische Lösung der linearisierten 1D-Flachwassergleichungen mithilfe von harmonischen Funktionen

b) "Proxy" für die tidale Asymetrie aus Wellenausbreitungsgeschwindigkeiten

a) Abschätzung Reibungsverminderung infolge Suspension mit 1DV-Modell

b) Umkippen in hyperturbide Verhältnisse infolge hindered-settling durch Abschätzung Riflux

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4. Analysen und Ergebnissea) analytische Lösung der linearisierten 1D-Flachwassergleichungen

0)( =

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∂∂

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η 0Re =+∂∂+

∂∂+

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t

η0=+

∂∂+

∂∂

h

ru

xg

t

u η

Vernachlässigungen, Linearisierungen

Massen-Bilanz Impuls-Bilanz

linearisierte Reibung

Resultat: Gleichungen linear in u und η

Vernachlässigung

Konvektion

Tidenhub << Wassertiefe

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gerade und reibungsfrei führt auf:

4. Analysen und Ergebnissea) analytische Lösung der linearisierten 1D-Flachwassergleichungen

mithilfe von harmonischen Ansätzen (Exponentialfunktionen).

rkgh

ω=

Ansatz

eingesetzt

nach Einigem an

linearer Algebra

und Benutzung

von MAPEL

Lösung

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Graphik aus:J. C. Winterwerp 2013 (s. o.)

Fig. 2.3: Evolution of tidal wave in 5 m deep, straight estuary ( λ= 315 km) and weir at 79 km; r= 0.000001 m/s yields C ≈1000 m1/2/s; r = 0.0001 m/s yields C ≈300 m1/2/s and r = 0.003 yieldsC ≈ 60 m1/2/s (Lb = ∞).

Wenn ein Ästuar1. durch Vertiefung in die Resonanz gelegt wird und2. die Reibung klein wird,dann können an der landeitigen Ästuargrenze (Wehr) exorbitante Tidehübe auftreten.

4. Analysen und Ergebnissea) analytische Lösung der linearisierten 1D-Flachwassergleichungen mithilfe von harmonischen Funktionen.

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Verhältnis der

Wellenausbreitungs-

geschwindigkeiten

Niedrigwasser/Hochwasser

Graphik aus:J. C. Winterwerp 2013 (s. o.)

Wenn ein Ästuar1. die seitlichen Retentionsräume verliert und2. die Reibung klein wird,dann kann die Wellenausbreitungsgeschwindigkeit bei Hochwasser viel schneller als diejenige bei Ebbe werden.

4. Analysen und Ergebnisseb) "Proxy" für die tidale Asymetrie

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Graphik aus:J. C. Winterwerp 2013 (s. o.)

4. Analysen und Ergebnissec) Abschätzung Reibungsverminderung infolge Suspension

Der Anstieg von 1. Konzentration und 2. Sinkgeschwindigkeitvon suspendierten Sedimenten verursacht einen deutlichen Rückgang der Reibungsbeiwerte.

Graphik aus:J. C. Winterwerp et al.Sediment-induced buoyancy destruction and drag reduction in estuariesOcean Dynamics (2009) 59:781–791DOI 10.1007/s10236-009-0237-y

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aus: J. C. Winterwerp"Stratification effects by fine suspended sediments at low, medium, and very high concentrations", Journal of Geophysical Research, Vol. 111, 2006, doi:10.1029/2005JC003019

4. Analysen und Ergebnissed) Umkippen in hyperturbide Verhältnisse

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5. Kritik der Analysen a) Vergrößerung Tidenhub

Es ist schlüssig anzunehmen, dass:Vertiefung und Verringerung von Reibung den Tidenhub im inneren Ästuar erhöhen,auch wenn:die Lösung der lin. Gleichungen den Effekt weit überschätzen und Resonanz keine so prominente Rolle spielt

-3

-2

-1

0

1

2

3

4

0 86400 172800 259200 345600 432000

rela

tiver

Tid

enhu

b

Zeit in sekunden

schematisches Aestuar ; 79 km lang, 5 m tief, gerade Ergebnisse am geschlossenen Binnenrand

Rechenlauf /mreferate/wyrwa/casulli/test08/schemaest straigt79 26nov14

SeerandTidenhub=2.0m ks=0.100 mTidenhub=2.0m ks=0.001 mTidenhub=0.2m ks=0.001 mTidenhub=0.2m ks=0.100 m

Simulation mit casu

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5. Kritik der Analysen b) Verstärkung Asymetrie

Es ist schlüssig anzunehmen, dass:die Verringerung der Reibung die tidale Asymetrie verändert.allerdings:Die Zusammenhänge zwischen Strömung und Sedimenttransport werden nicht explizit angegeben sondern nur intuitiv vorausgesetzt.

-0.5

-0.25

0

0.25

0.5

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3 3.25 3.5 3.75 4 4.25 4.5 4.75 5

0

1

2

3

Ges

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pieg

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ge in

m

Zeit in Tagen

schematisches Trichter Aestuar; 53 km lang, Breite: Seerand=1000m Wehr=200m, Tidenhub=2.0m Ergebnisse 10km vor Tiden-Wehr

Rechenlauf voss-mod01:expo53rinne (22+23jan15)

SeerandVel. Ks=0.10mVel. Ks=0.01m

WSP Ks=0.10mWSP Ks=0.01m

Simulation mit casu

Ergebnisse für Wellenausbreitungs-geschwindigkeiten unplausibelGraphik aus:J. C. Winterwerp 2013

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5. Kritik der Analysen c)Verringerung Reibung

Es ist schlüssig anzunehmen, dass: absinkende suspendierte Sedimente Dichtegradienten erzeugen, welche die Reibung verringernauch wenn: die Annahme horizontaler Gleichförmigkeit in einem realen Ästuar nicht erfüllt ist.

Graphik aus:Wyrwa 2003, Diss TU-Berlin

Verweise auf experimentelle Befundeebenda Kap. 6.8

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5. Kritik der Analysen c)Verringerung Reibung

Es ist schlüssig anzunehmen, dass:Dichtegradienten die Reibung verringernaber: Dichtegradient innerhalb einer Fluid Mud Schicht?

Pg (Gesamtdiche) [kg/l] und Dichte [kg/l] 7

0

2

4

6

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12

14

0,990 1,000 1,010 1,020 1,030 1,040 1,050

[kg/l]

Son

denh

öhe

über

Gru

nd [m

]

Pg (Gesamtdiche) [kg/l](berechnet)

Dichte [kg/l] (gemessen)

Vertikalprofil

Soltborg

Flutkenterung

31.8.2011

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5. Kritik der Analysen d) Umkippen

Es ist schlüssig anzunehmen, dass:hindered settling dazu führt, dass bei gleicher Sohlreibung mehr Sediment in Schwebe gehalten werden kann.auch wenn:der Effekt mit der gewählten Abschätzung nicht quantifiziert werden kann und die Unumkehrbarkeit des Prozesses nicht erkennbar ist.

Einwand: Fluid Mud nimmt nicht die ganze Wassertiefe ein.

Einwand: Bei Stromkenterung ist Ri = ∞, das müsste zu Sedimentation führenaber: auch bei Stillstand von Fluid Mud konsolidiert dieser nicht sofort

Einwand: Eine Hochwasserwelle von Oberstrom spült die Trübungszone seewärts

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5. Einschätzung

a) Die Gefahr des Übergangs in einen hyper-turbiden Zustand ist real

• Selbstverstärkungs-Mechanismus wird schlüssig belegt, • weitere Selbstverstärkungs-Mechanismen (Thixotropie) möglich.• Beispiel u. a. Tide-Ems.

aber:• unklar bleibt, ob es sich um ein Umkippen mit einem "point of no return" handelt.• Zeitskala des Übergangs unklar.

b) Die verwendeten Methoden erlaubt keine sichere Quantifizierung

• Annahmen in der Herleitung zu weitgehend

aber:die Analyse kann an die Verhältnissen in einigen bekannten Ästuaren angepasst werden.

...

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5. Einschätzung (... Fortsetzung)

c) Das Auftreten von hyper-turbiden Zuständen im Elbe Ästuar kann auf der Basis der Winterwerp'schen Analysen grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden

aber:• die Anpassung von Konvergenzlänge und Reibungsbeiwert für das Elbe-Ästuar gelingen

Winterwerp nicht vollständig. Er empfiehlt weitergehende Untersuchungen.

Aussagen darüber,

wie weit das Elbe-Ästuar noch vom hyper-turbiden Zustand entfernt ist,

lassen sich mit Hilfe der von Winterwerp vorgelegten Analysen nicht gewinnen.

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6. Maßnahmenvorschläge

I. Messmethoden für die Bewegung von Wasserschichten mit sehr großen

Suspensionsgehalten (weiter)-entwickeln

II. Aufbereitung Verschlickungsgeschichte hyperturbid gewordener Ästuare

Ems u. a.

III. Methoden zur Quantifizierung (numerische Simulierbarkeit) von

Verschlickung (weiter)-entwickeln

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0.5

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13.07 13.07 14.07 14.07 15.07 15.07 16.07 16.07 17.07-0.15

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Vel

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/100

0

Tidal-Ems measuring location Soltborg 2013

Vel. 0.9 m below surfaceVel. 1.0 m above ground

slope Leerort-Weener

TidengemittelteWege in m

Zeitraum

Flutweg Ebbweg Flutweg Ebbweg Flutweg Ebbweg oben

(0.9m unter WSP)mitte

(2.0m ü. Sohle)unten

(1.0m ü. Sohle)

28.05.2013 09:00 -03.07.2013 07:45 14.856 20.369 6.262 4.011 4.630 2.104

03.07.2013 08:05 -15.08.2013 08:00 14.700 18.957 5.363 2.843 6.145 2.354

15.08.2013 08:10 -16.09.2013 08:50 14.186 18.773 5.344 2.786 4,531 2.360

16.09.2013 09:00 -04.11.2013 12:20 10.928 9.038 2.754 2.403 1.504 1.369

7. Nachbemerkungen:

Selbstverstärkung mittels

Thixotropie

Die Geschwindigkeitsmessungen

(soweit sie denn zutreffend sind)

an der Station Soltborg deuten

darauf hin, dass nur die großen

Wasserspiegelgradienten der

anlaufenden Flut die Fluid Mud

Schicht bewegen und aufbrechen

können. In der ablaufenden Ebbe

bewegt sie sich nur wenig.

Dies könnte mit der Thixotropie

des Materials erklärt werden.

Dies würde einen

Selbstverstärungsmechanismus

begründen, nämlich, dass das

Auftreten von Fluid Mud zu einer

Verstärkung des stromauf

gerichteten Sedimenttransports

führt.