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Das ACD-Wiki 1999 beschwerten sich die Fantas- tischen Vier 1 lautstark über den deutschen Abkürzungswahn und füllten einen kompletten Song nur mit uns permanent um- gebenden Abkürzungen. Mit „… BSE, HIV und DRK, GbR, GmbH – ihr könnt mich mal“ wurde klargestellt, dass nicht nur die deutsche Sprache bis- weilen dazu neigt, eher zu nerven, als Informationen zu vermitteln. In der Softwarebranche und im Bereich der Callcenter heißt es dementsprechend: ASR, BHCA, BHCC, IVR, LDT, PEP, TTS, AHT, FCR, KVP, KPI … Na, kommen Sie noch mit? Greifen wir uns mal einen kleinen Bereich heraus, den der Telefonanlagen (ACD, jaja, auch eine Abkürzung), und lassen einen Profi die Buchstaben erklären, die sie beim ACD-Shopping beherrschen sollten. Thomas Neuendorf, Sales Manager bei der WTG communication GmbH, kennt sie alle. … Und jetzt bitte nochmal langsam! 1 Die Fantastischen Vier: Kurz Fanta4, deutsche Hip-Hop-Band, die seit den frühen 1990er-Jahren als Vorreiter des deutschen Sprechgesangs gilt und damit bis heute große Erfolge feiert. HARDWARE / SOFTWARE 22 03/18

… Und jetzt bitte nochmal langsam! · IVR, LDT, PEP, TTS, AHT, FCR, KVP, KPI … Na, kommen Sie noch mit? Greifen wir uns mal einen kleinen Bereich heraus, den der Telefonanlagen

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Das ACD-Wiki

1999 beschwerten s ich d ie Fantas-t ischen Vier1 lautstark über den

deutschen Abkürzungswahn und fü l l ten e inen kompletten Song nur mit uns permanent um-gebenden Abkürzungen. Mit „… BSE, HIV und DRK, GbR, GmbH – ihr könnt mich mal“

wurde k largeste l l t , dass n icht nur d ie deutsche Sprache bis-

wei len dazu neigt , eher zu nerven, a ls Informat ionen zu vermit te ln. In

der Softwarebranche und im Bere ich der Cal lcenter heißt es dementsprechend: ASR, BHCA, BHCC, IVR, LDT, PEP, TTS, AHT, FCR, KVP, KPI … Na, kommen Sie noch mit? Gre i fen wir uns mal e inen k le inen Bere ich heraus, den der Te lefonanlagen (ACD, ja ja, auch e ine Abkürzung) , und lassen e inen Prof i d ie Buchstaben erk lären, d ie s ie beim ACD-Shopping beherrschen sol l ten. Thomas Neuendorf, Sa les Manager bei der WTG communicat ion GmbH, kennt s ie a l le.

… Und jetzt bitte nochmal

langsam!

1 Die Fantastischen Vier: Kurz Fanta4, deutsche Hip-Hop-Band, die seit den frühen 1990er-Jahren als Vorreiter des deutschen Sprechgesangs gilt und damit bis heute große Erfolge feiert.

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ASR – das neue „Must-have“

ASR steht für Automatic Speech Recognition und heißt so viel wie „automatische Spracherkennung“. Ein klas-sisches Einsatzszenario ist der automatische Telefon-empfang für ankommende Anrufe ohne Einsatz von Menschen. Hier nennt der Anrufer sein Anliegen oder seinen gewünschten Gesprächspartner, die Spracher-kennungssoftware verarbeitet die gesprochenen Worte und bereitet diese innerhalb der Contactcenter-Lösung auf, um den Anrufer qualifiziert an sein gewünschtes Ziel zu bringen. Die Spracherkennungssoftware ist in der Regel auch multilingual in vielen Systemen (siehe auch „IVR“) einsetzbar. Während man vor 20 Jahren die ersten Schritte in diesem Bereich getan hat, ist die heu-tige Software ausgereift und problemlos einsetzbar. Die „automatische Spracherkennung“ hat aber noch immer in vielen Unternehmen einen schlechten Stand. Dabei ist das Einsatzgebiet so vielfältig! So können beispiels-weise Gemeinschaftsarztpraxen ihr Anrufaufkommen durch eine IVR mit ASR im Bereich der Terminver-einbarung deutlich reduzieren. Ähnliches gilt für Zim-merbuchungen bei Tourismusverbänden. Und auch da-rüber hinaus hat die „automatische Spracherkennung“ den Weg zu fast jedem von uns gefunden: Siri, Alexa und Co. sind auf dem Vormarsch und werden vielleicht schon bald eine führende Rolle im Bereich der Contact-center-Lösungen spielen.

BHCA/BHCC – überschätzte Pferdestärken

BHCA und BHCC stehen für Busy Hour Call Attempts und Busy Hour Call Completions. Ersteres beschreibt die Anzahl der Anrufversuche in genau der Stun-de, die die höchste Belastung im Callcenter aufweist, und Letzteres die Anzahl der erfolgreich vermittelten Anrufe in eben dieser Stunde. Beides sind Werte, die die Leistungsfähigkeit einer Call- bzw. Contactcenter-Lösung darstellen sollen. Oftmals werden diese Werte von Analysten verglichen, um einen Leistungscheck zwischen den einzelnen Herstellern zu machen – eine Art „PS-Vergleich“. Dennoch sollte diesen Werten kein zu großes Gewicht beigemessen werden. Alle am Markt aktiven Hersteller von Contactcenter-Lösungen weisen inzwischen genug PS auf, um fast alle Mindestanfor-derungen dieser Messgrößen zu meistern. Es ist zwar gut, wenn die PS-Zahl im Motor stimmt, dennoch ge-hört noch deutlich mehr zu einem perfekten Auto. In der Vergangenheit wurden wir oft durch freie Berater auf dieses Thema angesprochen und sehen diese Para-meterabfrage auch immer mal wieder in öffentlichen Ausschreibungen. Das zeigt uns, dass hier oftmals mit der Angst des Endkunden gespielt wird, sich eventuell für ein „falsches“, nicht so leistungsstarkes Contactcen-ter (mit zu wenig PS) zu entscheiden. Aus meiner Sicht sind BHCA und BHCC also zwei von vielen Faktoren, aber nicht die entscheidenden.

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CTI – Informationslieferant und Alles-Verbinder

CTI ist wohl eine der meistverwendeten Abkürzungen im Bereich der Telekommunikationsbranche und steht für Computer Telephony Integration. Callcenter, die CTI implementieren, nutzen ihren vorhandenen Com-puter, um Anrufe direkt aus der Datenbank heraus (hier liegen alle Informationen zum nächsten Anruf vor) zu starten, was wiederum zu erhöhter Effizienz und besse-ren Ergebnissen führt. Es muss somit heutzutage kein festes Telefon mehr auf dem Tisch stehen. Dieses war in der Vergangenheit nämlich immer ein Grund für falsch geführte Anrufe oder Fehlversuche (falsche Nummer getippt). Neben dem Beantworten und Tätigen von Anrufen ermöglicht CTI Callcenter-Agenten einen daten gesteuerten Ansatz mit Kundendienstanforde-rungen. Mit einheitlichen Informationen und erweiter-ten Steuer elementen, die direkt zur Verfügung stehen, können Outbound-Agenten produktivere, aussage-kräftigere Gespräche führen und Lösungen schneller erreichen oder Produkte schneller verkaufen. Die CTI ist oftmals auch die zentrale Schnittstelle zu anderen Diensten im Call- bzw. Contactcenter. Viele Inbound-Callcenter wiederum nutzen die CTI, um eingehende Anrufe anhand ihrer Rufnummer zu erkennen und die Anrufer persönlich zu begrüßen.

IVR – der virtuelle Türsteher

IVR steht für Interactive Voice Response, eine Technik, die es Anrufern ermöglicht, über das Telefon oder an-dere (sprachgesteuerte) Medien teil- oder vollautomati-sierte Dialoge zu führen („Für Fragen zum Vertrag drü-cken Sie bitte die 1 …“). Die IVR nimmt die Interaktion des Anrufers (Sprache oder Tastendruck) auf und setzt diese in den verschiedensten Bereichen in „Aktionen“ um. In den Anfängen der 2000er setzte sich die IVR bei vielen Kunden nur schwer durch. Die Unternehmen hatten Angst, dass ihre Kunden abspringen, wenn sie sich mit einer Maschine unterhalten und sie diese ans Ziel führen sollen. In großen Call- bzw. Contactcenter-Lösungen ist eine IVR jedoch unumgänglich. Eine Vor-qualifizierung des Anrufers ermöglicht dem Anbieter, seine Anrufer bestmöglich zu routen und sich gege-benenfalls auf einen Rückruf vorzubereiten. In vielen Fällen definiert die Anzahl der IVR-Kanäle auch die Anzahl der Wartefelder. Wenn man heutzutage auf der Suche nach einer neuen Contactcenter-Lösung ist, ist dieser Punkt oft einer der – wirtschaftlich betrachtet – wichtigsten, nicht aber für Contactcenter-Anbieter aus der Cloud. Hier wird der Dienst bereitgestellt und aus-reichend dimensioniert und ist im Portpreis enthalten.

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LDT – die Messlatte für Ehrgeizige

LDT steht für Longest Delay Time und beschreibt einen Wert aus der ACD-Statistik, der anzeigt, wie lange ein Anrufer auf einen Agenten warten musste. Über Statis-tik lässt sich bekanntlich streiten. Am Ende des Tages führt jeder Betreiber einer Call- oder Contactcenter-Lösung eine Statistik über sein System. Schließlich will man ja wissen, was im eigenen System los ist und an welchen Stellschrauben man drehen muss, damit das beste Ergebnis erzielt werden kann. Die LDT ist ein gu-ter Indikator, um zu sehen, wie lange ein Anrufer sich innerhalb des Systems aufgehalten hat. Ein vorher defi-nierter Vergleichswert kann dann darüber Auskunft ge-ben, ob das Call- oder Contactcenter gut oder weniger gut funktioniert. Viele unserer Kunden nutzen das als einen von vielen Faktoren, um ihr Servicelevel zu defi-nieren. Auch eine Art Gamification2 oder Gratifikation setzen Unternehmen als einen Faktor aus der LDT fest. Ist der LDT gering, sind Kunde und Betreiber glücklich. Viel wichtiger als der eigentliche LDT-Wert ist es übri-gens, die Anrufer zu ermitteln, die innerhalb der LDT aufgelegt haben. Was hat sie dazu bewegt? Wie komme ich an die Informationen? Wie kann ich den Anrufer zurückrufen? Das sind Themen, die wir immer wieder mit den Kunden und Interessenten besprechen.

PEP – nützl iches N ice -to -Have

PEP hat in diesem Fall nichts mit dem aktuellen Trainer von Manchester City3 zu tun. Die PEP steht für Perso-nal-Einsatz-Planung. Sie ist ein wichtiger Bestandteil, um aus dem vorhanden Contactcenter-System die entscheidenden Informationen zu ziehen, mit denen Schichtpläne der Mitarbeiter sowie Urlaubsplanungen optimiert und alle Mitarbeiter bestmöglich eingesetzt werden können. In der Regel wird dieses Tool durch den Supervisor bzw. Teamleader verwaltet. Viele Con-tactcenter-Lösungen haben keine zu 100 Prozent eigene PEP aus dem System heraus. Sie nutzen daher zusätzli-che, ergänzende Lösungen, die Informationen aus dem Contactcenter-System heraus aufarbeiten. In vielen Un-ternehmen ist bereits seit Jahrzehnten eine eigene PEP im Einsatz. Dies resultiert aus bereits vorhandenen An-forderungen, das Personal entsprechend zu planen und zu steuern (z. B. Vertriebs- oder Servicesteuerung). Aus diesem Ansatz heraus entwickelt sich oft auch die An-forderung hin zum Contactcenter. So ist es nicht ver-wunderlich, dass dann Themen wie CTI, PEP und IVR zusammenhängend besprochen werden. Das Bestreben sollte sein, Vorhandenes zu nutzen und Mehrwerte an-zureichern, um das Bestmögliche für den Kunden und Anrufer zur Verfügung zu stellen.

3 Pep (Guardiola): Vollständiger Name: Josep Guardiola i Sala, seit der Sai-son 2016/17 Trainer der englischen Fußballmannschaft Manchester City.

2 Gamification: Ins Deutsche wörtlich als „Spielifizierung“ zu übersetzen, bedeutet dies den Einsatz spieltypischer Elemente (Fortschrittsbalken, Ranglisten etc.) zur Mitarbeitermotivation.

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TTS – der Vorleser

TTS-, also Text-to-Speech-Software scheint auf den ers-ten Blick ein enormes wirtschaftliches Potenzial zu ha-ben: Callcenter, die mit nur sehr wenigen Mitarbeitern betrieben werden, E-Mails, die mir im Auto vorgelesen werden, bevor ich im Büro ankomme, und vieles mehr. Ein Text-to-Speech-System wandelt nämlich einen ge-schriebenen Text in eine akustische Sprachausgabe um. In den meisten Anwendungsszenarien kommt TTS in Kombination mit der IVR innerhalb eines Call- oder Contactcenters zum Einsatz. Die IVR kombiniert da-bei TTS und vorher aufgezeichnete Audiosequenzen, damit der Anrufer bei der Kontaktaufnahme mit den automatisierten Systemen von Callcentern und Unter-nehmen eine natürlich klingende Konversation erlebt. Auch Menschen mit Sehbehinderungen nutzen TTS-Softwarelösungen, um sich Texte direkt am Bildschirm vorlesen zu lassen. Selbst in der Universität kommen TTS-Lösungen zum Einsatz. Dozenten nutzen die TTS-Software für die Aufzeichnung von Vorträgen. Viele Unternehmen sehen die vielfältigen Möglichkei-ten, scheuen sich jedoch, den Aufwand zu betreiben, ein erstklassiges System mit TTS aufzubauen. Einige Unternehmen rechnen mit einer durchschnittlichen Laufzeit von bis zu drei Jahren, bis das Sprachsystem mit TTS ihre Endkunden in der Qualität überzeugt und begeistert.

Thomas Neuendorf

Thomas Neuendorf (37) ist Sales Mana-ger (Region Nord) der WTG communica-tion GmbH. Nach den ersten Schritten Ende der Neunziger (1996/97) im Ver-trieb einer Im- und Export-Firma mit Sitz in Hamburg war ihm klar, dass das Bera-ten und Verkaufen zu seinen beruflichen Stärken zählt. „Damals wurde noch ton-nenweise TK Seafood verkauft“, erinnert er sich an diese Zeit. Erst mit Anfang der 2000er und Abschluss des Abiturs ging es direkt zu einem der größten Herstel-ler im Bereich UC- & CC-Lösungen – der heutigen Avaya GmbH & Co. KG. Nach dreijähriger Ausbildung zum Fachinfor-matiker/Systemintegration brachte ein Zufall ihn wieder zurück in den Vertrieb. Seit nun mehr als 3,5 Jahren berät, be-treut und löst er die Kunden- und Inte-ressentenanforderungen innerhalb der WTG. In seiner Freizeit ist er fußball-begeistert (St. Pauli) und verbringt die Zeit gerne mit der Familie und Freunden. Wenn es die Zeit zulässt, zählt die Nord-see zu seinen Lieblingszielen für einen Kurztrip.

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