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I Z A Research Report No. 18
Umsetzung des Workfare-Ansatzes im BMWi-Modell für eine existenzsichernde Beschäftigung
Werner EichhorstHilmar Schneider
May 2008
„Umsetzung des Workfare-Ansatzes im BMWi-Modell
für eine existenzsichernde Beschäftigung“
Projekt 53/07 des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
ABSCHLUSSBERICHT
Werner Eichhorst und Hilmar Schneider, IZA Bonn
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1 Vorwort ......................................................................................................................3 2 Zusammenfassung.....................................................................................................4 3 Internationale Beispiele .............................................................................................9
3.1 Workfare in den USA .........................................................................................9 3.2 Workfare und ‘Sozialhilfe zu Arbeit’: Lehren aus Großbritannien .................25 3.3 Aktivierung in den Niederlanden: Work First ..................................................46
4 Workfare in Deutschland? Das Projekt Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt und Thüringen..........................................................................64 5 Zentrale Fragen der Umsetzung von Workfare .......................................................71 Literatur .......................................................................................................................90
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1 Vorwort
Dieser Forschungsbericht untersucht die praktische Umsetzung von „Workfare“ als
Element des BMWi-Modells für eine existenzsichernde Beschäftigung. Dies geschieht
anhand nationaler und internationaler Beispiele.
Der Bericht zeigt insbesondere auf, welche Tätigkeitsfelder und Organisationsstruk-
turen hierfür in Frage kommen, um eine möglichst hohe Wirksamkeit und Kostenef-
fizienz von „Workfare“ zu erreichen. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass eine wirksame
Umsetzung von „Workfare“ als Teil einer umfassenden Vermittlungs- und Aktivie-
rungsstrategie von der Funktionsfähigkeit des regulären Arbeitsmarktes abhängt.
Die einzelnen Fallstudien belegen darüber hinaus die Notwendigkeit einer sorgfälti-
gen Zielgruppenorientierung.
Die vorliegende Studie wurde in Zusammenarbeit mit Daniel Finn, Universität Ports-
mouth (Fallstudie Großbritannien), Christopher O’Leary und Robert Straits, W.E.
Upjohn Institute for Employment Research, Kalamazoo (USA) sowie Els Sol und
Julie Castonguay, Hugo Sinzheimer Institut, Universität Amsterdam (Niederlande)
erstellt. Daneben erhielten wir Informationen über die praktischen Erfahrungen
durch Mitarbeiter der Wise Group in Glasgow (Schottland), der Kommune Oss in
den Niederlanden sowie der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bun-
desagentur für Arbeit.
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2 Zusammenfassung
Workfare als Teil einer umfassenden Aktivierungsstrategie
Aus den Fallstudien zu den USA, Großbritannien und den Niederlanden sowie dem
regionalen Modell der Bürgerarbeit in Ostdeutschland lässt sich zunächst ableiten,
dass Workfare – verstanden als ein öffentliches Arbeitsangebot – stets als ein Teil
einer umfassenden und mehrfach abgestuften Aktivierungsstrategie eingesetzt wird.
Personen, die in den Transferbezug einmünden, werden mit einem frühzeitigen Pro-
filing konfrontiert, das je nach individuellen Voraussetzungen zur Vermittlung in ver-
fügbare Stellenangebote, zum Übergang in Qualifizierungsmaßnahmen oder sub-
ventionierte Beschäftigung führt. Nur für den Teil der Stellensuchenden, der auf-
grund schwerwiegender Vermittlungshemmnisse oder Motivationsprobleme nicht
anderweitig zu integrieren ist, wird ein Workfare-Job vorgehalten. Von der glaub-
würdigen Androhung, in letzter Konsequenz in eine Workfare-Maßnahme eintreten
zu müssen, gehen nicht nur Effekte auf die Teilnehmer dieses Programms aus, son-
dern auch auf die anderen potenziellen Teilnehmer, deren Stellensuchbemühungen
damit verstärkt werden.
Zentral ist also eine umfassende, glaubwürdige und verbindliche Aktivierungsstrate-
gie, bei der jedem Transferbezieher so früh wie möglich ein passendes Angebot un-
terbreitet wird. Je mehr Arbeitsplätze auch im niedrig entlohnten und gering qualifi-
zierten Bereich entstehen, umso geringer ist die Notwendigkeit, öffentliche Arbeits-
gelegenheiten zum Zweck der Aktivierung vorzuhalten.
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Tätigkeitsfelder und Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten
Die Ausgestaltung der Workfare-Arbeitsgelegenheiten steht im Zielkonflikt zwischen
Marktnähe und Marktferne. Marktnähere Jobs erleichtern die Übergänge in reguläre
Beschäftigung, vor allem, wenn sie mit qualifizierenden Elementen verbunden sind;
marktferne Jobs sind weniger von Verdrängungseffekten geprägt und haben eine
stärker abschreckende Wirkung. Je nach Zielgruppe empfiehlt sich die Vermittlung in
die eine oder andere Variante von Workfare. In der Praxis sind marktnähere Jobs ü-
berwiegend im Bereich sozialer oder personenbezogener Dienstleistungen angesie-
delt und haben oft eine qualifizierende Komponente. Marktferne Jobs können - wie
im niederländischen Fall - in einfacher industrieller Produktion bestehen.
Workfare ist als Gegenleistung für den Transferbezug zu verstehen. Von daher sollte
die Entlohnung das Niveau der Grundsicherung zuzüglich einer Mehraufwandspau-
schale nicht überschreiten. Ein formales Arbeitsverhältnis zu tariflicher oder ortsüb-
licher Entlohnung würde die Wahrscheinlichkeit des Übergangs in reguläre Beschäf-
tigung vermindern. Ein formales Arbeitsverhältnis auf dem Niveau der Grundsiche-
rung könnte aber die positiven Elemente eines Vertragsverhältnisses wie die klare
Festlegung von Rechten und Pflichten aufgreifen.
Auswahl und Budgetierung der Träger von Workfare-Projekten
Träger von Workfare sind in der Praxis oft öffentliche oder gemeinnützige Akteure.
Sie haben die größte Erfahrung in diesem Feld. Aber auch private Anbieter kommen
als Träger von Workfare in Betracht. Sie sollten grundsätzlich Zugang zum Markt für
Integrationsdienstleistungen und Workfare haben. Deshalb sind Kontrakte mit den
Trägern regelmäßig neu auszuschreiben. Wichtiger als die Rechtsform des Trägers
sind klare Anreize im Sinne einer erfolgsabhängigen Vergütung, die sich daran be-
misst, inwieweit die Träger durch geeignete Strategien vorgegebene Ziele wie den
Übergang in Beschäftigung und das nachhaltige Ausscheiden aus dem Transferbe-
zug erreichen. Dies ist mit entsprechenden Kennziffern zu prüfen. Die Budgetierung
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der Kontrakte aus dem Haushalt der Grundsicherung muss eine angemessene Kos-
tendeckung der Träger bieten und je nach Schwierigkeit der Integration bzw. Ziel-
gruppe differenzieren. Soweit die öffentlichen, gemeinnützigen oder privaten Träger
aus dem Workfare-Projekt heraus Güter und Dienstleistungen für den Markt anbie-
ten, ist durch Mindestpreise dafür zu sorgen, dass es keine Wettbewerbsverzerrun-
gen zwischen subventionierten und unsubventionierten Trägern gibt.
Gesamtwirtschaftliche Effekte von Workfare
In gesamtwirtschaftlicher Perspektive ist Workfare als Teil einer umfassenden und
abgestuften Aktivierungsstrategie auf mittlere Sicht mit erheblichen Einsparungen
für die öffentlichen Haushalte in Deutschland verbunden, die aus dem Rückgang
der Zahl der Transferbezieher und aus Mehreinnahmen an Steuern und Abgaben
resultieren. Dem entsprechen auf individueller Ebene Verbesserungen der Einkom-
menschancen durch Übergänge in Beschäftigung. Diese Effekte sind umso stärker, je
schneller und je vollständiger der reguläre Arbeitsmarkt das zusätzliche Arbeitsan-
gebot aufnehmen kann. Sie werden geschmälert, wenn die Aktivierung in der
Grundsicherung zu einer stärkeren Nutzung anderer Transfersysteme wie etwa Er-
werbsunfähigkeitsrenten führt. Schließlich besteht eine Grenze der Kosteneffizienz
von Workfare dort, wo trotz des Einsatzes aller Erfolg versprechenden Instrumente
kein Übergang in den Arbeitsmarkt erreicht werden kann. In der Anfangsphase ent-
steht für Workfare ein Mehraufwand für die Durchführung der Aktivierungsstrategie
und die Organisation von Arbeitsgelegenheiten.
Größenordnung von Workfare und Verdrängungseffekte
Mögliche Verdrängungseffekte lassen sich minimieren, indem auf der einen Seite die
Offenheit und Aufnahmefähigkeit des regulären Arbeitsmarktes vergrößert wird. Auf
der anderen Seite erfordert es eine abgestufte Aktivierungsstrategie gerade nicht, je-
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dem Transferbezieher ein öffentliches Angebot tatsächlich zu unterbreiten, da ein
Teil der Leistungsbezieher in den ersten Arbeitsmarkt oder in andere arbeitsmarkt-
politische Maßnahme vermittelt werden kann. Schließlich kann durch die sorgfältige
Definition der Tätigkeitsfelder die Verdrängung regulärer Beschäftigung entschärft
werden.
Im Vergleich zur derzeit bereits bestehenden Anzahl an Plätzen in Arbeitsbeschaf-
fungsmaßnahmen, Zusatzjobs und neuen Formen öffentlich organisierter Ersatzbe-
schäftigung ist für die glaubwürdige Durchsetzung im Grunde keine Ausweitung die-
ses Segments in Deutschland erforderlich. Es kommt vielmehr auf die richtige und
konsequente Handhabung dieser Instrumente an. Auch von dieser Seite aus ist keine
Verstärkung von Verdrängungseffekten zu erwarten.
Abgestufte Einführung
Daneben bietet es sich an, die Umsetzung von Workfare nach Zielgruppen oder Re-
gionen gestaffelt vorzunehmen. Hier sollte mit Zielgruppen bzw. Regionen mit ge-
ringeren Arbeitsmarktproblemen begonnen werden, um dann später eine Auswei-
tung auf schwierigere Zielgruppen oder Regionen vornehmen zu können. Dies er-
laubt die Begrenzung des organisatorischen und fiskalischen Aufwands und ermög-
licht es, von den anfänglichen Erfahrungen zu lernen. In der Anfangsphase könnten
Jugendliche zur Zielgruppe gemacht werden, in geographischer Hinsicht Regionen
mit einem aufnahmefähigen Arbeitsmarkt.
Politische Vermittlung und Akzeptanz von Workfare
Für die politische und mediale Vermittlung von Workfare ist es wichtig, auf die posi-
tiven Aspekte des Programms hinzuweisen. Dies umfasst zuerst eine aktive und ex-
plizite Thematisierung der Gerechtigkeitsprinzipien im Sozialstaat. Weiterhin kann
die Akzeptanz von Workfare verbessert werden, indem auf die für die Transferbezie-
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her positiven Effekte wie Integration in den Arbeitsmarkt und verbesserte Aufstiegs-
und Entfaltungschancen im Vergleich zum Verbleib im Leistungsbezug hingewiesen
wird. Dabei können individuelle Beispiele und Erfolgsgeschichten helfen. Darüber
hinaus ist es auch wichtig darauf hinzuweisen, dass Workfare nicht nur in einer ob-
ligatorischen Maßnahmenteilnahme besteht, sondern auch fördernde Elemente um-
fasst wie etwa Qualifizierung, Unterstützung bei der Stellensuche oder Hilfe bei der
Bewältigung individueller Problemlagen. Mit den Workfare-Arbeitsgelegenheiten
kann schließlich auch ein Mehrwert für die Gesellschaft verbunden sein.
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3 Internationale Beispiele
3.1 Workfare in den USA
Robert A. Straits und Christopher J. O’Leary
W.E. Upjohn Institute for Employment Research, Kalamazoo, Michigan
Einführung
Workfare ist ein Prinzip, das Arbeit notwendig macht, um die Berechtigung auf
fortwährende finanzielle Unterstützung in öffentlichen Beihilfeprogrammen auf-
rechtzuerhalten. Gegenwärtig gibt es verschiedene Typen von Workfare-Program-
men in den Vereinigten Staaten. Dies liegt daran, dass die generellen, landesweiten
Regeln für die Verteilung von Geld aus bundesfinanzierten öffentlichen Beihilfepro-
grammen Beschäftigungsanforderungen an die Empfänger stellen. Das US-Bundes-
recht definiert die Anforderungen an den Bezug von Sozialleistungen - und Workfare
erfüllt diese Anforderungen. Diese Verpflichtungen können auch von Teilnehmern in
Ausbildung oder auf Arbeitssuche erfüllt werden. Darüber hinaus gibt es bestimmte
Beschäftigungsziele für kommunale und staatliche Programmadministratoren.
Der „Personal Responsibility and Work Opportunity Reconciliation Act“ (PRWO-
RA) von 1996 reformierte die US-Bundesgesetze zur sozialen Grundsicherung. Ein
neues System von „block grants“, d.h. zweckgebundenen Zuschüssen der Bundesre-
gierung an die Bundesstaaten, wurde als „zeitweilige Beihilfe für hilfsbedürftige Fa-
milien“ („Temporary Assistance for Needy Families“, TANF) geschaffen, womit das
bundesfinanzierte System finanzieller öffentlicher Unterstützung in den USA funda-
mental verändert wurde. Diese Zuschüsse wurden von der Bundesregierung mit we-
niger Auflagen bezüglich der Verwendung durch die Staaten vergeben. Die elementa-
re Anforderung an die Bundesstaaten besteht jedoch darin, möglichst viele Empfän-
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ger innerhalb von zwei Jahren nach der ersten Zahlung von TANF-Beihilfen in Arbeit
zu bringen. Die Staaten haben bei der Wahl der Mittel hierfür weitgehend freie
Hand. Der PRWORA zielt vor allem darauf ab, Sozialhilfeempfänger in Arbeit und
wirtschaftliche Unabhängigkeit zu bringen und sicherzustellen, dass der Bezug von
Sozialhilfe eine kurzfristige Übergangsphase und keine Lebensweise darstellt
(O’Leary/Straits 2004). Workfare war und ist einer der Wege, mit denen die Bun-
desstaaten die vom Bund gesetzten Beschäftigungsziele für TANF-Empfänger er-
reicht haben.
Anstrengungen zur direkten Jobschaffung durch Einrichtungen des öffentlichen Sek-
tors haben normalerweise drei Hauptziele:
1) Einkommenstransfer zu Gunsten von arbeitslosen Personen mit geringem
Einkommen,
2) Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit, damit die Fähigkeit, unbezuschuss-
te Arbeit zu erhalten, gesteigert wird und
3) Schaffung eines Mehrwerts für die Gesellschaft.
Zwischen 1971 und 1982 hatte die Bundesregierung nach dem „Comprehensive
Employment and Training Act“ (CETA) direkt Jobs geschaffen, indem sie Anstellun-
gen in Staats- und örtlichen Regierungen bezuschusste, was als Beschäftigung im
öffentlichen Dienst bezeichnet werden konnte („public service employment“/PSE).
Diese Anstrengungen waren darauf gerichtet, den Arbeitslosen dabei zu helfen,
Humankapital zu erwerben, das zu unbezuschusster Arbeit führen könnte, und
gleichzeitig die Regierungen zu unterstützen, ihren Bürgern notwendige Dienstleis-
tungen anbieten zu können. Wie festgestellt wurde, hatten diese Programme einen
positiven Effekt auf die nachfolgende Beschäftigung der Teilnehmer, aber es wurde
auch – wichtiger noch - festgestellt, dass sie reguläre Angestellte der Staats- und ört-
lichen Regierungen verdrängten (Cook/Adams/Rawlins 1985). Die Bundesregierung
der Vereinigten Staaten hat seit CETA keine PSE mehr finanziert. Einige Jobs wurden
im Rahmen von Workfare direkt von staatlichen und örtlichen Einrichtungen ge-
schaffen, die versuchten, die Beschäftigungsziele nach TANF zu erreichen. Das Au-
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genmerk liegt bei Workfare momentan auf der Entwicklung der Beschäftigungsfä-
higkeit.
Gegenwärtige Ausgestaltung von Workfare in den USA
Seit dem Beginn des Programmjahres 2007 am 1. Oktober 2006 muss jeder Staat
eine Beschäftigungsquote von 50% für alle Familien erreichen, die öffentliche Beihil-
fen in den Vereinigten Staaten erhalten, und eine von 90% bei Familien mit zwei El-
ternteilen. Die Quoten werden für jede Abnahme der Fallzahlen nach 2005, die
nicht durch Änderungen der Berechtigungsregeln zu erklären sind, nach unten korri-
giert. Die Minderungen der Zielgrößen der Beschäftigungsquote spiegeln die Erwar-
tung wider, dass Empfänger, die einfacher zu beschäftigen sind, TANF zuerst verlas-
sen, so dass es zunehmend schwieriger wird, die verbleibenden Personen in den re-
gulären Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die Kriterien für die Beschäftigungsteilnahme werden durch den Haushaltsstatus
vorgegeben:
• Allein erziehende Eltern mit einem Kind unter sechs Jahren müssen mindes-
tens 20 Kernstunden pro Woche arbeiten.
• Allein erziehende Eltern mit Kindern über sechs Jahren müssen 20 Kernstun-
den und mindestens zehn Stunden außerhalb des Kernbereichs arbeiten.
• Familien mit zwei Elternteilen, denen keine Kinderbetreuung gestellt wird,
müssen mindestens 30 Kernstunden und fünf außerhalb des Kernbereichs
arbeiten.
• Familien mit zwei Elternteilen, denen Kinderbetreuung gestellt wird, brau-
chen mindestens 50 Kernstunden und fünf Stunden außerhalb des Kernbe-
reichs.
Kernstunden umfassen unbezuschusste und bezuschusste Beschäftigung, Ausbil-
dung am Arbeitsplatz, Aktivitäten zur Arbeitsuche und zur Steigerung der Arbeitsbe-
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reitschaft, Praktika, ehrenamtliche Tätigkeiten, Berufsausbildung und die Bereitstel-
lung von Kinderbetreuung für andere Teilnehmer. Zu Aktivitäten außerhalb der
Kernzeiten zählen Arbeitsausbildung, die in direkter Beziehung zur Beschäftigung
steht, Ausbildung mit direktem Bezug zur Beschäftigung für Individuen, die keinen
sekundären Schulabschluss besitzen, Abschluss einer Sekundarschulausbildung und
Vorbereitung auf den GED-Test („General Educational Development“), welcher in-
dividuelle Kompetenzen abfragt.
Die von einem Staat geforderte Beschäftigungsquote wird um die Prozentpunktzahl,
um die sich die Zahl der Familien im Beihilfebezug mindert, herabgesetzt. Die Quote
für Familien mit zwei Elternteilen wird anhand der Zahl dieser im Beihilfebezug im
Vergleich zu den Zahlen von 1995 angepasst.
In den Programmjahren 2005 und 2006 verfehlten nur Indiana und Guam die ge-
forderten Beschäftigungsziele für alle Familien. Mehr als ein Drittel aller Staaten ha-
ben kein Programm für Familien mit zwei Elternteilen. Jedoch haben unter den Staa-
ten mit einem entsprechenden Programm Arkansas, Guam und der District of Co-
lumbia die erforderlichen Beschäftigungsquoten 2006 nicht erreicht. Ohne Anrech-
nung der Fallzahlreduktion hätten die meisten Staaten entweder die 50-%-Quote für
alle Familien oder die 90-%-Quote für Familien mit zwei Elternteilen nicht erreicht.
Nur Georgia, Illinois, Kansas, Montana, South Dakota, Tennessee, Virginia und
Wyoming übertrafen die geforderte Mindestquote von 50% vor Anrechnung der
Fallzahlreduktion.
Die Schaffung von Workfare-Jobs
Kernstunden können durch unbezuschusste und bezuschusste Beschäftigung, Prak-
tika, Ausbildung am Arbeitsplatz oder ehrenamtliche Tätigkeiten erreicht werden.
Die meisten Staaten bevorzugen Jobs, die zu einem Lohn führen, der die ökonomi-
sche Selbstversorgung erlaubt. Für eine Familie mit allein erziehendem Elternteil be-
trägt der Selbstversorgungslohn im Großraum Detroit US$ 20,83 pro Stunde. Die
meisten Bezieher von öffentlichen Beihilfen verfügen nicht über die notwendige Bil-
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dung und die Fähigkeiten, um auf dem Niveau des Selbstversorgungslohnes in den
Arbeitsmarkt einzutreten. Unbezuschusste Jobs und Ausbildungsgänge am Arbeits-
platz, die zu besser bezahlten Positionen auf einer höheren Ebene führen, sind des-
halb die begehrtesten Vermittlungsangebote. Jedoch sind diese Aktivitäten nicht je-
derzeit für Langzeitarbeitslose mit geringem Einkommen verfügbar. Arbeitgeber, die
Karriereleitern und Programme zur Erstattung von Unterrichtsgebühren eingeführt
haben, sind die beliebtesten. Jedoch zeigt die Erfahrung, dass viele Empfänger öf-
fentlicher Beihilfen zunächst zuverlässige Arbeitsgewohnheiten entwickeln müssen,
bevor eine dauerhafte Anstellung im gewinnorientierten Sektor angestrebt werden
kann. Arbeitgeber für derartige Beschäftigungsprogramme sind unter anderem Re-
gierungsorganisationen, gemeinnützige Organisationen und Bildungsinstitutionen.
Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Jobs im öffentlichen Sektor, die sinnvolle Ar-
beitserfahrung und angemessenes Monitoring bieten. Man steht weiterhin vor dem
Dilemma, dass die Effektivität des Programms mit der Zeit deutlich verbessert wer-
den könnte, wenn man auch in schulische und Ausbildungsprogramme investierte
statt lediglich Arbeitsgelegenheiten am unteren Ende zu schaffen.
Die Rolle privater und öffentlicher Arbeitgeber
Die Beschäftigung bei den privaten, gewinnorientierten Unternehmen in den Verei-
nigten Staaten wird im Wesentlichen von der Nachfrage bestimmt. Um freie Stellen
zu besetzen, wählen Arbeitgeber unter den Stellenbewerbern auf Basis ihrer Fähig-
keiten, Erfahrung, Eignung, Interessen und Ausbildung die am besten geeigneten
Kandidaten aus. Die öffentlichen und gemeinnützigen Sektoren weisen aber eine
größere Erfahrung mit der Wiedereingliederung der Langzeitarbeitslosen in den Ar-
beitsmarkt auf. Unbezahlte Beschäftigung im Dienstleistungsbereich auf Gemeinde-
ebene wurde als eine Form von Workfare in den 1980ern in einer Reihe kleinerer Pi-
lotprojekte ausprobiert (Brock/Butler/Long 1993). Im Gegensatz zu geeigneten Ver-
gleichsgruppen erhöhten diese Initiativen allerdings weder die Beschäftigungsquote
noch die Einkommen der Teilnehmer. Jedoch hatten diese Programme weder die
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Förderung direkter noch indirekter Vermittlung oder Beschäftigung in unbezu-
schusste Jobs im öffentlichen Sektor zum Ziel.
Organisatorische Voraussetzungen
Basis eines erfolgreichen Workfare-Modells ist das Zusammenspiel von privaten Ar-
beitgebern und den Arbeitsagenturen. Arbeitgeber des privaten Sektors müssen wil-
lens sein, erforderliche Fähigkeiten zu identifizieren und bekannt zu geben, sich dazu
zu verpflichten, Individuen mit den entscheidenden Fähigkeiten anzustellen und
fortwährende Rückmeldung an die Dienstleistungsagenturen zu liefern. Agenturen
des öffentlichen Sektors müssen bereit sein, in Beratung und Schulungen gemäß den
Anforderungen des privaten Sektors zu investieren. Standards, die auf den Ergebnis-
sen (d.h. Vermittlungsraten, Verweilraten und Kosten) basieren, sollten durch Auf-
sichtskomitees überwacht werden, um die Integrität des Systems zu gewährleisten.
Ein uniformer Ansatz „von der Stange“ zeigt keinen Erfolg dabei, auf die Bedürfnisse
der Zielgruppe einzugehen. Zusätzlich zur Ausbildung und der Erreichung von beruf-
lichen Fähigkeiten müssen andere Aspekte der Personen Beachtung finden. Erfolg
muss im Gesamtkontext der Familie erreicht werden. Die Herausforderungen bein-
halten psychische wie physische Gesundheitsprobleme, die Gesundheit und schuli-
sche Entwicklung abhängiger Kinder, stabile Beziehungen zwischen Ehepartnern
und die Vermeidung von häuslicher Gewalt oder Alkohol- und Drogenmissbrauch
sowie die Pflege älterer Haushaltsmitglieder. All das beeinflusst die Fähigkeit einer
Familie, im bestorganisierten Programm erfolgreich zu sein. Das US-Modell über-
lässt die Entscheidung, von wem eine Teilnahme an einer Arbeitsaktivität verlangt
wird, den einzelnen Staaten. Obschon sich die Problemlagen oft ähneln, ist die Ent-
scheidung darüber, wer von Workfare-Anforderungen ausgenommen wird, oft eine
individuelle Einschätzung auf Basis der Wahrnehmung eines Fallmanagers anstatt
einer Entscheidung auf der Basis von Standards.
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Größenordnung von Workfare
Jobgelegenheiten im regulären Arbeitsmarkt ergeben sich aufgrund ökonomischer
Bedingungen auf lokalen Märkten. Eine wachsende Wirtschaft bietet eine steigende
Zahl von Arbeitsplätzen. Die öffentliche Schaffung von Jobs, die auf dem Interesse
der Teilnehmer oder dem verfügbaren Arbeitsangebot fußt, ist prinzipiell eine Belas-
tung der Wirtschaft. Nur etwa ein Prozent der fünf Millionen Bezieher öffentlicher
Beihilfen im Land nahm in den Jahren direkt nach der Einführung des Personal
Responsibility and Work Opportunity Act (PRWORA) 1996 an einem Workfare-
Programm teil. Der Anteil der Maßnahmenteilnehmer ist mit den Jahren langsam
gestiegen, was zum großen Teil an der Reduzierung der Zahl der Transferbezieher
aufgrund des starken wirtschaftlichen Wachstums liegt.
Zur Finanzierung
Die Kosten der Ausbildung und der Arbeitserfahrung, die im öffentlichen Sektor ge-
boten werden, werden von der Regierung getragen. Die Kosten der Beschäftigung
bei privaten und gewinnorientierten Arbeitgebern einschließlich der zusätzlichen
Kosten, die durch die Einstellung von Langzeitarbeitslosen entstehen, fallen beim
Unternehmen an. Zum Beispiel würde ein Arbeitgeber, der vor der Einstellung einen
Fähigkeits-, Eignungs- oder auch Drogentest fordert, die Kosten dieser Dienste tra-
gen. Die weitere Ausbildung von Personen, die kürzlich das öffentliche Beihilfesys-
tem verlassen haben, kann das Verweilen im Job und die Karriere beim Arbeitgeber
fördern. Dies ist deshalb eine Gelegenheit für sinnvolle öffentliche Investitionen, um
die Kosten des Arbeitgebers zu vermindern, da nicht nur diese, sondern auch die
Allgemeinheit davon profitieren. Einige Studien legen nahe, dass Lohnzuschüsse o-
der bessere Initialvermittlung zu größerer Stabilität des Arbeitsverhältnisses führen
können, dass aber breite, nicht fokussierte Dienste nach der Anstellung ineffektiv
sind (Campbell/Maniha/Rolston 2002).
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Rangajaran, Schochet und Chu (1998) untersuchten die Möglichkeiten bei Diensten
zur Beschäftigungserhaltung, Sozialhilfeempfänger, die zunächst Jobs finden, gemäß
ihrer persönlichen und arbeitsmarktbezogenen Charakteristika anzusprechen. Die
Studie ergab, dass vermittelte Jobs, die betriebliche Sozialleistungen bieten und kei-
ne physische Herausforderung darstellen, mit großer Wahrscheinlichkeit von Perso-
nen, die das Transfersystem verlassen, beibehalten werden.
Kosten und Nutzen für die öffentliche Hand
Der Effekt für die öffentliche Hand hängt in großem Maße vom Zustand der Wirt-
schaft ab. Momentan betragen die durchschnittlichen Kosten für die Unterstützung
einer allein erziehenden Person mit einem Kind durch öffentliche Beihilfen ungefähr
US$ 8.400 pro Jahr. Dies umfasst eine monatliche finanzielle Beihilfe von US$ 400
zuzüglich Essensmarken. Die Ausbildungskosten bewegen sich zwischen US$ 2.000
und US$ 5.000 pro Jahr und die meisten Ausbildungsgänge werden innerhalb eines
Jahres abgeschlossen.
Es gibt auch indirekte Kosten, die aus Regelungen erwachsen, die die positiven Er-
gebnisse von Workfare-Modellen beeinflussen können. Zum Beispiel können Pro-
gramme zur Umleitung von Beihilfen und ausführliche individualisierte Bewertungen
personalintensiv und teuer sein. Ein verbesserter Zugang zu Kinderbetreuung, Mobi-
litätshilfen und anderen Unterstützungen zur Arbeit verursacht jeweils assoziierte
Kosten.
Ökonomische Wirkungen
Workfare treibt die Wirtschaft nicht an, sondern hängt eher von ihr ab. Bezuschuss-
te Jobs sind eine Belastung für die Wirtschaft und unbezuschusste tragen zum Steu-
eraufkommen bei. „Welfare to work“-Programme konzentrieren sich auf die Ver-
mittlung in unbezuschusste Beschäftigung. Diese Strategie hat bedeutende Erfolge
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in Staaten mit niedriger Arbeitslosigkeit und einer hohen Arbeitsnachfrage erzielt.
Staaten mit hoher Arbeitslosigkeit betonen dagegen generell die schulische und be-
rufliche Ausbildung, um die Erwerbsbevölkerung auf die Jobs der Zukunft vorzube-
reiten.
Zur Frage der Verdrängung regulärer Beschäftigung
Hinweise zeigen, dass die Gewinne bei den Jobvermittlungs- und den Verweilraten
von Personen, die öffentliche Beihilfen bekommen, minimal sind. Diese Individuen
sind generell am geringsten qualifiziert und sehen sich den größten Beschäftigungs-
barrieren gegenüber. Anders ausgedrückt werden sie oft auf der untersten Sprosse
der Karriereleiter eingestellt. Sie sind die letzten, die in Wachstumsphasen eingestellt
werden, und die ersten, denen gekündigt wird, wenn sich das Wirtschaftswachstum
verlangsamt. Eine Ausnahme gab es in den 1970ern bei den Beschäftigungspro-
grammen im öffentlichen Dienst (PSE), die nach dem Comprehensive Employment
and Training Act (CETA) finanziert wurden. PSE war eine große Initiative des öffent-
lichen Dienstes, die während einer Phase außergewöhnlich hoher Arbeitslosigkeit
Personen ohne Beschäftigung im öffentlichen Sektor in Arbeit bringen sollte. Wegen
der hohen Arbeitslosigkeit hatten viele Teilnehmer gute berufliche Fähigkeiten und
waren in der Lage, die Verantwortlichkeiten höherer Positionen im öffentlichen
Dienst zu tragen. Folglich wurde öffentlichen Arbeitgebern oft vorgeworfen, ehemals
bezahlte Stellen mit Arbeitnehmern, die nach dem Äquivalent von Workfare subven-
tioniert waren, zu ersetzen (Johnson/Tomola 1977).
Unterschiedliche Zielgruppen
Es gibt eine Reihe von Programmen, die speziell auf bestimmte Zielgruppen oder
Personenkategorien zugeschnitten sind. Darunter sind Programme für Jugendliche,
für ältere Arbeiter und für Behinderte. Öffentliche Beihilfe wird in den Vereinigten
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Staaten hauptsächlich bedürftigen Familien mit abhängigen Kindern geboten. Die
große Mehrheit dieser Haushalte wird von einer allein stehenden Frau unter 45 ge-
führt. Workfare, das sich an solche Haushalte richtet, sollte von Unterstützung bei
der Kinderbetreuung einschließlich frühkindlicher Bildung für die Angehörigen be-
gleitet werden, wie auch von anderen flankierenden Dienstleistungen einschließlich
Mobilitätshilfen und Altenbetreuung.
Wirksame Kommunikationsstrategien
Vor 50 Jahren wurde Workfare als ein Weg für die Empfänger öffentlicher Beihilfen
betrachtet, um die erhaltenen Zahlungen „abzuarbeiten“ und somit die Steuern zah-
lende Öffentlichkeit zufrieden zu stellen. Eine sinnvolle Beschäftigung im öffentli-
chen Sektor, die die Lebensqualität in einer Gemeinde hebt und dem Einzelnen das
Äquivalent eines guten Tagelohns bietet, war für die meisten Bürger akzeptabel. Für
kurzfristige konjunkturelle oder saisonale Arbeitslosigkeit wird diese Art des Regie-
rungsprogramms generell wohlwollend betrachtet. Für Personen, die in zweiter oder
dritter Generation öffentliche Beihilfen erhalten und denen es an Fähigkeiten und
Bildung mangelt, trifft dies jedoch nicht zu.
Beispiele auf der regionalen oder kommunalen Ebene
Die Entscheidung, Beschäftigungsquoten als Basis für die Reduzierung von Sozialhil-
fefällen zu verlangen, war eher eine Festlegung als auf erwiesenen Erfolg gegründet.
Während eine bescheidene Fallminderung der Teilnahme an Workfare zugeschrie-
ben werden kann, liegen die erheblichen Gewinne in diesem Bereich an einer gene-
rellen Straffung des Arbeitsmarktes infolge des Wirtschaftswachstums und der Ab-
schaffung unbefristeter Leistungsansprüche durch eine Befristung der Bezugsdauer
finanzieller Beihilfen im Lebensverlauf. Außerdem sind angemessene Unterstüt-
zungssysteme für Familienverbände, ein individualisierter Ansatz bei der beruflichen
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und schulischen Ausbildung und arbeitsbezogene Praktika, die auf individuelle Eig-
nungen zugeschnitten sind, geeigneter. Die Reform des Sozialsystems im Jahre 1996
hat dazu geführt, dass gleichfalls wichtige Reformen bei den arbeitsunterstützenden
Systemen in den letzten anderthalb Jahrzehnten in den Hintergrund traten. Nicht
nur die Bundesregierung hat ihre Unterstützung ausgeweitet – vor allem für „Earned
Income Tax Credits“ (EITC), die Krankenversicherung von Geringverdienern (Medi-
caid) und Kinderbetreuung – sondern auch die Staaten haben die Mittel, die durch
den Rückgang der Fallzahlen in der Sozialhilfe frei wurden, genutzt, um stark in die-
selben Unterstützungssysteme zu investieren (Sawhill/Haskins 2002).
Ein Modell für Workfare
Workfare zielt darauf ab, die Abhängigkeit von öffentlichen Transferleistungen
durch die Vermittlung von Arbeitserfahrung zu beenden. Unmittelbarer Erfolg bei
der Entwicklung der für langfristigen Erfolg am Arbeitsplatz notwendigen Zuverläs-
sigkeit, Kooperation und Ausdauer kann am besten mit bezuschusster Beschäfti-
gung und gemeinnützigen Arbeitgebern erzielt werden. Nachhaltige Beschäftigungs-
aussichten werden am besten mit unbezuschussten öffentlichen und privaten Ar-
beitgebern, die betriebliche Sozialleistungen einschließlich Gesundheitsfürsorge und
bezahlten Krankentagen, Feiertagen und Urlaub anbieten, erreicht. Zieht man die
öffentlichen Einkommenszuschüsse in Betracht, müssen Praktika nicht zwingend
nennenswerte Entlohnung bieten. Der permanente Ausstieg aus der Abhängigkeit
erfordert jedoch angemessene Löhne und die Aussicht auf Gehaltssteigerungen. Seit
der PRORWA die „Sozialhilfe, wie wir sie kennen“ beendet hat, hat sich das System
weiterentwickelt, um ein breites Angebot unterstützender Dienstleistungen bereitzu-
stellen. Das Netzwerk der häuslichen Unterstützung für Kinder, Beziehungen, Mobi-
lität und Gesundheit ist ein notwendiges Element, um den Übergang in die wirt-
schaftliche Unabhängigkeit zu schaffen.
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Ein Beispiel auf der lokalen Ebene
Das Greater Avenues for Independence (GAIN) Programm wurde zwischen 1989
und 1997 in sechs kalifornischen Regierungsbezirken erprobt. Von den sechs Pilot-
projekten war das im Regierungsbezirk Riverside das erfolgreichste. Es folgt dem
Work-First-Design. Sozialhilfeempfänger, die weder einen sekundären Schulab-
schluss, eine GED-Bescheinigung noch elementare Mathematik- und Lesefähigkeiten
besaßen, konnten die Dienstleistungen entweder mit Arbeitsuche, grundlegender
Ausbildung oder Unterricht in Englisch als Fremdsprache beginnen. Die anderen
wurden zuerst zur Arbeitsuche gebracht. Alle Teilnehmer konzentrierten sich auf eine
baldige Anstellung. Für die typischen allein erziehenden Sozialhilfeempfänger stieg
das Einkommen um 44 Prozent und die Sozialhilfezahlungen fielen um 15 Prozent
(Brown 1977).
Ein aktuelles Programm auf bundesstaatlicher Ebene
Einige der besten Beispiele von Workfare in den Bundesstaaten werden von der A-
gentur Wisconsin Works (W-2) betrieben. Das Programm Wisconsins hat das Pro-
gramm „Hilfe für Familien mit abhängigen Kindern“ („Aid to Families with Depen-
dent Children“/AFDC) im September 1997 ersetzt. Im Gegensatz zu AFDC, das
hauptsächlich finanzielle Hilfe lieferte, fußt W-2 auf Arbeit und persönlicher Ver-
antwortung. Das Hauptziel ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Die Teilnehmer
werden damit unterstützt, über die W-2-Leiter wann immer möglich in unbezu-
schusste Beschäftigung zu wechseln.
Diese Leiter hat vier Sprossen: a) W-2 Übergänge (W2Ts), b) gemeinnützige Jobs
(„Community Service Jobs“, CSJs), c) Testjobs und d) unbezuschusste Anstellungen.
Von diesen sind die ersten drei öffentlich finanzierte Aktivitäten, während Teilneh-
mer in unbezuschussten Anstellungen die Dienstleistungen von Fallmanagern in An-
spruch nehmen können. Arbeitslose können sich an dieser Leiter „hocharbeiten“:
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1. Die Arbeitslosen mit den schwerwiegendsten Problemen werden in Übergangs-
arbeit vermittelt (W-2Ts), was die Durchführung von Therapien oder Tätigkeiten
in Rehabilitationswerkstätten umfasst. Hier können US$ 628 pro Monat erreicht
werden, wobei kein Anspruch auf EITC entsteht.
2. Gemeinschaftsdienste („Community Service Jobs“, CSJ) werden anderweitig
nicht zu vermittelnden Arbeitslosen verbindlich angeboten. Sie umfassen 30
Wochenstunden Gemeinschaftsdienst und 10 Wochenstunden Berufsberatung
und Ausbildung. Ziel ist es, dadurch Arbeitserfahrung zu erlangen sowie Fähig-
keiten zu erwerben, die ein regulärer Job verlangt, z.B. Pünktlichkeit und Zuver-
lässigkeit. Sie sind mit US$ 673 pro Monat vergütet, wobei kein Anspruch auf
EITC besteht, allerdings auf Zugang zu Lebensmittelmarken, Gesundheitsversor-
gung und Kinderbetreuung. Sie laufen maximal zwei Jahre (sechs Monate mit
Verlängerungsoption). Tätigkeiten in CSJ umfassen: Verkauf in Gebrauchtwaren-
läden, Büro- und Kundendienste, Kinder- oder Altenpflege, leichte Hand- und
Hausarbeit, Telefondienst, Aktenablage, Arbeiten in Parks, Krankenpflege etc.
Neben den CSJ werden weiterhin Transferleistungen bezogen, Fallmanagement
und Monitoring sind besonders intensiv. CSJ werden durch beauftragte Organi-
sationen abgewickelt. Diese können gemeinnützig oder privat sein.
3. Weniger qualifizierte Arbeitsuchende oder solche mit weniger Berufserfahrung
erhalten einen Probearbeitsvertrag bei einem privaten Arbeitgeber (mit einem
Lohnkostenzuschuss von bis zu 80%). Diese Jobs werden wenigstens mit dem ge-
setzlichen Mindestlohn vergütet; dieser wird durch eine Steuergutschrift aufge-
stockt (EITC).
4. Kandidaten, die regulärer Arbeit nachgehen können, bekommen Beratung und
Hilfe bei der Jobsuche.
Eine Person in CSJ oder W-2T kann bis zu zehn beziehungsweise zwölf Stunden
schulischer oder beruflicher Ausbildung pro Woche erhalten. Die Ausbildung und
Schulung kann Vorbereitungen auf die GED- und HSED-Tests („High School Equi-
valency Diploma“), Kurse an technischen Schulen oder andere Bildungskurse, die
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eine beschäftigungsrelevante Fähigkeit vermitteln, eine vom Arbeitgeber bezahlte
Schulung, Englischkurse und grundlegende Kurse der Erwachsenenbildung beinhal-
ten. Falls eine Beurteilung zeigt, dass eine Person grundlegende Bildung benötigt
und wünscht, muss die W-2-Agentur diese Aktivität in den Beschäftigungsplan der
Person einbauen und für grundlegende Bildungsdienste zahlen.
„Wisconsin Works“ hat zu einem rapiden Rückgang der Arbeitslosigkeit und des
Transferbezugs geführt. Kurzfristig verfügbare Informationen zeigen einen Rückgang
der Fallzahlen innerhalb von zwei Jahren nach Beginn von 65.000 auf 17.000. Insge-
samt befanden sich im Jahr 2003 noch knapp 12.000 Personen im System. Es ist als
konsequente Aktivierungsstrategie in einem System mit befristeten Sozialhilfeleis-
tungen und einem sehr aufnahmefähigen und flexiblen Arbeitsmarkt anzusehen.
Programmstatistiken für 2003 weisen eine Gesamtzahl von 11.716 Teilnehmern an
W-2-Programmen aus (Wisconsin Department of Workforce Development 2006).
Von diesen nahmen 3.135 oder 27 Prozent an W2T teil, während 5.706 oder 49
Prozent an CSJ teilnahmen. Einige hatten sich vor weniger als sechs Monaten neu
eingeschrieben (39% bei W2T und 36% bei CSJ), während andere ihr Zweijahreslimit
für die Teilnahme überschritten hatten (5% von W2T und 12% von CSJ). Von denen,
die das gesamte W-2-Programm 2002 verließen, waren 54 Prozent 2003 erwerbstä-
tig und verdienten durchschnittlich US$ 3.428 pro Quartal. Im Jahre 2003 hatte die
Hälfte der Abgänger aus W2T des vorigen Jahres, die Arbeit hatten, Einkommen
(einschließlich des Steuerfreibetrags), das sie über die bundesweite Armutsgrenze
hob. Nach erfolgreicher Absolvierung von CSJ ist ein Aufstieg in eine der höheren
Stufen möglich, d.h. der Übergang in eine subventionierte oder unsubventionierte
Beschäftigung. Etwa 36% waren bis zu sechs Monate in CSJ, weitere 25% zwischen
sechs und zwölf Monaten. Etwa 20% der Teilnehmer wurden wegen mangelnder
Anwesenheit sanktioniert. Je verpasster Stunde in Aktivierungsmaßnahmen wurden
Geldleistungen um US$ 5,15 gekürzt. 2003 wurden im Durchschnitt bei den CSJ-
Teilnehmern Sanktionen für etwa 45 Stunden ausgesprochen.
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Wirkt Workfare in den Vereinigten Staaten?
Nach den Anforderungen des Bundes, die durch PRWORA und TANF gestellt wer-
den, betreiben die meisten Staaten Programme, die eine Art Workfare umfassen. In
den meisten Fällen hilft Workfare die Fähigkeit zur Ausübung einer regulären Be-
schäftigung wieder herzustellen, welche durch eine Phase der Arbeitslosigkeit ero-
diert. Die rehabilitierende Vermittlung von Lese- und Rechenkenntnissen wird unter-
stützt sowie auch in vielen Staaten eine Ausbildung und Hilfestellungen bei der Ar-
beitssuche, um Arbeit im unbezuschussten Sektor zu finden. Der Grad der Einkom-
mensunterstützung, der durch Workfare-Jobs geleistet wird, ist in den meisten Fäl-
len minimal, wobei die Workfare-Aktivität eine Hürde für die weitergehende Berech-
tigung zum Bezug von TANF-Unterstützungszahlungen darstellt.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Workfare-Jobs einen materiellen Beitrag zum
gesellschaftlichen Arbeitsertrag geleistet haben, es gibt jedoch auch keine Hinweise,
dass sie unter PRWORA reguläre Angestellte im öffentlichen Sektor verdrängt ha-
ben. Verfügbare Daten zu denen, die TANF verlassen, zeigen, dass die Mehrheit ein
Jahr später ein regelmäßiges Einkommen hat, wobei ein nennenswerter Anteil über
der Armutsgrenze liegt. Erfolge werden oft durch ein Bündel verwandter Unterstüt-
zungen und Leistungen erzielt. Dazu gehören: Kinderbetreuung, Mobilitätsbeihilfen,
bezuschusster Zugang zur Gesundheitsversorgung, Familienberatung und der Steu-
erfreibetrag. Workfare kann für einige der Start in die wirtschaftliche Unabhängig-
keit sein. Der Erfolg, den Workfare bringt, könnte weiter zementiert werden, indem
man Mechanismen zum Verweilen in Arbeit und deren Verbesserung ausbaut.
Bei der Bewertung der US-amerikanischen Erfahrungen ist in jedem Fall zu beden-
ken, dass der Arbeitsmarkt dort aufgrund niedriger Steuer- und Abgabenbelastun-
gen und eines sehr moderaten gesetzlichen Mindestlohnes auch für Personen mit
geringer oder entwerteter Qualifikation Arbeitsplätze bietet. Gleichzeitig übt das
vergleichsweise karge Sozialleistungssystem erheblichen Druck auf die Aufnahme
einer bezahlten Erwerbstätigkeit aus. Diese beiden Merkmale unterscheiden sich von
den europäischen Systemen fundamental. In dem Maße, wie das Sozialleistungssys-
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tem großzügiger gestaltet und die Lohnspreizung nach unten begrenzt wird, wächst
die Notwendigkeit der Aktivierung auch über öffentliche Arbeitsgelegenheiten hin-
aus, welche in den USA nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die US-
amerikanische Arbeitsmarktpolitik geht jedoch von der Annahme aus, dass fast je-
der Langzeitarbeitslose nach einer Aktivierungsphase in reguläre Beschäftigung
wechseln kann.
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3.2 Workfare und ‘Sozialhilfe zu Arbeit’: Lehren aus Großbritannien
Dan Finn, University of Portsmouth
Hintergrund: Befristete Beschäftigungsprogramme und Workfare
Im heutigen Großbritannien wurden befristete Beschäftigungsprogramme für
Arbeitslose zuerst in den siebziger und frühen achtziger Jahren eingeführt. Diese
entwickelten sich aus kurzfristigen Notmaßnahmen zu groß angelegten, befristeten
Beschäftigungsprogrammen, die sowohl darauf abzielten, jungen Leuten und
Langzeitarbeitslosen Arbeitserfahrung zu vermitteln, als auch Dienstleistungen und
Güter anzubieten, von denen die größere Gemeinschaft profitierte. Die Projekte
wurden gewöhnlich von öffentlichen und freiwilligen (gemeinnützigen) Agenturen
betreut und unterlagen der Zustimmung von Arbeitgebern und Gewerkschaften, um
Verdrängungs- oder Substitutionseffekte zu vermeiden. Zur Spitzenzeit beschäftigte
das größte „Gemeinschaftsprogramm“ über 250.000 Teilnehmer.
Als die Arbeitslosenzahlen Mitte der achtziger Jahre zu fallen begannen, wurden
diese frühen Eingriffe kritisiert und anschließend umgestaltet. Vor allem wurde der
Effekt der Maßnahmenteilnahme durch Hilfe bei der Arbeitssuche verstärkt, der
Anreizeffekt wurde durch Pflichtteilnahme sichergestellt. Auch gab es bedeutende
Änderungen bei der Dauer und den Beschäftigungsbedingungen. Die Teilnahme
wurde auf maximal sechs Monate begrenzt. Die Teilnehmer erhielten nicht mehr
(relativ geringe) Löhne, sondern nur ihre Beihilfe und eine kleine Summe von
normalerweise £10 pro Woche. Diese nationalen „Beihilfe Plus“-Programme
wurden als „Workfare“ kritisiert.
In einigen Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit entwickelten örtliche Anbieter und
Partnerschaften einen alternativen Ansatz, der als „Zwischenarbeitsmärkte“
(„Intermediate Labour Markets“, ILM) bekannt wurde. Im Gegensatz zu den
wirtschaftlichen Randaktivitäten, die typisch für konventionelle befristete
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Beschäftigungsprogramme sind, versuchten die ILM, realistische Arbeitserfahrung
zu vermitteln, indem sie Projekte in örtliche Regenerationsprogramme und
Initiativen einbrachten, die die Arbeitsplatzschaffung durch eine Ausweitung der
Sozialwirtschaft zu stimulieren versuchten. Die ursprünglichen ILM, die durch
örtliche Vermittler wie die „Wise Group“ und „Glasgow Works“ entwickelt wurden,
hatten eine Reihe von besonderen Charakteristika (Marshall/MacFarlane 2000):
• die Teilnahme war freiwillig;
• die Teilnehmer erhielten einen Arbeitslohn und wurden wie reguläre
Angestellte behandelt, beispielsweise konnten sie wegen Fehlverhaltens
entlassen werden;
• die Teilnehmer wurden für bis zu ein Jahr angestellt;
• Schulungen waren ein Kernelement des Programms, und
• die verrichtete Arbeit war „echte Arbeit“, die von offensichtlichem Nutzen für
die Gemeinschaft war. Beispiele sind die Wärmedämmung von
Sozialwohnungen, Aufforstung und Kinderbetreuung.
Seit den späten 1980er Jahren wurde der britische Ansatz zu nationalen
Beschäftigungsprogrammen von zwei internationalen Entwicklungen beeinflusst.
Erstens gab es die aufkommende Übereinkunft über die Wichtigkeit der
Modernisierung „passiver“ Sozialleistungssysteme, damit sie Arbeitsmarktbindung
und Aktivität fördern. Zweitens wurden britische Politiker und Entscheidungsträger
stark durch die amerikanische Debatte über Sozialhilfeabhängigkeit und „Workfare“
beeinflusst. In den USA war das Kernargument, dass Sozialhilfezahlungen an allein
stehende Eltern zunehmend locker gehandhabt würden und dass die Gewährung
von Einkommensbeihilfen ohne starke Arbeitsverpflichtungen der Staat
Arbeitsanreize unterminiert hätte, was zur Entstehung einer dauerhaft von
öffentlicher Unterstützung abhängigen „Unterschicht“ beigetragen hätte. Einer der
Schlüsselvorschläge war, dass man seine Beihilfeberechtigung „abarbeiten“ und
Sozialhilfe durch „Workfare“ ersetzen solle. Anfangs lehnte die konservative
britische Regierung einen Workfare-Ansatz bei Arbeitslosen oder allein stehenden
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Eltern ab. Eine Verpflichtung derjenigen, die für Kinderbetreuung verantwortlich
waren, behagte ihr nicht. Und sie scheute die Kosten, die damit verbunden gewesen
wären, „Arbeitgeber in letzter Instanz“ für Langzeitarbeitslose zu werden. Jedoch
gab sie einer Aktivierungsstrategie Vorrang, die darauf abzielte, die Arbeitslosen bei
der Arbeitssuche unter Druck zu setzen und die als die „stricter benefit regime“
bekannt wurde. Dies gipfelte 1996 in der Ersetzung der Arbeitslosenhilfe durch den
„Zuschuss für Arbeitsuchende“ (Jobseeker’s Allowance, JSA).
Die neue JSA-Regelung folgte einem „Work First“-Ansatz, der zum Ziel hatte, die
Arbeitslosen so schnell wie möglich in reguläre Arbeit zu bringen. Teurere
Schulungs- und Beschäftigungsprogramme wurden auf Langzeitarbeitslose oder
diejenigen, die drohten, dies zu werden, beschränkt. Obwohl die damalige
Regierung befristeten Beschäftigungsprogrammen gegenüber skeptisch war, hatte
sie sich 1996 durch den Vorschlag einer groß angelegten Erweiterung von „Project
Work“, einem Programm, das die Langzeitarbeitslosen verpflichtete, Teilzeitarbeit
für ihre Beihilfen in gemeinnützigen Projekten zu verrichten, zu „Workfare“ hin
bewegt. Project Work sollte die Entfremdung vom Arbeitsmarkt überwinden, die
andere befristete Beschäftigungsprogramme charakterisierte, indem verpflichtende
Arbeitserfahrung direkt in die strengere Beihilferegelung integriert wurde.1
Mitte der neunziger Jahre gab New Labour seine Opposition gegen verpflichtende
Beschäftigungsprogramme auf, obwohl man gegenüber dem, was man als
„Workfare-Programme minderer Qualität“ seitens der konservativen Regierung
ansah, weiterhin kritisch blieb. Stattdessen schlug man die Einführung eines „New
Deals“ für junge und Langzeitarbeitslose vor, der teilweise an dem schwedischen
„Beschäftigungsprinzip“ und dem australischen „Jobvertrag“ für Langzeitarbeitslose
ausgerichtet war. Sein Kernprinzip war, Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern,
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indem Betroffenen intensive Beratung und Hilfe in der ersten Periode der
Arbeitslosigkeit angeboten wurden und, falls sie dann immer noch ohne Arbeit
waren, ein Einkommen nur im Gegenzug für ihre Teilnahme an einem Arbeits- oder
Schulungsprogramm gewährt wurde. Obwohl das Hauptaugenmerk darauf gelegt
wurde, Teilnehmer entweder in bezuschussten Anstellungen im privaten Sektor oder
in Vollzeitschulungen unterzubringen, wurde auch betont, dass es immer noch
Bedarf für befristete Jobs für das Gemeinwohl gäbe.
Die „New Deals“ und befristete Beschäftigungsprogramme für schwer Vermittelbare
Seit 1997 stehen die „New Deals“ an der Spitze der „Sozialhilfe zu Arbeit“-Strategie
der Labour-Regierung. Das Kernprinzip des New Deal für die Arbeitslosen ist, dass
sie „garantierte“ intensive Hilfe zur Stellenaufnahme nach einer bestimmten Arbeits-
losigkeitsdauer erhalten. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle JSA-Bezieher in ein Ar-
beitsverhältnis vermittelt sein oder an einem Vollzeitbeschäftigungsprogramm teil-
nehmen, worauf sie nicht weiter als arbeitslos gelten.2 Junge Arbeitslose zwischen 18
und 24 Jahren müssen einen New Deal sechs Monate nach Beantragung von JSA
eingehen. Diejenigen zwischen 25 und 60 Jahren müssen den New Deal nach 18
Monaten Arbeitslosigkeit eingehen. Ein Programm obligatorischer Aktivierung be-
steht mit dem „New Deal“ somit nur für junge Arbeitslose sowie für Langzeitarbeits-
lose (nach 18 Monaten) in Großbritannien. Die Teilnahme ist für Jugendliche und
Langzeitarbeitslose obligatorisch bzw. mit Leistungskürzungen bewehrt. Für die an-
deren Zielgruppen ist sie freiwillig. Bei der Diskussion über die britische Strategie zur
Aktivierung ist auch zu bedenken, dass etwa 1,6 Mio. registrierten Arbeitslosen 2,4
Mio. Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrenten gegenüber stehen, welche bislang
nicht auf verpflichtender Basis aktiviert wurden.
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Der „New Deal for Young People” folgt einem Stufenschema:
1. Stufe („Gateway“): in dieser Eingangsphase wird vier Monate intensiv versucht,
die Arbeitslosen in einer längerfristigen, nicht-subventionierten Beschäftigung
unterzubringen;
2. Stufe: Für die Arbeitslosen, die in Stufe 1 nicht untergekommen sind, gibt es vier
verschieden Optionen (subventionierte Beschäftigung, Arbeit im freiwilligen Sek-
tor mit einem Tag Qualifizierung pro Woche, Einsatz im Umweltschutz, Vollzeit-
bildung/Ausbildung) mit einer Dauer von bis zu sechs Monaten;
3. Stufe („Follow-through“-Stufe): Unterstützung bei der Jobsuche für drei Mona-
te.
Die Teilnahme an den New Deals für die Arbeitslosen mit JSA-Bezug beginnt mit
einer beratenden Einführungsperiode, die zwischen drei und sechs Monaten dauern
kann. Diese Beratungsperiode umfasst Treffen mit einem persönlichen Berater
(Personal Adviser, PA) alle zwei Wochen und einen zweiwöchigen, verpflichtenden
Kurs zur Arbeitssuche. Die Priorität des PA, die durch Leistungsziele gestützt wird,
besteht darin, den Arbeitslosen in unbezuschusste Beschäftigung zu vermitteln. Falls
eine Person jedoch keine Arbeit bekommen kann, muss sie an einem
Vollzeitprogramm teilnehmen, das für jüngere Personen bis zu sechs Monate dauert
und bezuschusste Arbeit im privaten Sektor, befristete Anstellung in
Gemeindeprojekten oder eine Vollzeitausbildung umfassen kann, um grundlegende
Fähigkeiten zu verbessern. Alle „Optionen“ sollten ein Ausbildungselement
beinhalten. Darüber hinaus besteht ein „Anschlussverfahren“, das denjenigen Rat
und Unterstützung bietet, die zum Ende ihrer Option arbeitslos sind. Auf
unbestimmte Zeit Sozialhilfebezüge zu erhalten ist keine „Option“. Diejenigen, die
sich ohne guten Grund weigern, ein Angebot anzunehmen, müssen eine
„Zwangsvermittlung“ gewärtigen und sehen sich zunehmenden Bezugskürzungen
ausgesetzt, wenn sie nicht kooperieren oder teilnehmen.
Nur bei dem Optionsabschnitt kommt traditionelle befristete Beschäftigung in der
Form des „freiwilligen Sektors“ bzw. in ehrenamtlichen Tätigkeiten („Voluntary
Sector Option“, VSO) oder im Bereich des Umweltschutzes („Environment Task
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Force“, ETF) ins Spiel. VSO- und ETF-Projekte werden normalerweise von
freiwilligen Organisationen und solchen des öffentlichen Sektors angeboten.
Teilnehmern wird in der Regel der Mindestsozialhilfesatz zuzüglich etwa £15
wöchentlich gezahlt. Man erwartet, dass die Projekte relevante Wertschöpfung
einbringen, die auch der örtlichen Gemeinde nützt. Die Bandbreite der Projekte ist
ähnlich wie bei denen, die von früheren Programmen unterstützt wurden, und reicht
von Verbrechensvorbeugung über Umweltverbesserungen zu zusätzlicher
Unterstützung für die Alten und Kinder und noch weiter. Ungefähr 20.000 junge
und erwachsene Langzeitarbeitslose nehmen momentan an solchen Optionen teil.
Der „New Deal for Young People“ (NDYP) hat zu einer Reduktion der Jugendarbeits-
losigkeit in Großbritannien beigetragen. Nur 17% der jugendlichen Arbeitslosen be-
ginnen mit dem NDYP-Programm, da 54% der Jugendlichen bereits nach spätestens
drei Monaten eine Arbeit finden und 29% nach drei bis sechs Monaten. Von den 1,2
Mio. Teilnehmern des NDYP seit 1998 konnten rund 700.000 direkt vermittelt wer-
den, 600.000 davon in nachhaltige Arbeitsplätze; 54% der NDYP-Teilnehmer finden
eine subventionsfreie Beschäftigungsstelle, nur 8% kehren in den Transferbezug zu-
rück. Dank dieser Maßnahmen ging die Zahl der Jugendlichen, die länger als sechs
Monate arbeitslos waren, um 28% auf 42.800 zurück.
Im Endeffekt bekommen die am besten zu beschäftigenden Stellensuchenden
entweder Jobs oder werden in der anfänglichen Beratungsperiode vermittelt.
Befristete Beschäftigungsmöglichkeiten bleiben denen vorbehalten, die am
schwersten zu vermitteln sind. Die Organisationen, die diese Programme anbieten,
entwickeln den Programmablauf und managen die Vermittlung von
Arbeitserfahrung.
Es ist wichtig zu beachten, dass, obschon Arbeitsminister häufig Interesse an den
Lehren, die man aus lokalen ILM ziehen kann, bekundet haben, es kein nationales
Programm gibt, das deren Wachstum direkt stimuliert. Jedoch gab es zwischen
1998 und 2003 ein deutliches Wachstum von ILM und sie spielten eine große Rolle
im Angebot der New-Deal-Optionen. In den ILM wurde der Mindestlohn bezahlt,
was dadurch möglich würde, dass sie mit verschiedenen Regierungsprogrammen
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abgestimmt wurden, was vor allem durch die Schaffung von Verbindungen zwischen
dem New Deal, dem Umweltschutz und EU-Zuschüssen gelang.
Im Jahre 2003 gab das Arbeits- und Pensionsministerium (DWP) eine umfassende
Studie über ILM in Auftrag und untersuchte internationale Hinweise auf die
Effektivität von ähnlichen befristeten Beschäftigungsprogrammen mit besonderem
Augenmerk auf den „Übergangsjobprogrammen“, die in vielen Staaten und
Gemeinden der USA neben oder anstelle der klassischen Workfare-Programme
auftauchten. Diese Studie unterstützte Design und Angebot eines experimentellen
„Step Up“-Pilotprogramms, das das DWP in 20 Pilotgebieten Großbritanniens
zwischen 2002 und 2004 finanzierte. Dieses richtete sich an Langzeitarbeitslose, die
sechs Monate nach Absolvierung eines New Deal Programms noch arbeitslos waren.
„Step Up“, das als Alternative zum Wiedereintritt in ein konventionelles New-Deal-
Programm gedacht war, bot garantierte Vollzeitarbeit zum Mindestlohn und
zusätzliche Unterstützung für bis zu 50 Wochen. Teilnehmer wurden durch
zwischengeschaltete Agenten beschäftigt, die die Vermittlung in häufig auch im
privaten Sektor angesiedelte Arbeit organisierten.
2007 hat die britische Regierung Vorschläge veröffentlicht, die Angebot und
Struktur des New Deals für Arbeitslose radikal verändern wird. Der „Flexible New
Deal“ strebt an, New Deals und Beschäftigungszonen („Employment Zones“) zu
synthetisieren, so dass nach zwölf Monaten Arbeitslosigkeit alle JSA-Bezieher an
Anbieter aus dem öffentlichen, privaten und freiwilligen Sektor vermittelt sind, die
intensive, ergebnisorientierte Dienstleistungen bereitstellen und auf Erfolgsbasis
honoriert werden. Teilnehmer, die nach einer noch zu definierenden Zeitspanne
immer noch Beihilfen beziehen, werden zu einer Vollzeitaktivität, z.B. einem
Arbeitsprogramm oder Arbeit in der Gemeinde, verpflichtet. Die neu unter Vertrag
genommenen Anbieter müssen sicherstellen, dass jeder Anspruchsteller, der es nicht
schafft, Arbeit zu finden, „dazu verpflichtet wird, an einer Phase der Vollzeitaktivität
teilzunehmen“. Die endgültige Form des neuen Ansatzes wird erst 2008 bekannt
gegeben, weswegen es noch unklar ist, ob die neu angebotene befristete
Beschäftigung die traditionelle „Beihilfe Plus“ umfassen oder ein entlohntes
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Angebot beinhalten wird, mit dem in den Step-Up-Pilotprojekten experimentiert
wurde, wobei die ILM eine Vorreiterrolle inne hatten.
Ableitungen aus den britischen Erfahrungen
Das Design von Workfare oder eines befristeten Beschäftigungsprogramms wird
sich verbessern, wenn Klarheit über die Ziele, die gesuchte Balance von Befolgungs-
und Behandlungseffekt sowie die der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt und der
Erzielung von Nutzen für die Gemeinschaft besteht. Der Zweck und die
Auswirkungen eines solchen befristeten Beschäftigungsprogramms werden von den
Bedingungen auf dem örtlichen Arbeitsmarkt und der Rolle, die es innerhalb einer
größeren Aktivierungsstrategie einnimmt, bedingt.
Tätigkeitsfelder von Workfare
Die befristeten Beschäftigungsprogramme für Langzeitarbeitslose im Vereinigten
Königreich haben typischerweise Jobs in einer großen Spanne von Projekten
bereitgestellt, die Dienstleistungen zum Nutzen der Gemeinschaft anbieten.
Beispiele beinhalten:
• einfache soziale und arbeitsintensive Dienstleistungen, die die Lebensqualität
der Gemeinde und besonderer Gruppen wie der Behinderten, der Alten, der
Jungen und der Kinder verbessern;
• Projekte, die die Umwelt verbessern, z.B. landschaftsgärtnerische Tätigkeiten
auf aufgegebenem Land, Renovierung von Kanälen, Naturschutz,
Verbesserung von Fußwegen, etc.;
• Projekte, die den sozialen Wohnungsbau verbessern, z.B. Anstreicherarbeiten
oder Anbringung von Wärmedämmung;
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• einfache Bauprojekte wie das Bereitstellen von neuen Gebäuden, z.B.
Gemeindezentren, oder das Renovieren von alten Fabriken, Mühlen und
anderen Betriebsgebäuden;
• sonstige Projekte, die anderweitig nicht finanziert werden, wie zum Beispiel
archäologische Grabungen oder Aktivitäten für Museen und Bibliotheken.
Solche Projekte haben oft lohnenswerte Ergebnisse geliefert und zum Wohlbefinden
der Teilnehmer beigetragen. Die Beschäftigungsrelevanz solcher Projekte wurde
jedoch immer wieder von Regeln eingeschränkt, die dazu gedacht waren, die
operativen Kosten zu minimieren, Jobs bereitzustellen, die von Langzeitarbeitslosen
angenommen werden können, und Substitutions- und Verdrängungseffekte zu
verhindern. Die Folge ist, dass die gesammelte Arbeitserfahrung rudimentär ist und
wenig mit dem regulären Arbeitsmarkt zu tun hat.
Die britischen Programme wurden in jüngerer Zeit verändert, um effektivere Wege in
reguläre Beschäftigung darzustellen. Während diese neuen „Workfare“-Jobs
weiterhin einige der oben genannten Dienstleistungen und Ergebnisse stellen, wurde
das Programmdesign angepasst, um den folgenden Erkenntnissen Rechnung zu
tragen:
• Arbeitseinsätze werden so strukturiert, dass sie Beschäftigung im regulären
Arbeitsmarkt, was Arbeitsinhalt und –bedingungen betrifft, besser
widerspiegeln.
• Arbeitseinsätze werden mit einem Grundtraining und/oder Programmen
kombiniert, die Rechen- wie Lese- und Schreibfähigkeiten verbessern sollen,
was erwiesenermaßen die Ergebnisse verbessert.
• Von Anbietern wird erwartet, dass sie reguläre Arbeitssuche integrieren und
Stellenvermittlungen für Teilnehmer sichern.
• Vor allem ILM-Anbieter werden eine Progression einrichten, indem sie häufig
regelmäßige Teilnahme und Motivation in der anfänglichen „Beihilfe Plus“-
Phase mit einer anschließenden Phase der Lohnanstellung und einem
Arbeitsvertrag belohnen.
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Potenzielle Arbeitgeber
Großangelegte befristete Beschäftigungsprogramme wurden zumeist von den
lokalen Behörden, dem freiwilligen Sektor und gemeindebasierten Organisationen
angeboten. Solche Organisationen waren in der Lage, das Risiko der
Arbeitsplatzsubstitution zu minimieren und bieten Arbeitsgelegenheiten in
Fürsorgeanstalten der Gemeinde, Umweltverbesserung, Energieeinsparung und so
weiter an. Viele der freiwilligen Organisationen haben sich darauf spezialisiert,
Arbeitsgelegenheiten für Gruppen wie ehemalige Straftäter oder Behinderte
bereitzustellen. Gemeindebasierte Organisationen können Gelegenheiten für
besondere Gruppen oder ethnische Minderheiten schaffen.
Typischerweise wurden Programme durch Vermittler oder Agenten angeboten, die
Projekte direkt entwickeln und leiten, oder die Teilnehmer in Jobs vermitteln, die aus
dem öffentlichen oder privaten Sektor gelöst wurden.
Der Beschäftigungsstatus der Teilnehmer hängt davon ab, ob das Programm
lohnbasiert ist oder dem Prinzip „Beihilfe Plus“ folgt. In lohnbasierten Programmen
ist der Arbeitgeber entweder der Agent oder der Vermittler. Ein Vorteil von
lohnbasierten Programmen ist, dass solche Arbeitgeber Anspruch auf
Steuervergünstigen haben können. Die Anbieter helfen den Langzeitarbeitslosen, die
Barrieren zu überwinden, um den Übergang von Beihilfeabhängigkeit zur entlohnten
Tätigkeit zu schaffen, indem sie zum Beispiel Bankkonten organisieren oder
Schuldenabbauvereinbarungen aushandeln. Als Angestellte müssen die Teilnehmer
wieder Beihilfen in Anspruch nehmen, wenn sie zum Programmende hin keine Arbeit
haben, und sie können Sanktionen unterliegen, falls sie so einen Job ohne guten
Grund aufgeben.
Im Gegensatz dazu sind Teilnehmer an „Beihilfe Plus“-Programmen keine
„Angestellten“. Sie erhalten ihr Einkommen weiterhin direkt vom Staat. Anbieter von
„Beihilfe Plus“-Programmen erhalten Zuwendungen dafür, dass sie das Programm
durchführen und dürfen Zahlungen an Teilnehmer direkt aufstocken, was aber
komplexen Anrechnungsregeln unterliegt, die je nach den individuellen Umständen
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variieren. Einige Anbieter machen solche Zahlungen vom Verhalten am Arbeitsplatz
abhängig und werden zum Beispiel einen Betrag für Fehlzeiten abziehen. „Beihilfe
Plus“-Teilnehmer bleiben auch Beihilfekürzungen unterworfen, wenn sie nicht
erscheinen oder ihnen gekündigt wird.
Britische Programme können nun sowohl von gewinnorientierten als auch von
gemeinnützigen Vermittlern bereitgestellt werden und einige dieser Anbieter liefern,
was als Übergangsbeschäftigungsprogramm („Transitional Employment
Programmes“, TEP) beschrieben wird, so wie Step Up. Diese Programme richten
sich normalerweise an die Schwerstvermittelbaren und kombinieren kurze Perioden
bezahlter Arbeit mit zusätzlicher Unterstützung und Vermittlungsdiensten, die die
Teilnehmer in reguläre Arbeitsverhältnisse bringen sollen. TEP greifen auch in
größerem Maße auf Jobs aus dem privaten Sektor zurück als ILM, aber, anders als
bei konventionellen Lohnkostenzuschüssen, besteht das Ziel des Programms darin,
befristete, relevante und realistische Arbeit statt eines Arbeitsvertrags und
fortdauernder Beschäftigung bei einem speziellen Arbeitgeber anzubieten. Einige
dieser Projekte ähneln dem Ansatz der Jobrotation, der in den skandinavischen
Ländern entwickelt wurde, und fassen Stellenangebote von großen Arbeitgebern ins
Auge. Obwohl die involvierten privaten Arbeitgeber Teilnehmern Stellen anbieten
dürfen, ist es wichtig, dass der Zweck des Programms den Teilnehmern klar ist.
Daneben muss sichergestellt werden, dass solche Jobs keine regulären Arbeitnehmer
verdrängen.
Organisation von Workfare
Wie schon erwähnt, werden befristete Beschäftigungsprogramme in Großbritannien
typischerweise durch eine breite Reihe von Vermittlern angeboten, wozu öffentliche
Stellen, gemeinnützige freiwillige und gemeindebasierte Organisationen gehören
und - seit kürzerer Zeit - auch gewinnorientierte Firmen, die sich auf
Wiedereingliederungsdienstleistungen spezialisieren. Die Bedingungen, zu denen die
öffentlichen Stellen solche Anbieter steuern, haben sich aus einer frühen Betonung
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von Zuschüssen für die Vermittlung in marktorientierte Arbeitsverträge entwickelt,
bei denen ein Teil der Bezahlung für den Anbieter von der Vermittlung der
Teilnehmer in Arbeit abhängt. Solche Verträge sollen nun die Bereitstellung von
Betriebskosten und Servicegebühren mit Anreizzahlungen für Jobvermittlung und
einem Selbstbehalt in Einklang bringen.
Umfang der Workfare-Angebote
Die Größenordnung des Programms ist bedeutend. Die britischen Erfahrungen
zeigen, dass große Volumenprogramme schnell eingeführt werden können, aber bei
der Durchführung Probleme auftreten und die geschaffenen Arbeitsgelegenheiten
oft von wechselnder Qualität sind. Die Daten zeigen, dass je größer und
umfangreicher ein Programm ausfällt, es umso weniger gelingt, übertragbare und
relevante Arbeitserfahrung zu vermitteln. Nationale befristete
Beschäftigungsprogramme werden in Großbritannien mittlerweile kleiner angelegt
und richten sich an die, die bereits an anderen Aktivierungsmaßnahmen
teilgenommen haben und die schwer wiegende Vermittlungshemmnisse aufweisen.
Beim Entwurf von Programmregeln ist es wichtig, dass öffentliche Stellen dies so
tun, dass sie örtliche Partnerschaften und Vermittler in die Lage versetzen, ILM- und
TEP-artige Programme zu entwickeln. Im besten Fall zeigen britische ILM, und in
neuerer Zeit TEP, die Fähigkeit, Beschäftigungsprogramme mit Aufbaustrategien in
der Region zu verbinden, um disparate Finanzierungsströme zu verwalten und
nationale Programme an die örtlichen Umstände anzupassen. Solche
Partnerschaften haben sich auf lokaler Ebene entwickelt. Deren Entstehung kann
von der zentralen Ebene nicht direkt initiiert werden, die Politik kann aber ihre
Entwicklung erleichtern, indem sie geeignete Rahmenbedingungen und
Finanzierungsregeln vorgibt oder Anstrengungen unternimmt, gute Praktiken zu
erkennen und zu verbreiten.
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Finanzierung von Workfare-Jobs
Die Kosten der befristeten Beschäftigungsprogramme werden zum großen Teil von
nationalen Behörden wie dem DWP getragen. Organisationen, die mit dem
Angebot solcher Programme zu tun haben, können die Finanzierung aus ihren
eigenen Ressourcen oder aus den Beiträgen derjenigen aufstocken, die von den
bereitgestellten Dienstleistungen profitieren, zum Beispiel von Nutzern, die die
Materialkosten bestreiten. Organisationen, die Arbeit zur Verfügung stellen, vor
allem im privaten Sektor, können einen zusätzlichen Betrag entweder dem
zwischengeschalteten Vermittler oder direkt dem Teilnehmer zahlen.
Kosten und ökonomische Wirkungen
Die Hinweise aus den Kosten und der Effektivität der britischen befristeten
Beschäftigungsprogramme sind durchwachsen. Bei den Programmen der 1980er
Jahre wurde die Effektivität daran gemessen, wie viele Leute zu welchen Kosten aus
der Arbeitslosigkeit geholt werden konnten. In den Jahren 1986/87 betrugen die
Gesamtkosten des größten „Gemeinschaftsprogramms“ beispielsweise knapp über
£1 Mrd. Die Bruttokosten pro Platz betrugen £4.450, aber das Schatzamt schätzte,
dass die direkten Nettokosten der Staatskasse für jede nicht mehr unbeschäftigte
Person £1.990 betrugen. Im Vergleich zu anderen Wegen der Stimulierung der
Beschäftigung durch öffentliche Ausgaben nahm sich dies günstig aus.
Die Aufmerksamkeit verschob sich nach und nach auf die Jobergebnisse.
Anschlusserhebungen unter denen, die befristete Beschäftigungsprogramme in den
1980ern und frühen 1990ern verlassen haben, zeigten, dass zwischen 20% und 30%
der Teilnehmer drei bis sechs Monate nach Ausscheiden in Arbeit waren. Weitere 5%
bis 10% hatten andere positive Ergebnisse erzielt, wie z.B. eine Vollzeitausbildung
(Finn et al. 1998).
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Diese Ergebnisse beinhalteten maßgebliche Wohlfahrtsverluste. Die einzige
konsequente Kontrollgruppenstudie, die durchgeführt wurde, betraf „Employment
Action“, ein relativ kleines Programm mit ungefähr 50.000 Eintritte pro Jahr, das
von 1991 bis 1993 lief und von Personen in Anspruch genommen werden konnte,
die ununterbrochen für mindestens sechs Monate arbeitslos waren. Es lief neben
dem größeren Programm „Employment Training“ und richtete sich deshalb an
diejenigen, für die eine Schulung weder nötig noch angemessen war. Es bot die
Vermittlung in Stellen zur Arbeitserfahrung an, die bis zu sechs Monate laufen
konnte. Diese Stellen waren hauptsächlich in Projekten freiwilliger Organisationen
angesiedelt und mit einem Arbeitssuchelement verbunden. Die Studie von Payne et
al. (1996) nutzte eine Paarvergleichsmethode und fand heraus, dass die Teilnahme
an Employment Action kaum Auswirkungen auf die Berufsaussichten hatte. Nach
Kontrolle der Effekte anderer Charakteristika war die Wahrscheinlichkeit nicht
größer als bei der Kontrollgruppe der Nichtteilnehmer, 18, 24 oder 30 Monate nach
Beginn der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung zu sein.
Nachfolgende Evaluierungen des New Deal-Programms, das von der Labour-
Regierung eingeführt wurde, berichteten von hoher Nettowirkung und
Kosteneffizienz. Mehrere große Studien zum New Deal für junge Menschen (NDYP)
wurden zwischen 1998 und 2002 durchgeführt. Alle berichteten positive
Auswirkungen mittlerer Größe bezüglich des Gesamtprogramms, etwa einen
Rückgang der Sozialhilfeansprüche zwischen 5 und 9 Prozentpunkten (vgl. Riley/
Young 2001, Blundell 2001, White/Riley 2002). Eine makroökonomische
Evaluierung fand heraus, dass Jugendlangzeitarbeitslosigkeit ohne NDYP beinahe
doppelt so hoch gewesen wäre und dass der NDYP das BIP um £500 Millionen
jährlich vergrößerte (Riley/Young 2001). Die größte Wirkung wurde in der frühen
Gateway-Phase festgestellt, die Auswirkungen der verpflichtenden Optionsphase
waren weniger prononciert, was zum Teil an den bedeutenderen
Beschäftigungsbarrieren dieser Gruppe liegt. Ein Lohnkostenzuschuss erzeugte
quantifizierbare Effekte, aber die anderen befristeten Beschäftigungsoptionen
wirkten weniger gut (Bonjour et al. 2001). In der Folge gab es Veränderungen am
Programmdesign, der Vergabe und den Ansätzen der verschiedenen Anbieter, von
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denen viele auf beeindruckende lokale Ergebnisse mit einer schwer vermittelbaren
Zielgruppe hinweisen. Solche Annahmen sind jedoch wenig evaluiert worden.
Es gibt mehr Erkenntnisse über die Auswirkungen der ILM. Die erste systematische
Bewertung der Jobeintrittsraten der ILM, wie von den Anbietern angegeben, kam zu
dem Schluss, dass „vernünftig ausgerichtete und verwaltete ILM eine doppelt so
hohe Jobeintrittsrate (über 60 Prozent) erreichen können und, was wesentlich
bedeutender ist, viel länger haltende und qualitativ höhere Ergebnisse erreichen
(längere Beschäftigung, höheres Einkommen) als viele der gebotenen Alternativen“
(McGreggor et al. 2001). Ein national finanziertes Beschäftigungsprogramm, das
eine ILM-Komponente beinhaltete, vermeldete, dass 49% der Teilnehmer drei
Monate nach Verlassen des Programms in Arbeit standen, und diese gehörten zu
einer Gruppe, die weit weg vom Arbeitsmarkt war (Tu/Noble 2000). Es gibt auch
lokale Hinweise, dass ILM in der Lage waren, selbst dann relativ hohe Ergebnisse zu
erzielen, wenn sie Teil von Pflichtprogrammen waren. Die Daten aus Manchester,
wo damals der größte ILM im Rahmen des verpflichtenden New Deals bestand,
legen nahe, dass im Jahre 2000 40% der jungen Leute, die an dem ILM teilnahmen,
in Beschäftigung getreten waren, womit sich die Chancen junger Leute, einen Job zu
bekommen, im Vergleich mit anderen innerstädtischen Gebieten mit hoher
Arbeitslosigkeit verdoppelten (ERP 2001).
Später schätzte eine umfassende, 2003 durchgeführte Erhebung zu ILM, die
Antwort von 73 Organisationen bekam, dass solche Programme mindestens 8.700
unterstützte Jobs bereitstellten. Die durchschnittliche Dauer variierte zwischen vier
und zwölf Monaten, was darauf hinweist, dass die ILM 2002/03 beinahe 14.000
Langzeitarbeitslose unterstützten. Die durchschnittliche Übergangsrate in
Beschäftigung, die die Anbieter gemeldet haben, betrug 43%. Dabei gab es
deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen ILM. Da, wo es direkte
Vergleichsmöglichkeiten mit nicht-ILM-basierten Optionen des New Deal gab,
schnitten ILM, allerdings zu höheren Kosten, besser ab (Finn/Simmonds 2003). Die
Kosten der ILM variierten je nach örtlichem Design und besonders nach Länge des
Arbeitsvertrags wesentlich. Die durchschnittlichen Kosten pro Teilnehmer betrugen
£8.394, bei den ILM, die nur einen 26-wöchigen Vertag anboten, £7.182. Im
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Gegensatz dazu betrugen die äquivalenten Kosten für die Umweltschutz-Tätigkeiten
und die Tätigkeiten im freiwilligen Sektor des New Deal £5.076. Der Bericht schloss
daraus, dass die Chance auf Übergänge in Arbeit im New Deal mit zusätzlichen
Kosten von £2.000 bis £3.400 pro Teilnehmer (abhängig von der Vertragslänge)
deutlich erhöht werden kann.
Ein wichtiger Punkt, der in ILM-Evaluierungen hervorgehoben wird, ist, dass diese
Kostenschätzungen nicht den Wert der Dienstleistungen und des Gemeinnutzens,
der von Projekten geschaffen wird, in Rechnung stellen. In manchen Sektoren
wurden Schätzungen über den Wert der Arbeitsleistungen angestellt, die von ILM
wie den Wärmedämmungsprojekten von „Heatwise“ (Teil der in Glasgow
ansässigen „Wise-Gruppe“) erbracht wurden, die Tausenden Haushalten mit
geringem Einkommen halfen, bei den Energiekosten zu sparen und den Bedarf zu
reduzieren (ACE 2000). Es gab jedoch nur wenige Versuche, die wirklichen
Arbeitsleistungen von ILM oder anderen öffentlichen Arbeitsschaffungsprogrammen
zu messen oder zu quantifizieren, abgesehen davon, die Ansichten und
Einschätzungen von Anbietern, Kontrolleuren und einigen Nutzern zu sammeln.
Eine Bewertung der Nettokosten solcher Workfare-Programme sollte natürlich
robuste Einschätzungen des Wertes der geschaffenen Arbeitsleistungen wie auch der
eingesparten Kosten und geschaffenen Steuereinnahmen beinhalten.
Die jüngsten Kontrollgruppendaten kommen aus dem experimentellen vom
„Department for Work and Pensions“ finanzierten Programm „Step Up“, das
zwischen 2002 und 2004 in 20 Pilotgegenden Großbritanniens lief. Es richtete sich
an Langzeitarbeitslose, die sechs Monate nach Absolvierung eines New-Deal-
Programms arbeitslos blieben. „Step Up“, das als Alternative zum Wiedereintritt in
ein konventionelles New-Deal-Programm entworfen wurde, stellte einen
garantierten Vollzeitjob zum Mindestlohn mit zusätzlicher Unterstützung für bis zu
50 Wochen bereit. Über 3.000 Personen nahmen einen Step-Up-Job auf. Die
Kosten pro Teilnehmer betrugen £9.300, was die durchschnittliche Dauer des
Lohnkostenzuschusses, Unterstützungs- und andere Zahlungen abdeckte. Die
Ergebnisse waren gemischt. Im Vergleich mit Kontrollgruppen wurde
herausgefunden, dass die Teilnahme statistisch signifikante Effekte für Personen
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zwischen 30 und 49 Jahren (Verbesserung von 8,5%) und die mit der geringsten
Beschäftigungsfähigkeit (Verbesserung von 23,2%) erzielte. Im Gegensatz dazu
wurde herausgefunden, dass es einen „Einschlusseffekt“ („lock-in“) mit negativer
Auswirkung für diejenigen mit der größten Arbeitsmarktnähe bewirkte (Bivand et al.
2006).
Die Grenzen dieser Hinweise, die auf britischen befristeten Beschäftigungsprogram-
men basieren, sind offensichtlich. Es gibt wenige Studien mit Kontrollgruppen und
wenig ist über die größeren Auswirkungen auf andere Gruppen am Arbeitsmarkt
oder auf die lokalen Märkte oder öffentlichen Dienstleistungen bekannt. Die
staatlichen Kosten der jüngsten Interventionen sind wegen der begrenzten Rolle
solcher Programme im britischen „Work First“-System vergleichsweise gering, aber
sie sie bieten besonders in Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit eine wichtige
Option für die Schwerstvermittelbaren.
Verdrängungsproblematik und Zielgruppenfokussierung
Das Ziel der britischen Aktivierungsprogramme ist es, Arbeitslose schnell in reguläre
Beschäftigung zu vermitteln. Großangelegte befristete Beschäftigungsprogramme
sind teuer, können Lock-in-Effekte produzieren und werden wegen der Gefahr von
Verdrängungseffekten beschränkt. Das optimale Verfahren legt nahe, dass kleiner
angelegte Programme, die sich an die am stärksten Benachteiligten und längere Zeit
Arbeitslosen richten, mit viel geringerer Wahrscheinlichkeit Widerstand hervorrufen
und kostengünstiger sind. Statt willkürliche Altersgrenzen zu setzen ist es eher
sinnvoll, den Eintritt in solche Programme vom Kriterium der Arbeitslosigkeitsdauer
abhängig zu machen, und das auch nur, nachdem andere Aktivierungsmaßnahmen
versagt haben. Von solchen Gruppen die Teilnahme zu verlangen, würde
Wohlfahrtsverluste mindern, kann einen Befolgungseffekt verursachen und stellt in
der Praxis sicher, dass Anbieter befristeter Beschäftigung sich auf die weniger
Motivierten und die, denen am schwersten geholfen werden kann, einlassen.
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Kommunikation von Workfare
Die britische Strategie, „Rechte und Verantwortung“ der Arbeitslosen
auszubalancieren, hat große öffentliche Zustimmung erhalten, obwohl es einige
Bedenken bezüglich der negativen Auswirkungen gibt, die Verpflichtungen und
Beihilfesanktionen auf benachteiligte oder schwache Gruppen haben könnte.
Innerhalb dieser weiter gefassten Debatte wurde bei Entwurf und Durchführung der
verpflichtenden Programme darauf geachtet, das Stigma zu reduzieren, das
Verpflichtungen sowohl in den Augen der Teilnehmer als auch in denen der
Arbeitgeber schaffen könnte. Diese Sorge wird in der anhaltenden Debatte über die
relativen Verdienste des weniger beliebten „Beihilfe Plus“ gegenüber lohnbasierten
Programmen widergespiegelt.
Kasten 1: Die Wise Group in Glasgow, Schottland3
Die Wise Group in Glasgow hat langjährige Erfahrung mit der Wiedereingliede-
rung von schwer vermittelbaren Personen, insbesondere Jüngeren, Langzeitar-
beitslosen, Drogenabhängigen, aber auch von Haftentlassen. Dem gegenwärti-
gen Ansatz in Großbritannien folgend werden unterschiedliche zielgruppenspezi-
fische Aktivierungsprogramme durchgeführt, die auf der Basis eines Vergleichs
von Zielvorgaben und Zielerreichung evaluiert werden. Diese Performanz-
Messung ist Grundlage für die Auszahlung der erfolgsabhängigen Honorare und
für die Vergabe von Verträgen an die miteinander konkurrierenden Träger.
Die Wise Group hat eine langjährige Erfahrung mit ILM-Programmen, wenngleich
diese einen Funktionswandel und einem langfristigen Rückgang unterworfen sind.
Während ILM in den 1980er Jahren als Beschäftigungsprogramme für entlassene
Industriearbeiter mit durchaus vorhandener beruflicher Qualifikation eingesetzt
wurden und darauf abzielten, für die Gesellschaft nützliche Tätigkeiten durchzu-
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führen (z.B. Wärmedämmung, Montage von Rauchmeldern und Sicherheits-
schlössern in Privathäusern, insbesondere in einkommensschwachen Stadtvier-
teln), finden sie mittlerweile in begrenztem Umfang Anwendung bei Langzeitar-
beitslosen mit in der Regel geringer Qualifikation und Beschäftigungsfähigkeit.
Die Teilnehmerzahlen gingen von etwa 1.000 Mitte der neunziger Jahre auf derzeit
450 zurück.
ILM gelten als wirksam hinsichtlich der Zielerreichung, d.h. sie tragen zur Verbes-
serung der Beschäftigungsfähigkeit durch die Vermittlung realer Arbeitserfahrung
und begleitende Qualifikationsmaßnahmen bei. ILM sind „parallel“ zum regulä-
ren Arbeitsmarkt angelegt, sollen aber durch die Vermittlung realer Arbeitserfah-
rung mit Nutzen für den regulären Arbeitsmarkt, der Einübung regelmäßiger Ar-
beit und der Vermittlung der notwendigen Qualifikationen zu raschen Übergän-
gen in Jobs im privaten Sektor führen. Insofern spielt die Nähe zu realen Tätigkei-
ten in der Marktwirtschaft eine wichtige Rolle – ebenso der Nutzen für die Ge-
meinschaft. ILM werden nach Angaben der Wise Group üblicherweise als ent-
lohnte Variante durchgeführt, d.h. dass die Teilnehmer einen formalen Arbeitsver-
trag bekommen und für die Dauer der Tätigkeit keine Transferleistungen erhalten.
Die Wise Group betont neben dem individuellen Zugewinn an Beschäftigungsfä-
higkeit den gesellschaftlichen Nutzen, welchen die ILM entfalten, etwa durch die
Verbesserung der baulichen Infrastruktur, aber auch etwa durch Tätigkeiten in
der Betreuung von Kindern oder Älteren oder die Qualifizierung für einfache Tä-
tigkeiten im Nationalen Gesundheitsdienst. ILM sind jedoch auch relativ teuer.
Deshalb werden sie nicht in großem Umfang eingesetzt, sondern auf Zielgruppen
konzentriert, die gerade von diesem Programm im Vergleich zur Teilnahme an
anderen Programmen am meisten profitieren. Zwischen Januar und September
gingen aus ILM 906 Personen ab, davon 277 Abbrecher und 629 nach Abschluss
der Maßnahme. Davon wechselten 371 in Beschäftigung, also 41% aller Abgän-
ger und 59% der Absolventen.
Wichtige aktivierende Wirkungen gehen im britischen System von den verpflich-
tenden, sanktionsbewehrten New Deals aus, wobei hier jedoch die frühzeitige
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und intensive Betreuung der Stellensuchenden in Verbindung mit strikter Überwa-
chung der Stellensuche sowie kurzfristigen Trainingsmaßnahmen gegenüber Tä-
tigkeiten im ehrenamtlichen Bereich (VSO) oder im Umweltschutz (ETF) deutlich
im Vordergrund stehen. Diese Strategie gilt als wirksam und kostengünstig. Grö-
ßer angelegte öffentliche Beschäftigungsprogramme stehen bei der Wise Group
nicht im Mittelpunkt, auch ist die Prüfung der Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt
kein Hauptziel der öffentlichen Beschäftigungsprojekte, sondern diesen vorgela-
gert. Dies wird vielmehr über das Einfordern und Monitoring der Stellensuchakti-
vitäten erreicht. Im Rahmen von New Deals finden jedoch auch zeitlich klar auf
bis zu 13 Wochen befristete Trainings- und Arbeitsaktivitäten auf Vollzeitbasis
Anwendung (entweder lohnbasiert oder als „Benefit Plus“-Variante). Dabei steht
die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit im Vordergrund. Workfare ist im
britischen System aber eher als umfassende, abgestufte Aktivierungsstrategie zu
deuten, bei der aber einer verpflichtenden Maßnahmenteilnahme bzw. deren An-
kündigung eine wichtige Funktion zukommt. Den New Deal der Wise Group ver-
ließen zwischen Mai und September 2007 1.323 Personen, davon 675 oder 51%
in Beschäftigung.
Es wird von den britischen Praktikern angenommen, dass etwa 20% der Arbeitslo-
sen direkt eine Tätigkeit im regulären Arbeitsmarkt aufnehmen können, etwa 60%
ergänzende Förderung benötigen und etwa 20% nicht vermittelbar sind. Diese
werden derzeit über kurz oder lang in die Erwerbsunfähigkeitsrente einmünden.
Manche Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrenten nehmen zurzeit auf freiwilliger
Basis an Eingliederungsmaßnahmen teil. Alternativ ist auch längerer Bezug von
Sozialhilfe ohne Aktivierung faktisch möglich.
Die Employment Zone (EZ) dient der Aktivierung von Langzeitarbeitslosen mit in
der Regel geringer bis fehlender beruflicher Qualifikation. Ein Viertel der Ziel-
gruppe in Glasgow wird von der Wise Group betreut (drei Viertel von anderen
Wettbewerbern). Auch hier dominiert eine intensive Betreuung der Langzeitar-
beitslosen (98% der Teilnehmer sind länger als 18 Monate arbeitslos), wobei die
Unterstützung der Stellensuche und Trainingsmaßnahmen im Mittelpunkt stehen.
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Es bestehen aber im Gegensatz zum New Deal keine Verpflichtungen zur Teil-
nahme an Training; Qualifizierungsmaßnahmen oder Arbeitsaktivitäten werden je
nach Zweckmäßigkeit eingesetzt. Dem dienen regelmäßige Interviews mit den
Stellensuchenden und ein günstiges Zahlenverhältnis von Berater und Klienten
(1:40). 80% des Honorars hängen von der erfolgreichen und nachhaltigen Integ-
ration in Beschäftigung ab. Für das Programmjahr zwischen April 2007 und März
2008 soll die Wise Group laut Zielvereinbarung 635 Teilnehmer aufnehmen, da-
von 292 bzw. 46% in Arbeit bringen, davon 221 (76%) wiederum nachhaltig. Die-
se Ziele werden nach den Vorausschätzungen der Mitarbeiter auch leicht über-
troffen werden. Bis Oktober 2007 traten 467 Personen in die EZ ein, 229 wech-
selten in Beschäftigung (49%). Die Wise Group setzt z.B. Teilnehmer der EZ nach
einer einwöchigen Schulung ein, um ihr eigenes, internes Callcenter zu besetzen.
Diese Personen werden gleichzeitig darin unterstützt, sich auf Jobangebote von
privaten, kommerziellen Callcentern zu bewerben, was auch gelingt. Daneben
finden Qualifizierungsmaßnahmen für Tätigkeiten im Bereich der Altenpflege, des
Gesundheitswesens und der Lagerarbeit statt.
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3.3 Aktivierung in den Niederlanden: Work First
Els Sol und Julie Castonguay
Hugo-Sinzheimer-Institut, Universität Amsterdam
Workfare Regelungen in den Niederlanden
Seit der Einführung einer neuen Struktur für Arbeit und Einkommen (SUWI-Gesetz
von 2002) ist „Work First“ das der niederländischen Sozialpolitik zugrunde liegende
Prinzip, das „Werk boven Inkom“ („Vorrang der Arbeit vor Sozialleistungen“) genannt
wird. Nach diesem neuen Prinzip ist jeder Bürger selbst für seine Rückkehr auf den
Arbeitsmarkt verantwortlich. Die neuen Regelungen beinhalten, dass man Arbeit so
bald als möglich zu finden hat. Individuelle Eingliederungsvereinbarungen werden
zwischen Staat und Bürger als Ausdruck der gegenseitigen Verpflichtung geschlos-
sen. Mittlerweile sind in allen drei großen niederländischen Sozialprogrammen – Ar-
beitslosenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und Sozialhilfe – Regelungen
eingeführt worden, nach denen auf die eine oder andere Weise Arbeitsleistungen
erforderlich sind, um weiterhin zum Leistungsbezug berechtigt zu bleiben. Für Sozi-
alhilfebezieher gehen die Verpflichtungen weiter, weil sie zur Annahme jeder Arbeit
verpflichtet sind. Für die Langzeitarbeitslosen und Behinderten legt das Versiche-
rungssystem zeitlich abgestufte Kriterien bezüglich der Art der Arbeit fest, die sie an-
nehmen müssen. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto mehr Arten von Ar-
beit muss man annehmen, so dass nach maximal fünf Jahren jede Arbeit anzuneh-
men ist. Wegen der Beschränkungen, die dem Versicherungscharakter der Bezugs-
systeme für Arbeitslose und Behinderte geschuldet sind, hat Work First eine größere
Entwicklung innerhalb des Sozialhilfesystems durchlaufen.
Der Begriff „Work First“ dient im niederländischen Kontext der Abgrenzung gegen-
über verwandten Konzepten in den angelsächsischen Ländern und soll die nieder-
ländischen Besonderheiten der Umsetzung des Workfare-Gedankens betonen.
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Die Ausführungen nutzen das Material einer neuen Benchmark-Untersuchung, die
auf 49 Work-First-Projekten auf Gemeindebasis fußt und den Titel „Work First
Works - Towards an Evidence Based Work First” (Sol et al. 2007) trägt. In diesem
Forschungsprojekt konnten einige sehr wichtige Erfolgsdeterminanten in Bezug auf
Design und Organisation von Workfare bestimmt werden.
Definition und effektive Mechanismen: Workfare und Work First
Workfare ist eine Art der aktivierenden Politik, die in Kontinentaleuropa mit einem
negativen Image assoziiert wird, aber als ein Idealtypus der Politik gesehen werden
sollte, der vor allem negative Anreize, also die Androhung von Sanktionen, betont
(Handler/Hasenfeld 2006). Andererseits hebt sich Work First von Workfare ab, weil
es nicht nur mit negativen Anreizen (Sanktionen) arbeitet, sondern mit einer Kom-
bination von positiven und negativen. Das liegt daran, dass Work First Arbeitsaktivi-
täten mit Aktivitäten für Beschäftigungsfähigkeit und Dienstleistungen wie geförder-
ter Weiterbildung und Hilfe bei der Stellensuche kombiniert (Bruttel/Sol 2006).
Nichtsdestotrotz gibt es keinen Konsens bei der Definition von Work First oder
Workfare. International und auch in den Niederlanden werden verschiedene Defini-
tionen von Work First benutzt. In einigen Fällen wird es als eine Vision für Aktivie-
rung, manchmal aber eher als ein Instrument, ein Prozess, eine Methode oder sogar
als spezifisches Projekt oder eine Dienstleistung betrachtet. Die Bedeutung von
Work First unterscheidet sich stark zwischen den niederländischen Gemeinden (die-
se sind für Sozialhilfebezug und die Aktivierung von Sozialhilfeberechtigten verant-
wortlich). In seiner weitesten Form werden alle Aktivierungstätigkeiten einer Ge-
meinde nach einem Work First-Ansatz ausgerichtet, wobei das Augenmerk aller Pro-
gramme auf einer schnellen Rückkehr in den regulären Arbeitsmarkt liegt.
In allen Fällen konzentriert sich der Ansatz nicht nur darauf, die Bereitschaft zur Ar-
beit, sondern auch die Fähigkeiten des Hilfebeziehers dazu zu erhöhen. Tatsächlich
senkt Work First den Anspruchslohn, den der einzelne zu akzeptieren bereit ist, in-
dem die Arbeitsbereitschaft erhöht wird. Durch die Verbesserung der Arbeitsfähig-
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keit werden zusätzlich die Produktivität und letztlich die Lohnhöhe so gesteigert,
dass die Arbeitslosigkeitsfalle überwunden werden kann. Das Arbeits- und Einkom-
mensgesetz von 2004 hat die nötigen Voraussetzungen geschaffen, um an diesen
beiden Aspekten zu arbeiten. Erstens wird die Arbeitsfähigkeit durch die Einführung
des Konzepts der „generell akzeptierten Arbeit“ ausgedehnt, unter dem von jedem
erwartet wird, dass er jede Arbeit ungeachtet seiner Qualifikationen annimmt. Dies
war unter dem vorhergehenden Gesetz unmöglich, da das Konzept der „angemesse-
nen Arbeit“ benutzt wurde. Zweitens wird die Arbeitsbereitschaft beeinflusst, indem
den Gemeinden eine Vielzahl von Möglichkeiten bezüglich der Dienstleistungen und
Sanktionen, die sie benutzen dürfen, eröffnet wird.
In dem aktuellen Bericht “Work First Works, Towards Evidence Based Work First”
(2007) wird Work First folgendermaßen definiert:
Eine Politikstrategie, die darauf abzielt zu verhindern, dass Sozialhilfebezieher nicht ar-
beiten wollen oder können, indem eine Kombination von arbeitsbegleitenden Aktivitä-
ten und Dienstleistungen zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit einerseits und
Sanktionen bei den Bezügen andererseits angewandt wird.
Die Effekte von Work First sind auf zwei Hauptziele gerichtet: Erstens die Vermei-
dung des Eintritts in das Sozialhilfesystem, zweitens die Rückkehr der Teilnehmer
auf den Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz hat Work First seit seiner Einführung in den
Niederlanden einige hitzige Debatten, hauptsächlich wegen des Vorbeuge- oder Ab-
schreckungseffekts, entfacht. Viele Fragen wurden aufgeworfen bezüglich der Perso-
nen, die sich wegen der verpflichtenden Teilnahme an einem Work First-Programm
dafür entschieden, keine Sozialhilfe zu beanspruchen. Diese Bedenken wurden je-
doch zum Teil durch die Einbeziehung von Angeboten zur Steigerung der Beschäfti-
gungsfähigkeit in die Projekte ausgeräumt, so dass sich die Projekte nicht nur auf
die abschreckenden Effekte beschränken, sondern auch positive Anreize bieten.
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Welche Workfare-Jobs können die Verdrängung regulärer Jobs verhindern?
Bei Betrachtung der Art der Jobs, die für Workfare-Projekte verfügbar gemacht wer-
den sollten, nimmt der Unterschied zwischen der Brutto- und Nettoeffizienz ver-
schiedener Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarkpolitik eine wichtige Rolle ein. Die
Evaluationsliteratur zeigt sehr deutlich, dass nicht jeder Job, der von einem Pro-
grammteilnehmer übernommen wird, automatisch einen Gewinn für den Arbeits-
markt bedeutet.
Drei Effekte bedingen diesen Unterschied zwischen Brutto- und Nettoarbeitsplatz-
schaffung: Der Mitnahmeeffekt (der Teilnehmer hätte ohnehin Arbeit gefunden),
der Substitutionseffekt (der Teilnehmer nimmt den Job, während ein anderer Ar-
beitsloser die Position hätte ausfüllen können) und der Verdrängungseffekt (der
Teilnehmer nimmt den Arbeitsplatz aus dem privaten Markt heraus, d.h. eine Stelle
wird vom regulären zum bezuschussten Arbeitsmarkt transferiert).
Es ist daher wichtig, diese drei Effekte bei der Auswahl der Bereiche, in denen Work-
fare-Jobs entstehen sollen, so weit wie möglich zu minimieren. Die Hauptkriterien
dafür sind, dass die geschaffene Stelle eine sein sollte, bei der die anfänglichen Ein-
stellungshürden hoch sind, bei der aber nach dieser anfänglichen Periode die dau-
erhafte Einstellung des Teilnehmers möglich wird. Dies ist zum Beispiel ein Hinweis
auf Arbeitsplätze, bei denen eine spezielle Ausbildung nötig ist, die für den Arbeit-
geber vor allem dann ziemlich teuer ist, wenn die Produktivität des Arbeiters wahr-
scheinlich niedrig ist. Das ist tatsächlich der Fall bei vielen gering qualifizierten Jobs
auf dem postindustriellen Arbeitsmarkt: Das nötige Qualifikationsniveau ist niedrig,
erfordert gleichwohl die Aneignung einiger sehr spezieller Fähigkeiten, die oft nicht
von Sektor zu Sektor transferierbar sind. So unterscheidet sich das Qualifikations-
profil eines Gabelstaplerfahrers durchaus nennenswert von dem eines Gärtners, ob-
wohl beide Tätigkeiten als einfach zu erlernen einzustufen sind.
Ein zweiter wichtiger Aspekt zur Senkung der anfänglichen Einstellungshürden ist,
dass die meisten Sozialhilfeempfänger auf Grund ihres Status stigmatisiert sind, was
sich manchmal als negativer Signaleffekt gegenüber einem potenziellen Arbeitgeber
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auswirken kann. Durch Bezuschussung einer anfänglichen Einarbeitungszeit können
diese Vorurteile überwunden werden. Außerdem ermöglicht es diese Programmart
der Arbeitsagentur, eine wesentlich treffendere Diagnose des „Eingliederungsprob-
lems“, mit dem der Sozialhilfeempfänger konfrontiert ist, zu stellen, weil er „in Akti-
on“ beobachtet werden kann. Das Workfare-Projekt sollte deshalb so angelegt sein,
dass es nicht länger dauert als nötig, um diese ersten Barrieren zu eliminieren. In
den Niederlanden bedeutet dies, dass die meisten Projekte ungefähr drei bis sechs
Monate dauern, was dem Arbeitgeber genug Zeit gibt, um den Teilnehmer ange-
messen anzulernen, so dass er ein vernünftiges Produktivitätsniveau entweder im
Bezug auf Humankapital oder Arbeitsauffassung erreichen kann. Während solche
Programme somit das Problem des Mitnahmeeffekts und die meisten Verdrän-
gungseffekte beseitigen können, indem sie Arbeitsplätze schaffen, die andernfalls
unbesetzt blieben, bleibt immer noch der Substitutionseffekt. Das Problem dieses
Effekts hat damit zu tun, bestimmten Kundengruppen Priorität über andere einzu-
räumen, und wird später behandelt werden.
Ein privates Arbeitsumfeld macht Workfare erfolgreicher
Ein wichtiges Element, dem in vielen Evaluierungen große Auswirkung auf den Erfolg
von Work First bescheinigt wird, ist die Art der Arbeitsaktivitäten. Wenn die Aktivitä-
ten in einem privatwirtschaftlichen Arbeitsumfeld stattfinden, sind die Teilnehmer
mit denselben Umständen konfrontiert wie in einer echten Anstellung. Dieses reale
Arbeitsumfeld beeinflusst die Ergebnisse von Work First-Projekten deutlich stärker,
als wenn die Aktivitäten in einem simulierten Arbeitsumfeld der öffentlichen Hand
stattfinden. Zusätzlich sollte dieses reale Arbeitsumfeld die Kontaktaufnahme zu
einem Netzwerk potenzieller Arbeitgeber erleichtern. Der Netzwerktheorie zufolge
können schwache informelle Bindungen sehr produktiv sein (Granovetter 1974).
Ochel (2005) hat nachgewiesen, dass die Fähigkeiten, die in einem privatwirtschaft-
lichen (echten) Arbeitsumfeld erworben wurden, weit mehr von zukünftigen Arbeit-
gebern geschätzt werden, als die in einem staatlichen erworbenen. Der zukünftige
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Arbeitgeber nimmt den Teilnehmer als produktiver wahr und ist daher eher bereit,
ihn einzustellen. Außerdem erwähnt Ochel, dass der Abschreckungseffekt eines pri-
vaten Arbeitsumfeldes größer ist, da die Teilnehmer die Arbeitsbedingungen mit
größerer Wahrscheinlichkeit rauer einschätzen, als sie in einem staatlichen Pro-
gramm wären. Das vergrößert ihre Neigung, in einem privaten Arbeitsumfeld einen
echten Job anzunehmen, weil der Unterschied zwischen diesen beiden Optionen viel
kleiner ist. Daher schafft das Work First-Programm durch das Angebot eines privat-
wirtschaftlichen Arbeitsumfeldes sowohl einen Lern- als auch einen Abschreckungs-
effekt.
Die Art der Entlohnung
Zweitens wird angenommen, dass die Art der Entlohnung, die den Teilnehmern ge-
währt wird, ihre Bereitschaft zur Projektteilnahme beeinflusst. Die Art der Entloh-
nung für Arbeitsaktivitäten wird die Kosten der Arbeitsaufnahme beeinflussen.
Wenn eine Entlohnung durch ein normales Gehalt stattfindet, werden Sozialbezüge
wie auch Einkommen aus Steuern oder Sozialleistungen aufgegeben. Gehalt im Ge-
genzug für Arbeit zu zahlen kann für die Teilnehmer viel befriedigender sein und viel
von dem Stigma des Status eines Sozialhilfeempfängers nehmen. Dieses positive
Signal kann die Beschäftigungsfähigkeit der Teilnehmer in den Augen von potenziel-
len Arbeitgebern erhöhen. Allerdings ist zu beachten, dass regulär entlohnte öffent-
liche und damit subventionierte Jobs die Bereitschaft zur Suche nach gering ent-
lohnter Arbeit im privaten Sektor vermindern können.
Härtere Sanktionen?
Die dritte Erfolgsdeterminante, die bei der Analyse der niederländischen Projekte
betrachtet wurde, ist die Art der Sanktionen, die verwendet werden. Die aktuelle nie-
derländische Sozialgesetzgebung (WWB-Gesetz von 2004) hat den Gemeinden
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Spielraum gelassen, um aus einem großen anwendbaren Sanktionsspektrum auszu-
wählen. Das bedeutet, dass die verschiedenen Projekte andere Sanktionsinstrumen-
te nutzen werden, was folglich unterschiedliche Auswirkungen auf die Ergebnisse
haben wird. Naturgemäß wird angenommen, dass härtere Sanktionen einen positi-
ven Einfluss auf die Ergebnisse haben, weil sie sich stark auf die Arbeitsbereitschaft
der Teilnehmer auswirken.
Organisation der Implementierung: Bedeutung des Trägers
Viertens wird der Art des Trägers ein Einfluss auf die Ergebnisse von Workfare-
Projekten beigemessen. Seit 2002 ermöglicht es der Gesetzgeber den niederländi-
schen Gemeinden, Privatakteure für die Bereitstellung von aktivierenden Dienstleis-
tungen zu nutzen. Der Grund hierfür war die Behauptung, private Anbieter wären
wesentlich effizienter als die Regierung bei der Bereitstellung der Dienstleistungen,
was zum Teil an ihrer stärker leistungsorientierten Kultur und auch an dem durch
Privatisierung erhöhten Wettbewerb läge. Einige Gemeinden entschieden sich den-
noch, selbst als Träger des Projekts aufzutreten und nur einige Teile vertraglich aus-
zulagern. Nach den bisherigen Erfahrungen können wir davon ausgehen, dass diese
Gemeinden weniger effektiv als die privaten Anbieter sein werden. Außerdem richten
auch Betriebe mit „geschützten Arbeitsplätzen“ Work First-Projekte ein. Diese Be-
triebe sind nicht die am besten für Work First geeigneten, weil sie auf eine Zielgrup-
pe ausgerichtet sind, die viel weiter vom Arbeitsmarkt weg ist, als die meisten Work
First-Teilnehmer. Das würde heißen, dass von diesen Betrieben mit geschützten Ar-
beitsplätzen nicht erwartet wird, hier gut abzuschneiden.
Bedeutung der Zielgruppen
Die fünfte und letzte Erfolgsdeterminante, die relevant ist und in den niederländi-
schen Workfare-Projekten untersucht wird, ist die Zielgruppe. Diese kann in zwei ver-
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schiedene Gruppen aufgeteilt werden, wobei die eine auf Teilnehmeralter und die
andere auf Anspruchsstatus basiert. Erstens wird erwartet, dass Projekte, die aus-
schließlich junge Menschen ansprechen, bessere Ergebnisse aufweisen, da sich letz-
tere viel näher am Arbeitsmarkt befinden, weil ihre Fähigkeiten mit geringerer Wahr-
scheinlichkeit veraltet sind. Zweitens können sich Projekte auch nur an neue An-
tragsteller richten, die noch nicht im Bezugssystem sind. Dies würde das Projekt
vielmehr zu einem „Torwächterprogramm“ machen, bei dem der Fokus auf Ein-
trittsprävention und der Verhinderung des Verlustes der Befähigung und des Willens
zur Arbeit infolge langer Verweildauer im Bezugssystem läge. Von Projekten, die sich
nur an neue Antragsteller richten, werden daher auch bessere Ergebnisse erwartet,
weil diese Teilnehmer viel näher am Arbeitsmarkt sind als solche, die schon für län-
gere Zeit inaktiv waren.
Angesichts dieser Schlussfolgerungen ist es vorteilhaft, Work First so anzulegen,
dass es sich anfänglich auf die einfachsten Zielgruppen beschränkt und schrittweise
auf die schwierigeren ausgedehnt wird. Ein Argument dafür ist, dass die Dienstleis-
tungsarten, die für diese Gruppen benötigt werden, unterschiedlich sind. Wenn ein
Projekt nur auf eine Gruppe ausgerichtet ist, kann es besser die Bedürfnisse der Teil-
nehmer erfüllen. Auch kann es so mit der Zeit komplexer werden, weil die ersten
Gruppen weniger intensive Eingriffe nötig haben werden als die schwierigeren. Wenn
Work First erfolgreich bei der leicht zu reintegrierenden Gruppe angewendet worden
ist, wird diese beinahe vollständig das Bezugssystem verlassen haben. Das Projekt
kann seine Anstrengungen auf die schwierigere Gruppe konzentrieren.
Mikro- und Makroziele und Effekte von Workfare
Tabelle 1 zeigt in der zweiten Spalte die Häufigkeiten der vorgenannten, angenom-
menen Erfolgsdeterminanten bei den ersten Work First-Projekten. Die nächste zu
beantwortende Frage ist, ob das Vorhandensein dieser Erfolgsdeterminanten wirk-
lich eine positive Auswirkung auf die Projektergebnisse hatte.
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Diese Ergebnisse wurden mit zwei Leistungsindikatoren gemessen: Dem Prozentsatz
des Abgangs in Arbeit und dem der Eintrittsprävention. Der Prozentsatz des Abgangs
in Arbeit wurde errechnet, indem nur die Zahl der Teilnehmer benutzt wurde, die das
Projekt beendet hatten, und dann geprüft wurde, wie viele von ihnen einen Job ent-
weder vor oder nach Ende des Projekts gefunden hatten. Der Prozentsatz der Ein-
trittsprävention wurde errechnet, indem die Zahl der Teilnehmer betrachtet wurde, die
für ein verpflichtendes Work First-Projekt zu dem Zeitpunkt in Frage kamen, zu dem
sie Sozialhilfe beantragt hatten, und wie viele von ihnen ihren Antrag wegen der ver-
pflichtenden Work First-Teilnahme zurückzogen. Dieses Maß erfasst den Abschre-
ckungseffekt von Work First nicht vollkommen, weil andere Elemente den An-
tragsteller dazu gebracht haben könnten, den Antrag zurückzuziehen, aber es ist die
bestmögliche Annäherung. Eine Regressionsanalyse wurde durchgeführt, um zu se-
hen, wie die Ergebnisse der Projekte durch die verschiedenen Erfolgsdeterminanten
beeinflusst wurden. Tabelle 1 zeigt auch die Regressionsergebnisse.
Workfare in der Form von Work First-Arbeitsplätzen wird von den niederländischen
Gemeinden als ihr erfolgreichstes Instrument gesehen, um die Zahl der Sozialhilfe-
fälle zu reduzieren (Edzes et al. 2007). Der Vergleich mit regulären Wegen der Akti-
vierung zeigt in der Tat deutlich bessere Mikroeffekte bei Work First (vgl. Tabelle 2).
Für Makroeffekte sind momentan keine Daten verfügbar.
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Tabelle 1: Erfolgsdeterminanten bei niederländischen Work-First-Projekten4
Erfolgsdeterminante Häufigkeiten Abgang in Arbeit1
Eintritts-prävention2
Arbeitsumfeld - staatlich / simuliert 30 % 42,0 % 41,9 % * - privat / real 70 % 49,4 % 27,8 % Belohnungsart - Sozialhilfebezug 76 % 44,5 % 37,9 % ** - reguläres Gehalt 24 % 44,5 % 20,0 % ** Sanktionen - teilweise Reduzierung der Be-
züge 56 % 50,8 % ** 29,3 %
- Verweigerung oder Aussetzung der Bezüge
44 % 36,3 % ** 37,0 %
Hauptanbieter - Gemeinde 25 % 53,5 % 43,7 % ** - privater Anbieter 33 % 45,8 % 26,8 % ** - geschützter Arbeitsplatz 22 % 35,4 % 11,0 % ** - sonstige 20 % n.a. n.a. Zielgruppe (Alter) - nur junge (< 27) 18 % 52,6 % 49,0 % ** - junge und alte gemischt 82 % 42,5 % 27,5 % ** Zielgruppe (Status) - nur neue Antragsteller 49 % 51,2 % ** 37,4 % - neue und bisherige Antragsteller
gemischt 51 % 38,5 % ** 28,8 %
Anmerkungen: 1) Zahl der Teilnehmer, die einen (nicht bezuschussten) Arbeitsplatz am Ende des Programms ge-funden hatten als Prozentsatz aller Teilnehmer, die das Work First-Programm abgeschlossen haben. 2) Zahl der Sozialhilfebezieher, die ihren Bezugsanspruch zurückgezogen haben, nachdem sie einem verpflichtenden Work First-Programm zugeführt worden waren als Prozentsatz aller Sozialhilfebezieher, die für ein verpflichtendes Work-First-Programm in Frage kamen. * = p < 0.10 , ** = p < 0.05
Q=mêçòÉåíë®íòÉ=ïìêÇÉå=ãáí=mêçàÉâíÉå=ÉêêÉÅÜåÉíI=ÑΩê=ÇáÉ=ÇáÉ=a~íÉå=îÉêÑΩÖÄ~ê=ëáåÇK=káÅÜí=àÉÇÉë=ÇÉê=QV=mêçàÉâíÉ=ëíÉääíÉ=a~íÉå=ÑΩê=~ääÉ=îáÉê=fåÇáâ~íçêÉå=òìê=sÉêÑΩÖìåÖK=
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Tabelle 2: Abgang in Arbeit von Teilnehmern an Beschäftigungsprogrammen und
Work-First-Teilnehmern, als Prozentsatz aller Teilnehmer
Sozialhilfebezieher gesamt1
Sozialhilfebezieher in Beschäftigungs-programmen
Work First Benchmark Projekte
kein Abgang 71 57 36 Abgang nicht in Arbeit
14 25 31
Abgang in Arbeit 8 18 32 davon: bezu-schusste Arbeit
1 0 5
davon: reguläre Arbeit
7 18 29
Quellen: 1: Central bureau of statistics, MCB 2003, 2: MOSA 1st half of 2004, 3: Benchmark Work First 2007.
Finanzielle Anreize und Kosteneffekte der öffentlichen Hand
Es können verschiedene Finanzierungsmodelle bei Work First-Projekten vorgefunden
werden. Das liegt daran, dass der Finanzierungsmodus von Arbeitslosen- und Sozi-
alhilfe darauf ausgelegt ist, den Gemeinden starke Anreize zu bieten, die Gesamtzahl
ihrer Bezugsberechtigten soweit wie möglich zu verringern. Die Zentralregierung ü-
berweist zwei getrennte Zuschüsse an die Gemeinde, einen für die Zahlung der Leis-
tungen an die Empfänger (das Budget für Transferleistungen) und einen eigenen
Block für die Beschäftigungsdienstleistungen (das Budget für Eingliederungsmaß-
nahmen). Letzterer ist zweckgebunden und kann nur für Beschäftigungsdienstleis-
tungen verwendet werden. Das Budget für Transferleistungen wird den Gemeinden
anhand der erwarteten Menge der zu zahlenden Sozialleistungen von der Zentralre-
gierung zugeteilt, wobei die Berechnung auf wirtschaftlichen und sozialen Indikato-
ren beruht. Falls die Gemeinde weniger Zuwendungen ausgibt als vorhergesagt,
können die Überschüsse von der Gemeinde frei verwandt werden. Falls mehr benö-
tigt werden, muss die Gemeinde die Kosten selbst tragen. Daher hat die Gemeinde
einen Anreiz, das Budget für die Beschäftigungsdienstleistungen effizient zuzuteilen,
so dass die Zahl der Antragsteller möglichst weit unter das von der Zentralregierung
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anfänglich prognostizierte Niveau absinkt. Außerdem erlaubt das WWB-Gesetz der
Gemeinde, eine private Firma für das Work First-Projekt unter Vertrag zu nehmen.
Dieser finanzielle Rahmen und die vertraglichen Möglichkeiten gaben den Gemein-
den einige interessante Anreize. Bei einigen Projekten wird den Teilnehmern kein
Gehalt gezahlt, sondern sie „arbeiten für ihre Bezüge“. Das bedeutet, dass der größ-
te Teil der Kosten des Projekts aus dem schmalen Einkommenszuschuss bestritten
wird. Jedoch sind einige Projekte so angelegt, dass die Teilnehmer zur Arbeit in den
Betrieb eines privaten Unternehmens entsandt werden. In diesem Fall erhalten die
Work First-Teilnehmer ein Gehalt (auf Mindestlohnniveau) von dem Unternehmen.
Dieses Gehalt wird zum Teil aus der Produktionsarbeit jener Teilnehmer bezahlt und
zum Teil von der Gemeinde, normalerweise zur Hälfte, bezuschusst. Das Interessan-
te dabei ist, dass diese Gehaltszuschüsse aus dem Arbeitszuschuss anstelle des Ein-
kommenszuschusses gezahlt werden können, was finanziell für die Gemeinde sehr
reizvoll ist. Die Gemeinde nutzt auch den Arbeitszuschuss aus dem Budget, um die
Extrakosten dieser privaten Anbieter zu kompensieren, die in Form von zusätzlicher
Ausbildung, Kursen und intensiverer Arbeitsüberwachung des Teilnehmers als es
normalerweise der Fall in der Fabrik ist, entstehen. Wie oben gesehen werden kann,
zeigte sich dieses Modell sehr erfolgreich dabei, Teilnehmer wieder dem regulären
Arbeitsmarkt zuzuführen, da die Arbeitsleistungen in einem privaten Umfeld für ein
reguläres Gehalt erbracht wurden. Die Gesamtkosten dieser Projekte waren ähnlich
denen, bei denen die Teilnehmer nur ihre Sozialleistungen erhielten, weil das Leis-
tungsniveau für eine allein stehende Person 50% des Mindestlohns entspricht
(623,10 Euro monatlich) . Da die meisten Teilnehmer einen 32-Stunden-Vertrag bei
der Firma hatten, musste die Gemeinde etwa 500 Euro an die Firma für den Lohn
zahlen, wobei sie jedoch auch eine Zusatzgebühr für Aufsicht und Kurse entrichtete.
Die Struktur der Gesamtkosten war daher bei beiden Rechnungsmodellen ähnlich,
jedoch unterschieden sich die Ergebnisse wie in Tabelle 1 gezeigt.
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Wie man die Botschaft von Work First effektiv kommuniziert
Workfare ist ein politisch hochsensibles Instrument. In den Niederlanden hat sich
die Akzeptanz und Legitimation bzw. Rechtfertigung als entscheidendes Element
herausgestellt, zur Effektivität von Workfare beizutragen oder sie zu schmälern. In
dieser Beziehung gibt es zwei Lektionen aus der niederländischen Erfahrung zu ler-
nen. Erstens wird bei der Benutzung von Work First neben Workfare die Betonung
mehr auf die Beschäftigungsdienstleistungen („das Zuckerbrot“) gelegt und nicht
nur auf die Sanktionen („die Peitsche“) des Programms. Sozialhilfeempfänger, die
manchmal jahrelang nichts als Kontrolle erlebt haben, achten und schätzen die per-
sönliche Aufmerksamkeit des Vorarbeiters, die sich auf Hilfe zur Rückkehr auf den
Arbeitsmarkt konzentriert. Zweitens diskutieren und entscheiden politische Parteien
im Gemeinderat die Hauptbestandteile der örtlichen Workfare-Mischung durch die
Implementierung von Workfare auf der kommunalen Ebene.
Es gibt zwei Vorteile bei diesem Ansatz. Erstens sind die Politiker näher an „ihren“
Bürgern als auf nationaler Ebene und tendieren dazu, praktischere Lösungen zu su-
chen. Zweitens kann die Mischung von Work First / Workfare nach der politischen
Couleur der Gemeinde ausgerichtet werden. Zum Beispiel war und ist in den Nieder-
landen die Niederländische Sozialistische Partei (SP) eine erklärte Gegnerin von
Workfare. Die SP führte Argumente ins Feld, „arme Arbeitnehmer“ und „Drehtüren“
zu schaffen und erklärte Arbeit unter Beihilfen zum „unvollständigen Lohn“. In der
Gemeinde Oss, wo die SP regiert, wurde mit der Unterstützung der Partei ein erfolg-
reiches Work First-Programm geschaffen, welches aus einem Arbeitsprogramm be-
steht, bei dem reguläre Arbeitsverträge mit Mindestlohn zum Einsatz kommen (vgl.
Kasten 2).
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Kasten 2 : Beispiel eines lokalen Work First-Programms (Gemeinde Oss, Niederlande) 5
Das niederländische System der Absicherung gegen Arbeitslosigkeit besteht aus
drei Elementen. Das erste bildet die beitragsfinanzierte Arbeitslosenversicherung
(UVV). Für Arbeitssuchende, die keinen Anspruch gegenüber der Arbeitslosen-
versicherung haben, greift die Grundsicherung, die grundsätzlich allen Personen
offen steht, die über keine eigenen Einkommensquellen verfügen. Speziell für Er-
werbsunfähige existiert daneben die Erwerbsunfähigkeitsversicherung.
Die Arbeitslosenversicherung beschränkt sich – anders als in Deutschland – auf
die reine Auszahlung von Leistungsansprüchen. Vermittlungsaktivitäten und die
Organisation von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen werden stattdessen von
den sogenannten Zentren für Arbeit und Einkommen (CWI, Centrum for Werk en
Inkomen) im staatlichen Auftrag durchgeführt. Die Finanzierung erfolgt aus Steu-
ermitteln. Die Finanzierung der Grundsicherung ist prinzipiell Aufgabe der Kom-
munen. Allerdings erhalten die Kommunen einen staatlichen Zuschuss in Form
eines Leistungstitels und eines zweckgebundenen Maßnahmentitels. Die Höhe der
Zuschüsse ist an der lokalen Arbeitsmarktsituation bemessen. Die Besonderheit
besteht darin, dass eine Kommune über Überschüsse frei verfügen darf, während
sie ein eventuell auftretendes Defizit aus eigenen Mitteln ausgleichen muss. Dar-
aus resultiert für die Kommunen ein starker finanzieller Anreiz für eigenständige
effiziente Arbeitsmarktpolitik.
Im Ergebnis hat sich das Work-First-Konzept als ein landesweites Konzept der
Kommunen zur Integration von Beziehern der Grundsicherung in den Arbeits-
markt entwickelt. Der gemeinsame Grundgedanke des in vielfältiger Ausgestal-
tung existierenden Konzepts besteht darin, präventiv gegen die Entstehung von
Leistungsansprüchen vorzugehen. Die Kommune Oss gilt in dieser Hinsicht lan-
desweit als besonders erfolgreich und wurde kürzlich für ihre Tätigkeit entspre-
chend prämiert.
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Unter dem Titel “Werkende weg” wurde hier ein Arbeitsprogramm geschaffen,
das den Teilnehmern volle Bezahlung bietet. Programmteilnehmer werden Ange-
stellte eines Reintegrationsdienstleisters. Die Lohnzahlung macht darüber hinaus-
gehende staatliche Transfers im Regelfall überflüssig. Während der Beschäftigung
absolvieren sie Arbeits- und Trainingsprogramme zum Zweck, innerhalb eines
Jahres auf den regulären Arbeitsmarkt zurückzukehren und in der Lage zu sein, für
sich selbst zu sorgen. Das Ziel des Programms ist die Vermeidung des Ausschlus-
ses vom Arbeitsmarkt. Personen, die einen Antrag auf Unterstützung stellen, wer-
den zunächst einem intensiven Profiling unterzogen. Auf dessen Grundlage wird
entschieden, welche Maßnahme im Einzelfall am besten geeignet erscheint. Ein
Teil der Betroffenen wird unmittelbar in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, ein
weiterer Teil zur Weiterbildung verpflichtet. Die Vermittlungen werden bei Bedarf
mit befristeten Lohnkostenzuschüssen unterstützt.
Die Bedeutung von Work First kann nur richtig eingeschätzt werden, wenn man
beachtet, dass bei etwa 40.000 Erwerbspersonen in Oss 5.000 Bezieher von Er-
werbsunfähigkeitsrenten, etwa 1.000 Bezieher von Leistungen der Arbeitslosen-
versicherung und 800 behinderte Beschäftigte in geschützten Werkstätten tätig
sind. Eigentliche Zielgruppe von Work First sind nur die derzeit ca. 800 bis 900
Leistungsberechtigten in der Grundsicherung. Davon werden jedoch etwa zwei
Drittel als nicht mehr vermittlungsfähig eingestuft und faktisch „in Ruhe gelas-
sen“. Personen, die im Rahmen des Profilings als nicht erwerbsfähig eingestuft
werden, erhalten die Leistungen der Grundsicherung uneingeschränkt und fak-
tisch ohne Gegenleistung. 600 bis 700 Sozialhilfebezieher werden also gar nicht
aktiviert. Aufgrund mangelnder Beschäftigungszeiten haben sie keinen Zugang zur
Erwerbsunfähigkeitsversicherung bzw. –rente.
Die übrigen 300 durchlaufen das Projekt, wobei vorab ein Teil in den regulären
Arbeitsmarkt vermittelt, auf Trainingsmaßnahmen verwiesen oder mit befristeten
Lohnkostenzuschüssen eingegliedert wird (ca. 80 Personen). Grundsätzlich er-
werbsfähige Personen, bei denen eine direkte Vermittlung nicht möglich ist und
eine Weiterbildung nicht Erfolg versprechend erscheint, werden unmittelbar in ein
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Beschäftigungsprojekt eingewiesen. Hier handelt es sich um die eigentliche Work-
fare-Komponente. Das Kernproblem dieser Gruppe wird in Überschuldung gese-
hen. Daraus resultiert ein sehr geringer Erwerbsanreiz, weil das über die Pfän-
dungsfreigrenze hinausgehende Einkommen zur Entschuldung abgeführt werden
muss.
Im eigentlichen Beschäftigungsprojekt sind lediglich 45 Personen tätig, d.h. nur
5% der Zielgruppe der Sozialhilfebezieher werden in das Workfare-Projekt einge-
wiesen. Wichtig ist hier die vergleichsweise günstige Zahlenrelation von Fallmana-
gern und Klienten. Es kommen 20 Fallmanager auf 900 Klienten (davon werden
aber nur ca. 300 intensiv aktiviert).
Das Beschäftigungsprojekt befindet sich in privater Trägerschaft im Auftrag der
Kommune. Der Projektträger fungiert als Arbeitgeber für die dort beschäftigten
Leistungsbezieher. Zugleich unterstützt er die Betroffenen gegebenenfalls bei der
Entschuldung, indem er mit den Gläubigern einen Rückzahlungsplan vereinbart.
Die Lohnzahlungen werden dem Träger von der Kommune ebenso erstattet wie
die Verwaltungsaufwendungen. Die Bezahlung erfolgt zu dem niederländischen
Mindestlohnniveau von 8,44 Euro (brutto) pro Stunde bei einer Wochenarbeits-
zeit von 36-38 Stunden, so dass Nebentätigkeiten auf Teilzeitbasis und schatten-
wirtschaftliche Aktivitäten behindert werden. Das Beschäftigungsprojekt hat kei-
ne fest bestimmte Höchstdauer. Wird kein anderer Job gefunden, so kann die
Verweildauer dort mehrere Jahre betragen. Am häufigsten sind jedoch Beschäfti-
gungsphasen von sechs bis acht Monaten.
Die Teilnahme ist verpflichtend. Diejenigen, die die Teilnahme ohne triftigen
Grund verweigern, erhalten für drei Monate keine Beihilfen. An dem Tag, an dem
der Arbeitsvertrag mit dem Anbieter anläuft, werden Hilfszahlungen eingestellt.
Von diesem Tag an wird der Teilnehmer vom Anbieter bezahlt. Genau wie im Fall
eines „normalen Arbeitgebers“ gibt es Regeln zu beachten. Zum Beispiel erhält ein
Teilnehmer keinen Lohn für Stunden unentschuldigten Fehlens erhalten. Der Ar-
beitsausfall durch Fehlstunden wird am Monatsende von der Gehaltsabrechnung
abgezogen. Ein Vorzug dieses Modells liegt darin, dass der Arbeitsvertrag mit sei-
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nen Rechten und Pflichten ein anderes „mindset“ etabliert als das Einfordern ei-
ner Gegenleistung für den Transferbezug auf sozialrechtlicher Basis. Die Work
First-Beschäftigten nehmen sich als Arbeitnehmer wahr, nicht als Sozialleistungs-
bezieher und vergleichen sich mit regulären Arbeitskräften. Damit geht die Aner-
kennung von Pflichten leichter einher („work for the money“) als beim Sozialleis-
tungsbezug, der vorwiegend als Rechtsanspruch gesehen wird.
Die Tätigkeit in dem Beschäftigungsprojekt besteht in der Herstellung von ge-
werblichen Produkten, die unter marktwirtschaftlichen Bedingungen mutmaßlich
nicht kostendeckend möglich wäre. Während unseres Besuchs wurden Zimmer-
antennen für den osteuropäischen Markt gefertigt sowie Seifen und Waschlo-
tionen verpackt. Es handelt sich um stark manuell geprägte Tätigkeiten, die an-
sonsten in typischen Billiglohnländern oder allenfalls in Heimarbeit durchgeführt
würden. Insofern wird ein Konflikt mit örtlichen Gewerbebetrieben weitestgehend
vermieden. Nach Auskunft der Projektbeteiligten kommt es nicht zu einer Stigma-
tisierung der Teilnehmer.
Neben dem Einfordern einer Arbeitsleistung besteht das Projekt auch darin, den
Teilnehmern intensiv bei der Stellensuche zu helfen, etwa durch Sprachkurse für
Personen mit Migrationshintergrund und Recherchen auf Internet-Stellenbörsen.
Die Mitarbeiter des Projekts und die Kommune helfen bei der Anbahnung von
Vorstellungsgesprächen und begleiten die Klienten dorthin, um den Aufenthalt im
Beschäftigungsprojekt möglichst rasch zu beenden.
Die Wirtschaftsgrundlage des Projekts besteht neben dem Verkauf der Produkte
vor allem in der Vermittlung der Beschäftigten. Für eine erfolgreiche Vermittlung
erhält das Trägerunternehmen eine entsprechende Prämie, wobei ein Teil der
Zahlung bei Beschäftigungseintritt fällt wird, ein zweiter aber erst nach sechs
Monaten stabiler Erwerbstätigkeit ausgezahlt wird.
Ergebnisse aus Oss zeigen, dass von den Work First-Teilnehmern zwei Drittel zu
einem späteren Zeitraum regulär beschäftigt sind. Nur wenige durchlaufen diese
Phase mehrfach.
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Für die Interpretation des Beispiels ist es wichtig darauf zu verweisen, dass ein we-
sentlicher Effekt in der abschreckenden Wirkung von Work First als ultima ratio
liegt und dass nur für einen geringen Teil der Transferbezieher tatsächlich Work
First-Arbeitsgelegenheiten vorgehalten werden (müssen). Ein wesentlicher Nutzen
des abgestuften Vorgehens liegt darin, dass durch Vermittlung und subventionier-
te Beschäftigung ein Teil der Stellensuchenden in den regulären Arbeitsmarkt in-
tegriert werden kann, der in Oss auch Einstiegsgelegenheiten für gering qualifizier-
te Erwerbspersonen bietet.
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4 Workfare in Deutschland? Das Projekt Bürgerarbeit in
Sachsen-Anhalt und Thüringen6
Auf Initiative der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur
für Arbeit und des Landes Sachsen-Anhalt startete – nach einem „Laborversuch“ im
August 2006 in Magdeburg – im September 2006 erstmals das Projekt Bürgerarbeit
in Bad Schmiedeberg. Inzwischen wurden mit Barleben, Schmölln, Gerbstedt,
Kelbra und Hecklingen weitere Gemeinden in das Projekt einbezogen.
Das Ziel von Bürgerarbeit
In seiner Zielsetzung stellt das Projekt zwar keinen expliziten Bezug zum Workfare-
Konzept her, de facto weist es jedoch eine hohe Affinität dazu auf. Es besteht aus
einer Aktivierungsstrategie, die auf der Grundlage eines Profiling-Verfahrens ver-
schiedene Stufen der Vermittlungsfähigkeit unterscheidet.
In der ersten Stufe werden alle Arbeitslosen zu einem Beratungsgespräch eingeladen,
ggf. auch mehrfach, um deren Arbeitsmarktchancen bewerten zu können. Bei ei-
nem Teil dieses Personenkreises kann davon ausgegangen werden, dass die Betrof-
fenen relativ schnell und ohne besondere Unterstützung wieder einen regulären Ar-
beitsplatz finden. Für leicht vermittelbare Arbeitslose findet deshalb auf der zweiten
Stufe eine gezielte Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt statt. Andere erhalten auf
der dritten Stufe bedarfsgerechte Fördermaßnahmen wie zum Beispiel Weiterbil-
dung (Bildungsgutschein).
Auf der vierten Stufe findet sich die Zielgruppe der Bürgerarbeit. Bei diesem Perso-
nenkreis wird davon ausgegangen, dass die Betroffenen auf Grund diverser Vermitt-
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lungshemmnisse auf absehbare Zeit keine Chance haben, eine Tätigkeit im ersten
Arbeitsmarkt aufzunehmen. Dieser Gruppe soll mit Hilfe einer öffentlich bereitge-
stellten Beschäftigung die Möglichkeit gegeben werden, sich produktiv zu betätigen.
Gegebenenfalls soll durch die Gewöhnung an Arbeit die Beschäftigungsfähigkeit
wieder hergestellt bzw. der Entwöhnung von Arbeit vorgebeugt werden.
Bei den Adressaten der Bürgerarbeit handelt es sich überwiegend um ältere Arbeits-
lose. Jüngere Arbeitslose werden bewusst nicht einbezogen, weil befürchtet wird,
dass sich diese ansonsten dauerhaft in der Bürgerarbeit einrichten könnten. Jugend-
lichen Arbeitslosen soll deswegen in erster Linie mit Hilfe von Qualifizierungsmaß-
nahmen ein Weg aus der Arbeitslosigkeit geebnet werden.
Parallelen zum Workfare-Ansatz
Hervorzuheben ist, dass sämtliche Arbeitslose der jeweiligen Kommune in die Akti-
vierungsstrategie einbezogen werden. Es wird dabei nicht nach den beiden Rechts-
kreisen SGB II und SGB III unterschieden. Die Durchführung der Strategie ist daher
nur durch eine enge Kooperation der lokalen Agentur für Arbeit mit der entspre-
chenden ARGE möglich. Dem liegt ein Betreuungsschlüssel von einem Vermittler
bzw. einem Berater auf 100 Arbeitslose zu Grunde, was eine wesentlich intensivere
Betreuung als bislang üblich erlaubt.
Die Analogie zum Workfare-Konzept besteht darin, dass die Betroffenen im Prinzip
keine Möglichkeit haben, sich der Aktivierungsstrategie zu entziehen, es sei denn, sie
verzichten auf ihre Transferansprüche. Der Intention nach ist Bürgerarbeit überdies
als Dauerbeschäftigung gedacht. Aus formal-juristischen Gründen wurden bislang
allerdings im Regelfall nur befristete Beschäftigungsverhältnisse mit einer Dauer von
einem Jahr abgeschlossen.
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Unterschiede zum Workfare-Ansatz
Der wesentliche Unterschied zum Workfare-Ansatz besteht darin, dass sich die Ent-
lohnung in der öffentlich geförderten Beschäftigung nicht am Transferanspruch ei-
nes Betroffenen orientiert, sondern an den Qualifikationsanforderungen der jeweili-
gen Tätigkeit. Hier wird nach vier verschiedenen Entlohnungsstufen unterschieden.
Die Bezahlung auf der untersten Stufe sieht ein monatliches Bruttogehalt von 675
Euro vor, höhere Entgeltstufen reichen bis 975 Euro brutto. Die überwiegende
Mehrheit der Bürgerarbeiter bezieht ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von etwa 810
Euro brutto. Faktisch liegt dies nur wenig oberhalb von Arbeitslosengeld II. Die wö-
chentliche Arbeitszeit beträgt in allen Fällen 30 Stunden. Der Bruttostundenlohn
bewegt sich somit zwischen 5,20 Euro und 7,50 Euro.
Von dem jeweiligen Bruttogehalt sind Sozialabgaben und ggf. Steuern zu entrichten.
Allerdings fallen keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an, um der Problematik
des Verschiebebahnhofs zwischen verschiedenen Sozialkassen entgegen zu wirken.
Folglich entstehen aus den entsprechenden Tätigkeiten auch keine Ansprüche an die
Arbeitslosenversicherung, wohl aber an die Rentenversicherung und die gesetzlichen
Krankenkassen.
Ergänzend zum Bürgergeld wird ggf. Wohngeld gezahlt. Die Mehrheit der Betroffe-
nen wird durch die Bürgerarbeit finanziell etwas besser gestellt als im Bezug von Ar-
beitslosengeld II zuzüglich Wohnkostenzuschuss, teilweise übertrifft die Entlohnung
der Bürgerarbeit aber auch die Löhne auf dem unsubventionierten ersten Arbeits-
markt in Ostdeutschland. Dadurch bleibt ein Teil des Anreizpotenzials von Bürger-
arbeit – verstanden als Gegenleistung für den Transferbezug - unausgeschöpft.
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Die Finanzierung der Bürgerarbeit
Finanziert wird die Bürgerarbeit hauptsächlich aus dem so genannten Eingliede-
rungstitel, der sowohl der lokalen Agentur für Arbeit als auch der jeweiligen ARGE
zur Verfügung steht. Die daraus entnommenen Gelder werden zur Finanzierung der
Bruttogehälter der Bürgerarbeiter verwendet. Die Deckung der Arbeitgeberbeiträge
zur Sozialversicherung erfolgt durch eine Kofinanzierung der beteiligten Länder. In
Sachsen-Anhalt werden dazu Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds heran-
gezogen, in Thüringen solche aus dem Landesetat. Nach den vorläufigen Ergebnis-
sen der Evaluationsstudie werden die Mehrkosten der Bürgerarbeit von etwa 615
Euro pro Monat zu 95% durch Einsparungen bei den Personen gedeckt, die auf-
grund des vorgelagerten Auswahlprozesses nicht in Bürgerarbeit einmündeten, son-
dern dank Arbeitsaufnahme, Vermittlung in Maßnahmen bzw. Abmeldung aus dem
Leistungsbezug ausschieden.
Wirkungen auf dem lokalen Arbeitsmarkt
Derzeit befinden sich rund 500 Personen in den lokalen Modellprojekten in Sach-
sen-Anhalt und Thüringen in Bürgerarbeit. In Bad Schmiedeberg sind derzeit 106
Personen in Bürgerarbeit aktiv. Dies entspricht etwa einem Drittel der ursprünglich
333 Arbeitslosen. Weiterhin ist es so, dass sich etwa 23% der Arbeitslosen (knapp
80) in Bad Schmiedeberg bereits nach dem ersten Beratungsgespräch aus dem Leis-
tungsbezug in ungeförderte Beschäftigung abgemeldet haben. Dies kann mit der
„Androhung“ von Qualifizierungsmaßnahmen oder Bürgerarbeit zu tun haben. Wei-
tere 16% (ca. 55) der Arbeitslosen wechselten in Qualifizierungs- und andere aktive
Maßnahmen. Einige andere Arbeitslose meldeten sich aus dem Leistungsbezug ab
oder wechselten in den Leistungsbezug unter erleichterten Bedingungen (d.h. in ei-
nen faktisch vorgezogenen Ruhestand). 130 Arbeitslosen wurde schließlich ein An-
gebot für Bürgerarbeit unterbreitet, 106 nahmen dieses auch an. Die übrigen 24 Ar-
beitslosen wurden offenbar mit Sanktionen belegt oder meldeten sich aus dem Leis-
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tungsbezug ab. Nach Auskunft der Regionaldirektion gibt es jedoch praktisch keine
Fälle, in denen Personen, die mit dem Angebot der Bürgerarbeit konfrontiert wur-
den, ihre Transferansprüche zurückgezogen haben. Ebenso wenig seien Fälle be-
kannt, wonach sich Personen geweigert hätten, die angebotene Bürgerarbeit auszu-
üben. Begründet wird diese durchaus überraschende Feststellung mit dem Alter der
Betroffenen und deren historischen Erfahrungen mit dem Beschäftigungssystem der
ehemaligen DDR.
Insgesamt ging die Einführung der Aktivierungsstrategie mit einem spürbaren Rück-
gang der registrierten Arbeitslosigkeit in den Kommunen einher. So sank die Arbeits-
losenquote in Bad Schmiedeberg nach Beginn der Bürgerarbeit im September 2006
innerhalb von drei Monaten von knapp 15,6% auf 6,3% und betrug im Juli 2007 le-
diglich 4,5%. Allerdings ist nur knapp ein Drittel dieses Rückgangs um 11,1 Pro-
zentpunkte auf Vermittlungen in den ersten Arbeitsmarkt zurückzuführen. Knapp die
Hälfte dieser Reduktion resultiert aus der Schaffung von Bürgerarbeitsplätzen. Der
Rest gründet sich auf Zuweisungen in andere Maßnahmen wie etwa berufliche Wei-
terbildung. Dies bedeutet, dass die Verschiebung von Langzeitarbeitslosen in Bür-
gerarbeit einen deutlichen „kosmetischen“ Effekt auf die Arbeitslosenstatistik hat.
Übergänge in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen dominieren gegenüber Abgängen
in Beschäftigung. Auch in den anderen Modellkommunen wurden analog dazu er-
hebliche Rückgänge bei der registrierten Arbeitslosigkeit berichtet.
Vermittlungen aus der Bürgerarbeit in den ersten Arbeitsmarkt sind relativ selten –
und auch seltener als auf der ersten Stufe der Aktivierung. So gingen beispielsweise
in Bad Schmiedeberg mit gut 100 Bürgerarbeitern im Zeitraum von November 2006
bis Juli 2007 gerade einmal vier Personen in den ersten Arbeitsmarkt ab. Für die ge-
ringe Vermittlungsquote dürfte ein ganzes Bündel von Ursachen verantwortlich sein.
Zum einen sind sämtliche Modellprojekte in strukturschwachen ländlich geprägten
Räumen angesiedelt, in denen das Angebot an Arbeitsplätzen eher dürftig ausfällt.
Zum anderen könnte es sein, dass die Bezahlung der Bürgerarbeit gemessen an den
Verdienstmöglichkeiten am Markt eher zu großzügig ausfällt. Des Weiteren ist der
Aktivierungseffekt der Bürgerarbeit „vorgelagert“. Diejenigen, die am Markt ein Ein-
kommen erzielen können, das über dem Transferbezug liegt, warten nicht, bis sie in
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Bürgerarbeit eingewiesen werden, sondern reagieren bereits vorher auf die Aktivie-
rungsstrategie. In der Bürgerarbeit landen daher vermutlich nur noch diejenigen, die
dauerhaft in der Transferabhängigkeit verbleiben, weil sie am Markt kein höheres
Einkommen erzielen können als in Bürgerarbeit. Der Erfolg des Modells kommt
demnach weniger durch die Bürgerarbeit selbst als vielmehr durch eine umfassende
Aktivierungsstrategie, bei der die Bürgerarbeit am Ende einer Kette von verschie-
denen Aktivierungsstufen steht, zustande. Der Erfolg ist also in erster Linie bei den
Personen zu suchen, die gerade nicht in der Bürgerarbeit enden, aber ohne Einfüh-
rung von Bürgerarbeit im Transferbezug verblieben wären.
Ein häufig geäußerter Vorbehalt gegenüber öffentlich geförderter Beschäftigung be-
steht in möglichen Verdrängungseffekten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Der von den
Initiatoren der Bürgerarbeit entwickelte Katalog von denkbaren Beschäftigungsfel-
dern ist nicht unbedingt geeignet, diesen Vorbehalt auszuräumen. Seitens der Regi-
onaldirektion wird jedoch ins Feld geführt, dass die eingerichteten Bürgerarbeits-
plätze ausnahmslos im Vorhinein mit Vertretern der lokalen Wirtschaft abgestimmt
wurden. Dies habe dafür gesorgt, dass seitens der lokalen Wirtschaft keine Be-
schwerden über Verdrängungseffekte vorgebracht würden.
Am Fall Bad Schmiedeberg lässt sich zeigen, dass die Aktivierungsstrategie etwa fol-
gende Ergebnisse gezeitigt hat: ungefähr ein Drittel Abgang in Beschäftigung, aktive
Maßnahmen oder Abmeldung aus dem Leistungsbezug, ein Drittel in Bürgerarbeit,
ein Drittel bleibt weiterhin arbeitslos.
Übertragbarkeit der Erfahrungen mit der Bürgerarbeit
Die vermutlich wichtigste Botschaft des Modells Bürgerarbeit lautet, dass es auch in
Regionen mit einer hohen strukturellen Arbeitslosigkeit grundsätzlich möglich ist,
eine umfassende Aktivierungsstrategie erfolgreich in die Praxis umzusetzen. Die beo-
bachteten Verhaltenseffekte stehen durchaus im Einklang mit dem, was auch bei
einer konsequenten Umsetzung des Workfare-Ansatzes zu erwarten wäre. Während
sich der Workfare-Ansatz jedoch häufig mit dem Vorbehalt „kalter Ökonomie“ kon-
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frontiert sieht, ist das Modell Bürgerarbeit in der öffentlichen Wahrnehmung eher
positiv besetzt.
Der Unterschied in der Wahrnehmung resultiert aus der vordergründigen Zielset-
zung des Modells Bürgerarbeit. Es soll darum gehen, Menschen, die auf absehbare
Zeit keine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt finden werden, eine dauerhafte Er-
werbsquelle auf der Grundlage von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung be-
reit zu stellen. In der Umsetzung unterscheidet sich die Bürgerarbeit dagegen im
Wesentlichen nur im Hinblick auf die Höhe des erzielbaren Einkommens vom Work-
fare-Ansatz. In dem Vorteil einer positiv besetzten Zielsetzung liegt allerdings
zugleich eine Gefahr. Bei einer flächendeckenden Ausweitung der Bürgerarbeit wür-
de deren explizite Zielsetzung unweigerlich eine Diskussion über die angemessene
Höhe der damit verbundenen Bezahlung auslösen. Mit der Höhe der Bezahlung
steht und fällt jedoch der Erfolg der Umsetzung. Sollte der Prozess der politischen
Entscheidungsfindung zu einer zu hohen Entgelthöhe führen, würde der potenzielle
Erfolg der Bürgerarbeit zunichte gemacht.
Schwierig zu beurteilen ist die Tatsache, dass die bisherige Umsetzung der Bürgerar-
beit relativ konfliktfrei verlaufen ist. Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich dies bei
einer Übertragung auf eine westdeutsche Großstadt in ähnlicher Weise wiederholen
würde. Insofern lassen sich aus den vorliegenden Erfahrungen wenig Lehren im Hin-
blick auf einen konstruktiven Umgang mit solchen potenziellen Konflikten ziehen.
Insgesamt können die vorliegenden Beobachtungen bei der Bürgerarbeit als ermuti-
gend betrachtet werden. Allerdings ist die Bürgerarbeit dabei stets im Kontext einer
umfassenden Aktivierungsstrategie zu sehen. Die positiven Wirkungen resultieren
nicht aus der Bürgerarbeit allein, sondern sind das Ergebnis eines Prozesses, bei
dem letztlich jeder Betroffene seinen spezifischen Beitrag zur Überwindung seiner
Arbeitslosigkeit leisten muss.
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5 Zentrale Fragen der Umsetzung von Workfare
Die Grundsatzproblematik
Workfare bedeutet die Umsetzung des Prinzips von Leistung und Gegenleistung im
Falle des Transferbezugs in der sozialen Grundsicherung. Die konsequente Umset-
zung dieses Prinzips muss dabei nicht unbedingt mit einem öffentlichen Beschäfti-
gungsangebot einhergehen. Unsere Recherchen haben gezeigt, dass Workfare in der
Praxis nur ein, wenngleich zentrales Element innerhalb eines mehrstufigen Aktivie-
rungsansatzes bildet. Die im internationalen Umfeld, aber auch im Projekt Bürger-
arbeit in Sachsen-Anhalt und Thüringen verfolgten Strategien basieren auf einem
Profiling und der anschließenden Kategorisierung von Stellensuchenden: Alle Perso-
nen, die aufgrund von Arbeitslosigkeit und Bedürftigkeit in das Transfersystem ge-
langen, werden einem Profiling hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Aufnahme einer Be-
schäftigung im Arbeitsmarkt unterzogen und in Abhängigkeit davon entweder auf
vorhandene Stellenangebote verwiesen oder in Qualifizierungsmaßnahmen bzw. be-
zuschusste Beschäftigungsverhältnisse vermittelt. Soweit eine ausreichende Markt-
nähe gegeben ist und die Personen in den Arbeitsmarkt vermittelt werden können,
ist dies die nächstliegende, effektivste und kostengünstigste Lösung.
Workfare im Sinne eines öffentlichen Arbeitsangebots ist jedoch das Instrument der
Wahl für Personen, die a) nicht ohne weiteres auf dem regulären Arbeitsmarkt ver-
mittelt werden können oder b) deren Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt auf andere
Weise nicht festgestellt werden kann. Die in der Konsequenz drohende obligatori-
sche Teilnahme an öffentlichen Arbeitsgelegenheiten hat jedoch auch mittelbare
Wirkungen in dem Sinne, dass sie zur Aufnahme auch von weniger gut entlohnten
Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt oder zum Wechsel in Qualifizierungsmaßnah-
men beiträgt. Nur jene Personen, für die keine alternative Möglichkeit zur Erzielung
eines höheren Verdienstes besteht, werden im Endeffekt auf die Arbeitsgelegenheit
angewiesen sein. Die Androhung von Workfare-Jobs führt jedoch dazu, dass die Ak-
zeptanz von gering entlohnten Jobs im regulären Arbeitsmarkt steigt. Es geht dabei
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nicht darum, das Lohnniveau bereits vorhandener Jobs zu senken, sondern darum,
einfache Tätigkeiten, die ansonsten als Schwarzarbeit, Eigenarbeit oder gar nicht
ausgeführt würden, zu regulären Marktjobs zu machen.
Wichtig ist dabei, jedem Arbeitsuchenden frühzeitig ein Angebot zu unterbreiten,
das nicht ohne Konsequenzen für die Transferleistung abgelehnt werden kann. Dies
wird erleichtert, wenn der Arbeitsmarkt genügend Chancen für Wiedereinstiege von
Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten bietet, was wiederum von der Einfor-
derung eigener Stellensuchbemühungen und einer hinreichenden Lohnspreizung
abhängt. In diesem Kontext haben auch Qualifizierungsmaßnahmen und Lohnkos-
tenzuschüsse ihre Berechtigung.
Was die Durchführung von Workfare-Arbeitsgelegenheiten angeht, die für einen Teil
der Stellensuchenden als Test für die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt einerseits
und als Instrument zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit andererseits vor-
gehalten werden müssen, so besteht ein grundlegendes Dilemma: auf der einen Seite
sind marktnahe Tätigkeitsfelder mit begrenzten Qualifikationsanforderungen für die
spätere Vermittlung besonders Erfolg versprechend, auf der anderen Seite sind
marktfernere Tätigkeiten unter dem Aspekt der Verminderung von Verdrängungsef-
fekten jedoch weniger problematisch. Es besteht also prinzipiell ein Zielkonflikt zwi-
schen Marktnähe und Marktferne, zwischen der Steigerung der Beschäftigungsfä-
higkeit und dem gesellschaftlichen Nutzen auf der einen und dem „Abschreckungs-
effekt“ auf der anderen Seite.
Die ausgewählten Praxisbeispiele zeigen eindrucksvoll, dass Workfare im Sinne eines
öffentlichen Beschäftigungsangebots nicht die einzige Aktivierungsstrategie sein soll-
te. Die Workfare-Option sollte vielmehr das letzte Glied in einer umfassenderen und
vorgelagerten Kette von Aktivierungsmöglichkeiten darstellen. Entscheidend ist letzt-
lich das Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Die Gegenleistung für die soziale
Unterstützung muss nicht zwangsläufig in Form von Arbeit erbracht werden. Sie
kann auch in Form von Bewerbungsaktivitäten, Weiterbildung, der Gründung einer
selbständigen Existenz und dergleichen erfolgen. Eine Gegenleistung in Form von
öffentlich geförderter Beschäftigung sollte nur dann verlangt werden, wenn das Po-
tenzial der übrigen Möglichkeiten ausgeschöpft ist.
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Mögliche Tätigkeitsfelder von Workfare
Vor der Festlegung von Tätigkeitsfeldern für Workfare-Arbeitsgelegenheiten ist zu-
nächst auf die Priorität einer Öffnung des regulären Arbeitsmarktes hinzuweisen. Je
mehr Tätigkeiten, auch einfache Dienstleistungen mit begrenzten Qualifikationsan-
forderungen, auf dem ersten Arbeitsmarkt – evtl. auch begleitet von befristeten Ein-
gliederungszuschüssen oder Qualifizierungsmaßnahmen – realisiert werden können,
umso mehr können Stellensuchende auf entsprechende Angebote verwiesen werden
und umso geringer fällt die Notwendigkeit aus, im öffentlichen oder öffentlich or-
ganisierten Bereich ähnliche Arbeitsangebote bereit zu halten. Diese Überlegung
spricht für eine weitgehende Öffnung des regulären Arbeitsmarktes durch die Ver-
meidung von Einstiegsbarrieren wie verbindlichen Mindestlöhnen. Gleichzeitig kön-
nen vorgelagerte Qualifizierungsmaßnahmen einen Teil der Stellensuchenden auf
Tätigkeiten in diesem Bereich vorbereiten.
Für den Teil der Arbeitsuchenden aber, die aufgrund von schwer wiegenden Ein-
schränkungen der Beschäftigungsfähigkeit oder aufgrund von Motivationsproble-
men keinen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt finden, sind mögliche Tätigkeitsfel-
der für öffentliche Workfare-Arbeitsangebote zu identifizieren. Hier lassen sich zwei
Varianten erkennen:
1. Workfare-Angebote, bei denen eine produktive und qualifizierende Tätigkeit nur
von nachrangiger Bedeutung ist und somit allenfalls eine strukturierende Wir-
kung auf den Tagesablauf und damit mittelbar eine Steigerung der Beschäfti-
gungsfähigkeit angestrebt wird, ansonsten aber der „abschreckende“ Effekt im
Vordergrund steht. Dabei handelt es sich um eher „marktferne“ Tätigkeiten. In
den Niederlanden etwa wird auf solche marktfernen Beschäftigungen wie ein-
fachste quasi-industrielle Produktion abgehoben, deren Nutzen für die Gemein-
schaft oder qualifizierende Wirkung für die Teilnehmer kaum hervortritt. Aber
auch dort wird neben der abschreckenden Wirkung der öffentlichen Jobangebo-
te eine Stabilisierung der Beschäftigungsfähigkeit durch strukturierte Arbeitser-
fahrung erreicht.
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2. Workfare-Angebote, bei denen der Nutzen für die Gemeinschaft und die Ver-
mittlung von Qualifikationen durch reale und übertragbare Arbeitserfahrung
stärker hervortritt. Dies sind tendenziell anspruchsvollere und marktnähere Tä-
tigkeiten wie soziale und arbeitsintensive Dienstleistungen (Hilfen bei der Kin-
derbetreuung oder Altenpflege), Tätigkeiten zur Verbesserung des kommunalen
oder baulichen Umfeldes sowie Tätigkeiten im karitativen oder kulturellen Be-
reich. Dieses Element ist in Großbritannien und in Deutschland stärker vertre-
ten. Die tendenziell größere Marktnähe bietet jedoch ein größeres Risiko der
Verdrängung von durch den Markt organisierter Arbeit im öffentlichen oder pri-
vaten Sektor – aber auch bessere Übergangschancen in diesen.
Die genaue Definition der Tätigkeitsfelder ist in jedem Fall eine schwierige Abwä-
gung, die letztlich auch von der Zielsetzung und der Zielgruppe des Workfare-
Ansatzes sowie der Funktionsweise des regulären Arbeitsmarktes abhängt. Prinzipiell
ist es auch denkbar, die beiden Varianten parallel umzusetzen und die Teilnehmer je
nach der Art ihrer Vermittlungshemmnisse auf die Programme zu verteilen oder die-
se Optionen für eine zufällige Verteilung der Teilnehmer zu nutzen.
Öffentliche und/oder private Arbeitgeber?
Die Durchführung von Workfare-Projekten ist traditionell dem öffentlichen Bereich
oder dem dritten Sektor, d.h. gemeinnützigen Trägern, vorbehalten gewesen. Es
spricht jedoch grundsätzlich nichts gegen eine Einschaltung von privaten, gewinn-
orientierten Akteuren. Wichtiger als die Rechtsform des Trägers sind die Anreizstruk-
turen. Die öffentliche Finanzierung von Workfare-Aktivitäten aus den Mitteln der
Arbeitsmarkt- bzw. Sozialpolitik sollte nicht dazu führen, dass die Träger ein Interes-
se daran entwickeln, solche Projekte auf Dauer in größerem Umfang zu betreiben,
wie dies derzeit in Deutschland etwa bei den Ein-Euro-Jobs der Fall ist. Die Anreize
müssen vielmehr wie in den Niederlanden oder Großbritannien so ausgestaltet wer-
den, dass erfolgreiche und nachhaltig stabile Übergänge in reguläre, unsubventio-
nierte Beschäftigung belohnt werden. Dies lässt sich durch eine erfolgsabhängige
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Honorierung in Abhängigkeit von der Erreichung vorgegebener Vermittlungsziele
bewerkstelligen, wobei die Vergütungen je nach Art und Schwere der Beschäfti-
gungshemmnisse einzelner Teilnehmer differenziert werden müssen. Eine pauschale
Finanzierung wie derzeit in Deutschland setzt jedoch eindeutig die falschen Signale
und Anreize. Unabhängig davon muss die Finanzierung der Träger ausreichen, um
eine intensive Betreuung auch schwieriger Fälle zu ermöglichen.
Verträge mit den Maßnahmenträgern sollten auf Grundlage öffentlicher Ausschrei-
bungen vergeben werden, bei denen frühere Erfolgsbilanzen eine Rolle spielen. Der
Zugang zu diesem Markt sollte jedoch auch neuen Anbietern offen stehen. Öffentli-
che oder gemeinnützige Träger können zwar einen Vorsprung bei der Erfahrung im
Umgang mit der Zielgruppe und bei der Organisation geeigneter Projekte haben,
aber auch private, gewinnorientierte Akteure könnten in einem konsistenten Steue-
rungssystem die Durchführung von Workfare und flankierenden Dienstleistungen
übernehmen und innovative Projekte entwickeln. Fähigkeiten, die in einem privat-
wirtschaftlichen Arbeitsumfeld erworben werden, werden von zukünftigen Arbeit-
gebern mehr geschätzt als die durch Teilnahme an öffentlichen Arbeitsgelegenheiten
erworbenen Kenntnisse.
Wichtig ist in jedem Fall, dass die Prämien von erfolgreichen Übergängen in Arbeit
bzw. der Beendigung des Transferbezugs sowie von der Nachhaltigkeit dieser Effekte
abhängen. Nur bei der Gruppe von Langzeitarbeitslosen, die trotz des Einsatzes aller
zielführenden und von der Kostenseite her effizienten Aktivierungsinstrumente kei-
nen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, ist eine länger angelegte Bezuschussung zu
vertreten. Diese Grenze ist eng zu definieren, da ansonsten die Gefahr besteht, dass
einerseits die Träger im eigenen Interesse langfristig fortdauernde subventionierte
Beschäftigung aufbauen und andererseits die Teilnehmer ihre Bemühungen um
Aufnahme einer Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt frühzeitig einstellen.
Es ist prinzipiell möglich, dass die Träger von Workfare-Arbeitsplätzen auch Güter
oder Dienstleistungen für den Markt erstellen, etwa im Rahmen einer Dienstleis-
tungsagentur für haushaltsnahe oder personenbezogene Dienstleistungen. Soweit
potenziell marktfähige Dienstleistungen oder Produkte angeboten werden, ist für die
Abnehmer ein angemessenes Nutzerentgelt (Mindestpreis) für die Dienstleistungen
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der Workfare-Agentur vorzusehen, damit eine Unterbietung von anderen, nicht sub-
ventionierten Anbietern ausgeschlossen wird.
Größenordnung von Workfare
Eine zentrale Herausforderung von Workfare liegt in der Schaffung der zu Beginn
erforderlichen öffentlichen Arbeitsgelegenheiten, um das Workfare-Konzept als
Ausdruck des Prinzips von Leistung und Gegenleistung glaubwürdig umsetzen zu
können. Derzeit gibt es in Deutschland etwa 2,4 Mio. arbeitslos gemeldete Bezieher
von Arbeitslosengeld II. Dies ist die potenzielle Zielgruppe von Workfare.
Im Kontext einer umfassenden und systematischen Aktivierungsstrategie muss je-
doch nicht allen Langzeitarbeitslosen ein Workfare-Arbeitsplatz angeboten werden,
da ein Teil der Transferbezieher durch intensive Stellensuche auch in den regulären
Arbeitsmarkt, d.h. auf Arbeitsplätze bei privaten Arbeitgebern, wechseln kann. Ein
anderer Teil wird zunächst in Qualifizierungsmaßnahmen übergehen oder sich unter
dem Eindruck der Workfare-Drohung aus dem Leistungsbezug abmelden. Wichtig
ist deshalb, dass allen Arbeitslosen signalisiert wird, dass sie in letzter Konsequenz
mit Workfare zu rechnen haben. Dies zeigen auch die in dieser Studie dokumentier-
ten Erfahrungen im In- und Ausland eindrücklich. Nur für einen kleineren Teil der
Zielgruppen müssen tatsächlich Workfare-Jobs oder vergleichbare Arbeitsgelegen-
heiten vorgehalten werden, in die Arbeitslose, die nicht anderweitig abgehen, dann
tatsächlich vermittelt werden.
Der Umfang öffentlicher Arbeitsgelegenheiten zwecks Umsetzung von Workfare
hängt von der Anpassungsgeschwindigkeit des Arbeitsmarktes und der Mobilisie-
rung von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage nach unsubventionierten Niedrig-
lohnarbeitsplätzen ab. Dies wiederum wird davon beeinflusst, inwieweit Lohnflexibi-
lität gegeben ist oder erhalten bleibt, so dass entsprechende einfache Arbeitsplätze
im privaten Sektor entstehen und besetzt werden können. Die Umsetzung von
Workfare kann zu einem großen Teil erleichtert werden, wenn wie in den USA,
Großbritannien und den Niederlanden der reguläre Arbeitsmarkt Arbeitsangebote
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für aktivierte Langzeitarbeitslose und Personen mit geringen Qualifikationen bietet.
Je besser der Arbeitsmarkt in dieser Hinsicht funktioniert, desto geringer fällt der
Bedarf an öffentlich subventionierten oder vollständig finanzierten Arbeitsgelegen-
heiten aus.
Dauerhaft wird eine öffentliche Arbeitsgelegenheit nur für den Teil der langzeitar-
beitslosen Transferbezieher notwendig sein, die trotz Aktivierung keinen Arbeitsplatz
finden, der eine Entlohnung bietet, die zur Beendigung des Transferbezugs aus-
reicht. Nach Schätzungen des IZA dürfte es sich dabei um eine Größenordnung von
knapp 500.000 Personen handeln (Bonin/Schneider 2007).
Dies ist mit den bereits vorhandenen Formen öffentlicher Beschäftigungsangebote
abzugleichen. Im Oktober 2007 befanden sich im Rechtskreis des SGB II 32.000
Personen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und 322.000 in Arbeitsgelegenheiten.
Hinzu kommen die zusätzlichen Beschäftigungsprogramme für schwer vermittelbare
Langzeitarbeitslose und Jugendliche sowie der so genannte „Kommunal-Kombi“.
Die Größenordnung des Segments vollständig öffentlich finanzierter Jobs entspricht
damit schon weitgehend dem geschätzten dauerhaft benötigten Bestand an Ar-
beitsgelegenheiten im Workfare-Modell.
Hinzu kommen aber noch die Fälle, die in einer dynamischen Betrachtung monat-
lich neu zu Langzeitarbeitslosen werden. Pro Monat treten etwas mehr als 300.000
Personen in das SGB II ein. Allerdings sind nicht alle Bezieher der Grundsicherung
potenzielle Langzeitarbeitslose. Nur für letztere muss potenziell ein Workfare-Job
vorgehalten werden, weil man a priori nicht weiß, wer von ihnen am Markt kein hö-
heres Einkommen erzielen kann als in der Grundsicherung. Die Größenordnung
lässt sich nicht zuverlässig beziffern, aber es dürfte sich hier um deutlich weniger als
300.000 Personen handeln. Würden diese Maßnahmen hinreichend kurz und flexi-
bel ausgestaltet, so könnte ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen im Laufe weniger
Monate mit einem zeitlich befristeten Workfare-Angebot konfrontiert werden. Dazu
ist eine größere Aufstockung nicht notwendig. Dies gilt nicht nur für die Größen-
ordnung der Teilnehmerzahl, sondern auch für die Finanzierung dieser Arbeitsgele-
genheiten.
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Damit kann argumentiert werden, dass die im Status Quo vorhandene Größenord-
nung des Segments vollständig öffentlich finanzierter Jobs prinzipiell ausreichen
dürfte, um Workfare umzusetzen – vorausgesetzt, diese Jobs werden im Sinne des
Prinzips von Leistung unf Gegenleidtung konsequent gehandhabt und in eine je
nach persönlichem Profil und Zielgruppen abgestufte Aktivierungsstrategie einge-
bettet. Das theoretisch denkbare Maximum von ein bis zwei Millionen Workfare-
Jobs muss dann nicht realisiert werden. Dies relativiert oftmals geäußerte Vorbehal-
te gegen Workfare aufgrund der möglichen Verdrängungseffekte einer sehr großen
Zahl öffentlicher Arbeitsgelegenheiten.
Vergütung von Workfare
Was das Entgelt für die Tätigkeit in Workfare-Maßnahmen angeht, so kann der Be-
zug von Transferleistungen samt einer bescheidenen Aufwandsentschädigung als
ausreichende Honorierung angesehen werden. Workfare-Tätigkeiten stellen ja die
Gegenleistung für den Bezug der Sozialtransfers dar. In diesem Sinne sollte es sich
konzeptionell um „Null-Euro-Jobs“ handeln, die allenfalls eine Mehraufwandspau-
schale zur Abgeltung der mit der Arbeitstätigkeit verbundenen Zusatzkosten umfas-
sen. Eine höhere Entlohnung, die sich an tariflichen oder ortsüblichen Standards
orientiert, ist in dieser Hinsicht nicht sinnvoll, da dies Anreize setzt, im Workfare-
Programm zu verbleiben, anstatt eine Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt zu su-
chen. Die Vermittlung in nicht öffentlich bezahlte oder subventionierte Jobs ist e-
benso zentral wie die „abschreckende“ Wirkung einer Workfare-Maßnahme. Von
daher muss das Entgelt bei Workfare so ausgestaltet werden, dass bereits eine
Markttätigkeit zu einem Lohnniveau knapp oberhalb der Grundsicherung attraktiv
wird. Öffentlich finanzierte Workfare-Jobs sollten grundsätzlich nicht als regulär ent-
lohntes Arbeitsverhältnis verstanden werden. Tarifliche oder ortsübliche Entlohnung
in Workfare suggeriert die Existenz eines „normalen“ Arbeitsverhältnisses und dürfte
zu einem längerfristigen Verbleib in dieser Beschäftigung beitragen. Eine tariflich
entlohnte Arbeit kann im Einzelfall über dem realistischerweise erreichbaren Niveau
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des Arbeitsentgelts liegen. Weiterhin würden tariflich entlohnte Jobs für Langzeitar-
beitslose faktisch einen Mindestlohn oberhalb der Grundsicherung fixieren.
Gleichwohl zeigen die britischen und niederländischen Beispiele, dass auch Arbeits-
verhältnisse auf dem Niveau des Mindestlohnes mit einem formalen Arbeitsvertrag
Teil einer aktivierenden Strategie sein können. Ein zentraler Vorteil eines entlohnten
Arbeitsverhältnisses liegt eben gerade darin, dass reale Arbeitstätigkeiten simuliert
bzw. ausgeübt werden und die Teilnehmer eine andere Wahrnehmung von Rechten
und Pflichten in Analogie zu normalen Arbeitsverhältnissen („Arbeiten für Geld“)
erlernen. So lässt sich mit entlohnten Beschäftigungsverhältnissen eine höhere Ak-
zeptanz von Sanktionen etwa bei unentschuldigter Abwesenheit erreichen (z.B.
Lohnabzüge für versäumte Arbeitsstunden).
Beide Argumente zusammen genommen sprechen dafür, zu prüfen, ob Workfare-
Jobs nicht als formale Arbeitsverhältnisse mit einer Entlohnung in Höhe der Grund-
sicherung konzipiert werden, um somit sowohl einen niedrigen Anspruchslohn zu
erhalten als auch die Logik des Arbeitsvertrages zu realisieren. Dies ist auch insofern
wichtig als damit die Sanktionskompetenz für Fehlzeiten direkt auf den Arbeitgeber
übergeht, während sie bislang im Regelfall bei der Sozialbehörde verbleibt. Letzteres
wirkt sich negativ auf die Glaubwürdigkeit des Sanktionsprinzips aus, weil die Sach-
bearbeiter bei den Sozialbehörden dazu neigen, im Interesse der eigenen Arbeitsbe-
lastung mit Sanktionen zurückhaltend umzugehen.
Effekte auf öffentliche Haushalte und Gesamtwirtschaft
Die dargestellten Erfahrungen und die bereits vorliegenden Simulationsrechnungen
zu Workfare zeigen, dass diese Strategie zu einer Entlastung der öffentlichen Haus-
halte durch Abgänge aus dem Transferbezug führt. Nachfolgend wird am Beispiel
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des Konzeptes für existenzsichernde Beschäftigung des BMWi die Größenordnung
der möglichen Einsparungen verdeutlicht.7
Tabelle 3: Simulierte fiskalische Wirkungen des Konzeptes für existenzsichernde
Beschäftigung
(1) Unmittelbare
Wirkung: konstante
Beschäftigung
(2)
Beschäfti-gungseffekt
(1) + (2) Mittelbare Wirkung:
veränderte Beschäftigung
Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 0,0 2,8 2,8 Beiträge zur GRV 0,0 5,4 5,4 Beiträge zur ALV 0,0 1,1 1,1 Beiträge zur GKV und GPV 0,0 4,5 4,5 Arbeitgeberpauschale Minijobs 0,0 0,0 0,0
Einnahmen insgesamt 0,0 13,9 13,9
Arbeitslosengeld I 0,0 – 0,2 – 0,2 Arbeitslosengeld II – 3,2 – 9,1 – 12,3 Wohngeld 0,7 0,3 1,0
Ausgaben insgesamt – 2,4 – 9,1 – 11,5
Saldo Einnahmen-Ausgaben 2,4 23,0 25,4
Quelle: Bonin/Schneider 2007. Anmerkung: Veränderungen gegenüber dem Rechtsstand 2007. Angaben in Mrd. Euro (gerundet).
Tabelle 3 zeigt die unmittelbaren und mittelbaren fiskalischen Wirkungen des Kon-
zepts für existenzsichernde Beschäftigung nach einzelnen Einnahmen- und Ausga-
bengrößen. Sieht man zunächst von den Wirkungen möglicher Änderungen im Ar-
beitsangebot ab, so ergibt sich durch diese Reform eine unmittelbare Ausgaben-
minderung von 2,4 Mrd. Euro jährlich. Die Ausgaben für das Arbeitslosengeld I
bleiben unberührt. Es sinken aber aufgrund verschärfter Aufstockungsregeln die
Ausgaben für die soziale Grundsicherung bzw. das Arbeitslosengeld II um 3,2 Mrd.
Euro pro Jahr. Gleichzeitig wird jedoch die Inanspruchnahme von Wohngeld für
manche Hilfeempfänger mit Erwerbseinkommen günstiger als die Erstattung der
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Kosten der Unterkunft gemäß SGB II. So steigen die Aufwendungen für Wohngeld
um 0,7 Mrd. Euro jährlich. Dies entspricht etwa einer Verdopplung der derzeitigen
Ausgaben.
Die mittelbaren, d.h. die potenziellen langfristigen fiskalischen Effekte beruhen auf
der Voraussetzung, dass sich die simulierten Änderungen im Arbeitsangebot voll-
ständig in Beschäftigung umsetzen.8 Insgesamt wird geschätzt, dass rund 1,4 Milli-
onen Personen zusätzlich Arbeit anbieten. Da kurze Arbeitszeiten im Konzept für
existenzsichernde Beschäftigung vergleichsweise unattraktiv werden, ist ein reduzier-
tes Arbeitsangebot unterhalb von 30 Stunden und eine Ausweitung des Arbeitsan-
gebotes oberhalb von 30 Stunden zu beobachten. In Vollzeitäquivalenten fällt daher
der simulierte Zuwachs des Arbeitsangebots mit 1,389 Millionen nur unwesentlich
kleiner aus als der Teilnahmeeffekt von 1,405 Millionen Personen. Es werden dem-
zufolge kaum strategische Anpassungsreaktionen erzeugt. Nur sehr wenige der neu
auf den Arbeitsmarkt tretenden Personen nehmen die Möglichkeit wahr, geringfügig
zu arbeiten und ein nicht existenzsicherndes Einkommen auf das Niveau der sozialen
Grundsicherung aufzustocken.9 Wegen dieser starken Ausweitung des Arbeitsange-
bots kommt es zu einer deutlichen Verbesserung der öffentlichen Haushalte. Die mit
der Beschäftigungsanpassung verbundenen zusätzlichen Einnahmen liegen im Saldo
bei 23,0 Mrd. Euro jährlich.
Auf der Einnahmenseite entfällt der überwiegende Teil der zusätzlichen Einnahmen
von 13,3 Mrd. Euro auf die Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen. Die
zusätzlichen Einnahmen aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe
von 2,8 Mrd. Euro sind vergleichsweise gering, da in erster Linie Geringqualifizierte
in Beschäftigung gebracht werden, deren niedrige Einkommen nur mit einem gerin-
gen Durchschnittssteuersatz belegt sind. Auf der Ausgabenseite steigt durch Anpas-
sung der Beschäftigung der Aufwand für Wohngeld um weitere 0,3 Mrd. Euro. Das
Wohngeld erhält also wieder substanzielle Bedeutung. Der Grund hierfür sind die
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verschlechterten Hinzuverdienstmöglichkeiten, die das großzügiger kalkulierte
Wohngeld im unteren Einkommensbereich gegenüber Leistungen nach SGB II att-
raktiver machen. Der Zuwachs beim Wohngeld ist insoweit bedeutsam, als dass die
Träger der Kosten der Unterkunft nach SGB II und die des Wohngelds nicht ganz
identisch sind. Die Träger der sozialen Grundsicherung werden um 12,3 Mrd. ent-
lastet. Geringe Minderausgaben fallen auch im Bereich des Arbeitslosengeldes I an.
Insgesamt ergeben die beispielhaften Simulationsrechnungen für das Konzept für
existenzsichernde Beschäftigung eine Ausweitung des Arbeitsangebotes um rund 1,4
Millionen Personen. Unter der Voraussetzung, dass sich diese Angebotsausweitung
vollständig in Beschäftigung umsetzt, könnten auf diese Weise die öffentlichen
Haushalte um rund 25 Mrd. Euro jährlich entlastet werden. Es zeigt sich hier, dass
ein Workfare-Konzept weitaus wirksamer ist als andere aktuell diskutierte Konzepte
zur Belebung des Niedriglohn-Sektors in Deutschland.
Inwiefern sich das quantitative Potenzial der Workfare-Strategie in der Praxis reali-
sieren lässt, ist auf der Grundlage der Fallbeispiele nur schwer zu beurteilen. Der et-
wa in den Niederlanden oder Großbritannien zu Tage tretende Erfolg relativiert sich
beträchtlich, wenn berücksichtigt wird, dass dort ein erheblicher Teil der potenziel-
len Klientel unter die Regelungen der Erwerbsunfähigkeitsrente fällt und somit von
vorneherein für eine Aktivierungsstrategie nicht zugänglich ist. In Deutschland hin-
gegen besteht im SGB II eine besonders breite und ambitionierte Abgrenzung der
Zielgruppe (Konle-Seidl/Lang 2006), so dass Personen, die in den Niederlanden o-
der Großbritannien als erwerbsunfähig eingestuft würden, in Deutschland noch zum
Kreis der zu aktivierenden Leistungsbezieher zählen. Eine verschärfte Anwendung des
Prinzips von Leistung und Gegenleistung könnte mittelfristig auch in Deutschland
dazu führen, dass die Inanspruchnahme der Erwerbsunfähigkeitsrente steigt, um
sich den Zumutungen der Grundsicherung zu entziehen. In dem Maße wie dies der
Fall wäre, würde die Reichweite von Workfare geschmälert. Das Beispiel Bürgerar-
beit in Sachsen-Anhalt und Thüringen liefert in dieser Hinsicht zwar bislang keine
Indizien, doch lassen sich die Erfahrungen dort nicht ohne Weiteres auf die Verhält-
nisse in Großstädten übertragen. Es wäre daher äußerst hilfreich, wenn das Konzept
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der Bürgerarbeit im Rahmen eines kontrollierten Experiments mit zeitlicher Begren-
zung in einer oder mehreren Großstädten eingeführt werden könnte.
Zu beachten ist schließlich auch, dass in der Einführungsphase mit einem Mehrauf-
wand für das Profiling, die intensive Betreuung und Vermittlung der Teilnehmer so-
wie die Organisation von Workfare zu rechnen ist.
Verdrängungseffekte
Ein zentraler Punkt der Umsetzung von Workfare ist die Verminderung von Verdrän-
gungseffekten gegenüber anderen Arbeitsplätzen im privaten oder öffentlichen Sek-
tor. Dies ist zunächst eine Frage der Größenordnung von Workfare-
Arbeitsgelegenheiten. Je größer der Kreis der zu aktivierenden Personen und je weni-
ger aufnahmefähig der reguläre Arbeitsmarkt ist, umso mehr Workfare-Jobs werden
benötigt und umso mehr werden potenzielle Verdrängungswirkungen zum Tragen
kommen.
Die Verminderung von Verdrängungseffekten hängt davon ab, inwieweit es gelingt,
Tätigkeitsfelder zu identifizieren, bei denen kaum über den Markt organisierte Arbeit
gefährdet wird. Dies spricht für relativ „marktferne“ Tätigkeiten – zumal im Workfa-
re-Modell die Art der Tätigkeit zunächst von nachrangiger Bedeutung ist. Im Vor-
dergrund steht das Prinzip, durch die Einforderung einer Gegenleistung Lohnange-
bote oberhalb der Grundsicherung attraktiv zu machen. Dies steht nicht im Wider-
spruch zu dem Ziel einer Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit von Beziehern der
Grundsicherung, soweit eine Strukturierung des Tagesablaufs erreicht wird. Im Üb-
rigen erfüllt auch ein intensives Bewerbungstraining oder der Besuch von Informati-
onsveranstaltungen das Kriterium der Gegenleistung. Für Personen, bei denen zu
erwarten ist, dass qualifizierende Elemente von essenzieller Bedeutung sind, um den
Abgang aus der Grundsicherung zu beschleunigen, sind Aktivierungsmaßnahmen als
Bildungsmaßnahmen auszugestalten. Auch dies vermindert die Konkurrenz mit re-
gulärerer Beschäftigung.
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Gleichwohl ist im Zuge der Umsetzung von Workfare auch für öffentliche Arbeitsge-
legenheiten zu sorgen, bei denen die Verdrängung regulärer Beschäftigung im priva-
ten und öffentlichen Sektor so gering wie möglich ausfallen muss. Alle bislang prak-
tizierten Ansätze von Workfare, Bürgerarbeit, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und
Ein-Euro-Jobs weisen vom Tätigkeitsprofil her deutliche Ähnlichkeiten auf. Dies be-
deutet konkret Tätigkeiten wie etwa Hilfen bei Seniorenpflege, Dienstleistungen im
außerschulischen Bereich, einfache Dienstleistungen im kommunalen Bereich, für
Vereine oder Kirchen etc. Hier bewegt man sich in jedem Fall auf einem schmalen
Grat. Zumindest für einen Teil dieser Tätigkeiten ist potenziell auch eine Organisati-
on auf dem regulären Arbeitsmarkt oder im Rahmen „normaler“ öffentlicher Be-
schäftigung denkbar, so dass es prinzipiell zu Verdrängungsbeziehungen kommen
kann. Aus Sicht des Workfare-Gedankens dürfen diese Tätigkeiten nicht „zu attrak-
tiv“ sein, aus Sicht einer möglicherweise längerfristigen Tätigkeit nicht vermittelbarer
Langzeitarbeitsloser ist ein – wenngleich begrenzter – gemeinnütziger Beitrag wün-
schenswert.
Bei der Diskussion über potenzielle Verdrängungseffekte einer intensiveren Umset-
zung von Workfare ist zu beachten, dass es bereits im Status Quo auf Grund der E-
xistenz des Sozialleistungssystems zu einer erheblichen Verdrängung regulärer Be-
schäftigung kommt. Auch gegenwärtig bestehen erhebliche dieser Effekte zulasten
unsubventionierter Arbeit durch arbeitsmarktpolitische Interventionen:
1. durch die Bezuschussung niedrig entlohnter Arbeitsplätze in Voll- und Teil-
zeit durch Aufstockung im Rahmen der Grundsicherung oder Kombination
mit anderen Einkommen;
2. durch schattenwirtschaftliche Aktivitäten von Transferbeziehern und anderen
Personen;
3. durch bereits praktizierte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Ein-Euro-
Jobs;
4. durch die angekündigte Ausweitung öffentlich finanzierter Beschäftigung für
schwer vermittelbare Arbeitslose.
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Ein intensiveres Workfare auf Vollzeitbasis wird zu einem Rückgang der Verdrängung
regulärer Beschäftigung durch die genannten Programme führen. Insofern muss hier
stets eine Saldierung erfolgen.
Daneben ist eine Verlagerung von Einfach-Jobs in Billiglohnländer zu beobachten,
weil sie hierzulande nicht rentabel angeboten werden können. Zu Löhnen, zu denen
sie sich rentieren, finden sich keine Arbeitnehmer, und Löhne, zu denen sich Arbeiter
fänden, rentieren sie sich nicht. Aus dem gleichen Grund findet Verdrängung in
Form einer beschleunigten Substitution von Arbeit durch Kapital statt. Beides ist
allerdings schwer zu messen.
Abstufung nach Zielgruppen
Generell gilt, dass Workfare in einem abgestuften Aktivierungsmodell nur in be-
grenztem Umfang tatsächlich eingesetzt werden muss, um die Drohung mit der
wahrscheinlichen Heranziehung zu einer Aktivierungsmaßnahme für alle Transferbe-
zieher glaubwürdig zu halten. Dies vermindert bereits potenzielle Verdrängungseffek-
te und den administrativen Aufwand für Workfare.
Daneben ist auch eine Differenzierung nach Zielgruppen denkbar, um mögliche
Umsetzungsprobleme und Verdrängungseffekte gering zu halten. Hier bieten sich
folgende Strategien an:
1. Workfare für Jugendliche (in Verbindung mit Qualifizierung);
2. Workfare schwerpunktmäßig zunächst für Langzeitarbeitslose mit erkennba-
re Motivationsproblemen, aber ansonsten relativ guten Arbeitsmarktchan-
cen;
3. Workfare in Regionen mit vergleichsweise aufnahmefähigem Arbeitsmarkt.
Positive Beispiele für einzelne Regionen oder Personengruppen wirken sich im Übri-
gen günstig auf die Akzeptanz von Workfare aus und erleichtern die Begründung
einer schrittweisen Ausdehnung. Zielgruppenbezogene Projekte haben auch den
Vorteil, dass sie besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtet werden kön-
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nen. Auch kann das Vorhaben so mit der Zeit komplexer werden, da die ersten
Gruppen weniger intensive Eingriffe nötig haben werden. Daher böte es sich an, zu-
nächst leichtere Zielgruppen in Workfare einzubeziehen und es danach auf schwieri-
ger gelagerte Fälle auszudehnen. Diese Tendenz lässt sich etwa in den Niederlanden
und Großbritannien derzeit beobachten. Dabei ist auch wichtig, je nach Zielgruppe
geeignete Programme zu entwickeln, etwa in Kombination mit den jeweils am meis-
ten Erfolg versprechenden Qualifizierungselementen. Dies spielt vor allem bei jünge-
ren Erwerbslosen eine wichtige Rolle.
Kommunikation und Vermittlung von Workfare
In der deutschen Politik und Öffentlichkeit bestehen weit verbreitete Vorbehalte ge-
gen das Prinzip konsequenter Aktivierung und des Einforderns von Eigenbemühun-
gen sowie der Annahme auch gering entlohnter Arbeit knapp oberhalb der Grundsi-
cherung. Dies drückt sich auch in den jüngsten Tendenzen zur Abschwächung der
Maxime des „Förderns und Forderns“ durch die Ausweitung des „Dritten Arbeits-
marktes“, die großzügigere Gestaltung von Transferleistungen und die Bemühungen
um Mindestlöhne aus. Für Workfare muss deshalb aktiv geworben werden, um die
Akzeptanz dieser Strategie zu steigern. Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung
im Sozialstaat ist in Deutschland weniger akzeptiert als in den Niederlanden, Groß-
britannien oder den USA. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass in diesen drei Län-
dern Aktivierungspolitik nicht nur über negative Sanktionen und Zwang kommuni-
ziert, sondern auch mit positiven Erträgen und Qualifikationselementen begründet
wird.
Zunächst steht die Politik in Deutschland in der Pflicht, die normativen Grundlagen
des Sozialstaates und der Grundprinzipien des Arbeitslosengeldes II offensiv zu ver-
treten (Eichhorst/Sesselmeier 2006). Aufbauend auf den wissenschaftlichen Er-
kenntnissen über die Wahrnehmung von Gerechtigkeit in kleinen Gruppen bzw. in
Laborexperimenten könnte hier auf Prinzipien der Gerechtigkeit zwischen Steuer-
und Beitragszahlern und Transferbeziehern verwiesen werden (Bonin/Falk/Schneider
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2007). Laborexperimente zeigen, dass das Prinzip der Gegenleistung für den Bezug
eines Sozialtransfers grundsätzlich als gerecht akzeptiert wird. Das Prinzip der Ge-
genleistung und des Einforderns von Eigenbemühungen, um die Transferabhängig-
keit zu beenden, ist auch eine Maxime des bestehenden Systems der sozialen Absi-
cherung bei Arbeitslosigkeit. Hierauf kann in der Argumentation offensiv aufgebaut
werden. International vergleichende Studien zeigen, dass die Definition von Gerech-
tigkeitsprinzipien und der Verweis auf etablierte Grundannahmen wichtig sind für
die Akzeptanz von Arbeitsmarktreformen.
Auch kann der Hinweis auf positive Effekte einer Teilnahme an öffentlichen Arbeits-
gelegenheiten auf verpflichtender Basis helfen, die Akzeptanz von Workfare zu stei-
gern, z.B. durch Veranschaulichung von Beispielen der sozialen Stabilisierung, der
Wiederherstellung von Beschäftigungsfähigkeit und der Heranführung an den regu-
lären Arbeitsmarkt (vgl. die mediale Vermittlung des Modells Bürgerarbeit). Ein wei-
terer Nebeneffekt liegt in den für die lokale Gemeinschaft sinnvollen Tätigkeiten der
Teilnehmer von Bürgerarbeit oder etwa auch den britischen ILM.
Workfare, erprobt durch regionale Initiativen und konkretisiert an Einzelfällen, imp-
liziert Übergänge in reguläre, unsubventionierte Beschäftigung, die sich für eine po-
sitive mediale Vermittlung eignen. Bekannt ist, dass selbst gering entlohnte Erwerbs-
tätige zufriedener sind als Arbeitslose und darüber hinaus mit besseren Aufstiegs-
chancen rechnen können.
In diesem Zusammenhang kann auch darauf verwiesen werden, dass Einstiegschan-
cen für Langzeitarbeitslose davon abhängen, ob der Arbeitsmarkt für Personen mit
geringer oder durch längere Arbeitslosigkeit entwerterer Qualifikation offen bleibt,
d.h. ob ein hoher Mindestlohn hier kontraproduktiv wirken würde. Wenn gezeigt
werden kann, dass auch einfache Arbeit entstehen kann und dass diese zu einer
Verbesserung von Einkommen und Lebenszufriedenheit führt, dann dürfte auch die
Akzeptanz von Aktivierung und Workfare zunehmen.
Ihr dient es weiterhin, wenn geeignete Qualifizierungselemente einbezogen werden,
um die Chancen auf einen beruflichen Aufstieg und stabile Beschäftigung zu verbes-
sern. Einer der Hauptkritikpunkte an der Aktivierung liegt ja in dem Vorwurf, Ar-
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beitslose würden in gering entlohnte und perspektivlose Jobs „gezwungen“, was ü-
ber kurz oder lang zu einer Rückkehr in den Transferbezug führen würde. Mit sinn-
voll fördernden Maßnahmen, welche die Chance auf eine Stabilisierung der Er-
werbstätigkeit bzw. auf den Übergang in höher entlohnte Tätigkeiten verbessern,
kann dieser Argumentation begegnet werden. Eine Kombination mit positiv besetz-
ten Maßnahmen ist nicht nur ökonomisch effizient, sondern auch für die Akzeptanz
von Workfare hilfreich. Beispielhaft zeigt sich dies an der niederländischen Politik
des „work first“.
Ausblick: Workfare, subventionierte Beschäftigung oder „sozialer Arbeitsmarkt“?
Das Prinzip des Workfare zielt darauf ab, durch die Verpflichtung zu einer Gegen-
leistung für den Bezug von Transferleistungen möglichst viele Transferbezieher dazu
zu bringen, eine unsubventionierte Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt
anzunehmen. Dies wird nach den verfügbaren Simulationen auch für einen großen
Teil der Zielgruppe möglich sein. Gleichwohl ist zu erwarten, dass ein kleinerer Teil
der Bezieher von Grundsicherung auf Grund schwerwiegender Vermittlungshemm-
nisse und Qualifikationsdefiziten nicht die Produktivität erreicht, die notwendig ist,
um einen Lohn zu erzielen, der zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit ausreicht. Für
diesen Personenkreis ist eine dauerhafte öffentliche Beschäftigung erforderlich.
Dies bedeutet auf den ersten Blick eine Parallele zu den derzeit diskutierten Model-
len eines öffentlichen Beschäftigungssektors für schwer vermittelbare Arbeitslose.
Der Hauptunterschied zwischen Workfare und diesem Ansatz liegt jedoch darin,
dass die neuen öffentlichen Beschäftigungsangebote tariflich bzw. ortsüblich ent-
lohnt werden sollen, also zum Teil weit über die Gewährung von Grundsicherung
oder Mehraufwandsentschädigung im Rahmen von „Ein-Euro-Jobs“ hinausgehen. Je
höher die Entlohnung im öffentlich finanzierten Job, umso geringer der mobilisie-
rende und aktivierende Effekt in Richtung des regulären, unsubventionierten Ar-
beitsmarktes.
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Mit einer tariflichen bzw. ortsüblichen Entlohnung und der Etablierung eines sozial-
versicherten und prinzipiell dauerhaften Arbeitsverhältnisses suggeriert der öffentli-
che Beschäftigungssektor überdies das Bestehen eines regulären Arbeitsplatzes. Dies
macht andere Angebote im Niedriglohnsektor für die Zielgruppe unattraktiv und
höhlt das beschäftigungspolitische Potenzial der Aktivierung aus. Wenn (potenziell)
Langzeitarbeitslose auf eine langfristig angelegte und tariflich entlohnte Beschäfti-
gung im öffentlichen Sektor hoffen können, werden sie nicht mehr bereit sein, ande-
re, im Einzelfall auch untertariflich entlohnte Beschäftigung anzunehmen. Die Inten-
sität der Arbeitssuche wird dementsprechend geringer ausfallen. Damit wird der
langfristige Verbleib in Transferbezug bzw. öffentlicher Beschäftigung wahrscheinli-
cher – mit allen Konsequenzen für die öffentlichen Haushalte. Schließlich stellt die
tariflich entlohnte Ersatzbeschäftigung auch einen Mindestlohn für Langzeitarbeit-
lose dar, so dass die Lohnflexibilität am unteren Ende der Entgeltskala beschnitten
wird. Das wird die Entstehung von Arbeitsangebot und –nachfrage im gering ent-
lohnten Bereich bremsen.
Auch neue Formen des Kombilohns mit Kinderzuschlag unterlaufen Workfare und
machen die Kombination von Erwerbstätigkeit mit Sozialleistungen attraktiv. Sie
setzen damit Anreize für Teilzeittätigkeiten und ermöglichen es so, sich einer Aktivie-
rung über Workfare auf Vollzeitbasis zu entziehen. Dies läuft dem Prinzip des Work-
fare zuwider. Die bislang vorliegenden Erfahrungen mit dem impliziten Kombilohn
des Hinzuverdienstes im SGB II zeigen, dass solche Kombilohnmodelle oberhalb der
Grundsicherung nicht zielführend sind, da mit Mehrausgaben und vermindertem
Abgang in nicht subventionierte Tätigkeiten zu rechnen ist.
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