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Einleitung Wie in anderen Gebäuden können auch in Kliniken und Pflegeeinrichtungen Probleme mit den klassischen Schädlingen wie Bettwanzen, Läusen, Flöhen oder Küchenschaben auftreten. In dieser Zeitschrift wurde dies bereits an anderer Stelle beschrieben [1]. Im vorliegenden Beitrag wird der Fokus auf den großen Bereich der oft pauschal als Lästlingezusammenge- fassten Organismen gelegt. Im Gegensatz zu den all- bekannten Parasiten und Schädlingen treten sie im Klinikalltag viel häufiger auf, werden aber viel weniger verstanden. Die Neigung weil es ja nicht die bekann- ten Übeltäter sind ungewöhnliche Beobachtungen zu ignorieren oder nicht weiter zu verfolgen und abzuklä- ren, ist deshalb groß, und oft genug erledigt sich das Problem ja auch von alleine. Diese Haltung stellt sich trotzdem zuweilen als Fehler heraus. Zum einen sind manche der an sich harmlosen Beobachtungen ein Indikator für ein echtes Problem, zum anderen kann es sich bei den vermeintlich nur lästigen Ameisen oder Fliegen auch um wenig bekannte, aber echte Problem- organismen handeln. Nicht zuletzt ist es aber immer von Vorteil, Mitarbeitern oder Patienten Zusammen- hänge erklären zu können. Die Gesamtheit der in Gebäuden dauerhaft leben- den tierischen Mitbewohner wird häufig als Intra- domalfauna bezeichnet. Um die Relevanz eines gehäuften Auftretens oder auch nur eines auffälligen Einzelexemplars zu beurteilen, ist eine zuverlässige Bestimmung unerlässlich. Nur so kann über das Risikopotenzial entschieden werden und ggf. eine adäquate Bekämpfung in die Wege geleitet werden. Bei allen nach § 18 Infektionsschutzgesetz behördlich angeordneten Maßnahmen dürfen nur Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet werden, die in der im Bundesgesundheitsblatt vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlichten Liste genannt sind [2 4]. Diese Liste ist aber auch sonst hilfreich, denn alle dort genannten Mittel sind in ihrer Wirksamkeit bestätigt und hin- sichtlich ihrer Risiken bewertet worden. Hat man sich zu einer Bekämpfung entschlossen, so muss dies qualifiziert erfolgen, denn das Krankenhaus ist ein sehr sensibler Bereich. Zuweilen in Eigenregie durchgeführte Bekämpfungsversuche einzelner Mit- arbeiter, sei es mit sog. Hausmitteln oder mit selbst mitgebrachten Biozidprodukten, sind tabu. Ungebetene Gäste im Klinikalltag abseits der klassischen Schädlinge Armin Schuster Krankenhaushygiene up2date 8 ê 2013 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1326298 ê VNR 2760512013141212788 Im Gegensatz zu den klassischen Schädlingen mit gesundheitlichen Gefahren für den Menschen sind die sog. Lästlinge, v.a. zahlreiche Insektenarten, meist nur eben dies: lästig. Dennoch verunsichert auch deren Auftreten Patienten und Personal. Tipp für die Praxis Ungewöhnliche Beobachtungen, egal von wem sie kommen, sollten stets an eine zentrale Stelle weiter- geleitet werden, welche diese dann weiterverfolgt und nach Möglichkeit aufklärt. Hygienemaßnahmen 9 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.

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Einleitung

Wie in anderen Gebäuden können auch in Kliniken undPflegeeinrichtungen Probleme mit den klassischenSchädlingen wie Bettwanzen, Läusen, Flöhen oderKüchenschaben auftreten. In dieser Zeitschrift wurdedies bereits an anderer Stelle beschrieben [1].

Im vorliegenden Beitrag wird der Fokus auf den großenBereich der oft pauschal als „Lästlinge“ zusammenge-fassten Organismen gelegt. Im Gegensatz zu den all-bekannten Parasiten und Schädlingen treten sie imKlinikalltag viel häufiger auf, werden aber viel wenigerverstanden. Die Neigung –weil es ja nicht die bekann-ten Übeltäter sind–ungewöhnliche Beobachtungen zuignorieren oder nicht weiter zu verfolgen und abzuklä-ren, ist deshalb groß, und oft genug erledigt sich dasProblem ja auch von alleine. Diese Haltung stellt sichtrotzdem zuweilen als Fehler heraus. Zum einen sindmanche der an sich harmlosen Beobachtungen einIndikator für ein echtes Problem, zum anderen kannes sich bei den vermeintlich nur lästigen Ameisen oderFliegen auch umwenig bekannte, aber echte Problem-organismen handeln. Nicht zuletzt ist es aber immervon Vorteil, Mitarbeitern oder Patienten Zusammen-hänge erklären zu können.

Die Gesamtheit der in Gebäuden dauerhaft leben-

den tierischen Mitbewohner wird häufig als Intra-

domalfauna bezeichnet.

Um die Relevanz eines gehäuften Auftretens oder auchnur eines auffälligen Einzelexemplars zu beurteilen,ist eine zuverlässige Bestimmung unerlässlich. Nur sokann über das Risikopotenzial entschiedenwerden undggf. eine adäquate Bekämpfung in die Wege geleitetwerden. Bei allen nach §18 Infektionsschutzgesetzbehördlich angeordneten Maßnahmen dürfen nurSchädlingsbekämpfungsmittel verwendet werden, diein der im Bundesgesundheitsblatt vom Bundesamt fürVerbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)veröffentlichten Liste genannt sind [2–4]. Diese Listeist aber auch sonst hilfreich, denn alle dort genanntenMittel sind in ihrer Wirksamkeit bestätigt und hin-sichtlich ihrer Risiken bewertet worden.

Hat man sich zu einer Bekämpfung entschlossen, somuss dies qualifiziert erfolgen, denn das Krankenhausist ein sehr sensibler Bereich. Zuweilen in Eigenregiedurchgeführte Bekämpfungsversuche einzelner Mit-arbeiter, sei es mit sog. Hausmitteln oder mit selbstmitgebrachten Biozidprodukten, sind tabu.

Ungebetene Gäste im Klinikalltag – abseitsder klassischen SchädlingeArmin Schuster

Krankenhaushygiene up2date 8 ê2013 êDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1326298 êVNR 2760512013141212788

Im Gegensatz zu den klassischen Schädlingen mit gesundheitlichen Gefahren für denMenschen sind die sog. „Lästlinge“, v. a. zahlreiche Insektenarten, meist nur eben dies:lästig. Dennoch verunsichert auch deren Auftreten Patienten und Personal.

Tipp für die Praxis

Ungewöhnliche Beobachtungen, egal von wem sie

kommen, sollten stets an eine zentrale Stelle weiter-

geleitet werden, welche diese dann weiterverfolgt

und nach Möglichkeit aufklärt.

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In den letzten Jahren sind zu den bereits lange bekann-ten Problemauslösern viele neue Arten hinzugekom-men, was sowohl die Klimaerwärmung widerspiegeltals auch den zunehmend globalen Transport vonWaren. Die Ausbreitung erfolgt dabei häufig überGroßstädte, besonders im Zusammenhang mit großenFlughäfen, Hafenanlagen, Autobahnen oder Güter-bahnlinien.

Die Klimaerwärmung und der globale Güterverkehr

begünstigen die Ausbreitung invasiver Arten (Defi-

nition s. u.).

Die im Folgenden genannten Beispiele erheben keinenAnspruch auf Vollständigkeit, entweder sind esErfahrungen aus dem Universitätsklinikum Freiburgoder Erfahrungen externer Kliniken.

Warum sind gerade Klinikeneher gefährdet?

Trotz umfangreicher baulich-konstruktiver Vorsorge-maßnahmen zum Schutz der Patienten und trotz allerReinigungs- und Hygienepläne sind in Kliniken regel-mäßig unerwünschte tierische Bewohner oder Ein-dringlinge zu beobachten–und dies häufiger, als es dieMitarbeiter von ihrem Privatbereich her kennen. Klini-ken sind eher gefährdet, da sie den unerwünschtenGästen bessere Voraussetzungen bieten, insbesondere█ Wärme,█ Wasser,█ Nahrung und█ Versteckmöglichkeiten.

Wärme. Zunächst haben Klinikgebäude über das ganzeJahr hinweg ein hohes Wärmeangebot. Genannt seienReinigungs- und Desinfektionsautomaten, Hausdampf-leitungen, praktisch ganztägig genutzte Warmwasser-installationen und die umfangreich installierte Haus-technik. Auch jedes nur im Standby betriebene Gerätverbraucht Strom und bietet dadurch Wärme. Vieleausgesprochene Schädlinge wie die Küchenschabe(Blatta orientalis) oder die Deutsche Schabe (Blattellagermanica) sind sehr wärmebedürftig, da sie ihr Her-kunftsgebiet in tropischen Ländern haben. Deshalbgehören Krankenhäuser, genauso wie etwa Gastwirt-schaften oder Bäckereien zu den regelmäßig durchSchaben gefährdeten Einrichtungen, ganz im Gegen-satz zu typischen Privatwohnungen.

Die hohe Verfügbarkeit von Umgebungswärme

macht Krankenhäuser anfällig für die Besiedlung

durch bestimmte Insektenarten, z. B. Schaben.

Wasser und Nahrung. Durch die vielfache Benutzungvon Waschbecken, Toiletten, Duschen oder auchmaschinellen Reinigungsgeräten ist in der Regel auchein ausreichendes Wasserangebot grundsätzlich vor-handen. Nahrung bieten auch die in allen Abwasser-installationenwachsenden Biofilme. Trotz häufiger undgründlicher Reinigung tragen zum Nahrungsangebotauch die Patientenverpflegung, die Personalküchenoder vernachlässigte Mitarbeiterspinde bei.

Versteckmöglichkeiten. Aus Schädlingssicht ganz her-vorragend ausgebaut sind die vorhandenen Versteck-und Ausbreitungsmöglichkeiten: abgehängte Decken,Schächte für Wasser, Abwasser, Hausdampf oder zen-trale Kälte, Strom- und Datenkabel, medizinische Gase,Raumlufttechnik, Druckluft, Vakuum, Rohrpost, Perso-nen- und Materialaufzüge. Je nach Klinikbereich sinddiese Nischen unterschiedlich, aber stets vielfach vor-handen.

Weiterhin ist der Krankenhausbetrieb durch einenaußergewöhnlich intensiven Zustrom von Personenund Warenlieferungen gekennzeichnet: Patienten undBesucher sowie deren Mitbringsel, aus dem Urlaubzurückkehrende Mitarbeiter, auf dem globalen Markterzeugte Medizinprodukte oder die Speisenversorgungbieten reichlich Möglichkeiten für das Einschleppenneuer und manchmal exotischer Arten.

Ein besonderer Aspekt hinsichtlich des nächtlichenAnlockens von unerwünschten Zufallsgästen ist, dassviele Klinikbereiche auch nachts durchgehend be-leuchtet und genutzt sind, was das Öffnen von Fensternund Türen mit sich bringt. So wie das Licht jeder Stra-ßenlaterne nachtaktive Insekten in Massen anzieht,geschieht dies auch durch beleuchtete Fenster von Ein-

Invasive Arten

Kommen eingeschleppte Pflanzen oder Tiere zur Ver-

mehrung und Ausbreitung, so spricht man von invasi-

ven Arten. Diese sind zwar meist eher ein Problem für

Naturräume, Landwirtschaft oder das Stadtgrün. Zu

den über 11000 invasiven Arten, die im Rahmen eines

3-jährigen Projektes in Europa identifiziert wurden

[5], gehören aber auch einige, die in Gebäuden pro-

blematisch sein können.

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gangsbereichen, Treppenhäusern, Stationsfluren undStützpunktzimmern, aber auch durch Intensivstatio-nen oder OP-Abteilungen. Auch dort sind oftmalsFenster oder Außentüren leicht zu öffnen –was z.B.manchmal für die schnelle nächtliche Zigarette oderden Kaffee auf dem Fluchtbalkon missbraucht wird.

Insbesondere nachts locken hell erleuchtete offene

Fenster und Türen zahlreiche Fluginsekten in die

Gebäude.

Das Auftreten von Überwinterungs- oder Zufallsgästenaus dem Außenbereich wird durch die im Klinikumfeldmeist möglichst großzügig angelegten Wiesen- oderParkflächen gefördert. Im Gebäudeinneren könnenTopfpflanzen und ihre Substrate die Quelle unlieb-samer Überraschungen sein.

Obwohl beim Auftreten von entsprechenden Tieren oftdie Zuluftöffnungen der Raumlufttechnik (RLT) ver-dächtigt werden, können diese in der Regel ausge-schlossen werden, denn der direkte Zugang ist durchmindestens 2 Filterstufen versperrt. Tatsächlich sam-meln sich aber im Bereich der Außenluftansaugung vorder ersten Filterstufe große Mengen von toten Insektenan. Diese Anlagenbereiche müssen regelmäßig gerei-nigt werden.

Überwinterungsgäste

Gar nicht selten dringen in Kliniken Insekten ein, die imHerbst einen trockenen und geschützten Überwinte-rungsplatz suchen. Sie finden sich zur Zeit der erstenkalten Nächte über offenstehende Fenster im Ge-bäudeinneren ein. Andere Zugangsmöglichkeitenkönnen offene Verbindungen zwischen Innen- undAußenjalousie oder auch Fensterdichtungen sein, inderen Falzung sich die Tiere ansammeln. Das Erschei-nen von Überwinterungsgästen ist von Jahr zu Jahrunterschiedlich und kann auch invasionsartige Ausma-ße annehmen. Das Gebäudeklima ist dann letztlich vielzu warm und zu trocken, sodass die Tiere dort typi-scherweise innerhalb weniger Tage sterben. Das trifftfür sehr viele der hier beschriebenen Tiere zu und hat –obwohl vielfach angenommen–nichts mit einerschlechten Raumluftqualität oder gar Giftstoffen zutun.

Bei sehr hoher Anzahl oder in sensiblen Bereichen kannes erforderlich sein, diese Tiere zu bekämpfen oder zuentfernen, z.B. mit Hilfe eines Staubsaugers (Fugen-düse). Besser ist es, bereits im Vorfeld zu reagieren und

z.B. bereits beim Auftreten der ersten Exemplarebetroffene Fenster geschlossen zu halten.

Asiatischer Marienkäfer(Harmonia axyridis)

Der Asiatische Marienkäfer wurde zur biologischenSchädlingsbekämpfung eingeführt. Ausgehend vonBelgien (2001) trat er 2002, nun freilebend, erstmalsauch in Deutschland auf und kommt hier mittlerweileüberall und häufig vor. Er ist sehr farbvariabel; typischist die schwarze Zeichnung auf demweißen Halsschild,je nach Betrachtungsweise in Form eines großen Moder W (Abb.1). Oft kommt es zur Sammlung vielerTiere in Gebäudewinkeln. Gesundheitliche Bedeutungkann die bei Beunruhigung abgesonderte Verteidi-

Tipp für die Praxis█ Ein sparsamer Umgang mit

Energie und sofortige Reparatur

defekter Wasser- oder Abwasser-

installationen entzieht auch

vielen Schädlingen wichtige

Lebensgrundlagen.█ Alle Bereiche, in denen mit

Lebensmitteln umgegangen

wird, sind sauber zu halten;

eine Lagerung sollte nur in dicht

schließenden Gefäßen statt-

finden.█ In Bereichen mit durchgehender

Nachtbeleuchtung sollten keine

Fenster und Türen offen gelassen

werden, ggf. sind Fliegengitter

anzubringen.

█ Im Umfeld von Intensivstationen

und OPs sind die Griffe von Fens-

tern und Türen zu entfernen oder

diese abzuschließen; Fluchtwege

sind durch Alarmeinrichtungen

zu sichern.█ Eine regelmäßige Wartung von

Sanitäreinrichtungen ist ange-

zeigt.█ Jeder auffälligen Beobachtung

von Insekten und anderen Tieren

ist nachzugehen und die Bestim-

mung zu veranlassen. Mögliche

Schadwirkungen sollten abge-

schätzt, Ursachen abgeklärt und

Maßnahmen geprüft werden.

Abb.1 Sich ent-wickelnde Über-winterungsgemein-schaft des Asiati-schen Marienkäfersin einer Fenster-ecke.

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gungsflüssigkeit haben. Aufgrund der Reizwirkungsollte insbesondere Schleimhautkontakt (Augen)unterbleiben.

Gemeine Wurmfliege (Pollenia rudis)

Diese Fliege gehört zur Familie der Schmeißfliegen, hatfür den Menschen aber zunächst keine hygienischeBedeutung, denn sie ist ein Parasit von Regenwürmernund tritt im Zusammenhang mit Rasenflächen auf. Aufden ersten Blick kann sie mit einer Stubenfliege ver-wechselt werden, doch auch ohne nähere Bestim-mungskenntnisse ist sie leicht durch ihre einmaligegoldfarbene Thoraxbehaarung identifizierbar (Abb.2).Zuweilen ist die Behaarung schon sehr abgewetzt, stetsaber zumindest in Resten erhalten.

Charakteristisch für die Wurmfliege ist die goldfar-

bene Thoraxbehaarung.

Im Herbst kann sich eine große Anzahl in Gebäudenansammeln, der englische Trivialname „Cluster Fly“beschreibt dies gut. In Gebäuden suchen sie gerne dasLicht auf, typischerweise sind dann tote Tiere auch inden Gehäusen von Leuchtstoffröhren sichtbar.

Ein Auftreten von Wurmfliegen in Kliniken konntehäufiger gefundenwerden. Die Umstände können auchsehr ungewöhnlich sein, in einem Fall traten Wurm-fliegen in einem auf der 12.Etage gelegenen OP auf. DieTiere gelangten über jeweils nur kurz geöffnete Türen(untersagtes nächtliches Rauchen auf dem Fluchtbal-kon) in den sensiblen Bereich, denn sie saßen zumÜberwintern im Falz der Türdichtungen. Von dort ausfolgten sie dem Licht bis in den OP.

Zu einem sekundären Problem kann es werden, wennsehr viele Wurmfliegen von der gewählten Überwinte-rungsstelle nicht mehr nach außen finden und dietoten Tiere weiteren Insekten zur Entwicklung dienen,z.B. Schmeißfliegen, die auch für eine Myiasis in Fragekommen (v.a. die Gattung Lucilia). Abbildung 3 zeigteine Insektenprobe aus einer OP-Decke, dort lagenausschließlich tote Wurmfliegen und AsiatischeMarienkäfer. Die Tiere waren über die Kabelführungder Außenjalousie bis in den Bereich hinter der Revi-sionsklappe gelangt und dort verhungert.

Halmfliege (Thaumatomyia notata)

Diese nur rund 2mm große gelbglänzende Fliege kannim Herbst und teilweise auch im Frühjahr in spektaku-lär hoher Anzahl in Gebäude einfliegen. Die Larvenernähren sich von Graswurzeln befallenden Blasenläu-sen, können also aus Wiesen- oder Rasenflächen vonKliniken stammen. Eine weitere hygienische Bedeu-tung besteht nicht. Charakteristisches Merkmal sind 3schwarze Längsstreifen auf dem Thoraxrücken (Abb.4).

Nordamerikanische Zapfenwanze(Leptoglossus occidentalis)

Diese unglaublich erfolgreiche invasive Art ist erstmals2006 in Deutschland gefunden worden und kommtnun flächendeckend vor. In Freiburg gehen jedenHerbst aus allen Klinikbereichen Fundmeldungen ein,denn es handelt sich um ein sehr auffälliges und statt-liches Insekt mit rund 2cm Körperlänge. Durch die

Abb.3 Ansammlung von Wurmfliegen und Asiatischen Marienkäfern; Probe erhalten auseinem OP-Bereich im Umfeld einer Kabeldurchführung.

Abb.2 GemeineWurmfliege mittypisch goldfarbe-ner, bereits teil-weise abgewetzterThoraxbehaarung.

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verbreiterten Hinterschienen ist es unverkennbar. EineBesonderheit ist die Fähigkeit des Tieres zur Wärme-ortung mittels Infrarot-Rezeptoren, die dabei helfenmag, gekippte Fenster gezielt anzufliegen. Man kanndie sich langsam bewegenden Tiere, meist sind es Ein-zelexemplare, leicht sicherstellen und wieder hinaus-befördern. Der dabei abgesonderte Wehrgeruch riechteher angenehm und apfelartig-fruchtig.

Cave: Ähnlich im Körperbau sind Raubwanzen, die

v. a. im Sommer durch nächtliche Beleuchtung ins

Gebäudeinnere gelangen. Diese können den Men-

schen schmerzhaft stechen.

Überwechsler

Eine Reihe von Organismen gelangt nicht bei der eherweiträumigen Suche nach einemWinterquartier inGebäude, sondern im Rahmen von Massenentwicklun-gen, oft im Zusammenhang mit direkt benachbartenWirtspflanzen, zumeist sind dies Bäume. Hier gibt essehr viele Möglichkeiten, von denen hier 4 Beispielegezeigt werden.

Vorbeugende Schutzmöglichkeiten bestehen gene-

rell im Schließen von Fenstern und im Anbringen

von Insektengittern.

Gelegentlich kommt es in Erdgeschoss- und Kellerbe-reichen auch zum Eindringen von Kellerasseln (dieskann auch ein Hinweis auf ein Feuchteproblem sein),Hundert- oder Tausendfüßlern oder von sich unterRasenflächen entwickelnden Schmetterlingsraupen(z.B. von Eulenfaltern). In diesen Fällen liegt meist eineungenügende Abdichtung dort vorhandener Außen-türen vor.

Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus)

Diese hübsche Wanze lebt von Baumsamen (v.a. Lindeund Robinie) und kann sich besonders an alten Bäumenstark vermehren. Typischerweise sieht man dortganze Wanzenscharen auf der besonnten Rinde sitzen(Abb.6). Stehen diese Bäume nahe an Gebäuden, solaufen sie auch die Außenwände hoch und dringen bisins Innere vor. Die Abbildung zeigt mehrere Entwick-

Tipp für die Praxis

Wegen der Verwechslungsmöglichkeit mit Raubwan-

zen und wegen des oft widerlichen Geruchs sollte

man Wanzen grundsätzlich nie mit der Hand fangen.

Abb.5 Nordamerikanische Zapfenwanze.

Abb.4 Halmfliege (Thaumatomyia notata) mit charakteristischenThoraxstreifen.

Abb.6 Feuerwanzen an Baumrinde.

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lungsstadien, da Wanzen zu denjenigen Insekten gehö-ren, die sich nicht durch eine einzige Verpuppung vonder Larve zum erwachsenen Insekt entwickeln.

Malvenwanze (Oxycarenus lavaterae)

Trotz des Namens werden von dieser Wanze v.a. Lin-denbäume massiv besiedelt; ganze Rindenpartienkönnen durchWanzengesellschaften abgedeckt sein(Abb.7). Die Tiere verirren sich dann regelmäßig inbenachbarte Gebäude. Über Basel (2004) erfolgte dieAusbreitung dieser ursprünglich südeuropäischenWanze nördlich der Alpen. Auf dem Freiburger Klini-kumsgelände waren erstmals im Sommer 2006 Lin-denbäume und ein angrenzendes Institutsgebäudebetroffen. Das Tier erzeugt bei Beunruhigung einenstarken Abwehrgestank, ist medizinisch betrachtetaber harmlos.

Platanenwanze (Arocatus longiceps)

Die ursprünglich nur südosteuropäische Platanen-wanze ist mittlerweile wohl deutschlandweit verbrei-tet (Abb.8); sie ist 1997 erstmals in Baden-Württem-berg und Rheinland-Pfalz entdeckt worden. Vom auchin Grünanlagen von Kliniken sehr beliebtenWirtsbaumkönnen bereits im Sommer Tiere z.B. in Patientenzim-mer einfliegen und veranlassen dann Beschwerdenwegen des Abwehrgestanks. Diese Wanze kann eben-falls in größerer Anzahl auf der Suche nach einer Über-winterungsmöglichkeit eindringen, zumeist überwin-tert die Population aber unter der Baumrinde.

Neuerdings ist örtlich auch die nahe verwandteUlmenwanze (Arocatus melanocephalus) durch Mas-senvermehrung und Gebäudeinvasionen unangenehmaufgefallen, Ulmen sind jedoch eher seltene Parkbäu-me.

Kastanien-Miniermotte(Cameraria ohridella)

Als invasive Art hat sich dieser nur etwa 5mm langeKleinschmetterling europaweit und in Deutschland inden 1990er-Jahren ausgebreitet (Abb.9). Er fliegt inmehreren Generationen zwischen Mai und Septemberaus. Die Wirtspflanze ist die Weißblühende Rosskasta-nie, ein sehr beliebter Parkbaum. Stehen befallene Bäu-me z.B. benachbart zu nachts beleuchteten Stations-bereichen, können die Falter in größerer Anzahl durchgeöffnete Fenster angelockt werden, so wie in einemFall, der vom Pflegedienst als „Fliegeninvasion“ gemel-det wurde.

Abb.7 Malvenwanzenkolonie an einer Linde.

Abb.8 Platanen-wanze.

Abb.9 Kastanien-Miniermotte aufder Rinde desWirtsbaumes.

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Als vorbeugende Maßnahme hat sich das konse-

quente Einsammeln und Vernichten des abgefalle-

nen Laubes bewährt.

Mauermilbe (Balaustium murorum)

Diese Milbe erreicht maximal 0,9mm Körperlänge. Aufbesonnten und von Flechten bewachsenen Flächenkommt sie zahlreich und verbreitet vor, etwa aufAußenwänden, Flachdächern oder Terrassen. In gewis-sen Jahren kann im Frühsommer eine größere Anzahlplötzlich in Innenräume vordringen. Gemessen an derHäufigkeit dieser Tiere sind dies Ausnahmefälle, ausdem gleichen Grund sind es aber keine Seltenheiten.

Sind Patientenzimmer betroffen, können die zerdrück-tenMilben auf Bettlaken beunruhigende rote Fleckenhinterlassen. Es handelt sich dabei aber nicht um zuvorgesaugtes Blut–dieseMilben fressenFlechten–sondernumdas rote Schutzpigment dieserMilben (Abb.10).

Zwei japanische Publikationen über Dermatitisfälle beiPatienten sind sehr alleinstehend und werden deshalbals fraglich angesehen. Trotzdem sind die auftretendenInvasionen sehr beunruhigend, die Milben laufenüberall herum und können in kleinste Ritzen eindrin-gen, in Büros gelangen sie etwa hinter die Folie vonFlachbildschirmen und in diagnostischen oder For-schungslabors in Apparaturen und Gefäße. Die Tiereüberwinden auch geschlossene (ältere) Fenster.

Auch ohne Bekämpfung endet der „Spuk“ innerhalb

von 1–2 Wochen.

Nach eigenen Beobachtungen an eingefangenen Exem-plaren sterben die kleineren Nymphen bereits nachetwa 3 Tagen an Nahrungs- und Wassermangel undausgewachsene Tiere überleben 5–10 Tage.

Wespen

Lästig, z.B. durch Anfliegen von Lebensmitteln, werdennur 2 Arten:█ die Deutsche Wespe (Vespula germanica)█ die Gemeine Wespe (Vespula vulgaris)

Beides sind sog. Kurzkopfwespen; die Kiefer setzenohne Zwischenraum unter den Augen an. Die DeutscheWespe zeigt im Normalfall auf der Stirn 3 schwarzePunkte und die Gemeine Wespe eine durchgehendeankerförmige Zeichnung.

Beide Wespen legen ausschließlich versteckte Nest-bauten an, z.B. unter Dachziegeln oder in Rollladen-kästen. Liegen dort Patientenzimmer oder Büroräume,so entwickeln sich mit zunehmender Volkstärke oftuntragbare Situationen, in denen auch sehr viele Tierein Innenräume geraten können. Die Abb.11 zeigt eineKönigin der Gemeinen Wespe, die sich auf der Suchenach einer versteckten Nistmöglichkeit ins Gebäude-innere verirrt hatte. Freihängende Wespennester wer-den nur von nicht belästigenden Langkopfwespen odervon Feldwespen gebaut.

Cave: Für Allergiker besteht bei Wespenstichen

Lebensgefahr.

Tipp für die Praxis

Hilfreich ist, bereits im März oder April, wenn die

Königinnen mit der Staatsgründung begonnen

haben, auf Wespeneinflug zu reagieren und ggf.

Fachfirmen zu beauftragen, bevor die Nester mehrere

tausend Individuen beherbergen.

Abb.11 Ende Märzzur StaatsgründungeingedrungeneKönigin der Gemei-nen Wespe.

Abb.10 Mauer-milbe (Balaustiummurorum), imAußenbereich anFlechten fressend.

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Eintagsfliege Cloeon dipterum

Diese Eintagsfliege kann sich sogar in kleinen Pfützenentwickeln, z.B. auch in Dachabläufen (Abb.12). ZurVerpuppung wandern sie oft an Zimmerdecken. Auseinem vor einem Freiburger Klinikgebäude gelegenenZierbecken entwickeln sich in manchen Jahren sehrviele Tiere, welche dann über die Fassade über mehrereEtagen hinweg auch in Patientenzimmer klettern (bisin das 5.OG) und dort ausfliegen. Dieses spektakulärePhänomen ist völlig harmlos, schnell vorbei und wirdauch von den entsprechend informierten Patientennicht übel genommen.

Zufallsgäste oder Irrgäste

Als Zufallsgäste oder Irrgäste werden hier Tierebezeichnet, die nicht aus dem unmittelbaren Nahbe-reich ins Gebäudeinnere überwechseln, sondern vonüberall her zufliegen können, insbesondere nachts.Hier kommen naturgemäß sehr viele Arten aus denverschiedensten Tiergruppen infrage, v.a. diverseMücken, Fliegen, Käfer oder Schmetterlinge, es könnenaber auch Fledermäuse sein.

Bei manchen dieser Irrgäste kann eine gesundheitlicheBedeutung bestehen, erwähnt seien Stechmücken oderauch nachts jagende Hornissen. Für diesen Beitragwurden 3 Insektenarten exemplarisch ausgewählt.

Cave: Bei einem Fledermausbiss besteht lebensge-

fährliches Tollwutrisiko, und eine rasche ärztliche

Behandlung ist zwingend erforderlich.

Bernsteinschabe (Ectobius vittiventris)

In Deutschland gibt es einige heimische Waldschaben(Gattung Ectobius), die sich aber nur selten in Gebäudeverirren. Von der Schweiz aus hat sich über Südwest-deutschland etwa seit dem Jahr 2000 die Bernstein-schabe stark ausgebreitet (Abb.13). Das derzeitige Ver-breitungsgebiet kann nicht angegeben werden. Wodiese 9–15mm lange Schabe vorkommt, kann sie inden Sommermonaten ausgesprochen häufig in Gebäu-de einfliegen, v.a. nachts, angezogen von der Beleuch-tung. Am Universitätsklinikum Freiburg ist es das Tier,welches mit Abstand die häufigsten Nachfragen verur-sacht. Dieses Insekt ist zwar eine echte Schabe, jedochkein Schädling.

In Gebäuden kann die Bernsteinschabe nur wenige

Tage überleben, eine Bekämpfung ist nicht erfor-

derlich.

Tipp für die Praxis

Verirrte Fledermäuse sollten nicht selbst eingefangen

werden (je nach Ort hilft z. B. die Feuerwehr).

Abb.12 Cloeon dipterum.

Abb.13 Bernsteinschabe.

Tipp für die Praxis

Da sich im Nahbereich alle Wespen

aggressiv verhalten, kann es aus

Sicherheitsgründen sinnvoll sein,

auf die Nester hinzuweisen (Sper-

rung der Umgebung) oder diese

umzusiedeln. Dies gilt ebenfalls für

die geschützte Hornisse–übrigens

ein außerhalb des Nestbereiches

ausgesprochen friedliches Tier.

Das Umsiedeln wird von entspre-

chenden Fachfirmen übernom-

men. Alle Wespen sind ungemein

nützliche Tiere.

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Interessant ist, dass die Bernsteinschabe für Laien aufden ersten Blick der Deutschen Schabe (Blattella ger-manica) stark ähnelt. Der Bernsteinschabe fehlen aberdie dunkle Streifung auf dem Brustschild und diedurchgehende Bedornung beider Unterkanten der Mit-tel- und Hinterschenkel, und sie fliegt gut und bereit-willig.

Florfliegen (Chrysopidae)

Die allgemein bekannten Florfliegen sind Netzflüglerund zählen zu den häufigsten durch nächtliche Zim-merbeleuchtung angelockten Insekten (Abb.14). Siesind hygienisch ohne Bedeutung, zeigen aber immeran, dass Fenster verschlossen oder mit Fliegengitternversehen werden sollten.

Gammaeule (Autographa gamma)

Ein ebenfalls regelmäßig durch nächtliche Beleuchtungin Kliniken gelocktes Insekt ist die Gammaeule, einwandernder Nachtschmetterling. Typischerweise siehtman z.B. in Treppenhäusern tote Exemplare auf denFensterbrettern liegen (Abb.15). Die Gammaeule er-kennt man sofort durch die weiße Zeichnung in Formdes namengebenden griechischen Buchstabens. Wiebei der Florfliege sind die Tiere ein Hinweis auf dasnotwendige Einschränken von Zuflugsmöglichkeiten.

Problemanzeiger

Viele der sich in Kliniken entwickelnden Tiere zeigendurch ihr Vorkommen indirekt ein im Haus vorhande-nes Problem an. Dies können z.B. sein:█ defekte Abwasserinstallationen█ auftretende Feuchte mit Schimmelrisiko█ versteckte Tierkadaver█ ein problematischer Umgang mit Lebensmitteln

Einige Beispiele im Folgenden verdeutlichen diesexemplarisch.

Schmetterlingsmücken (Psychodidae)

Die kleinen Zweiflügler fallen durch ihr dunkles und„behaartes“Aussehen und ihre breiten Flügel auf, diesie dachförmig oder flach ausgebreitet und Schmetter-lingen ähnlich vom Körper abstellen (Abb.16). Sie tre-ten gehäuft auf, wenn Abwasserabflüsse an Wasch-

becken oder Bodenabläufe bereits sehr mit einemBiofilm zugewachsen sind. Dort entwickeln sich ihreLarven. In sehr großen Mengen können ausfliegendeSchmetterlingsmücken die umgebenden Bereiche

Abb.16 Charakte-ristischer Habituseiner Schmetter-lingsmücke.

Abb.14 Florfliege.

Abb.15 Tote Gam-maeule auf Fenster-brett.

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bevölkern, wenn undichte Kanaldeckel oder trocken-gefallene Siphons stillgelegter oder selten benutzterAbläufe einen direkten Zugang zur Kanalisationermöglichen.

Die Larvenentwicklung der Schmetterlingsmücken

findet in biofilmüberzogenen Wasserabläufen

statt.

Einzelne Schmetterlingsmücken können sich in jedemAblauf entwickeln und sind dann ohne weitere Bedeu-tung. Ansonsten muss die Herkunft abgeklärt werden,Verschlussdeckel sind abzudichten, verschmutzteSiphons sind zu reinigen, unbenutzte zu verschließen.Neben bzw. statt Schmetterlingsmücken können in den

genannten Situationen auch Buckelfliegen (Phoridaes.u.), Dungmücken (Scatopsidae) oder kleine Dungflie-gen (Sphaeroceridae) auftreten.

Trauermücken (Sciaridae)

Eine lästige Massenvermehrung von winzig kleinenTrauermücken geht praktisch immer auf chronischübergossene Topfpflanzen zurück (Abb.17). Die Larvenleben in den von Staunässe betroffenen Wurzelballen.Oft tritt an der Topferde auch Schimmel auf. BetroffenePflanzen sollten in neue Erde umgesetzt oder entsorgtwerden.

Staunässe bei Zimmerpflanzen begünstigt das ver-

mehrte Auftreten der Trauermücke.

Auf diverse Schädlinge von Zimmerpflanzen, die eben-falls Innenräume bevölkern können, wird hier nichtweiter eingegangen. Erwähnt sei an dieser Stelle nureine aufsehenerregende Entwicklung von stattlichenBreitmaulrüsslern der Gattung Otiorhynchus, die ineiner mit frischen Grünpflanzen ansehnlich eingerich-teten poliklinischen Ambulanz auffällig geworden sind.Diese waren–ein bekanntes Phänomen–ein Mitbring-sel des verwendeten Pflanzsubstrates.

Silberfischchen (Lepisma saccharina) undStaubläuse (Psocoptera)

Die flügellosen Silberfischchen sind allgemein bekannt(Abb.18). Im Bereich von Nasszellen ist stets mit ein-zelnen Beobachtungen zu rechnen. Treten sie jedochhäufig auf, so ist dies ein klarer Hinweis auf ein Feuch-teproblem. In gleicher Weise wäre das vermehrte Auf-treten von Staubläusen (Psocoptera) zu bewerten. Indiesem Fall sollte stets die Ursache abgeklärt werden–an Pilzbefall ist zu denken. Weitere spezialisierte Pilz-fresser sind gewisse Käfer oder auch Milben.

Kupferrote Dörrobstmotte(Plodia interpunctella)

Musterbeispiel für Insekten, die im Bereich von Sta-tionsküchen, Sozialräumen oder Spindräumen imZusammenhang mit unsachgemäßer Lagerung vonLebensmitteln eine Rolle spielen können, ist die Dörr-obstmotte (Abb.20). Sie entwickelt sich auch im Kran-kenhausbereich zuverlässig dort, wo Lebensmittelfalsch (offen) und zu lange gelagert worden sind. Die

Abb.18 Silber-fischchen aufBodenfliese einerNasszelle.

Abb.19 StaublausDolopteryx domes-tica. Dieses aus demsüdlichen Afrika ein-geführte Insekt istflugfähig und tritttypischerweise innoch feuchten Neu-bauten auf; es führtcharakteristischekurze Sprünge aus.

Abb.17 Trauer-mücke.

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voll entwickelten Raupen kriechen umher und könnenoft an der Zimmerdecke gefunden werden, wo sie sichauch verpuppen. Bekämpfung der ausgeflogenen Falternützt wenig, sie haben sich längst fortgepflanzt undneue Eier gelegt. Dann helfen nur großzügiges Ausmis-ten und eine Reinigung.

Buckelfliegen (Phoridae)

Buckelfliegen sind meist sehr klein und weit verbreitet.Auch ohne vertiefte Kenntnisse sind sie schnell undsicher identifizierbar (Lupe vorausgesetzt), da sie kei-nerlei Querverbindungen in der Flügeladerung haben,d.h. es kommen nur Längsadern vor (Abb.21). Sehrtypisch ist auch ihre ruckartige Fortbewegung, bei derschnelle Laufphasen von abrupten Pausen unterbro-chen werden (anderer Name: Rennfliegen).

Buckelfliegen-Maden ernähren sich von Bakterien,welche die Fliegen über weite Distanzen wahrnehmenund zielsicher aufsuchen können. Legendär ist das Ver-mögen der Sargfliege (Conicera tibialis), Erdbestattun-gen selbst in 2 Meter Tiefe wahrnehmen und zur Ei-ablage dorthin vordringen zu können. Dies erklärt auchdas Vorkommen von Buckelfliegen z.B. im Zusammen-hangmit wartungsbedürftigen und oft übel riechendenSanitärinstallationen.

In einem im Souterrain gelegenen bakteriologischenKliniklabor sind sie nach Verlegung eines frischenRollrasens zum Problem geworden. Aus dem offenbarbakterienreichen Substrat haben sich reichlich Buckel-fliegen entwickelt, die ihre Eier auch unbemerkt imangrenzenden Labor abgelegt haben–an Agarplatten!Daraufhin haben Scharen von Fliegenmaden z.B.MRSA-Kulturen durchpflügt und verzehrt, und dieseanschließend, über die Labortische kriechend, zur Ver-puppung verlassen. Eine Ernährung von mikrobiologi-schen Kulturen zeigten übrigens in einem anderenLabor Argentinische Ameisen (s.u.), dort wurden ineinem Kühlschrank (!) aufbewahrte Salmonellen-kulturen aufgesucht.

Cave: Kritisch wird es, wenn die Buckelfliege Mega-

selia scalaris auftritt, die früher nur in den Tropen

verbreitet war und heute in Deutschland zu den

invasiven Arten zählt [5]. Sie ist ein Myiasis-Erreger.

In einem OP-/Intensivbereich einer deutschen Klinik, indem bevorzugt schlecht heilende und infizierte Wun-den (Bakterienquelle!) versorgt werden, hatte dieBuckelfliege Megaselia scalaris es geschafft, sich zuetablieren, mehrere sekundäre Myiasis-Fälle hervorzu-rufen und in größerer Anzahl auszuschwärmen. Abbil-dung 21 zeigt die Rückenansicht eines dort auf einemKlebefilm gefangenen Exemplars.

Schmeißfliegen

Bei einem gehäuften Vorkommen von Schmeißfliegenist immer von einem Zusammenhang mit sich zerset-zendem organischen Material auszugehen. Wie bei

Tipp für die Praxis

Ein Monitoring mit Pheromon-Klebefallen kann sinn-

voll sein, um den Befall durch die Dörrobstmotte zu

dokumentieren.

Tipp für die Praxis

Werden Buckelfliegen im Umfeld von OP-Abteilungen

oder Intensivstationen festgestellt, so ist dies inak-

zeptabel und muss aufgeklärt werden.

Abb.20 Dörrobst-motte (Plodia inter-punctella).

Abb.21 Die nur2,5–3mm langeBuckelfliege Mega-selia scalaris ist einmöglicher Myiasis-Erreger tropischerHerkunft, die sichdeutschlandweit alsinvasive Art ausge-breitet hat; in Klini-ken erfordert dieserhöhte Aufmerk-samkeit.

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allen Insekten ist die Dauer des gesamten Entwick-lungszyklus sehr stark von der Temperatur abhängig.Er beträgt aber auch unter warmen Optimalbedin-gungen mindestens 2–3 Wochen. Eine Herkunft ausAbfällen sollte im Krankenhausbereich normalerweiseausgeschlossen sein. Ursachen können jedoch oftschwer zu ortende Tierkadaver in Rollladenkästen,Zwischendecken, Installationsschächten usw. sein, z.B.von Vögeln, Mardern, Mäusen, Ratten oder von größe-ren Insektenansammlungen (s.o.). Solche Kadaverkönnen auch die Folge von Schädlingsbekämpfungensein, wie eine lesenswerte Publikation eindrucksvollzeigt, in der beschrieben wird, wie eine Kosteneinspa-rung bei der Hausreinigung gründlich misslingt undletztlich 2 Myiasisfälle bei Intensivpatienten zu verant-worten hat [8].

Tierkadaver an schwer zugänglichen Stellen im

oder am Haus liefern das Substrat für die Entwick-

lung von Schmeißfliegen.

Nicht immer sind es nur die ausgewachsenen Insekten,die auffällig werden (Abb.22). Manchmal kommt es zuinvasionsartigem Auftreten der Maden, die einen ab-seitigen Verpuppungsplatz aufsuchen. Hierbei könnenauch größere Entfernungen zurückgelegt und Engstel-len überwunden werden.

Zuweilen sind im Zusammenhang mit Tierkadavernganze Abfolgen (Sukzessionen) von Organismen zubeobachten. Nachdem in einem in einem Hochhausuntergebrachen OP zuerst Schmeißfliegen aufgetretenwaren (die Zusammenhänge konnten dort nie auf-geklärt werden, vermutet wurde eine tote Taube imFassadenbereich), traten nach einigen Wochen Massenvon winzigen Erzwespen auf, welche auf das Parasitie-ren von Fliegenpuppen spezialisiert sind.

Um den Zugang von Tieren zu verhindern, solltenKrankenhäuser auf eine gute Abdichtung von Fassaden,Dach- oder Technikgeschossen achten, dazu gehört ggf.auch das Anbringen von Taubennetzen.

Da auch Schmeißfliegen ganz hervorragende Sinnes-organe haben, ist es praktisch zwangsläufig, dass Artenwie Lucilia caesar, wenn sie in sensible Klinikbereichegelangen, Eier im Bereich von Wunden oder demNasen-/Rachenraum ablegen und eine Myiasis hervor-rufen; die schlüpfenden Maden dringen anschließendaktiv vor.

Holzameisen (Lasius)

Holzameisen der Gattung Lasius gehören zu den ein-heimischen Arten und sind keine Hygieneschädlingewie die übrigens stechfähige Pharaoameise (Monomo-rium pharaonis) oder die Argentinische Ameise (Line-pithema humile), die beide eher proteinreiche Sub-strate bevorzugen und deshalb z.B. auch eine Affinitätfür Wunden haben.

Die Holzameisen wurden hier in das Kapitel der Pro-blemanzeiger gestellt, da sie bei Nestanlagen in Höl-zern durch Feuchte und Pilzwachstum geschädigtesHolz bevorzugen. Nestanlagen erfolgen jedoch verbrei-tet auch außerhalb von Hölzern, und die Tiere kommenauf der Suche nach Nahrung und Wasser auch vomAußenbereich ins Gebäudeinnere.

Bei allen Ameisen gilt, dass nur eine Bekämpfung

mit Giftködern sachgerecht ist.

Bei der sachgerechten Bekämpfung nehmen die Arbei-terinnen das Gift aus den Ködern in ihren Darm auf undverfüttern es an die Königin und deren Brut. Nur dannist eine Tilgung möglich. Die erfolgreiche Bekämpfungsoll nicht alle sichtbaren Tiere so schnell wie möglichtöten, sondern diese für die Vergiftung des gesamtenAmeisenstaates benützen.

Tipp für die Praxis

Besonders hoch ist das Schmeißfliegen-Risiko bei be-

wegungsarmen, z. B. komatösen Intensivpatienten.

Fenster und Türen müssen dort strikt geschlossen

bleiben.

Abb.22 TypischeSchmeißfliege derGattung Lucilia.

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Die Harmlosen

In jedem Gebäude, und das gilt auch für Kliniken, gibtes typische und völlig harmlose Vertreter der Intrado-malfauna. Meist sind diese Tiere nur gelegentlich undin einzelnen Exemplaren zu beobachten. Ein Bekämp-fungsbedarf besteht nicht. Als Beispiel sei die kleineund unauffällige Speispinne (Scytodes thoracica)genannt, die keine Netze baut, sondern sich frei imGebäude bewegt (Abb.23). Auch in Krankenhäusernkann sie von aufmerksamen Beobachtern, zumeist anZimmerdecken, regelmäßig entdeckt werden.

Sicherstellen von Unter-suchungsmaterial undBestimmung

Für eine sichere Bestimmung sollten möglichst mehre-re Tiere eingesammelt werden. Die Bestimmung erfolgtanhand von anatomischen Merkmalen unter der Ver-wendung von Bestimmungsschlüsseln (z.B. [6, 7].Hierbei sind oft mikroskopische Feinheiten entschei-dend wie█ einzelne Borsten█ Schuppen█ Haare█ Flügeladerung

Für die Bestimmung ist es unerlässlich, dass die

Tiere weitgehend frei von Beschädigungen sind,

d. h. bei lebenden Tieren hilft einfaches Erschlagen

nicht weiter.

Fangen und Aufbewahren.Nützlich zum Einfangen sindbeispielsweise Gefäße. Die Tiere können vor Ort meistdurch 60–70%igen Alkohol oder Formalinlösungengetötet und konserviert werden. Händedesinfektions-mittel sind schlecht geeignet, da das enthaltene Rück-fettungsmittel sich auf den Oberflächen ablagert unddiese verklebt, ähnlich wirken Flächendesinfektions-mittel. Möglich ist auch Einfrieren. Frisch gefangeneTiere müssen auf jeden Fall konserviert werden, dadiese in geschlossenen Gefäßen rasch völlig verpilzen,was eine Untersuchung unmöglich macht. Die getöte-

ten Tiere können dann in (wenig) Konservierungsmittelin kleineren, dicht schließenden und zum sicherenTransport geeigneten Gefäßen zur Untersuchung ge-geben werden.

Plastiktütchen sind zur Aufbewahrung von Insek-

tenproben zur Bestimmung völlig ungeeignet.

Bereits seit längerem tote, völlig durchgetrocknete Tie-re können in diesem Zustand meist sehr gut bestimmtwerden. Sie sind aber sehr spröde und zerbrechen beikleinsten Berührungen. Sie können ohne Flüssigkeitmit großer Vorsicht in feste Gefäße überführt werden,z.B. mit Papierstreifen oder mit feinen Pinseln.

Klebefallen.Mit Klebefolien eingefangene Tiere könnenebenfalls meist gut bestimmt werden. Üblicherweisehandelt es sich um größere Kartons zur Bestückung vonUV-Fallen oder um Lockstoff-Fallen. Zum Verschickenkönnen die Kartons vorsichtig mit der Klebeschichtnach innen gerollt und am äußersten Rand zusam-mengeklebt werden. In jedem Fall müssen das völligeVerkleben und die Beschädigung der gefangenen Tiereverhindert werden. Zur Beurteilung sollten alle Klebe-fallen mit Aufstellungsort, Anfang und Ende der Expo-sition beschriftet sein.

Tipp für die Praxis

Bei einer Ameisenstraße weist die Laufrichtung der

Tiere mit dem durch Nahrung oder Wasser ange-

schwollenen Hinterleib immer Richtung Nest.

Tipp für die Praxis

Steht in der eigenen Einrichtung keine Expertise zur

Verfügung, kann man sich für die Bestimmung z. B. an

das Gesundheitsamt, zoologische Institute oder qua-

lifizierte gewerbliche Dienstleister wenden, zum Teil

sind die Bestimmungen kostenpflichtig.

Abb.23 Spei-spinne.

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Interessenskonflikt: Der Autor ist am Universitätsklini-kum Freiburg auch im Bereich Wohnmedizin des Insti-tuts für Umweltmedizin und Krankenhaushygienetätig. DieWohnmedizin führt kostenpflichtige Aufträgezur Aufklärung von Innenraumproblemen durch–dazukönnen auch Schädlingsprobleme von Krankenhäuserngehören.

Über den Autor

Armin Schuster

Dipl.-Biol. Jahrgang 1962. Nach sei-

nem Biologiestudium mit Hauptfach

Mikrobiologie war er zunächst kom-

munaler Umweltberater. Er ist seit

1993 am Institut für Umweltmedizin

und Krankenhaushygiene des Univer-

sitätsklinikums Freiburg tätig mit den

krankenhaushygienischen Schwerpunkten Reinigung,

Desinfektion, Textilien, Schädlinge und Raumlufttechnik.

Im Bereich Wohnmedizin untersucht er gesundheitsbe-

lastende Innenraumprobleme. Er ist Mitglied der Kom-

mission Umwelt und Nachhaltigkeit des Universitätsklini-

kums Freiburg.

Korrespondenzadresse

Dipl.-Biol. Armin Schuster

Universitätsklinikum Freiburg

Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene

Breisacher Straße 115b

D-79106 Freiburg i.Br.

E-Mail: [email protected]

Kernaussagen█ Neben den allgemein bekannten Parasi-

ten, Hygiene- oder Materialschädlingen

kann in Krankenhäusern eine Vielzahl

von Tieren auffällig werden, was in der

Regel für Verunsicherungen beim Perso-

nal und bei Patienten sorgt, aber nicht

weiter verfolgt wird.█ Kliniken sind besonderer Anziehungs-

punkt, da sie z. B. ein hohes Wärmean-

gebot liefern und viele Bereiche nachts

durchgehend beleuchtet und genutzt

sind.█ Oft handelt es sich bei den Beobachtun-

gen nur um Irrgäste aus dem Außenbe-

reich. Häufungen hängen meist mit der

Bepflanzung der umgebenden Grünan-

lagen zusammen oder mit der Aggrega-

tion von Überwinterungsgemeinschaf-

ten.

█ In einigen Fällen weisen auftretende

Tiere auf zu behebende bauliche Mängel

oder auf Nutzungsmängel hin und zu-

weilen besteht eine Patientengefähr-

dung.█ Zur Abklärung von ungewöhnlichen

Beobachtungen sollte ein fester

Ansprechpartner benannt sein.

Literatur

1 Mehlhorn H. Ungeziefer im Krankenhaus und Pflegeheim.

Nicht nur lästig, sondern auch gefährlich! Krankenh hyg

up2date 2010; 5: 9–22

2 BVL 2008. Bekanntmachung der geprüften und anerkannten

Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von tierischen Schäd-

lingen nach §18 Infektionsschutzgesetz. 15. Ausgabe, Stand

vom 20.06.2008. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch

– Gesundheitsschutz 2008; 51: 1220–1238

3 BLV 2010a. Bekanntmachung eines Nachtrags der geprüften

und anerkannten Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von

tierischen Schädlingen nach §18 Infektionsschutzgesetz.

Stand vom 13.07.2010. Bundesgesundheitsbl – Gesundheits-

forsch – Gesundheitsschutz 2010; 53: 1216–1220

4 BVL 2010b. Inoffizielle konsolidierte Liste der Infektions-

schutzmittel. Im Internet: http://www.bvl.bund.de/Shared-

Docs/Downloads/03_Bedarfsgegenstaende/schaedlingsbeka-

empfungsmittel/Infektionsschutzmittel_konsolididerteListe.

xls?__blob=publicationFile&v=1 Stand: Februar 2013

5 DAISIE (Delivering Alien Invasive Species Inventories for Euro-

pe). Online-Portal für Informationen zum Vorkommen und

Verbreitung invasiver Arten in Europa. Im Internet: http://

www.europe-aliens.org Stand: Februar 2013

6 Schaefer M Hrsg. Brohmer – Fauna von Deutschland (Bestim-

mungsbuch). 23: Aufl. Wiebelsheim: Quelle & Meyer; 2009

7 Weidner H, Sellenschlo U. Vorratsschädlinge und Hausunge-

ziefer: Bestimmungstabellen für Mitteleuropa. 7. Aufl. Hei-

delberg: Spektrum Akademischer Verlag; 2010

8 Beckendorf R, Klotz SA, Hinkle N et al. Nasal myiasis in an

intensive care unit linked to hospital-wide mouse infestation.

Arch Intern Med 2002; 162: 638–640

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CME-Fragen

█1Welches Insekt ist kein typischerÜberwinterungsgast?

A die Gemeine Wurmfliege

B die Feuerwanze

C der Asiatische Marienkäfer

D die Nordamerikanische Zapfenwanze

E die Halmfliege

█2Bei welchen Schädlingsbekämpfun-gen sind die vom Bundesamt fürVerbraucherschutz und Lebensmit-telsicherheit (BVL) gelisteten Mittel/Verfahren verpflichtend?

A bei allen Bekämpfungsmaßnahmen in Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens

B bei allen Bekämpfungsmaßnahmen, die nosokomiale Infektionen verhindern

C bei allen behördlich nach §18 IfSG angeordneten Schädlingsbekämpfungen

D bei allen Bekämpfungsmaßnahmen, die von gewerblichen Anbietern ausgeführt werden

E bei gar keinen, die vom BVL gelisteten Verfahren sind nur Empfehlungen ohne verpflichtendenCharakter

█3Welches Insekt kann eine Myiasiserzeugen?

A die Buckelfliege Megaselia scalaris

B die Halmfliege Thaumatomyia notata

C die Schmetterlingsmücke

D die Trauermücke

E die Schmeißfliege Pollenia rudis

█4Wie kommen Myiasis-Erreger inKliniken an Patienten zur Eiablage?

A Einzelne Fliegen legen ggf. Eier rein zufällig z.B. auf Wunden oder im Nasen-/Rachenraum ab.

B Ein Myiasis-Risiko besteht nur bei sehr hohem Fliegenaufkommen aufgrund unhygienischerBedingungen.

C Eine nosokomiale Myiasis wurde bislang nicht beschrieben, die Infestation erfolgt immeraußerhalb von Kliniken und fast nur in exotischen Ländern.

D Ein Risiko besteht nur bei Verbandwechsel, die Eiablage erfolgt nur in offene Wunden.

E Geeignete Ablagestellen werden ggf. auch von einer einzelnen Fliege durch hervorragendeSinnesleistungen geortet und gezielt aufgesucht.

█5Welche Aussage zur Unterscheidungvon Deutscher Schabe und Bern-steinschabe ist falsch?

A Die Bernsteinschabe kommt v.a. freilebend im Außenbereich vor.

B Dem Halsschild der Bernsteinschabe fehlen die dunklen Streifen.

C Die Unterschienen der Bernsteinschabe sind nicht durchgehend und zweireihig bedornt.

D Die Bernsteinschabe fliegt häufig und bereitwillig.

E Die Bernsteinschabe ist keine echte Schabe, schädliche Schaben sind immer dunkel pigmentiert.

█6Welcher Begriff kennzeichnet dieinnerhalb von Gebäuden dauerhaftlebensfähigen Tiere?

A Schädlinge

B nosokomiale Insekten

C Arthropodenfauna

D Intradomalfauna

E invasive Arten

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CME

CME-Fragen Ungebetene Gäste im Klinikalltag – abseits der klassischen Schädlinge

█7Wie viele invasive Arten (Pflanzenund Tiere) sind in Europa beschrie-ben worden?

A weniger als hundert

B nur einige hundert

C zwischen 1000 und 10000

D mehr als 10000

E mindestens 50000

█8Welches Insekt kann den Menschennicht stechen?

A Schmetterlingsmücken

B Langkopfwespen

C Kurzkopfwespen

D Raubwanzen

E Pharaoameisen

█9Welche Aussage trifft auf Vertreterder Wanzen niemals zu?

A Sie können als Überwinterungsgäste eindringen.

B Sie können einen widerlichen Geruch erzeugen.

C Sie können schmerzhaft stechen.

D Sie legen Eier auch in Wundbereiche ab.

E Sie sind blutsaugende Parasiten.

█10Welche Insekten weisen nicht aufProbleme in Sanitärbereichen hin?

A Mauermilben

B Buckelfliegen

C Dungmücken

D Dungfliegen

E Schmetterlingsmücken

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